Bei der LokaliCon (dem Treffen der Lokalen Community-Raeume von Wikipedia-Aktiven) letztes Wochenende konnte leider niemand vom Lokal K aus Koeln dabei sein, derweil ich wirklich seit Jahren fasziniert beobachte, was die alles machen. Das soll nicht heissen, dass die anderen Raeume nichts oder zu wenig taeten, nur um das klarzustellen – mit Drohnen– und Objektfotografie machen die Koelner*innen aber Dinge, die sehr gut mit meinen Interessen resonieren 🙂
Und ich bin damit nicht der einzige: Mindestens ein nicht genanntes ehemaliges Vorstandsmitglied des temporaerhaus e.V. hat sich bei einer vergangenen Beschaffungsrunde sehr fuer eine eigene Fotodrohne eingesetzt, wofuer ich ihm mittlerweile auch sehr dankbar bin und kaum abwarten kann, Bau- und Bodendenkmaeler in der Region abzulichten. Denn das ist die Idee hinter all dem: Gemeinschaftlich Bilder unter Freier Lizenz anzufertigen, die dann beispielsweise in der Wikipedia verwendet werden koennen – oder wo auch immer, solange die Lizenz eingehalten wird.
Die Koelner*innen dokumentieren derweil auch alle moeglichen technischen Geraete und zerlegen die dafuer sogar, was ich ganz witzig und auch wichtig finde: Viel zu oft landen Dinge einfach auf dem Schrott, wenn sie ihre Nuetzlichkeit verloren haben und oft faellt dann erst Jahre spaeter auf, dass es von bestimmten Artefakten entweder gar keine Fotos gibt oder keine unter Freier Lizenz. Ich war 2020 sehr haeufig damit beschaeftigt, eine jahrzehntelang aufgebaute und komplett unsortierte Technik-Sammlung mit loser Schrott-Beimischung aufzuloesen, wo zwischen buchstaeblichen Stapeln direkt entsorgbarer Allerweltsdinge wirkliche Seltenheiten lagen. Da sind immer noch Dinge dabei, die genau in solche Objektfotografiesessions passen wuerden.
Recht unvermittelt ergab sich jetzt die Gelegenheit, auch mal das mit der Objektfotografie selbst auszuprobieren. Bei irgendeinem Wikipedia-Rabbit-Hole bin ich auf den Artikel zum SCA-System gestossen, einem zuletzt nur noch vom Blitzgeraetehersteller Metz verwendeten Universal-Adaptersystem fuer Blitzgeraete. Der Artikel hatte keine Bebilderung – und weil ich Mitte der 2000er sehr auf den Strobist-Zug aufgesprungen war, liegen bei mir bis heute Metz-Blitze und diverse SCA-Adapter herum. Also machte ich mich gestern auf ins temporaerhaus und wollte eigentlich mit den 45er-CT-Blitzen und Blitzschirmen SCA-Adapter fotografieren – die dicken Blitze waren aber nun offenbar viel zu viele Jahre nur in Kisten herumgelegen und liessen sich nicht zur Arbeit ueberreden. Also wurden diese ersten Bilder mit einer Videoleuchte improvisiert beleuchtet und sehr wackelig mit der Panasonic-Kamera des Vereins fotografiert.
Das hat Lust auf Mehr gemacht! Erster Schritt war nun erst einmal, mich um meine alten Blitze zu kuemmern um herauszufinden, ob die sich fuer diese Zwecke wiederbeleben lassen. Ein 45er-Metz laedt und blitzt nun wieder, der andere laedt nur und loest nicht aus – aber ich habe ja noch den klassischen Strobist-Blitz SB-26 herumliegen. Und eine Hohlkehle wird sich auch schnell im Hausi improvisieren lassen. Dann bekommt mein ab 2006 angesammeltes Blitz-Zeug auch nochmal eine Nutzung, ohne dass man es nur vor der Verschrottung nochmal ablichten muss 🙂
Nebenbei spannend, ich sah eben erst, dass David Hobby 2021 Strobist.com nach 15 Jahren als Projekt beendet hat. Meine ersten Strobist-Style-Fotos sind vom Sommer 2006, d.h. ich muss das Blog innerhalb eines Vierteljahrs nach Entstehen entdeckt und haben und dem sofort verfallen sein, inklusive von mir angeleierter Sammelbestellung der damals in Europa nicht erhaeltlichen Westcott-Falt-Schirme mit diversen Fotojournos. Das Web war wohl kleiner damals. Interessant auch, dass viele der Fotos aus der damaligen Community jetzt etwas ueberholt und nach „typisch 2000er“ aussehen, so wie auch die damals total modernen Slides im ersten Presentation-Zen-Buch, frosted tips oder duenne Augenbrauen.
Die Videos des „Akkudoktor“ Andreas Schmitz rund um Klein-Photovoltaikanlagen sind in Teilen meines Bekanntenkreis lange Pflichtprogramm. Da nerdet sich jemand richtig tief ins Thema rein (und ist auch schon vom Fach), testet Geraete tiefer auf Herz und Nieren als so manchem Hersteller das lieb ist und macht das derweil, ohne dabei was verkaufen zu wollen – weil er an den damit verbundenen hoeheren Zielen interessiert ist.
Im oben eingebetteten Video teilt er gute und schlechte Erfahrungen im Umgang mit Herstellern und wie das normalerweise mit Influencern und Influencer-Agenturen so laeuft – und da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren, dass das in weiten Teilen auch Erwartungshaltung sowie Spannungsfeld zwischen zivilgesellschaftlichem Civic-Tech-Einsatz und Verwaltung – und insbesondere Smart City – widerspiegelt.
Als Gold-Standardfall nennt Schmitz, dass es nach einem von ihm gemeldeten Problem sofort eine Krisensitzung gab, die Entwicklungs-/Engineering-Abteilung einbezogen wurde, er offenbar auch direkten Draht dorthin bekam und er die naechsten Schritte dargelegt bekam, was nun zur Fehlerbehebung passieren wuerde. Das Negativbeispiel, das bei Influencermarketing normal sei: Man habe nur Kontakt zu einer Influenceragentur. Die hat gar keinen Durchgriff aufs Produkt und bezahlt einen im Zweifelsfall, dass man gefundene Probleme nicht an die grosse Glocke haengt und die Schnauze haelt.
Kommt bekannt vor? Mir schon. Mit dem spannenden Unterschied, dass es die Entwicklungs- und Engineering-Abteilung z.B. in der Smart City meist nie im eigenen Haus gibt. Und es dementsprechend diesen Feedback- und Lösungs-Cycle gar nicht geben kann. Weil quasi jeder Schmarrn von externen Dienstleistern entwickelt wird – die manchmal brauchbares Requirement Engineering vom oeffentlichen Auftraggeber bekommen. Meist aber nicht.
Bei mancher oeffentlichen Stelle wuerde ich mittlerweile aus der Erfahrung im Austausch mit den an der Sache interessierten zivilgesellschaftlichen Engineers (w/m/d) und der behoerdlich eingerichteten Digitalisierungsagentur mittlerweile auch sagen: Das ist mehr Influencer-Agentur denn an der langfristigen Entwicklung interessierte Einheit. Denn sie sind nicht nur von den zu entwickelnden Produkten und Infrastrukturen so weit weg wie die Influencer-Agentur. Sondern ihnen ist im schlimmsten Fall das langfristige ideelle Ziel weniger wichtig als die akute oeffentlichkeitswirksame Darstellung.
