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Obama, der Kommunistentypograph :)

Vor vier Jahren sorgte Barack Obama mit seiner Kampagne dafuer, dass die (zweifelsfrei wunderschoene) Gotham und die dazugehoerige Bildsprache einige Zeit gefuehlt ueberall zu sehen war.

Wie das Fontblog berichtet, sorgt die Schriftwahl bei Obamas neuer „Betting On America“-Kampagne dagegen fuer Diskussionen ganz anderer Art — sei die Revolution Gothic Extra Bold laut Buzzfeed doch zumindest mittelbar von der Typographie kubanischer Revolutionsposter inspiriert worden.

Der Obama-Presse-Chef habe die Vorwuerfe quasi antiamerikanischer Fontwahl ganz lapidar kommentiert:

Your GOP operative should have had the courtesy to stay sober before noon, and BuzzFeed should go back to labeling cat slideshows.

Es gibt keinen deutschen Obama

Jetzt auf einmal versucht man sich gegenseitig zu ueberbieten. Die SPD mit walhkampf09.de, die Union mit team2009.de. Die Parallelen zur erfolgreichen Barack-Obama-Kampagnenseite will mal wohl auch gar nicht leugnen.

Alle deutschen Kampagnenableger haben aber etwas gemeinsam: Sie kommen zu spaet, und sie funktionieren nicht. Oder, polemischer gesagt, sie sind allesamt scheisse.

Da wird ein bissel getwittert, aweng geyoutubt, und eine Facebook-Seite hat man auch. Aber alles sieht so halbherzig aus, als habe man eben gesehen, dass dieser Obama das doch auch so gemacht hat, und dann muesse das doch auch bei der SPCDU funktionieren. Dass das eben nicht so einfach geht, weiss man doch eigentlich spaetestens seit dem missglueckten „Yes we can“ von Hubertus Heil, oder?

Vom Zufall zum Internet-Underdog

Thorsten Schaefer-Guembel war der erste Politiker, der es bisher geschafft hat, „richtig“ im Internet zu mobilisieren. Und das, wenn man mal ganz ehrlich ist, vollkommen ohne Grund. Weiss irgendjemand aus dem Stegreif, fuer was TSG steht? Was ihn so besonders macht, wenn man einmal davon absieht, dass er im Vergleich zu Roland Koch das geringere Uebel ist?

Ich auch nicht.

Der komplette multimediale TSG-Wahlkampf konnte eigentlich nur im Kielwasser der Obamanie so funktionieren. Und geplant war sie ja schon gleich dreimal nicht, erst durch Achim Schaffrinna vom Design-Tagebuch und die Wiederentdeckung seines als Witz gedachten Logos wurde aus dem „Milchbubi, den man damals auf dem Pausenhof verhauen haette“ (Quelle nicht mehr auffindbar) ein Quasi-Spitzenkandidat, ein Internet-Underdog. Ueberzeugend ist anders — Carta geht einen Schritt weiter und vergleicht TSG eher mit Palin als mit Obama. Recht haben sie.

Wo bleibt der „richtige“ Multimediawahlkampf?

Jetzt koennte man meinen, mit einer ordentlichen Kampagne haette das sicher funktioniert, und die aktuelle Schwierigkeit liege ja auch darin, dass die zwei Regierungsparteien nicht einfach mal parallel zum Regierungsgeschaeft zwei Jahre emotionalen Wahlkampf wie in den USA fahren koennen.

Das Problem ist: Wer sollte diese Kampagne durchfuehren?

Im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahlen trat man an mich heran, ob ich denn nicht einige der Kommunalpolitiker unterstuetzen koenne. Nein, wollte ich nicht, da die Zeit knapp und das Kampagnenbudget quasi nichtexistent war. Aber Tipps gab ich gerne: WordPress als CMS aufsetzen, die Kandidaten stellen sich darauf vor und kommentieren das aktuelle kommunale politische Geschehen.

Herausgekommen sind am Ende die furchtbarsten Flyer, die ich jemals gesehen habe, und eine im Wesentlichen komplett dysfunktionale Website a la Frontpage Express. Man hatte ja schliesslich eine „Designerin“ im Kandidatenteam.

Dieses Denken scheint sich komplett von der Kommunal- ueber die Kreis-, Bezirks- und Landespolitik bis zum Bund durchzuziehen. Transparente Politiker (in welcher Form auch immer) sind die Ausnahme. Und damit beginnt die eigentliche Crux.

The medium is not the message

Ein multimedialer Wahlkampf gleich welcher Art ist immer nur der Nachrichtenkanal. Man stelle sich vor, auf die obamanatische Tour haette man in den USA einen Politiker vom Kaliber Kurt Beck beworben. Um Himmels Willen. Damit solch ein Wahlkampf funktioniert, bedarf es eines Hoffnungstraegers, eines glaubwuerdigen, vertrauenswuerdigen und charismatischen Kandidaten, dem man zutraut, etwas zu veraendern — change —, dem man Glauben schenken kann — we can believe in —, der einen hoffen laesst, endlich einmal einen Politiker vor sich zu haben, der nicht opportunistisch der Parteimeinung hinterherlaeuft — hope —.

Aus dem Stegreif wuerde mir bei all diesen Kriterien hoechstens der Stroebele einfallen. Der Rest? Die Wahlkreise Ulm und Neu-Ulm werden von Ekin Deligoez (Gruene), Hilde Mattheis (SPD), Dr. Georg Nuesslein (CSU) und Annette Schavan (CDU) vertreten. Von Frau Schavan habe ich auf Anfragen grundsaetzlich nie eine Antwort bekommen. Hilde Mattheis war im September 07 noch vollkommen gegen Onlinedurchsuchungen, stimmte aber letztendlich fuer genau dieselben Durchsuchungen im BKA-Gesetz — Begruendung schwammig. Dr. Georg Nuesslein haelt gerne lange Reden, in denen er viel spricht und wenig sagt, er will keine Anfragen auf abgeordnetenwatch beantworten und bedankt sich „fuer Ihre E-Mail“, wenn ich ihm einen Brief schreibe. Bleibt allein Frau Deligoez, aber die Gruenen sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Diese Profillosigkeit, das staendige Hin- und Herschwenken, Opportunismus und Eigennutz sind es letztendlich, die einen Obama-Wahlkampf in der Bundesrepublik vollkommen aussichtslos machen. Und das traurige ist, dass das nicht besser wird, wie Klaus Jarchow auf medienlese.com so sehr lesenswert eroertert hat: In Deutschland wird nicht derjenige zum Bundeskanzlerkandidaten, der revolutionaere Ideen hat und die Massen begeistern kann, sondern jemand, der die Ochsentour an allen moeglichen Parteifunktionaeren vorbei nach oben geschafft hat.

Das ist meines Erachtens gar nicht mal so gut fuer die Demokratie.