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Werkzeugkiste

Mal wieder ein Open-Data-Rundumschlag: den Einsteig macht ein Interview der bpb mit Marian Steinbach, der auf der rp13 seine Bemuehungen vorstellte, die Datenformate von Ratsinformationssystemen zu standardisieren. Ueberraschenderweise machen hier die RIS-Anbieter richtig Dampf, man darf gespannt sein – nicht zuletzt, weil auch Ulm hier etwas anbieten moechte – und somit irgendwann auch fuer Ulm ein Angebot wie offeneskoeln moeglich sein koennte.

Aus Koeln kommen auch einige Wunschlisten, was man sich denn gerne so alles wuenschen wuerde: Einmal eine Open-Data-Wunschliste fuer NRW, einmal die Variante fuer die Stadt Koeln.

In Muenchen scheint das Engagement derweil eingeschlafen zu sein und sich gar nichts mehr zu tun – was Roland Moriz so geaergert hat, dass er ein Blog eingerichtet hat und nun nach MitstreiterInnen sucht.

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Oft ist das Problem ja nicht einmal, dass Daten gar nicht verfuegbar waeren, sondern dass sie in irgendwelchen PDFs versteckt sind. Noch schlimmer ist, wenn das PDF-Tabellen sind, da wird dann selbst das Parsing mit pdftotext… anstrengend.

Bildschirmfoto vom 2013-05-17 18:50:01

Introducing: Tabula. Die freie Software kann einfach von Github gezogen und lokal installiert werden – danach koennen beliebige PDFs hochgeladen und die zu parsenden Tabellen per Drag and Drop ausgewaehlt werden. Poof: Eine CSV-Tabelle! Hurra!

Eine Livedemo (bei der man aber nichts eigenes hochladen kann) gibt es hier.

Weitere PDF-Exporter neben tabula und pdftotext – insbesondere auch fuer Windows-Systeme – sind nebenan bei der Knight Foundation gesammelt.

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Nachdem’s hier schon lange nix mehr zu Geodaten und Karten gab, und R auch nicht jedermanns Sache ist, hier der Verweis auf Lisa Williams‘ Blog, speziell auf die zwei Artikel The Insanely Illustrated Guide To Your First Data-Driven TileMill Map und The Absurdly Illustrated Guide To Your First Dynamic, Data-Driven Timeline.

Beide Artikel sind in der Tat wahnsinnig absurd hervorragend bebildert und zeigen den kompletten Weg zum fertigen Produkt – im Fall der Karte also tatsaechlich von der Datenakquise ueber eigene Geocoding-Scripte in Google Docs (sic!) bis hin zur angepassten TileMill-Karte. Sehr schoen!

(Wer Spanisch kann, kann solcherlei Dinge auch im neuen MOOC der Knight Foundation lernen, der aktuell stattfindet)

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Wer trotzdem gerne mit R arbeiten moechte: Da gibts nun eine neue Version des OpenStreetMap-Packages, das nun auch jede Menge zusaetzlicher Tileserver unterstuetzt. Einziger Nachteil: Hat Java-Dependencies.

(via)

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Noch ein Kartenfundstueck: Die ÖPNVKARTE nutzt die OpenStreetMap-Daten, um eine um Nahverkehrsdaten angereicherte Karte auszugeben. Huebsch.

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Tiaga Peixoto stellt die Frage, ob „Open Government“ ueberhaupt etwas mit Transparenz und vor allem Rechenschaftspflicht zu tun haben muss:

ABSTRACT

By looking at the nature of data that may be disclosed by governments, Harlan Yu and David Robinson provide an analytical framework that evinces the ambiguities underlying the term “open government data.” While agreeing with their core analysis, I contend that the authors ignore the enabling conditions under which transparency may lead to accountability, notably the publicity and political agency conditions. I argue that the authors also overlook the role of participatory mechanisms as an essential element in unlocking the potential for open data to produce better government decisions and policies. Finally, I conduct an empirical analysis of the publicity and political agency conditions in countries that have launched open data efforts, highlighting the challenges associated with open data as a path to accountability.

