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Obama, der Kommunistentypograph :)

Vor vier Jahren sorgte Barack Obama mit seiner Kampagne dafuer, dass die (zweifelsfrei wunderschoene) Gotham und die dazugehoerige Bildsprache einige Zeit gefuehlt ueberall zu sehen war.

Wie das Fontblog berichtet, sorgt die Schriftwahl bei Obamas neuer „Betting On America“-Kampagne dagegen fuer Diskussionen ganz anderer Art — sei die Revolution Gothic Extra Bold laut Buzzfeed doch zumindest mittelbar von der Typographie kubanischer Revolutionsposter inspiriert worden.

Der Obama-Presse-Chef habe die Vorwuerfe quasi antiamerikanischer Fontwahl ganz lapidar kommentiert:

Your GOP operative should have had the courtesy to stay sober before noon, and BuzzFeed should go back to labeling cat slideshows.

Linkschleuder


der Versuch einer Aufarbeitung noch offener Tabs. Leider sind teilweise die QuellengeberInnen verloren geraten 🙁

Netz und Gesellschaft

  • World War 3.0 — interessant geschriebener, tiefgehender Artikel aus der Vanity Fair (sic) ueber Das Netzℱ, wer es kontrollieren sollte und warum nicht.
  • Revealed: How Twitter’s secret offer for Instagram made Facebook pay $1B — Portrait eines tief paranoiden Mark Zuckerberg, der von der Furcht getrieben scheint, Facebook koennte an Relevanz oder Dominanz verlieren.
  • How to Preserve, Prepare und Produce Your Digital Legacy — Die Frage, was eigentlich aus dem eigenen digitalen Nachlass wird. Nicht nur fuer den Todesfall interessant, sondern auch fuer die Frage, wie man in 30 Jahren mit dem akkumulierten Zeug umgeht, das man (hoffentlich) lokal und nicht nur auf Facebook &c hat.
  • Sprache und Ungleichheit — Anatol Stefanowitsch vom Sprachblog beleuchtet den Weg von der Unterscheidung zur Diskriminierung, und welche Rolle Sprache hierbei spielt. Piraten, die behaupten, es gaebe bei ihnen keine Diskriminierung, sollten das mal lesen 😉

OpenData &c

Nerdstuff

Design und Kunst

  • The design of a signage typeface — sehr schoen bebilderter Vergleich verschiedener Schriften auf (Strassen)schildern, mit Vorstellung einer Eigenentwicklung

Unterhaltung

Schoener tippen unter Linux

Wenn man jemandem einen Gefallen tun will, zeigt man ihr niemals mehr als die absoluten Grundlagen der Typographie. Das Problem ist naemlich seit ueber 100 Jahren dasselbe: Fuer den handwerklich gut gemachten Druck von Texten aller Art gibt es SchriftsetzerInnen, die frueher aus riesigen Setzkaesten die passenden Bleilettern fuer einen Text fischten und einzelne Letternabstaende im Zweifelsfall mit hauchduennem Seidenpapier ausglichen, um ein optisch „rundes“ Bild zu erreichen. Die Vorlagen wurden handschriftlich erarbeitet, oder mit einem Kompromiss zwischen Handschrift und „richtigem“ Satz: Der Schreibmaschine.

Mit Blei arbeitet heute kaum noch jemand, Desktop Publishing lautet fast immer das Zauberwort. Eine Sache ist jedoch geblieben: Wenn wir Texte in den Rechner eingeben, dann sieht das dazugehoerige Geraet immer noch verflixt nach diesem mechanischen Kompromiss namens Schreibmaschine aus.

Das hat Folgen. Eine gut ausgebaute Schrift hat mehrere hundert verschiedene Buchstaben, Zahlen, Punktuations- und Sonderzeichen („Glyphen“), die Tastatur kommt mit rund hundert Tasten aus — und geht dabei viele Kompromisse ein. Anfuehrungszeichen beispielsweise sucht man auf ihr vergebens, und schon allein von diesen gibt es in der Typographie gleich mehrere Varianten. Deutsche Anfuehrungszeichen folgen der Regel „99 unten, 66 oben“; waere dieser Text fuer die USA verfasst, kaeme die Regel “66 oben, 99 oben” zum Tragen, und wenn man moechte, kann man auch Guillemets verwenden, die immer wieder mit spitzen Klammern »nachzubauen« versucht wird, was in der Regel fuerchterlich aussieht. Der Kompromiss: Ein doppeltes Hochkomma („), das eigentlich allein als Zeichen fuer die Einheiten Zoll und Sekunde dient.