Vor dem Hintergrund bin ich gerade auch etwas professionell angepisst vom neuerlichen Vorstoss der Social Entrepreneurs von ProjectTogether, die heute ihr neues rework-Programm vorstellten, mit dem nun alles bei der Verwaltungsdigitalisierung besser werden soll. Nicht nur, dass mir das gesamte Social-Entrepreneur-Wesen von Grund auf unsympathisch ist – ich halte diese Verlagerung von Verantwortung in Startups fuer Teil des Problems, nicht der Loesung. Dazu kommt, dass die Truppe mir mit UpdateDeutschland noch enorm schlecht in Erinnerung ist. Nach dem Event gab es einen Austausch mit Aktiven des Netzwerks Code for Germany, bei dem in kurzer Zeit immer deutlicher wurde, dass der ganzen Veranstaltung kaum vorbereitende Recherche vorausgegangen war, was es bislang schon gab und was weswegen (nicht) funktioniert hatte.
Ich persoenlich haette schon gerne, dass das mit der Verwaltungsmodernisierung was wird. Wenn dann brauchen wir aber mehr Austausch wie den, den Andreas Schmitz beschreibt. Und in vielen Faellen muss dafuer erst einmal die Entwicklungs- und Engineering-Abteilung im Staat erst mal wieder internalisiert und als wichtig eingeordnet werden, anstatt das weiterhin auf Dienstleister auszulagern. Einfach nur dasselbe Silicon-Valley-Cosplay weiter nachzumachen, wird lediglich auch in Deutschland laengst (mehrfach) abgespielte Playbooks nochmal von vorne auffuehren. Dabei den naechsten Schwung ueberzeugter EnthusiastInnen in den Burnout schicken. Denjenigen, die daraus dann eine Buehne machen, hat das bislang selten geschadet. Ich wuerde aber gerne endlich mal wieder die Sache im Vordergrund sehen.
Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert. Erstens wegen des GovTech-Campus selbst, seiner Organisation als eingetragener Verein, in dem Unternehmen für mehrere tausend Euro Mitglied werden können, und der Tatsache, dass dort Ministerien und privatwirtschaftliche Dienstleister unter demselben Dach sitzen und „gemeinsam“ IT-Dienstleistungen entwickeln. Die Lage hebt das als positives Beispiel hervor. Zweitens, weil eher im Nebensatz erwähnt wird, dass es seit vielen Jahren auch eine aktive digitale Zivilgesellschaft in diesem Bereich gibt. Die ehrenamtliche Zivilgesellschaft hat im Konzept des GovTech-Campus aber gar keinen Raum, und wird in der Lage auch nur im Rahmen von Hackathons erwähnt, die an den Bedürfnissen vorbei entwickeln würden.
Derweil kann man argumentieren, dass die Situation, in der die öffentliche Hand bei ihren Digitalisierungsbestrebungen stets auf externe Dienstleister angewiesen ist und mit der Zivilgesellschaft allenfalls im Rahmen von Hackathons interagieren kann, eine Konsequenz des New Public Management ist. In diesem Denkmodell wird die Bevölkerung zu „Kund*innen“ des Staats, der sich – auch in genuinen Aufgaben der Daseinsvorsorge – wie ein Unternehmen verhalten soll. Das heißt zum Beispiel, dass Abteilungen sich untereinander ihre Leistungen in Rechnung stellen. Aber auch, dass Leistungen der öffentlichen Hand an Unternehmen oder eigene Gesellschaften ausgelagert werden. Ein Engagement außerhalb dieser Wirtschaftslogik ist gar nicht vorgesehen – das heißt, die umfangreiche praktische Digitalisierungsexpertise aus dem Ehrenamt zerschellt regelmäßig an der staatlichen Organisationspraxis.
Schon für die Anforderungsbeschreibung von Digitalprojekten braucht es externe Beratung
Das hatte gerade für die Digitalisierung fatale Folgen. Anstatt IT-Architekturkompetenzen auf allen Ebenen der föderalen Verwaltung aufzubauen, bestimmt seit Jahren eine Reihe externer Dienstleister, wohin der Staat digitalisiert. Was auf den ersten Blick wie eine Effizienzsteigerung klingt – denn natürlich sollen nicht über 11000 Kommunen jeweils ihre eigene Softwarelösungen entwickeln – führte über die Jahre zu einem weitreichenden Kompetenzverlust schon bei der Bestimmung, was eigentlich die Anforderung an die zu bauenden Softwarearchitekturen sind. Als Nebeneffekt kann es dann auch schon einmal vorkommen, dass die beschaffte Software am Ende gar nicht für den gedachten Einsatzzweck taugt und das Projekt für die Katz war. Lilith Wittmann nennt das in ihrer kritischen Besprechung des GovTech-Campus die „Beratertreppe“: Die laufende Externalisierung von Kompetenzen wurde zur selbstverstärkenden Spirale, so dass seit Langem schon für die Erstellung der Ausschreibungen für ein Softwareprodukt externe Beratung herangezogen werden muss.
Diese Erfahrung haben in den vergangenen Jahrzehnten auch immer wieder Ehrenamtliche aus der Zivilgesellschaft gemacht. Analog zur Civic-Tech-Bewegung in den Vereinigten Staaten entstanden in den späten 2000er-Jahren auch in Deutschland Gruppen Freiwilliger, die am praktischen Beispiel aufzeigten, was mit den Mitteln der Informationstechnik eigentlich möglich wäre. Als Instrument der Selbstermächtigung und zivilgesellschaftlichem Gegenstück zu Open Government entstanden Transparenz fördernde Auswertungen offener Daten, aber auch ausgereifte Beispiele, wie die öffentliche Hand ihre Leistungen für die Bevölkerung noch besser benutzbar machen kann.
All diese Gruppen stießen jedoch früher oder später auf die immer selben strukturellen Hürden, wenn es darum ging, dass der Staat ihre Ideen auch aufgreift und sich zu eigen macht. In ihrem Buch „A civic technologist’s practice guide“ beschreibt die ehemalige leitende 18F-Mitarbeiterin Cyd Harell zwei notwendige Schritte für die erfolgreiche Anwendung von Civic Tech: „Showing what’s possible, and doing what’s necessary“. Dieser Pfad, dass Ehrenamtliche aus der Zivilgesellschaft zeigen, was möglich wäre, und der Staat dann das Notwendige tut, um sich diese Beispiele zu eigen zu machen, scheint in Deutschland aber fast nirgendwo vorgesehen zu sein. Meist ist man entweder zivilgesellschaftliche „Kund*in“ des Staats und kann allenfalls im Rahmen von Anhörungen und Feedbackrunden Jahr für Jahr dieselben Post-Its auf Metaplanwände kleben – oder man muss selbst Dienstleister*in werden und sich beauftragen lassen, der eigenen Idee irgendwo im Wildwuchs der Verwaltungs-IT ein Gärtchen bestellen zu dürfen.
Für gestaltende Zivilgesellschaft ohne wirtschaftliches Interesse gibt es in diesem Denkmodell keinen Raum
Für die Unterstützung der Umsetzer-Rollen gab es über die Jahre verschiedene Ansätze: Inkubatorprogramme, Förderlinien, Kooperationen mit Umsetzungspartnern aus der Wirtschaft. Das waren aber allesamt lediglich unterschiedliche Geschmacksrichtungen entweder von Firmengründungen oder kurz- bis mittelfristigen finanziellen Förderungen, damit Weiterentwicklung und vor allem Wartung und langfristiger Betrieb wenigstens nicht in der Freizeit der Beteiligten passieren musste. Wir haben im Ergebnis bis heute keinen Ansatz, um langfristig einen Pfad zu ebnen, dass die öffentliche Hand selbst fertige, von der öffentlichen Hand direkt übernehmbare Produkte wie kleineanfragen.de auch selber betreiben könnte, und sei es über Konstrukte wie die kommunalen Rechenzentrumsverbünde. An die Stelle von Civic Tech aus einer engagierten Bürgerschaft und einer Verwaltung, die selbst in der Lage ist, aus deren Erfahrungen zu lernen, ist GovTech getreten – also die vollständige Abhängigkeit von Firmen, die teils den Staat als einzigen Kunden für ihre Produkte haben.