[…] CONCLUSION

As a whole, this analysis advises caution on the part of policymakers and advocates with regard to the potential of open data to foster accountability. Even when data is politically important, accounting for the publicity and political agency conditions might be a commendable reflection for a better understanding of the prospects and limits of open data.

PEIXOTO, Tiago. The Uncertain Relationship Between Open Data and Accountability: A Response to Yu and Robinson’s The New Ambiguity of “Open Government”. DISCOURSE, 2013, 60. Jg., Nr. 6.

(via)

In eine aehnliche Richtung geht auch dieser DLF-Bericht u.a. mit Ina Schieferdecker, Michael Kreil et al.

(via)

Und zum Schluss noch ein wenig Urheberrecht. Denny Vrandečić (u.a. von Wikidata) exkursiert eine Weile ueber Lizenzfragen bei Daten(banken) und kommt zu dem Schluss, dass mensch hier bei der Veroeffentlichung allenfalls CC0 als „Lizenz“ verwenden sollte – mit dem Argument dass, wer CC-BY oder ODbL verwendet, die Position staerkt, dass rohe Daten ueberhaupt schutzfaehig im Sinne des Urheberrechts sind:

The extension from works to content, from expression to ideas, is another dimension, this time in scope instead of time, in the continuous struggle to extend and expand intellectual property rights. It is not just a battle over the laws, but also, and more importantly, over our believes and minds, to make us more accepting towards the notion that ideas and knowledge belong to companies and individuals, and are not part of our commons.

Every time data is published under a restrictive license, “they” have managed to conquer another strategic piece of territory. Restrictive in this case includes CC-BY, CC-BY-SA, CC-BY-NC, GFDL, ODBL, and (god forbid!) CC-BY-SA-NC-ND, and many other such licenses.

Every time you wonder what license some data has that you want to use, or whether you need to ask the data publisher if you can use it, “they” have won another battle.

Every time you integrate two data sources and want to publish the results, and start to wonder how to fulfill your legal obligation towards the original dataset publishers, “they” laugh and welcome you as a member of their fifth column.

Let them win, and some day you will be sued for mentioning a number.

(via @johl)

Nur damit das nicht untergeht

Die Netzsperren sind wohl Geschichte. Da freuen sich jetzt alle. Schreiben wir aber trotzdem sicherheitshalber mal auf:

  • Die Idee fuer diese ganze Scheisse kam urspruenglich mal aus der CDU. Von Frau von der Leyen. Damit das keiner vergisst. Friedrich hin, CSU her. Und der Uhl kam meines Wissens doch auch aus der CSU, nicht?
  • Das auch noch in Gesetzesform giessen zu wollen war Plan der SPD. Tralafitti!
  • Blaetter, die heute dpa-Meldungen zum Ende der Netzsperren auskippen, hatten vor zwei Jahren zum Teil „differenziertere“ Meinungen. Ich zitiere nochmal aus dem Brief des SWP-Ressortleiters Wilhelm Hoelkemeier an mich:

    Ansonsten gilt: Es existieren in unserer Redaktion beide Positionen — für und gegen die Einrichtung von Netzsperren. Das schlägt sich so auch im Blatt nieder

    Es gab also durchaus Journalisten, die die Zensursula-Ideen gut fanden oder zumindest nicht tiefgehend hinterfragten (in diesem Beispiel Gunther Hartwig und Thomas Veitinger)

Sollte man vielleicht im Hinterkopf behalten.

Leseempfehlung (4)

So ist das mit der Zerfaserung der digitalen Identitaet auf Twitter und Google-Reader-Share und Facebook und was weiss ich: Wer nicht allem folgt, bekommt nur einen Teil mit. Hier deswegen der Versuch, die vielen Linkempfehlungen der letzten Tage nochmal zusammenzufassen und kurz zu verstichworten.

(Wer meinen Reader-Share und bei Twitter mitliest, kann an dieser Stelle abschalten.)