Welchen Eindruck die Verwendung ueberzaehliger Ausrufezeichen macht, ist seit Terry Pratchett gluecklicherweise hinreichend geklaert — es soll aber Leute geben, die gerne und immer ihre Saetze mit drei Punkten beenden

Auch hier faellt bei genauerem Hinsehen schnell auf: Dieses Auslassungszeichen besteht nicht etwa aus drei aneinandergereihten einfachen Punkten (…), sondern ist ein eigenes Zeichen — die horizontale Ellipse naemlich (
).

Und so kann man das weiterfuehren: Das Euro-Zeichen (€) ist seit ueber zehn Jahren auf den Rechnertastaturen angekommen, aber was ist mit Yen („), Pfund (ÂŁ) oder Cent (Âą)?

Wer Windows nutzt, darf sich diese Zeichen weiterhin aus der charmap suchen — Linux-Nutzer haben es wieder einmal deutlich einfacher. Ich habe offen gestanden keine Ahnung, wie es sich bei anderen Distributionen verhaelt, aber zumindest unter Ubuntu haben beinahe alle Tasten eine Drittbelegung, wenn man sie zusammen mit der Alt Gr-Taste benutzt: Guillemets und Anfuehrungszeichen finden sich auf y, x, v, b und n, die Ellipse auf der Punkt-Taste, und mit Alt Gr und Shift erschliesst sich sogar noch eine vierte Ebene, auf der sich auch Âź, ©, ℱ, ±, × und Ă· finden.

Dank UTF-8 kann man das heutzutage auch halbwegs problemlos in E-Mails verwenden — und wer gerne Flashbacks zehn Jahre zurueck mag, kann mit AltGr-Shift-4 auch das International Currency Symbol tippen: €.
Fuehlt sich ja fast an wie 2002, als man Leuten den Unterschied zwischen ISO-8859-1 und ISO-8859-15 erklaeren musste 🙂

Addendum: Alfred weist in den Kommentaren darauf hin, wie das auch unter MacOS geht. Sehr schoen — ich war eher zufaellig auf die Linuxvariante gestossen und habe damit meine Lebensqualitaet ganz dramatisch gesteigert. So einfach sind Typonerds zufriedenzustellen 😉

Aha, aufm Mond war’n se also. Fuell’n se dit mal aus!

EPISCH! Irgendwas zu verzollen Herr Armstrong? Mondgestein vielleicht?. Allein schon der Umstand, dass da der Customs Inspector des Honolulu Airport tatsaechlich ein Formular ausfuellt, mit „Departure from: Moon“ und „Flight No.: Apollo 11“ ist gigantisch.

Die ganze Geschichte gibt’s auf space.com.

Ungezuegelt

Noch so’n Grund, warum ich es irgendwie gar nicht so eilig habe, mit dem Studium vollstaendig abzuschliessen: Da bist du auf einer Party in einem komplett von Studis bewohnten Haus eingeladen, und an einer Wand haengt ein angebundener Edding, mit dem man sich verewigen soll. Das dauert dann auch nicht lange, bis mal spontan Adler von Kalenderblaettern nachgezeichnet werden, oder die Rothaus-Birgit, oder Motive von Threadless-Shirts, klar.

So genau weiss keiner, wie wir darauf gekommen sind, aber irgendwann so gegen halb zwei waren wir dann der Ansicht, dass kein WG-Haus komplett ist, wenn es nicht das Kentucky-Unbridled-Spirit-Logo auf die Wand gemalt hat. Koennte daran liegen, dass am Tisch abwechselnd italienisch und Southern Drawl gesprochen wurde, aber so ganz laesst sich das nicht mehr nachvollziehen.

Lehren: Auch angetrunken macht es mich  noch ein bisschen fertig, wenn Glyphenproportionen und -formen nicht ganz so richtig stimmen. Und Juliane wurde nach der Pferdekopfmalerei fuer eine Medizinerin gehalten, die sich nach dem Praepkurs die Finger nicht richtig gewaschen hat.