Das ist auch eine Erfahrung der Zivilgesellschaft aus jahrelanger Beschäftigung im Austausch mit der Verwaltung – sei es bei selbst organisierten Barcamps oder der Beteiligung an Hackathon-Formaten. Und hier zeigt sich eine weitere problematische Konsequenz dieser Kompetenzauslagerung durch den Staat. Eher im Nebensatz erwähnt Philip Banse, dass es neben dem ebenfalls auf dem GovTech-Campus vertretenen Digital Service des Bunds auch Ehrenamtsnetzwerke wie Code for Germany gebe – aber die würden ja eher Hackathons machen und an den Bedarfen der öffentlichen Hand vorbei entwickeln.
Aus Sprints werden Marathons – aber warum sollen Ehrenamtliche laufen, und nicht der Staat?
Indes waren es gerade die Ehrenamtlichen des Code-for-Germany-Netzwerk, die auf den Nachhall des großen Corona-Hackathons der Bundesregierung 2020 in Form einer Wiederentdeckung von Hackathons durch die öffentliche Hand und seinen Partnerorganisationen wie Tech4Germany (aus dem der oben erwähnte Digital Service hervorging) eher verhalten reagierten. Viele der Code-for-Germany-Aktiven haben über die Jahre hinweg Begegnungen mit Hackathonformaten gehabt – und merkten über die Zeit, dass sie zwar an Erfahrung dazulernten, wie die Verwaltung funktioniert, aber immer wieder auf dieselben Probleme und Hilflosigkeiten dieser Verwaltung stießen, die schon auf den Austauschformaten mehrere Jahre zuvor adressiert werden sollen hätten. Die Erfahrung der Code-for-Germany-Ehrenamtlichen zeige, „dass es weniger um die Prototypen als viel mehr [um] Erkenntnisse auf einer strukturellen Ebene“ gehe, heißt es in einer Handreichung des Netzwerks vom Sommer 2020.
Zum einen geht es bei Hackathons wegen des immer noch vielfach genutzten Wettbewerbscharakters nämlich viel zu häufig um den Start neuer Projekte. Häufig werden also Ideen neu erfunden, an denen andere Gruppen bereits – beispielsweise aus eigener Betroffenheit – zur Verbesserung einer konkreten Situation gearbeitet haben und nun Unterstützung zur Weiterentwicklung und Wartung gebrauchen könnten. Zum anderen laufen auch die „Verstetigungsprogramme“ bis heute meist auf die finanzielle Unterstützung der Ideengeber*innen oder die Entwicklung der Ideen in ein Geschäftsmodell hinaus. Aus dem Sprint werde ein Marathon, hieß es im Nachgang des Corona-Hackathons – ohne dabei die Frage zu stellen, warum denn nun ausgerechnet die Zivilgesellschaft einen Marathon laufen soll, und nicht der Staat.
Die ausgearbeiteten Lösungen aus dem Digitalen Ehrenamt liegen meist schon vor – haben aber selten Chance, zu verfangen
So stellte eine Kommune die Herausforderung vor, die Beschlüsse des Gemeinderats „erlebbarer, einfacher auffindbar und transparenter“ zu machen. Das Ratsinformationssystem der Kommune habe in der Regel Schnittstellen, um diese Informationen abrufen und beispielsweise auf einer Karte darstellen zu können. Bei der beschriebenen Schnittstelle handelt es sich um den seit 2012 durch Ehrenamtliche bei Code for Germany entwickelten Standard OParl. Und die Ironie der Challenge ist, dass, wie gerade erst von Nora Titz beschrieben, am Anfang dieser Standardisierung genau solche grafischen Aufbereitungen der Ratsinformationen standen – damals mit Scrapern aus den Informationssystemen extrahiert und beispielsweise auf Karten dargestellt. Die für die Öffentlichkeit nutzbaren, im Ehrenamt entwickelten Frontends für die Auswertung der OParl-Daten konnten bis heute nicht von der öffentlichen Hand übernommen, geschweige denn betrieben werden. Teilweise scheint es ihr schon schwerzufallen, die beim Ratsinformationssystem-Anbieter bestellte OParl-Schnittstelle auch auf ihre korrekte Installation zu überprüfen und abzunehmen. Die OParl-Schnittstelle der Challenge-gebenden Stadt war zum Zeitpunkt des Hackathons gar nicht aktiviert – und ist es auch zum Zeitpunkt dieses Artikels noch nicht. Es existiert zwar ein fertiges Validierungsskript, mit dessen Hilfe man die Standardkonformität der Schnittstelle in Minutenschnelle prüfen kann. Um dieses Skript bei der Abnahme im Verwaltungsnetz ausführen zu können, bedarf es aber der internen Fähigkeiten, den Validator auf Verwaltungsrechnern selbst zum Laufen zu bringen. Danach braucht es noch etwas Verständnis, die Ausgaben interpretieren zu können und sich vom Dienstleister nicht einreden zu lassen, dass der Fehler bei einem selber liege. Was engagierten Freiwilligen mit grundlegenden Kenntnissen eine spielerische Fingerübung weniger Minuten ist, stellt die Verwaltung teilweise heute noch vor große Herausforderungen. Der Staat baut hier nicht die notwendigen Kompetenzen in der Breite auf, um die gratis vom Ehrenamt gelieferten Skripte auch selbstbestimmt ausführen zu können. Stattdessen sind diese Ehrenamtlichen letztlich dazu gezwungen, selbst als bezahlte Dienstleister*innen aufzutreten, wenn sie wollen, dass ihre Ideen auch in die Tat umgesetzt werden.
Vorhandenes Wissen aufgreifen und dokumentieren – nach den Bedürfnissen des Ehrenamts!
Die überstarke Begeisterung des Staats für Hackathons scheint mittlerweile – zum Glück! – endlich abzuflauen. Offen bleibt aber die Frage, wie Ehrenamt und Zivilgesellschaft sich überhaupt wirkungsvoll mit ihrer Expertise einbringen können. Der Anspruch kann dabei nicht sein, auch als Zivilgesellschaft ein Büro am GovTech-Campus zu haben. Schon die Existenz eines GovTech-Marktes ist mehr Indikator eines grundsätzlichen Problems, als dass diesem Markt mit einem Austauschcampus noch niederschwelligerer Zugang geschaffen werden soll. Es kann auch nicht die Aufgabe Ehrenamtlicher sein, werktags mit am Tisch zu sitzen, wenn Vergabeverfahren für staatliche IT-Lösungen nun möglicherweise noch weniger nachvollziehbarer als bisher zwischen Verwaltung und Dienstleistern ausgehandelt werden. Vielmehr geht es darum, den Wissensschatz der ehrenamtlichen Digitalen Zivilgesellschaft aktiv zu suchen und in die Verwaltung selbst zu transferieren.
Wikimedia Deutschland hat gemeinsam ergänzt um Interviews mit der Deutschen Stiftung für Ehrenamt und Engagement vergangene Woche im Politikbrief „Digitales Ehrenamt: Zivilgesellschaftliche Teilhabe im Digitalen Raum“ sechs Forderungen aufgestellt, wie dieses Engagement besser vom Staat gewürdigt und gefördert werden sollte. Eine der Forderungen ist der systematische Transfer ehrenamtlicher Expertise. Der Staat sollte nicht etwa Dienstleister*innen auf seinen GovTech-Campus zu sich einladen und damit weiter Kompetenzen externalisieren, sondern strategisch interne IT-Fähigkeiten aufbauen. Das vorhandene Wissen im digitalen Ehrenamt muss durch aufsuchende Beteiligung und den Bedürfnissen der Freiwilligen folgend aufgegriffen und dokumentiert werden, um es verwaltungsintern verwendbar und anwendbar zu machen. Damit könnte endlich eine Brücke über die nach wie vor bestehenden Wissensklüfte geschlagen werden – damit kommende Generationen ehrenamtlich Aktiver hoffentlich künftig nicht mehr zu ihrer Frustration auf dieselben strukturellen Hürden stoßen, an denen diese Partizipation bislang scheiterte.