Stichwort Wikileaks. Die dazu passende Suchmaschine duerfte ja bekannt sein, interessant waren fuer mich in den vergangenen Tagen vor allem die Reaktionen in der digitalen Medienwelt. Zum einen auf die Deutung von Wikileaks an sich: Was Julian Assange ueberhaupt will und wie man ihn interpretieren sollte, bemueht sich die SZ darzulegen, waehrend die grundsaetzliche Bedeutung von Transparenz und die Abwehrreaktionen der eigentlich doch so auf selbige bedachten Politiker unter anderem beim Freitag, beim Guardian, bei Picki und bei Steingrau eroertert werden.

Zwei weitere Punkte finde ich besonders spannend an der ganzen Affaere. Zum einen, dass sich auf einmal Politiker als Datenschuetzer gerieren und nach staerkerer Regulierung des Internets rufen — zum anderen, dass bei Wikileaks binnen kuerzester Zeit die Originalseite nicht mehr erreichbar war, was doch eigentlich bei Missbrauchsdarstellungen, gegen die normalerweise die Zensurbestrebungen gerichtet sind, ohne Sperrinfrastruktur nicht moeglich sei. Der Streisand-Effekt liess natuerlich auch nicht lange auf sich warten, und sowohl Amazon als auch Paypal sehen sich mittlerweile einem mittelschweren Scheissesturm ausgesetzt, inklusive Linksammlungen, wo man denn abseits von Amazon seine Weihnachtseinkaeufe im Netz taetigen kann. Die Idee, dass letztendlich nicht einmal Sperrgesetze notwendig sind, um uns von Informationen abzusaegen, sondern Konzerne darueber entscheiden koennen, irritiert offensichtlich nicht nur mich.

Irritierend finde ich auch, dass die Depeschen #07BERLIN242, #06MADRID3104 und #07MADRID173 in Bezug auf die Entfuehrung von Khaled El-Masri nur einer der oertlichen Zeitungen einen halbwegs ausfuehrlichen Artikel Wert war, die andere das Thema nur als Randnotiz abheftet. Wenn ein deutscher Staatsbuerger illegal verschleppt und daraufhin die Strafverfolgung der Verschlepper aktiv behindert wird, scheint das wohl nicht immer auch relevant zu sein. Oder aber es fehlen die Ressourcen, das Thema noch einmal aufzubereiten. Beides faende ich… schade.

Aehnlich sieht das auch Robert Basic (dass ich den nochmal verlinken wuerde!) in einem anderen Zusammenhang. Die Berichterstattung der klassischen Medien ueber den JMStV ist mehr als duerftig, und nicht nur er duerfte darueber enttaeuscht sein.

Und weil man nicht immer meckern soll, noch ein wenig Positivismus zum Schluss (mainly for Mediennerds):

Es geht los.

Die E-Petition ist die erfolgreichste in der Geschichte des deutschen Onlinepetitionswesens, und trotzdem scheinen die Netzsperren beschlossene Sache zu sein.

Na gut.

dann gibt es eben auch in Deutschland einen groß angelegten Online-Wahlkampf mit Tausenden, die sich mit Kreativität politisch engagieren und die sich mit technologischen Werkzeugen einmischen, dabei aber über Twitter und Blogs hinaus wirken.

(Alexander Svensson)

Es geht los. Seid dabei.

twitter_nss

Du wirst abgemahnt

Vor einigen Tagen geisterte ein Video rasend schnell durch die Twitter- und Blogosphere: „Du bist Terrorist“ von Alexander Lehmann (siehe unten). Heute morgen musste ich mal wieder zynisch grinsen, als ich auf netzpolitik lesen durfte, dass die fuer „Du bist Deutschland“ verantwortliche Agentur KemperTrautmann Lehmann wegen der Verwendung der Domain dubistterrorist.de abgemahnt hat. Markenrechtlich kann ich die Abmahnung ohnehin nicht nachvollziehen, aber ganz unabhaengig davon werden sich kt damit keinen Gefallen tun. Kennt noch jemand den Streisand-Effekt? Und erinnern sich etwa nicht mehr alle daran, wie ein kleiner Verein die deutsche Kinderhilfe vorfuehren kann?

