Auf meine E-Mail an die SUEDWEST PRESSE habe ich ja keine Antwort erhalten — auf mein Schreiben samt dickem Anlagenpaket der meisten von mir zitierten Artikel im Netz gab es nun eine schriftliche Antwort von Herrn Hoelkemeier, Ressortleiter Politik. Die liest sich auf den ersten Blick besaenftigend:
[…] Die von Ihnen genannten Quellen und dort vertretenen Positionen sind uns durchaus bekannt. Wir haben in diesem Sinne auch mehrfach kritisch über Netzsperren […] berichtet.
Wir haben insbesondere am Donnerstag, 26. März 2009, auf unserer Brennpunkt-Seite im Rahmen eines Pro und Contra sowie mit einem Erklärstück, weshalb die angedachten Sperren nicht funktionieren, auch diese Seite des Themas beleuchtet.
Ansonsten gilt: Es existieren in unserer Redaktion beide Positionen — für und gegen die Einrichtung von Netzsperren. Das schlägt sich so auch im Blatt nieder
Nun kann und soll man auch als Journalist selbstverständlich eine Meinung haben. Thomas Veitinger scheint beispielsweise für Netzsperren zu sein, von ihm stammt der „Pro“-Artikel „Ausstieg aus dem Wahnsinn“, und auch Gunther Hartwig blaest im grossen Hauptartikel der Brennpunkt-Seite ins Horn der Netzsperrer. Das ist an sich nicht schlimm.
Gerade von einem Journalisten erwarte ich aber, dass er ganz besonders die Quellen, die er zur Untermauerung seiner Meinung verwendet, auch ausreichend prüft. So schreibt Hartwig beispielsweise, dass in anderen Laendern „seit Jahren Internetseiten mit kinderpornographischen Inhalten systematisch gesperrt“ wuerden, zitiert ausfuehrlich vdL mit ihren Ansichten, laesst die Koalition auf die Blockade von „bis zu 400.000 Zugriffe[n] taeglich“ hoffen, die von „zufälligen Nutzer[n] (80 Prozent) sowie kriminelle Paedophile[n] (20 Prozent)“ kommen sollen, und ausserdem sollen mit diesen Massnahmen der „nicht nur in Deutschland boomende Kinderporno-Markt empfindlich [gestört]“ werden. „Ursula von der Leyen weiss, dass hinter diesen verwerflichen Angeboten ‚maechtige Geldinteressen‘ stehen“. Dass zu all diesen Zahlen und Angaben Gegenargumente und Relativierungen existieren, erwaehnt Hartwig nicht.
Nun gibt es zwei Moeglichkeiten.
Entweder, die Zensur-Befuerworter in der SWP haben diese Zahlen nicht auf ihre Stichhaltigkeit hin geprueft, und deshalb nicht erkannt, dass die Behauptungen des Familienministeriums keiner genaueren Kontrolle standhalten. Dann ist ihre Arbeit journalistisch fragwuerdig, zumindest aber lax.
Oder aber, die Herren Hartwig, Veitinger et al wussten tatsaechlich um diese Gegenargumente, wie auch der Brief von Herrn Hoelkemeier nahelegt, und veroeffentlichen dennoch kritikfrei diese inhaltlich unhaltbaren Argumente, mit denen eine grundgesetzwidrige Zensurinstanz geschaffen werden soll, ohne dass auch nur ein missbrauchtes Kind etwas davon hat. Dann waeren sie als Journalisten kaum tragbar. Und auch die restliche Redaktion rueckte in ein schlechtes Licht, so sie denn einen Artikel wie den der KNA vom 18. April in der Form veroeffentlichte, ohne die dort angefuehrten zweifelhaften Zahlen und Aussagen zumindest zu relativieren.
In jedem Fall verspielen Zeitungen wie die SUEDWEST PRESSE mit derartiger Arbeit ihre Glaubwuerdigkeit gegenueber der jungen Generation, die sie anderenorts zu gewinnen versuchen, um auch weiterhin junge Abonnenten zu finden. Ich denke, es ist an der Zeit, dass diese junge Generation das der SWP auch einmal mitteilt. Aber bitte per Briefpost — auf E-Mail gibt es keine Antwort.
Ich habe spasseshalber auf der mir von der SWP uebersandten Brennpunkt-Seite die hauptsaechlich fuer Netzsperren argumentierenden Artikel blau, die gegen Sperren argumentierenden Artikel gelb markiert. Die zwei Artikel unten sind relativ neutral gehalten, inhaltlich fragwuerdige bzw. im Netz widerlegte Angaben sind orange markiert.