//edit am 24. Januar 2023, Rolle der DSEE im Politikbrief von WMDE korrigiert
Ab 09:27 kommt im Video ein anschauliches Beispiel des dahinter liegenden Paradigmenwechsels. Anstelle von Apps, die auf hardcodierte APIs zugreifen muessen (und die dann wieder angeflanscht an zentralisierte Datensilos sind), werden Abfragen im dezentralen Modell lokal synthetisiert. Die notwendigen Daten kommen dann aus denjenigen verteilten Quellen, die fuer genau diese Frage notwendig sind.
In Ergaenzung (und technisch notwenige Voraussetzung) zum auf den Kopf gestellten Nutzungsversprechen von Open Data erlaubt diese Herangehensweise eine Abkehr von zentralisierten Superdatenplattformen. Die bisherige Idee war, dass es ja eine Vielzahl von Fachverfahren gebe, deren Daten in einzelnen Silos liegen. Um das aufzubrechen muessten Verfahren standardisiert werden und alle Daten in ein zentrales Silo anliefern. Was auch bedeutet, dass z.B. einzelne Kommunen oder Bezirke ihre bisherigen Fachverfahren fuer ein Thema aufgeben und sich der Mehrheit anschliessen muesten – und sei es mit Zwang. Im Gegenmodell waere die interne Datenhaltung oder zumindest das Ergebnis eines ETL-Prozesses der Fachverfahrensdaten ein Knowledge Graph – und ueber verteilte Knowledge Graphs lassen sich wie im Video demonstriert wunderbar Abfragen fahren, nur durch die Magie von 5-Sterne-Daten mit Semantik. Die Bausteine dafuer sind mittlerweile Jahrzehnte alt und gut abgehangen. Und eigentlich passt das auch viel besser in das Modell eines foederalen Staats, der nicht alles von oben her vereinheitlicht und nach oben hin an sich zieht, sondern auf den Ebenen auch Entscheidungsspielraeume laesst.
Lilith Wittmann ist wie immer gleich deutlich radikaler und sagt: Alles bis drei Sterne sollte eigentlich gar nicht mehr zaehlen, wir muessten noch weiter gehen und Open Data erst ab vier Sternen ueberhaupt „zaehlen“ lassen:
Replying to @LilithWittmann
Das Problem ist aber: Wir haben seit 15 Jahren dieselbe Vision, bei der alles ab Schritt 4 in weiter Ferne erscheint. Und gerade in Deutschland kam nie irgendwas über 3⋆ hinaus.
Deshalb schlage ich heute eine neue Version von 5⋆ #OpenData vor.
Toris Post war mir jetzt endlich aufraffender Anlass, verschiedene Textstuecke zusammenzustellen, die ich seit einer Weile vor mir herschiebe, und im Mai war das nun endlich alles so weit, dass ich einen ersten Entwurf beim Kommunalen Open Data Barcamp vortragen konnte. Denn dieser Fokus „die oeffentliche Hand soll Open Data bereitstellen, damit Dritte irgendetwas damit tun“ ist einer der fundamentalsten Missverstaendnisse des letzten Jahrzehnts in dieser Szene. Und ich fuerchte, dieses Missverstaendnis sabotiert seit Jahren die eigentlich anzugehenden Aufgaben.
Eine Quelle dieses Missverstaendnis koennte das typische “Showing what’s possible“-Muster aus dem Digitalen Ehrenamt sein. An einem konkreten Beispiel wird gezeigt, was mit offenen APIs und/oder offenen Daten oder einem besseren User Interface moeglich waere. Dabei ist beinahe egal, ob man nun einen bestehenden Dienst besser macht (wie z.B. kleineanfragen.de das tat), oder ob man an einem ganz konkreten Beispiel (fuer das man irgendwie an Datenpunkte kam) ein anschaulich nutzbares Produkt baut, wie die Trinkwasser-App.
Ende November hatten wir im Netzwerk Code for Germany einmal versucht, typische Aktivitaeten der lokalen Open-Data-Arbeitsgruppen einzuordnen, und an vielen Stellen kam dieses „showing what’s possible“ zur Sprache. Menschen machen das aus den verschiedensten Beweggruenden: Weil sie selber einen praktischen Anwendungsfall fuer das Ergebnis haben. Weil sie zeigen wollen, was geht. Oder einfach auch nur aus Spass.
An vielen Orten entstanden genau so vor ca. 10 Jahren die ersten veroeffentlichten Datensaetze. In Ulm hatte die Gruppe Engagierter einzelne Datensaetze per Mail von der Stadtverwaltung erhalten, und beispielsweise die Geodaten der Stadtbezirke selber zum Download und ueber eine CouchDB ausgespielt, und in Click-that-Hood praktisch erfahrbar gemacht.
Andere Staedte sprangen auf den „Trend“ auf. Datensaetze wurden immer noch haendisch herausgesucht und veroeffentlicht – und meist orientierte man sich dabei an den Datensaetzen, die bereits anderswo veroeffentlicht oder gar in einen praktischen Anwendungskontext bezogen wurden. Und nebenbei glaubte man, dass Datenportale hermuessten, Metadatenbeschreibungen fuer jede Excel-Liste im Datenportal wurden umstaendlich gepflegt, und viel dergleichen haendische Arbeit mehr.
Auf der zivilgesellschaftlich engagierten Seite entstand dadurch der empfundene Druck, die bisherigen Konzeptprototypen und Showcases zu „redeployen“. Anderswo gab es nun auch Stadtbezirks-Geoshapes, Trinkwasserinformationen und dergleichen mehr. Also, war die Annahme, muesse man die aktuellen Daten nun auch in einen lokalen Ableger dieser Showcases einpflegen. Gleichzeitig stieg die Erwartung, dass diese Beispielvisualisierungen auch auf lange Frist unterhalten und gepflegt werden wuerden. Und an den Orten, an denen sich niemand auf die aufwaendig bereitgestellten Daten stuerzte, war die Enttaeuschung gross. Denn wofuer macht man sich ueberhaupt den Aufwand?
Eigentlich seltsam, denn die Metapher ging ja eigentlich schon lange dahin, dass die Bereitstellung offener Daten so etwas wie ein automatisierter Containerhafen werden sollte – derweil die Daten immer noch wie haendisches Stueckgut aus den Fachverfahren und Excel-Listen herausgetragen werden.
Und da sind wir eigentlich am Kernproblem: An viel zu vielen Stellen wird haendisches oder maessig automatisiertes 3-Sterne-Open-Data immer noch als akzeptables Zwischenziel angesehen.
Wir erinnern uns aus dem Covid-Daten-Beispiel: Bis zu 3-Sterne-Daten kommen als CSV daher – ohne Informationen, was eigentlich in welcher Spalte steht und was das sein soll. Ist es ein Datum? Ein Strassenname? Die Zahl der Infizierten am gestrigen Tag? Wenn ich das auswerten will, muss ich das meinem Parser erst einmal haendisch pro Spalte beibringen. Und wenn das RKI die Reihenfolge der Spalten aendert, faellt der Parser auf die Nase.
