Archiv für den Monat: Februar 2010

Komplexe Thematik

Wenn man den typischen Ablauf kennt, nach dem ein Zeitungsartikel entsteht, weiss man natuerlich, dass Person X beinahe nie das gesagt hat, was ihr im Artikel in den Mund gelegt wird. Insbesondere bei komplizierten Zusammenhaengen neigen Redakteure oft zu Verkuerzungen — dem durchschnittlichen Leser faellt das nicht auf, wer sich auskennt, aergert sich aber vielleicht ein wenig.

Im Zusammenhang mit unserer heutigen Trauerfeier zu Ehren des unbekannten Tutoren vor dem medizinischen Hoersaal gibt es im begleitenden SWP-Artikel nun einige verkuerzte Zitate, die unter Umstaenden falsch interpretiert werden koennten.

Unsere Tutoren werden seit dem SoSe 2007 natuerlich nur zum Teil aus Studiengebuehren bezahlt. Richtig ist, dass die Universitaet ihren Beitrag fuer die Einstellung und Bezahlung von Tutoren zurueckgefahren hat, so dass deutlich weniger Tutoren als bislang von der Universitaet selbst bezahlt werden. Was wegfiel, wurde durch Studiengebuehren ersetzt und auch aufgestockt. Dass diese Methode fragwuerdig ist, stimmt natuerlich.

Dass die Zahl der Studierenden zurueckgegangen ist, stimmt natuerlich auch. Das Betreuungsverhaeltnis ist aber, wie gezeigt, im kommenden SoSe 10 trotz der vielen Studiengebuehren wieder etwa auf dem Level von vor Einfuehrung der Studiengebuehren angelangt, woraus Christoph Mayer ein „schlechter geworden als frueher“ macht — naja.

Trotzdem bin ich ganz angetan ueber den Bericht, der den Protest im Gegensatz zur offiziellen uulm-PM wenigstens ernst zu nehmen scheint — die Pressestelle der Uni darf sich sicher sein, dass wir auch ohne Einladung sichergestellt haetten, dass moeglichst viel Buffet-Budget wieder uns Studierenden zu Gute gekommen waere :->

PS: Um die doch recht undurchsichtigen Budgetfragen rund um Studiengebuehren und Haushalt ein wenig besser verstaendlich machen zu koennen, haben wir die aktuellen Zahlen angefordert. Mal sehen, was sich da passend visualisieren laesst.

PPS: Wer einmal @gruenzeug, @mab12, @d33r und mich auf einem Bild sehen will: Klick 🙂

Der Kauf der Steuer-CD ist fuer mich ein Armutszeugnis

Warum? Weil sie gestohlen wurde, in der Absicht, sie gewinnbringend zu veraeussern. Ginge es dem Datendieb um die idealistische Vorstellung, dem deutschen Staat zu helfen, haette er sie ja Wikileaks zukommen lassen koennen. Oder per Einschreiben an das BMF schicken. Nein. Hier geht es um persoenliche Bereicherung.

Natuerlich ist die Aussicht, tausende Steuerverbrecher auf diese Art und Weise dingfest machen zu koennen, verlockend. Ebenso verlockend ist aber auch die Aussicht, tausende Wohnungen, Privatkonten und Tagebuecher von beliebigen Leuten zu durchsuchen, von denen „man“ ja weiss, dass sie Dreck am Stecken haben muessen — aber ganz ohne konkreten Verdacht, richterliche Anordnung und dergleichen. Heraus kaeme bestimmt etwas. Auch bei all denen, bei denen sich Polizei und Justiz jahrelang die Zaehne ausgebissen haben, ohne etwas zu erreichen. Rechtsstaatlich ist das aber nicht mehr.

Dass sich ein freiheitlich-demokratischer Rechtsstaat gewisse Schranken auferlegt, sorgt bisweilen dafuer, dass Kriminelle ungeschoren davonkommen. Das ist aber kein Argument gegen diesen Rechtsstaat — diese Schranken schuetzen letztlich die Rechte einer unbescholtenen Allgemeinheit, die in ihrer Gesamtheit zumindest meiner Ansicht nach schwerer wiegen, als die nicht ausgeuebte Gerechtigkeit im Falle einzelner Verbrecher.

Im konkreten Fall tut diese Abwaegung sicher weh. Aber man substituiere gedanklich einfach mal „Kauf von Diebesgut“ mit „Folter“. Mir reicht das.

tadamm-tamm-tadamm!

Das Ding ist das Head-Mounted Display eines Wearable Computers von Xybernaut, der in der Rumpelkammer der Medieninformatik an der uulm sein Dasein fristet. Wir hatten gehofft, ihn irgendwie an einen normalen Rechner adaptieren zu koennen — die Anschlussstecker sind aber proprietaer, Dokumentation dazu war nicht zu finden, und eigentlich sollte das Display auch zum Traeger zeigen, und nicht von ihm weg.