Ich liebe das Graswurzelnetz 🙂

// Update: kempertrautmann hat Stellung bezogen — ihnen ging es offenbar nur um die Persoenlichkeitsrechte der Kinder, die auf den Screenshots im Hintergrund der begleitenden Seite zu sehen waren. Das lassen wir mal so stehen 😉

Es gibt Journalisten, die fuer Zensur sind

swp_brief

Auf meine E-Mail an die SUEDWEST PRESSE habe ich ja keine Antwort erhalten — auf mein Schreiben samt dickem Anlagenpaket der meisten von mir zitierten Artikel im Netz gab es nun eine schriftliche Antwort von Herrn Hoelkemeier, Ressortleiter Politik. Die liest sich auf den ersten Blick besaenftigend:

[…] Die von Ihnen genannten Quellen und dort vertretenen Positionen sind uns durchaus bekannt. Wir haben in diesem Sinne auch mehrfach kritisch über Netzsperren […] berichtet.

Wir haben insbesondere am Donnerstag, 26. März 2009, auf unserer Brennpunkt-Seite im Rahmen eines Pro und Contra sowie mit einem Erklärstück, weshalb die angedachten Sperren nicht funktionieren, auch diese Seite des Themas beleuchtet.

Ansonsten gilt: Es existieren in unserer Redaktion beide Positionen — für und gegen die Einrichtung von Netzsperren. Das schlägt sich so auch im Blatt nieder

Nun kann und soll man auch als Journalist selbstverständlich eine Meinung haben. Thomas Veitinger scheint beispielsweise für Netzsperren zu sein, von ihm stammt der „Pro“-Artikel „Ausstieg aus dem Wahnsinn“, und auch Gunther Hartwig blaest im grossen Hauptartikel der Brennpunkt-Seite ins Horn der Netzsperrer. Das ist an sich nicht schlimm.

Gerade von einem Journalisten erwarte ich aber, dass er ganz besonders die Quellen, die er zur Untermauerung seiner Meinung verwendet, auch ausreichend prüft. So schreibt Hartwig beispielsweise, dass in anderen Laendern „seit Jahren Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten systematisch gesperrt“ wuerden, zitiert ausfuehrlich vdL mit ihren Ansichten, laesst die Koalition auf die Blockade von „bis zu 400.000 Zugriffe[n] taeglich“ hoffen, die von „zufälligen Nutzer[n] (80 Prozent) sowie kriminelle Paedophile[n] (20 Prozent)“ kommen sollen, und ausserdem sollen mit diesen Massnahmen der „nicht nur in Deutschland boomende Kinderporno-Markt empfindlich [gestört]“ werden. „Ursula von der Leyen weiss, dass hinter diesen verwerflichen Angeboten ‚maechtige Geldinteressen‘ stehen“. Dass zu all diesen Zahlen und Angaben Gegenargumente und Relativierungen existieren, erwaehnt Hartwig nicht.

Nun gibt es zwei Moeglichkeiten.

Entweder, die Zensur-Befuerworter in der SWP haben diese Zahlen nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin geprueft, und deshalb nicht erkannt, dass die Behauptungen des Familienministeriums keiner genaueren Kontrolle standhalten. Dann ist ihre Arbeit journalistisch fragwuerdig, zumindest aber lax.

Oder aber, die Herren Hartwig, Veitinger et al wussten tatsaechlich um diese Gegenargumente, wie auch der Brief von Herrn Hoelkemeier nahelegt, und veroeffentlichen dennoch kritikfrei diese inhaltlich unhaltbaren Argumente, mit denen eine grundgesetzwidrige Zensurinstanz geschaffen werden soll, ohne dass auch nur ein missbrauchtes Kind etwas davon hat. Dann waeren sie als Journalisten kaum tragbar. Und auch die restliche Redaktion rueckte in ein schlechtes Licht, so sie denn einen Artikel wie den der KNA vom 18. April in der Form veroeffentlichte, ohne die dort angefuehrten zweifelhaften Zahlen und Aussagen zumindest zu relativieren.