Ich glaube, dass all das damit zusammenhaengt, dass in der Regel intern gar nicht die Voraussetzungen vorhanden sind, um mit diesen Daten in groesserem Umfang etwas anzufangen. Die Listen sind Datenbasis fuer (haendisch erstellte) Reports, (haendisch erstellte) Schaubilder, aber es sind weder die notwendigen Werkzeuge noch die notwendigen Infrastrukturen vorhanden, um schon verwaltungsintern Daten ueberhaupt strukturiert abzulegen und dann an anderer Stelle damit zu arbeiten – idealerweise mit dem Ziel eines Knowlege Graphs fuer 5-Sterne-Open-Data.
Und gerade weil die notwendige Voraussetzung fuer die Herstellung eines solchen Zustands eine hervorragende IT-Infrastruktur auf dem Stand der Technik ist, muessen wir die bisherigen Herangehensweisen weitgehend auf den Kopf stellen. Bisherige Beispielkataloge, was denn ueberhaupt als Open Data veroeffentlicht werden koennte, orientieren sich meist daran, was anderswo da war. Das waren aber eben entweder die beruechtigten “Low Hanging Fruits”, oder eben Datensaetze fuer die genannten Proofs of Concept. Das ist aber meist komplett losgeloest von einer internen Nutzung, die ueberhaupt erst die Motivation und den Anlass geben koennte, die dafuer notwendigen Strukturen aufzubauen. Idealerweise wuerde eine Strategie nicht damit beginnen, die hunderten Fachverfahren zu kartieren und wie man deren Daten per ETL herauskratzen kann. Sondern (mit einer klaren Strategie zu Linked Open Data im Kopf!) praktische Anwendungsfaelle zu finden, in denen Einheit A intern Daten braeuchte, die Einheit B bislang unstrukturiert ablegt oder auf Zuruf aufbereitet – und dann beginnt, Prozesse fuer die automatische Verdatung zu bauen. Inklusive des Aufbaus der notwendigen Kompetenzen und des Unterbaus, um das selber machen zu koennen oder zumindest den Weg dahin kompetent selbst zu bestimmen. Open Data darf kein Mehraufwand sein, sondern faellt quasi als Abfallprodukt aus besseren Prozessen heraus – wer etwas veraktet, produziert automatisch Linked Data, das bereits behoerdenintern nachgenutzt werden kann. Der Open-Teil ist dann „nur“ noch eine Frage dessen, was nach aussen veroeffentlicht werden soll.
Am Donnerstag war eine Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung zu „Digitaler Souveraenitaet“, und natuerlich musste ich da unbedingt mal reinschauen. Eigentlich war die in Praesenz in Karlsruhe geplant, und da waere ich auch extra hingefahren. Kurz vorher gab es aber einen Schwenk auf online, und das ermoeglichte auch vielen anderen Leuten aus dem weiteren Civic-Tech-Umfeld, teilzunehmen.
Bin bei Veranstaltung der @FESonline zu Verwaltungsdigitalisierung. Die faseln da die ganze Zeit von Zivilgesellschaft und Datensouveränität und so😂. Niemanden von Zivilgesellschaft ist auf dem Podium. Allgemein hat in der letzten Stunde niemand aus Zivilgesellschaft gesprochen. pic.x.com/6wbkeuqrod
Abgesehen von einigen Seltsamkeiten (siehe Liliths Tweet) war das ein spannender Austausch, und im Chat gab es eine rege Diskussion auch mit Menschen, die offenbar Kommunalbackground hatten. Etwas den Rahmen verschoben hatte die Anwesenheit von MdL Jonas Hoffmann, dessen Forderungen zur Vermarktung oeffentlicher Daten ich hier schon kommentiert hatte. Das loeste natuerlich den Bedarf zu weiterer Diskussion aus – wohlgemerkt leider nicht „auf der Veranstaltung selbst“, denn von den vielen Diskussionsstraengen im Chat wurde nur wenig offiziell ausgewaehlt und besprochen. Aber Liliths gewohnt provokante Art sorgte dafuer, dass wir uns fuer nach der Veranstaltung noch in einem Twitter Space verabredeten und dort auch noch eine Stunde quatschten. Die Aufzeichnung ist auch nachhoerbar (im Tweet verlinkt).
Ich will jetzt gar nicht auf das Fuer und Wider von Twitter Spaces (oder anderen solchen Walled Garden) eingehen. Ich wuenschte, es gaebe mehr Alternativen, aber am Ende wird mir dann wieder unironisch die Forderung nach Digitalkommunismus vorgeworfen.
Was ich viel spannender fand: Jemand meinte im Codeforde-Austauschchat, dass man selber ja nicht nochmal eine Stunde investiert haette fuer so eine Nachbesprechung. Aber andererseits war das ja genau das Format, wie man es frueher in der Hosenwelt nach einer Praesenzveranstaltung gehabt haette mit rumstehen und quatschen. Nur dass es sich jetzt weniger in Teildiskussionsrunden aufteilt – und dass Leute von ganz woanders teilnehmen und mitdiskutieren koennen, die in Praesenz nicht unbedingt dabei sein koennten.
Ich glaube ja zwar nicht an eine Rueckkehr in „ein Leben wie vor der Pandemie“. Hybride Veranstaltungen sollten ganz normal werden. Aber ich baue jetzt schon ein wenig in meinem Kopf Setups, wie wir eigentlich auch bei Teilpraesenz-Veranstaltungen gerade solche Nach-Diskussionsrunden unter Einbeziehung moeglichst vieler nicht-anwesender Dritter technisch gut abwickeln koennen. Im Verschwoerhaus hatte der Verein diesen Winter richtig dick Geld in die Hand genommen, um genau solche hybriden Sachen noch besser abwickeln zu koennen (Symbolbild oben). Und uns ist immer wieder aufgefallen, dass all die praktischen Faehigkeiten aus Congress-Streaming, bisherigen Veranstaltungen und natuerlich den Erfahrungen aus pandemischen Loesungen total viel Wissen und Skills aufgebaut haben, die sich relativ gut auf solche Situationen uebertragen lassen duerften.
In den letzten Jahren begegnet man immer wieder Pressemitteilungen zu „Datenraeumen“. Egal ob „urbaner Datenraum“ oder „Datenraum Mobilitaet“, aus irgendwelchen Gruenden will man nun nicht mehr nur Daten haben, sondern in der schoenen Tradition der Komposita muss man jetzt irgendwas dranhaengen, und jetzt ist es eben ein „Raum“.
Ich habe lange nicht verstanden, was es damit auf sich haben soll, und witzigerweise enden auch Nachfragen, was denn der Unterschied eines Datenraums zu einer Datenbereitstellung ist, oder was einen urbanen Datenraum so urban macht, oft in Handwaving. Urbane Datenraeume sind offenbar deswegen urban, weil sie mit urbanen Datenplattformen passieren. Klar.
Erst die Vorstellung der „Datenraum Mobilitaet“ im Open Transport Meetup im Mai 2021 liess einige Lichter bei mir aufgehen. Und gleichzeitig ergaben auch einige andere Projekte, naja, nicht wirklich einen Sinn, aber ihre Intention wurde mir etwas klarer. Und oh boy, laesst sich die oeffentliche Hand da gerade wieder spektakulaer ueber den Tisch ziehen.
Replying to @_stk
OH @VolkerKrause – Datenraum Mobilitaet: „Man koennte fast meinen, die Abkuerzung DRM sei da Programm“
Aus sehr sehr weiter Entfernung klingt die Mischung aus Datenraum und zugehoerigen Datenplattformen gar nicht so ganz verkehrt: Irgendwie (vielleicht magisch) sollen Datenpunkte aus verschiedensten Quellen mittels eines Enterprise Service Bus eingesammelt und vereinheitlicht bereitgestellt werden. Und zweitens soll dieser Datenraum am Ende dann alles koennen: Dort sollen nicht nur Daten der oeffentlichen Hand landen, sondern auch von Unternehmen, von BuergerInnen, alles ist an einem Ort, Rehkitze springen hocherfreut durch die bluehenden Landschaften usw usf.