So you think you can tell Arial from Helvetica?

Neulich schrub ich hier ja schon in gewohnt polemischer Weise, dass man sich gefaelligst besser eine Axt in die Hand treiben anstatt Arial fuer ordentlich gesetzte Arbeiten verwenden solle. Es gab dann Rueckfragen, wo denn nun der Unterschied bei den eingebundenen gefakten Arial-Logos zu den Logos in Original-Typo zu finden sei, und ich war dann natuerlich erst einmal fuerchterlich entsetzt.

3mlogo

Via ilt bin ich nun auf ein kleines Quiz gestossen, mittels dessen man beweisen kann, dass man Arial und Helvetica tatsaechlich auseinanderhalten kann, und zu meiner Ehrenrettung kann ich sagen, dass ich nur bei Mattel falsch lag. Probiert’s mal aus — Tipp: Die besten Glyphen, an denen man die beiden im Quiz unterscheiden kann, sind G, c, C, t, e, a, r, S, s, k, R, O, o und 3.


und selbst wenn ihr es nicht herausfindet — versucht mal zu erkennen, welches Logo “hochwertiger” wirkt. Oben ist natuerlich links Helvetica, rechts Arial.

Du sollst keine charakterlosen Schriften benutzen

Ich habe mir lange ueberlegt, ob ich eine Diskussion vom Zaun brechen will, und habe mich dagegen entschieden. Weil ich das aber loswerden moechte, landet das Thema eben hier. Dafuer hat man ja so ein Blog.

bkMan stelle sich einmal jemanden aus der Kreativbranche vor. Ihr wisst schon welche Ecke. Das taeglich‘ Brot besteht daraus, sich Ideen aus dem Hirn zu saugen, handwerklich solide umzusetzen und dabei den Anspruch zu bewahren, letztlich qualitativ hoechstwertige und aesthetische Produkte zu liefern. Richtig gute Arbeit also. Natuerlich spezialisiert man sich in irgendeine Richtung, schliesslich kann nicht jeder alles gleich gut. Muss ja auch keiner.

Was ich nun nicht verstehe: Ein Fotograf wuerde angesichts eines Grafikers oder Typographen, der zur Illustration seiner Arbeit einfach nur miese Bilder macht, die Stirn runzeln. Sich vielleicht fragen, warum der Kerl nicht einfach einen Deal mit nem befreundeten Fotografen macht — der eine macht dem anderen die Bilder, dafuer gibts im Gegenzug eine Corporate Identity. Eine Hand waescht die andere, jeder hat ein hochwertiges Gesamtkonzept.

lhUmgekehrt scheint das aber kaum einen Fotografen zu jucken (Vorweg: Ich bin keiner. Ich bin Hobbyknipser, und das ist gut so.)

Was ich da schon gesehen habe, rollt mir regelmaessig die Fussnaegel auf. Richtig gute Fotos werden von dahingerotzten Wortmarken schlicht versaut. Richtig gern scheint man unter Fotografen zwei ganz und gar nicht zueinander passende Schriftschnitte aufeinanderzuklatschen, und generell scheint man sich auch wenig Gedanken darueber zu machen, welchen Charakter die Schrift der Marke denn ueberhaupt ausdruecken soll.

nikeJetzt ist klar, dass man als brotloser Kuenstler in der Regel nicht die Kohle locker hat, um mal eben in der Bergmannstrasse vorbeizuspazieren und den Fontshop leerzukaufen. Das ist aber kein Grund, abgedroschene und ausgelutschte Schriftarten zu verwenden oder zwei nicht zueinander passenden Schriften zu kombinieren. Quasi alle Windows-Standardschriften sollten (fast) prinzipiell ein No-Go sein.

Nicht einmal unbedingt, weil sie alle schlecht waeren — das sind sie naemlich nicht (alle). Die meisten sind aber einfach furchtbar ausgelutscht. Sie finden sich auf dem Briefkopf des Baeckers um die Ecke (der sich keinen Designer leisten moechte) gleichermassen wie beim kleinen Selbstaendigen gegenueber (der sich keinen Designer leisten kann) und den kostenlosen Vistaprint-Visitenkarten mit den haesslichen Verzierungen des Nachbarn (der nicht mal weiss, wie Design geschrieben wird).