In jedem Fall verspielen Zeitungen wie die SUEDWEST PRESSE mit derartiger Arbeit ihre Glaubwuerdigkeit gegenueber der jungen Generation, die sie anderenorts zu gewinnen versuchen, um auch weiterhin junge Abonnenten zu finden. Ich denke, es ist an der Zeit, dass diese junge Generation das der SWP auch einmal mitteilt. Aber bitte per Briefpost — auf E-Mail gibt es keine Antwort.

swp

Ich habe spasseshalber auf der mir von der SWP uebersandten Brennpunkt-Seite die hauptsaechlich fuer Netzsperren argumentierenden Artikel blau, die gegen Sperren argumentierenden Artikel gelb markiert. Die zwei Artikel unten sind relativ neutral gehalten, inhaltlich fragwuerdige bzw. im Netz widerlegte Angaben sind orange markiert.

Offene Briefe (4)

Sehr geehrte Herren Chefredakteure der SUEDWEST PRESSE,
sehr geehrte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Katholischen Nachrichtenagentur,

in der SUEDWEST PRESSE vom Samstag, dem 18. April 2009 erschien ein offenbar von der KNA stammender Artikel ueber die Selbstverpflichtung einiger deutscher Provider, vom BKA ausgewaehlte Seiten per DNS zu sperren. Da ich nicht nachvollziehen kann, ob und wie der KNA-Text durch die SWP-Redaktion veraendert oder gegenrecherchiert wurde, richte ich die folgenden Fragen an Sie beide — ich freue mich auf Ihre Antworten, die ich auch gerne in meinem Blog veroeffentlichen wuerde.

  • Der Artikel beginnt mit folgendem Satz: „Filme und Videos von der Vergewaltigung von Kindern sind ein Massenmarkt“.  Worauf beruht diese Aussage? Haben Sie bei Ihrer Recherche konkrete Zahlen gefunden, auf die Sie sich stuetzen koennen?
  • Sie schreiben weiter, Kinderschaender erwirtschafteten monatlich Millionenbetraege, „Tendenz steigend“. Stammen diese Informationen vom BKA, wie durch den vorhergehenden Satz angedeutet? Haben Sie diese Zahlen durch eine zweite Quelle belegen koennen? War Ihnen bewusst, dass der Strafverteidiger Udo Vetter, der eigenen Aussagen zufolge „einige Betroffene“ verteidigt hat, die des Besitzes von Kinderpornographie beschuldigt wurden, in diesem Zusammenhang von einer „Legende“ spricht?
  • Nachdem Sie kurz auf die Unwirksamkeit der DNS-Filterung eingingen, schreiben Sie, dass es bei der Massnahme „in erster Linie um die 80 Prozent Gelegenheitssurfer“ gehe. Was meinen Sie mit dem Ausdruck „80% Gelegenheitssurfer“? 80% der im Internet aktiven Surfer, oder 80% derjenigen Surfer, die nach dieser Lesart „gelegentlich nach kinderpornographischem Material“ suchen? Worauf beruht die Abschaetzung „80%“? Sind Sie selbst schon einmal versehentlich auf derartiges Material gestossen oder kennen Sie Surfer, denen das widerfahren ist?
  • Abschliessend weisen Sie darauf hin, dass „Norwegen, Daenemark, Schweden, die Niederlande und Grossbritannien […] seit Jahren kinderpornographische Seiten [zensieren]“. War Ihnen bekannt, dass die meisten Eintraege in diesen Filterlisten auf Server in den USA, Deutschland, Australien, Kanada und den Niederlanden verweisen? Also auf Seiten, die in Laendern betrieben werden, in denen die Verbreitung kinderpornographischen Materials ohnehin strafrechtlich verfolgt werden kann? War Ihnen bekannt, dass die schwedischen Ermittlungsbehoerden diese Filtermassnahmen mittlerweile fuer verfehlt halten?
  • Und zuletzt: War Ihnen bekannt, dass einige Netzexperten, unter anderem Lutz Donnerhacke, das Familienministerium diesbezueglich oeffentlich der vorsaetzlichen Luege bezichtigen?