Bei genauerem Hinsehen stellen sich dann aber einige Fragen:
Warum sollte ich als Privatperson oder Unternehmen die von mir erhobenen Datenpunkte auf dieser urbanen Datenplattform veroeffentlichen? Oeffentlich betriebene Internetdienste haben nicht den allerbesten Track Record dafuer, dass sie dauerhaft verfuegbar sind, dass URIs stabil bleiben, dass es keine ueberraschenden Datenreichtuemer gibt, dass Patches schnell eingespielt werden, etc pp.
Wie soll denn eine Plattform alles koennen? Also gleichermassen einigermassen statische (versionierte) Datensaetze, aber gleichzeitig auch Zeitreihen z.B. von Sensornetzwerken?
Wenn es am Ende (eigentlich logisch und notwendigerweise) sowieso mehrere verschiedene Plattformen fuer verschiedene Zwecke sind: Warum dann nicht gleich in Richtung Semantik und 5-Sterne-Open-Data arbeiten?
Und wenn man in Richtung 5-Sterne arbeitet – ist dann ein verteiltes und verlinktes System nicht eh viel gescheiter, und es ginge einzig darum, passende Infrastruktur als Commodity einkaufen zu koennen (wovon auch die oeffentliche Hand profitieren wuerde)?
Das sind zumindest die Fragen, die ich mir parallel bei den Vorstellungen diverser Datenraeume und beim Betrachten von vermeintlich alles koennen sollenden Datenportalen gestellt hatte. Bis es eben bei der Vorstellung des Datenraums Mobilitaet klick machte: Das alles ergibt genau dann einen Sinn, wenn man von einer Annahme ausgeht, die ich gar nie in Betracht gezogen hatte, weil sie so grotesk und hanebuechen ist: Naemlich, dass man irgendwie Eigentum an Daten haben und sichern kann. Im Zweifelsfall per Digitalem Rechtemanagement.
Replying to @eGovBonn@eGovBonn Ich hab heut das Datenraum-Konzept erklaert bekommen und da sind mir einige Lichter aufgegangen. Wenn man einfach die gesamte DRM-Debatte seit 2006 ignoriert und dass man keine Kontrolle ueber Daten in fremder Hand halten kann, klingt das naemlich offenbar total einleuchtend.
Vielleicht ist daher die Anlehnung an den (physischen) Datenraum auf neutralem Boden im Rahmen eines Konzernverkaufs oder einer Uebernahme abgeleitet: Die oeffentliche Hand soll ein System bereitstellen, in das sie selbst und privatwirtschaftliche Unternehmen Datensaetze einstellen koennen, und dann sollen die Beteiligten auf irgendeine Weise entscheiden koennen, wer Zugriff auf die geteilten Datensaetze bekommt und zu welchem Zweck sie genutzt werden koennen.
Das Framing findet beispielsweise im Rahmen magischer Begriffe wie der „Digitalen Souveraenitaet“ statt: Man moechte die Kontrolle behalten, auch nachdem man etwas veroeffentlicht hat, und diese Kontrolle verleiht einem irgendwie Souveraenitaet. Dass das de facto eben nur mit digitalen Rechteverwaltungsverfahren geht, faellt stillschweigend unter den Tisch. Das ganze Verfahren ist also nicht nur komplett orthogonal zur Weiterentwicklung in Richtung 5-Sterne-Open-Data und den dafuer notwendigen (und nach dem Datenraum-Projekt immer noch nicht hergestellten) Voraussetzungen, sondern es ignoriert auch die komplette DRM-Debatte der 2000er-Jahre. (Es sei ja eh ODRL und kein DRM und das mache es alles besser, naja)
Gleichzeitig werden wieder die Memes der „grossen auslaendischen Konzerne“ ausgepackt, gegen die es sich zu schuetzen gelte. Warum das Problem vor allem in der Herkunft der Konzerne liegen soll und man gleichzeitig gerne Smart-City-Millionen mit inlaendischen Konzernen verbrennt, bleibt unklar.
Viel schlimmer finde ich aber, dass dieses Framing sich offenbar – ebenfalls in kompletter Verkennung der Diskussionen der letzten 15 Jahre – auch allgemein in Debatten ueber Open Data einschleicht. In der oben eingebetteten Rede von Jonas Hoffmann (SPD) zum von der FDP eingebrachten Open-Data-Gesetzesentwurf in Baden-Wuerttemberg (PDF, 17/513) geht es nicht nur auf einmal auch um personenbezogene Daten und Datenschutz, sondern ab 03:20 soll gar „sichergestellt werden“, dass „Open Data nicht nur auslaendischen Konzernen hilft“. Open Data wird rein als Arbeitsplatzmaschine gesehen – und auf einmal sollen ueber rechtliche und technische Konstrukte die gewerbliche Nutzung von Daten eingeschraenkt bzw Geld daraus beschafft werden.
Das ist nicht nur deswegen bemerkenswert, weil der FDP-Entwurf in Abs. 3 des zu schaffenden § 3a ganz ausdruecklich diejenigen Informationen ausnimmt, zu denen ein Zugang erst nach einem Drittbeteiligungsverfahren moeglich waere oder deren Veroeffentlichung Urheberrechte Dritter entgegenstehen. Rein auf Faktendatenebene bleibt dann sowieso nur noch das Datenbankherstellerrecht als Rechtsgrundlage fuer eine Einschraenkung der Nachnutzung – wir hatten das hier bereits. Der Entwurf haette vor allem dafuer gesorgt, dass all die Informationen, die per Landesinformationsfreiheitsgesetz ohnehin auf Anfrage zu veroeffentlichen waeren, nun eben von Anfang an veroeffentlicht werden sollen. Man koennte die Umsetzung des Entwurfs theoretisch Crowdsourcen. Naja.
Zum Anderen aber sind Daten, die nicht fuer jedwede Zwecke frei nutzbar sind, schlicht kein Open Data. Das kann man dann Hoffmann-Daten nennen oder sonst etwas, aber Open Data ist das nicht. Und ich finde es etwas erschreckend, dass wir darueber im Jahr 2022 immer noch diskutieren muessen. (Erneut der Verweis auf den Dateneigentum-Artikel samt zugehoeriger Links)
Die einzigen Profiteure solcher Konstrukte sind a) grosse aus… moment… inlaendische Konzerne, die ums Verrecken Datenhandel mit Faktendaten betreiben wollen, und b) die beteiligten Unternehmen und Berater, die im Rahmen grosser Foerderprojekte an den dafuer noetigen DRM-Verfahren und -Plattformen herumdoktorn. Bezahlt wird das indes aus oeffentlichen Foerdermitteln – und leider lassen sich oeffentliche Stellen dafuer einspannen, diese Projekte voranzutreiben. Waehrend sich die technischen Schulden an anderer Stelle weiter ansammeln, und nichts passiert, um Open Data vernuenftig und automatisiert bereitstellen zu koennen.
Ich kann nur dazu aufrufen, als aufgeklaerte Zivilgesellschaft solche Projekte enorm kritisch zu hinterfragen. Es ist nichts weiter als die kuenstliche Privatisierung von Commons – und das traegt nicht etwa dazu bei, die Marktmacht boeser grosser Konzerne zu mindern, sondern verursacht Kollateralschaeden, die Groessenordnungen ueber dem erwarteten Nutzen liegen.
Ich hab ewig nicht verstanden was da staendig mit „(Urbanem) Datenraum“ gemeint wird, aber es ist einfach nur NFT fuer Fakten?!