Verdana zum Beispiel, als Bildschirmschrift konzipiert und in tausenden seltsamen Drucksachen missbraucht. Am besten per WordArt. Oder mein persoenlicher Hasskandidat Arial, ein schlechter Abklatsch der (meines Erachtens ihrerseits abgelutschten) Helvetica, und durch die Erhebung Erniedrigung zur Windows-Standardschrift seither in hunderttausenden schlecht gesetzten Eigendrucksachen quasi die Ikone des schlechten Geschmacks und des Billig-Looks. Mark Simonson beschreibt das so:

Arial is looked down on as a not-very-faithful imitation of a typeface that is no longer fashionable. It has what you might call a “low-end stigma.”

Um mal in der Fotografendenkweise zu bleiben: Arial ist das typographische Gegenstueck zum ausgelutschten Akt. Ihr wisst schon, der, in dem das Modell den String mit dem Absatz der High Heels anlupft, und am Absatz nachtraeglich in Photoshop ein Lensflare eingefuegt wurde. Und im Hintergrund ist ne Taurolle. Oder ein durchbrennender Gluehlampenfaden. Einfach das, was an sich gar nicht mal so schlimm waere — dadurch, dass es aber tausend begabte wie unbegabte Leute nachgemacht haben, tut es einfach mittlerweile in den Augen weh. Es gibt also einen Grund, warum keine vernuenftige Firma ihr Logo in Arial setzt. Deswegen sollte das auch niemand anders tun. Besonders nicht, wenn man selbst aus der kreativen Ecke kommt.

Gratis-Tipps fuer Gratis-Fonts, die etwas gleichsehen:

  • Museo Sans als moderne Futura-artige fuer die Sans-Serif-Fanatiker
  • Tallys als eigenwillige Serifenantiqua
  • Cardo — edel edel, an die Bembo angelehnt, furchtbar gut ausgebaut, aber „nur“ ein Schnitt.
  • Day Roman — wuerde ich vermutlich selbst waehlen, wenn ich einen freien Font fuer ein derartiges Logo verwenden muesste.

Es lohnt sich auch, immer mal wieder beim Fontblog bzw. Fontshop reinzusehen, wenn einzelne Schnitte verschiedener Schriften fuer lau verklopft werden. Und ja, es ist glaube ich schon gut, dass die abgebildeten Marken in Wirklichkeit nicht in Arial gesetzt werden.

Hallo Martin Bormann

Liebes Ulm-Gegen-Rechts-Team,

huebscher Kinospot. Nicht ganz mein Geschmack, aber okay.

Nur eine Bitte.

Gutenberg Bible 4

Bitte, bitte, BITTE hoert endlich alle mal auf, Frakturschrift mit „braun“ in Verbindung zu setzen. Oder informiert euch mal ueber diesen Brief des NSDAP-Reichsministers Bormann, in dem er die Schwabacher als „Judenlettern“ bezeichnete.

Danke.

Bild: Gutenberg-Bibel G42 in New Haven, CT — Textura, aber nicht braun

Bleistift-Typo

Q: Woran erkennt man den perfekten Typographen?

A: Er kann aus der Hand, nur mit einem Bleistift bewaffnet, Schriftzuege in einem ganz bestimmten Schriftschnitt zeichnen.

zeichnung

Na gut, ich gebs ja zu — ich erkenne die Myriad, wenn ich sie irgendwo sehe, und ich weiss auch, wie sie so laeuft, aber mit dem Overheadprojektor als Zeichenhilfe geht das dann doch noch ein wenig sauberer.

projektor

Und dafuer, dass es fuer alle Beteiligten das erste so gebaute Forenplakat fuer die Uni war, hat das auch ganz gut funktioniert — vom Bahnen schneiden ueber das Grundieren und Vorzeichnen bis zum naechtlichen Malen auf Niveau 1 unter steigendem Biereinfluss.

malen

Die Kreise sind mittlerweile auch dran — und wer Vorverkaufskarten haben will, stehe entweder am 5. Mai vor dem BECI, im Forum, bei der FS-ET oder im Klinikhoersaal an, oder bestelle sie rechtzeitig(!) beim Org eures Vertrauens. Preis 3 EUR.