Fuer Ihre Antworten im Voraus herzlichen Dank

regards,
-stk

Ich hoffe, das ist vorerst einmal der letzte offene Brief in dieser Sache. Und da fragt man sich, was der Grund fuer den Tod des Journalismus ist…

Offene Briefe (3)

Sehr geehrte Redakteurinnen und Redakteure der Augsburger Allgemeinen,

in Ihrer Ausgabe vom Samstag, dem 18. April 2009 veroeffentlichten Sie einen von der dpa stammenden kurzen Einspalter über die freiwillige Selbstverpflichtung einiger deutscher Internetprovider, vom BKA ausgewaehlte Seiten zu sperren.

Gedenken Sie, dieser kurzen Notiz noch einen ausfuehrlichen Artikel folgen zu lassen? Ist Ihnen bekannt, dass unter anderem der Internetexperte Lutz Donnerhacke das Bundesfamilienministerium diesbezueglich der vorsaetzlichen Luege bezichtigt? Oder dass Missbrauchsopfer wie Christian Bahls oeffentlich diese Massnahmen als kontraproduktiv anprangern? (vgl. Interview im Tagesspiegel vom 16.4.)

Ich freue mich auf Ihre Antwort, die ich auch gerne auszugsweise in meinem privaten Blog zitieren wuerde.

regards,
-stk

Offene Briefe (2)

Sehr geehrter Christoph Grabenheinrich (Saarlaendischer Rundfunk),

ich recherchiere gerade ueber das Medienecho zur freiwilligen Selbstverpflichtung der deutschen Provider. Ich wuerde mich freuen, wenn Sie ueber einige Aussagen in Ihrem Artikel genauere Angaben machen koennten.

  • Sie schreiben, „450.000 Klicks“ fuehrten taeglich allein in Deutschland auf kinderpornographische Inhalte. Woher haben Sie diese Zahl? Wie haben Sie diese Angabe auf ihre Plausibilitaet geprueft?
  • Sie schreiben weiter, „mit […] dem Leid [der Kinder]“ wuerden Millionen verdient. Worauf begruenden Sie diese Angabe? Auf welchen Zeitraum bezieht sie sich?
  • Sie schreiben ausserdem, es bestuende die Moeglichkeit, dass Internetnutzer aus Neugier auf Webseiten mit kinderpornographischem Inhalt gelangen und so „angefixt“ werden. Hat sich bei Ihrer Recherche das Muster des „anfixens“ als psychologisch haltbar erwiesen?
  • und Sie schreiben, die Erfahrungen aus Laendern mit aehnlichen technischen Verfahren zeigten, dass durch diese Massnahmen „die Zugriffe auf Kinderporno-Seiten […] abnehmen, den organisierten Hintermännern […] Millionen durch die Lappen gehen“ werden. Auf welche Laender beziehen Sie sich? Wie war dort der Rueckgang der Zugriffe auf „Kinderporno-Seiten“ messbar? Um welche organisierten Hintermaenner handelt es sich? Wie wurde ermittelt, dass die angesprochenen Umsaetze zurueckgingen?

Ich bin so frei, diese Anfrage auf meinem persoenlichen Weblog zu veroeffentlichen und wuerde gerne auch Ihre Antwort in Auszuegen dort zitieren.

Fuer Ihre Antwort im Voraus vielen Dank,
-stk

Die Digital Natives werden ueberbewertet. Noch.

Der mspro ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als er meinen Post zur Causa Heilmann verlinkt hat. Danach gabs von ihm hauptsaechlich immer noch seltsamer werdende Status zu lesen, bis Samstag jedenfalls. Da kam zu den Status auch mal wieder ein lesenswerter Artikel, ueber die Luecke zwischen den Generationen der Internetausdrucker und der sogenannten Digital Natives.