PS: Es geht auch positiv. Das Badische Landesmuseum hat angekuendigt, die Daten zu 10.000 Objekten aus seiner Sammlung im Sommer unter CC-0 gemeinfreiaehnlich zu veroeffentlichen – 3D-Scans, Audiodateien, PDFs, Bilder, Videos. Die Beteiligten schrieben auf Linkedin sueffisant, dass das 2022 doch Standard sei. Baem.
Wir führen künftig die CC0-Lizenz für knapp 10.000 Objekte aus unserer Sammlung ein – diese Bilddaten werden dann im Digitalen Katalog frei zur Verfügung stehen. „Unsere Sammlungen gehören den Bürgerinnen und Bürgern. [Das] ist ein weiterer Schritt der Teilhabe.“ (Köhne)
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens sei ein Trauerspiel, titelt das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Nachdem man dem Reflex nachgegeben hat, „was, nur des Gesundheitswesens?“ zu rufen, dachte ich mir, man koennte ja mal das mit dem Aufschreiben des besseren Gegenentwurfs machen, der mir seit Monaten im Kopf rumspukt.
Tatsaechlich beobachte nicht nur ich die (Daten)lage seit geraumer Zeit mindestens mit Irritation. Lena Schimmel schrieb kurz vor Weihnachten einen ganzen Thread, dass sie selbst erschreckend lange die eigentlich vom RKI veroeffentlichten Daten ueber Sequenzierungen gar nicht erst gefunden hatte:
Okay, das ist jetzt… peinlich? Lustig? Beruhigend? Beunruhigend? Irgendwie alles davon:
Ich hab ja kürzlich die Sequenzierungen des RKI auf GitHub gefunden und viel Arbeit hinein gesteckt, aus den Sequenzen die Varianten zu bestimmen.
Ich glaube, dass „wir“ als „die gesellschaftliche Open-Data-Lobby“ uns wieder viel viel mehr auf Linked Open Data als Ziel konzentrieren und das auch kommunizieren muessen. Bei all dem Einsatz, wenigstens CKAN oder irgendein Datenportal auszurollen, scheint das fernere Ziel ueber die Jahre immer mehr in Vergessenheit geraten zu sein.
Schon vom Nutzungsfaktor her duerfte dieses Ziel jedoch am Beispiel der Pandemie sehr klar zu vermitteln sein. Seit nun beinahe zwei Jahren setzen sich jeden Morgen viele DatenjournalistInnen an ihre Rechner und versuchen, aus den aktuellen Datenpunkten zum Infektionsgeschehen und den Impfungen Erkenntnisse zu ermitteln und diese nachvollziehbar aufzubereiten.
heute arbeite ich eigentlich nicht, aber das @rki_de fügt unnötige spalten ein, deren werte sich aus den vorhandenen daten berechnen lassen. pic.x.com/8ut9garrzt
Ueber die Zeit hinweg ist es ein bisschen zu einem Running Gag geworden, dass das RKI dabei immer wieder mal Spalten vertauscht oder neue Daten hinzufuegt, so dass all die gebauten Parser auf die Nase fallen.
Derweil koennte die Lage mit verlinkten – oder wenigstens semantischen – Daten deutlich einfacher ablaufen. Man kann sich die 5-Sterne-Treppe fuer offene Daten am Beispiel der RKI-Berichte recht anschaulich klarmachen:
In der ersten Stufe (die Daten sind irgendwie da) sind die Informationen zwar irgendwie als digitale Symbole codiert, das kann aber auch ein PDF sein, oder im schlimmsten Fall ein PDF eines eingescannten Dokuments. Eine Maschine kann diese Symbole uebertragen und die dadurch codierten Inhalte aufbereiten und anzeigen, aber die Datenpunkte darin sind im unpraktischsten Fall nur fuer Menschen lesbar.
(Exkurs. Wenn wir ueber „Daten“ sprechen, werden schon diese beiden Definitionen haeufig wild durcheinander geworfen. Einerseits die Symbole oder „bits und bytes“, die Information codieren – so wie die Buchstaben, die diesen Satz bilden. Andererseits Datenpunkte, die z.B. verarbeitbare Information ueber einen Temperaturmesswertverlauf abbilden.)
In Stufe 2 und 3 sind auch die Datenpunkte fuer Maschinen interpretierbar, weil die Informationen mehr oder weniger strukturiert in einem proprietaeren (Excel) oder offenen (CSV) Format vorliegen. Die Zusammenhaenge bzw. die Semantik erschliessen sich jedoch immer noch nur der menschlichen Betrachterin, die diese Struktur selbst in die automatisierte Auswertung einbauen muss. Wenn das RKI ohne Ankuendigung die Reihenfolge der Spalten aendert, kann ein einmal geschriebenes Auswertungsskript diese Aenderung nicht ohne weiteres erkennen und wird erst einmal falsche Auswertungen ausgeben, bis es auf die veraenderte Datenlage angepasst ist.
Das ist der Punkt, der in Stufe 4 behoben wird: Dann ist naemlich auch die Semantik als weitere Ebene im Datensatz codiert. Ich muss nicht mehr als auswertende Person aus dem Originaldokument in menschlicher Sprache lesen und dann fuer das Auswertungsskript festlegen, dass Spalte B das Bundesland und Spalte N die Zahl der in einem Impfzentrum vollstaendig geimpften Personen unter 60 Jahren ist. Ich muss stattdessen dem Auswertungsskript fuer das (zugegeben, einfachere) Beispiel des Bundeslands „nur“ mitgeben, dass es in irgendeiner Spalte eine Beschreibung gemaess Language, Countries and Codes (LCC) erwarten kann, und da wird dann ein passender ISO-3166-2-Code mit dabei sein. In welcher Reihenfolge die Spalten dann ankommen, und ob das jetzt der Impf- oder der Inzidenzbericht ist, spielt eigentlich keine Rolle mehr.
Im Vollausbau der Stufe 5 verlinkter Daten wird vielleicht am besten deutlich, was man mittlerweile haben koennte. Anstatt dass man sich jeden Morgen ein hoffentlich aktualisiertes Excel-File der Inzidenzen und Impfinformationen herunterlaedt, reicht das Gegenstueck zu einem git pull – alles liegt als von Tag zur Tag (bzw Veroeffentlichungsschnappschuss zu Veroeffentlichungsschnappschuss) versionierter Datenframe vor. Wenn ich den Datensatz einmal ausgecheckt habe, kann ich lokal die Updates bekommen, die Unterschiede von Schnappschuss zu Schnappschuss diffen, und auch in der Historie beliebig zurueckspringen, um Zeitreihen zu machen.
Da aber sowohl die Semantik im Datensatz codiert ist, als auch Links auf andere Datenquellen vorhanden sind oder von mir hergestellt werden koennen, kann ich sehr viel mehr automatisieren, was ich sonst zu Fuss machen muesste: Wenn in irgendeiner Spalte die Landkreise mit Kreisschluessel codiert sind, und ich meine Auswertung per Karte machen will, kann ich aus einer passenden anderen Datenquelle automatisch die Geometrien des NUTS-3-Level in Deutschland laden und mit dem RKI-Datensatz verknuepfen.
Das ist jetzt rein aus der Nutzungsperspektive gesehen, weil das mit die anschaulichste ist. Eigentlich viel spannender ist aber, die Konsequenzen durchzudenken, was es bedeuten wuerde, die dafuer notwendige Infrastruktur im Betrieb zu haben. Das heisst, dass Datenpunkte und Informationen nicht haendisch in der Gegend herumgetragen und zu Fuss alleine in Excellisten vorgehalten und gepflegt werden. Dass es definierte Schnittstellen und Datenfluesse gibt, die auch die behoerdeninterne Nutzung von fuer Entscheidungen relevanter Daten erlauben, ohne dass diese muehsam und fehleranfaellig zusammengekratzt werden muessen. Und nicht zuletzt auch, dass wir dafuer die ueber Jahrzehnte aufgebauten technischen Schulden der oeffentlichen IT-Infrastruktur abgebaut und die Architektur vorausschauend sparsamer weil effizienter(!) geplant und umgesetzt haben.