Es steht viel Wahres in diesem Artikel. Zum Beispiel, dass in vielen Schulen „Informatik“ noch aus „Turbo Pascal“ und aehnlichem Unsinn besteht. Auf meinem ehemaligen Gymi gab’s auch „Webseiten basteln“, mit irgendeinem Netscape-Programm. Gruselig. Die Kiddies holen sich WordPress-Accounts, und die Lehrer bringen einem derweil HTML bei, das nicht einmal standardkonform ist.

Was aber ebenfalls an den Schulen nicht gelehrt wird, sind Medienkompetenz und die grundlegenden Rechtskenntnisse, die man zum Überleben in der Informationsgesellschaft braucht — und das macht die „Digital Natives“ meiner Meinung nach momentan zur einer hoffnungslos ueberschaetzten Generation. Ein Kollege hat mir neulich von der Tochter seiner Freundin erzaehlt, fuer die Internet == Zeitvertreib ist. Auf TU surfen, Nachrichten austauschen, klar. Dass man den Rechner aber auch fuer zielgerichtete Recherchen verwenden kann, scheint vielen dieser sogenannten Digital Natives vollkommen fremd zu sein. Und wer behauptet, die Generation nach 1990 koenne wie selbstverstaendlich mit dem Rechner umgehen, schaue sich einmal die Referrer groesserer Internetseiten an. team-ulm.de, aufgerufen durch das erste Ergebnis der Suche nach „team-ulm.de“. Was ist denn eine Adressleiste? Google ist doch gleichzusetzen mit dem Internet, oder? So etwas erschreckt mich manchmal schon ein wenig.

Sehen wir es ein:  Wir, die wir bloggen, uns auf Konferenzen treffen um uns zu beweihraeuchern und uns in voelliger Selbstueberschaetzung als Elite vorkommen, sind doch nur ein verschwindend geringer Anteil an der Bevoelkerung. Wir sind diejenigen, denen gesagt wird, dass in der Firma Outlook und nur Outlook verwendet wird, egal ob wir damit zurechtkommen oder nicht. Wir sind diejenigen, die gefragt werden, warum wir schief schauen, wenn unser Gegenüber zwar Firefox benutzt, aber nicht die Tab-Funktion. In der jungen Generation mag dieser Anteil vielleicht etwas groesser sein, aber Wunder darf man keine erwarten.

Auf der anderen Seite steht es mir nicht zu, darueber die Haende ueber dem Kopf zusammenzuschlagen. Von wem soll die junge Generation denn die noetigen Fertigkeiten erlangen, wenn sich doch schon die Mehrzahl der Lehrer nicht mit der Materie auskennen, geschweige denn die Eltern? Die Situation erinnert mich fatal an die Stimmung im Usenet in den 1990er-Jahren, als hordenweise die klischeehaften AOL-Newbies in die Newsgroups einfielen. Man machte sich lustig, rollte mit den Augen — Abhilfe kam aber erst, als man diese Newbies langsam zum richtigen Umgang mit dem Medium „erzog“.

Mspro meint, dass wir die Grundlagenarbeit leisten muessen. Lobbyarbeit, Netzpolitik, Mittler spielen zwischen den Internetausdruckern und der Post-1990-Generation. Ich finde, das reicht nicht. Uns obliegt es, aus der Nachwendegeneration auch tatsaechlich Digital Natives zu machen. Indem wir ihnen erklaeren, warum es nach unserem Urheberrecht nicht in Ordnung ist, geschuetzte Liedtexte zu veroeffentlichen, auch nicht wenn ein „(c) by $Kuenstler“ dabei steht. Und warum eben dieses Urheberrecht vielleicht ueberholt ist. Und was man dagegen tun kann.

Kurz: Wir muessen ihnen zeigen, was fuer ein wunderbares Medium das Netz sein kann, wenn man damit umgehen kann — nicht nur zum Zeitvertreib — und warum sie es gemeinsam mit uns vor den alten Leuten schuetzen muessen, die es zerstoeren wollen.