Es ist total schade, dass so viele der Visionen aus den 2000ern durch das jahrelange Klein-Klein der Umsetzung, die zu schliessenden Kompromisse mit Verwaltungen, und die perverse incentives fuer „Umsetzungen“ verkaufende Dienstleister so tief in die metaphorischen Sofaritzen verschwunden und in Vergessenheit geraten sind.
The current public funding schemes geared towards “digitalization” and “innovation” constitute perverse incentives. In the long run, they are not only expensive, but will pile up massive amounts of technical debt vastly exceeding the investments.
The biggest shift in tech for the next years isn’t blockchains or „AI“ or quantum computing or some other buzzword. Or at least it shouldn’t, mustn’t be.
The biggest shift has to be to change away from „Innovation“ as the main driver of work towards care and maintenance.
Manches davon ist natuerlich auch mittlerweile ueberholten Ueberlegungen von damals geschuldet. In der 5-Sterne-Treppe wird beispielsweise als erster Schritt ein „OL“ angegeben, das fuer eine Offene Lizenz stehen soll. Das halte ich mittlerweile fuer ueberholt und teilweise durch die viele Wiederholung auch ein wenig schaedlich. Denn die Diskussion z.B. bei Infektions- oder Impfdaten ist eigentlich gar nicht, ob sie unter der internationalen Creative-Commons-Lizenz oder der nutzlosen und ersatzlos abzuschaffenden Datenlizenz Deutschland „lizenziert“ werden. Denn das sind Faktendaten, und die gehoeren allesamt gemeinfrei gemacht.
tl;dr: Bitte einmal Linked Open Data als Ziel, zum mitnehmen, und etwas mehr freundliche Radikalitaet.
Ich bin gerade noch einmal ueber den Vortrag „CKAN: apt-get for the Debian of Data“ vom 26C3 im Dezember 2009 gestolpert. Rufus Pollock (Gründer von Open Knowledge International) und Daniel Dietrich (Mitgruender des deutschen Ablegers, der OKFde) erklaerten damals ihre Vision eines Netzwerks von Datenquellen.
Das heute, knapp 12 Jahre spaeter noch einmal anzusehen, war… spannend. Ich zucke heute ueber das “this is when nerds run things” am Anfang peinlich beruehrt zusammen, aber es lohnt sich total, noch einmal aufzurollen, was in der Zwischenzeit alles (nicht) passiert ist:
Der gesamte Vortrag denkt in (vermeintlich) notwendigen Lizenzen fuer Daten – “Free Data“ von Denny Vrandečić wird erst drei Jahre spaeter veroeffentlicht werden. An ganz vielen Stellen betont Pollock, dass es total wichtig sei, irgendeine Lizenz anzugeben – das haelt sich leider an vielen Stellen bis heute und klebt uns als Bewegung am Bein.
Ueberhaupt, die ganze Idee von CKAN: Versionierung, Packages etc., wo sind wir 12 Jahre spaeter? Man denke nur an die RKI-Daten waehrend der Covid-Pandemie. Oder auch die gesamte Idee mit Dependencies und weiteren herunterzuladenden Datenpaketen. Die schmeckt ein wenig wie Linked Open Data – und ich haette das sehr gerne in der Praxis. Habe ich aber noch nie gesehen. (Bei 53:20 ff. wird das am Beispiel der Postleitzahlen beschrieben)
„Schaut mal, die Briten nehmen schon CKAN um Open Data zu veroeffentlichen und wir hoffen, dass das die deutsche Politik ueberzeugt, ebenfalls Open Data herauszugeben“. Ohweh, das tut weh.
Generell, die ganze Begeisterung – Daten werden wichtiger als Code werden, mit Gibson-Zitaten, etc.pp. – das haengt sicher auch mit meiner romantischen Vergangenheitsverklaerung zusammen, aber da kommt schon ein wenig Nostalgie auf 😉
Ab 44:36 kommt eine hervorragende Frage: Jetzt taucht da ein Katalog mit Daten auf – ist das langfristig nicht sowas wie es Webkataloge vor Websuchmaschinen waren? Sollte das nicht alles von Maschinen erfassbar und bearbeitbar sein anstatt haendisch? Pollock erklaert ein bisschen herum, aber in dem Austausch ist IMO ein Kernproblem der ganzen Datenportale bis heute sehr klar vorhergesehen.
Vor allem auch: Wer vertritt all diese Visionen heute ueberhaupt noch, um eher industriegetriebenen Memes wie dem „Datenraum“ etwas entgegenzuhalten? Wo bleibt das Zukunftsversprechen von Linked Open Data, so dass ich morgens nur einen Update-Befehl ausfuehren muss, um das (versionierte, aktuelle) Paket z.B. fuer die Impfdaten des RKI zu bekommen?
Ich sitze gerade an einer internen Handreichung fuer die Bereitstellung von Open Data, und bin dabei wieder ueber die Unsicherheiten von Menschen im oeffentlichen Dienst gestolpert, welche Lizenz man denn fuer Open Data verwenden solle.
Das Problem ist: Eigentlich ist die Frage schon falsch. Denn die auf dem Urheberrecht aufbauenden Lizenzen sind ueberhaupt nur anwendbar, wenn es sich bei dem zu lizenzierenden Material um Werke im Sinne des Urheberrechts handelt, oder Datenbankherstellerrechte bestehen. Das duerfte aber regelmaessig bei reinen Faktendaten nicht der Fall sein, insbesondere nicht bei Messdaten.
Leider hat sich – vermutlich auch durch das ueber die Jahre entstandene Erklaermaterial, das gerne auch einfach mal CC-BY-Lizenzen hierfuer vorsieht – die Vorstellung in den Koepfen verfestigt, dass man Lizenzen „einfach so“ anwenden koenne, ohne dass hierfuer irgendwelche Voraussetzungen erfuellt sein muessen. Umso schlimmer wurde das durch die „Datenlizenz Deutschland“, die gar nicht erst offenlegt, auf welcher Rechtsgrundlage sie anwendbar sein soll (siehe, siehe auch).
Ich hatte hier im Blog letztes Jahr schon argumentiert, warum ich diesen Automatismus „Daten als Open Data herausgeben → beliebige Lizenz im Sinne der Open Definition anwenden“ bzw. die Frage „wem gehoeren die Daten“ fuer gefaehrlich halte. Und dass an den Anfang der Entscheidung die Frage gehoert, ob hier Urheberrechte vorliegen – weil wenn nein, gehoert als Label schlicht die CC-0 drauf, und gut ist.
Jochen vom OK Lab Berlin machte mich gestern auf zwei Schriften aus dem Open-Science-Umfeld aufmerksam, die zur Unterfuetterung dieser Argumentation gut geeignet sind, und die ich bislang noch nicht kannte.
Die Kurzform ist das Fact Sheet on Creative Commons and Open Science (2017). Sehr viel ausfuehrlicher ist „Rechtsfragen bei Open Science“ von Till Kreutzer und Henning Lahmann (2019), die detailliert am UrhG entlang die Rechtslage aufzeigt und auch in mehreren Kapiteln auf FAQ zu bestimmten Aspekten eingeht. Zielpublikum ist zwar eigentlich ein akademisches, das mit Forschungsdaten umgeht. Der Transfer auf Daten der oeffentlichen Hand sollte aber nicht schwer fallen.