So wird das Teil wohl weiter im Regal liegen, als Zeuge einer Zeit, in der man dachte, dass die Leute irgendwann tatsaechlich alle mal mit seltsamen Visoren vor dem Auge herumlaufen wuerden.

Mir faellt dazu immer nur eins ein: tadamm-tamm-tadamm!

Es ist 2010 hier, oder: Ueber Daisy, Wetterkatastrophen und warum frueher halt doch nicht alles besser war

In den Diskussionen zur ausgebliebenen Daisy-Beinaheueberhauptnichtkatastrophe und den jetzigen Schneeverwehungen hoert man oft immer, dass es frueher ja auch schon viel mehr Schnee gegeben habe, und das auch immer irgendwie ging. „Frueher ging das auch“ ist aber noch nie ein Argument gewesen. Frueher haben die Kinder auch unter Tage gearbeitet, und damals ging’s auch ohne Krankenversicherung.

Heute haben wir einfach einen anderen Lebensstandard, die erhoehte Mobilitaet hat unseren (vielfach zum Lebensunterhalt notwendigen!) Aktionsradius weit erhoeht und wir sind von den neuen Errungenschaften weitgehend abhaengig geworden. Frueher konnte man eben auch sein Haus noch wochenlang mit Holz oder Kohle heizen. Die heute vorwiegend genutzten Heizungen ueberstehen hingegen nicht einmal einen Stromausfall — der gefuellte Oelkeller nuetzt einem nichts, wenn der Brenner nicht anspringt, und ob bei laengeren Stromausfaellen das Gasnetz noch funktionieren wuerde, weiss ich auch nicht. Dieser Umstand ist auch nicht mal etwas typisch menschliches, sondern das ist — wenn man die mitwachsende Technik vor einem evolutionaeren Hintergrund sieht — sowas wie Koevolution, die es in der Natur ueberall gibt. Die Technik hat sich den geaenderten Beduerfnissen des Menschen angepasst, und der Mensch wiederum der Technik. Dafuer funktioniert die heutige Heizung eben auch energieeffizienter als der alte Kohleofen.

Die Schuld fuer liegen gebliebene Autos und unbefahrbare Strassen nun den sparenden — und sowieso chronisch klammen — Kommunen in die Schuhe zu schieben, ist natuerlich billig. Die Kommunen sind ohnehin diejenigen Behoerden, die zuerst gepruegelt und zuletzt irgendwelche Gelder bekommen, und der gestiegene Lebensstandard hat auch in anderen Belangen (kommunaler Brandschutz, Schulumlagen, etc.) zu hoeheren Kosten gefuehrt. Da ging es frueher auch anders, aber da hatte man auch noch keine Pressluftatmer und keine Werkzeuge zur patientenschonenden Rettung mit notfallmedizinischer Betreuung von Anfang an — und dahin moechte man eigentlich auch nicht wieder zurueck.

Als Fazit bleibt eigentlich nur, dass es eigentlich keinen Einzelverantwortlichen fuer die zeitweisen wetterbedingten Einschnitte in unser gewohntes Leben gibt. Durch unseren gewandelten Lebensstil sind wir ganz schlicht und einfach anfaelliger fuer Stoerungen — z.B. durch das Wetter — geworden. Oder anders gesagt, wir haben uns als Gesellschaft so angepasst, dass wir in einem engeren Toleranzbereich umso effizienter funktionieren.

Nein, „frueher ging das auch“ ist wirklich kein Argument.

Prioritaeten setzen

Wenn wir bei der Feuerwehr alarmiert werden, dann definitionsgemaess eigentlich immer zu einer moeglichst unguenstigen Zeit. Zum Beispiel, wenn man gerade eingeschlafen ist, unter der Dusche steht oder, wie im Falle eines Kollegen neulich, gerade beim Friseur die Blondierung aufgetragen bekommen hat. Da trifft man dann schon einmal auf Leute mit verschiedenfarbigen Socken auf dem Weg in den Einsatz, oder Kollegen, bei denen es unter dem Helm hervordampft, waehrend sich der Rest der hastig ausgespuelten Blondierung in den Innenhelm einarbeitet.

Heute morgen wurden wir zu einer unklaren Lage auf der Autobahn gerufen, und zuerst fiel mir am Maschinisten P. nichts auf. Von rechts gesehen war alles normal, und von links gesehen auch, wenngleich auch etwas struppig. Erst beim Blick von vorne fiel dann auf, dass der Alarm wohl gerade zu der Zeit kam, als erst eine Gesichtshaelfte fein saeuberlich rasiert war 😉

Blogs sind nett. Alle.

Den Lumma versteh‘ ich nicht. Da lamentiert er, dass deutsche Blogs allesamt viel zu nischig, viel zu wenig mainstreamig, dafuer wiederum zu selbstreferentiell seien und sowieso immer nur mit Gebruell immer dieselbe Sau durchs Dorf treiben wuerden.

Mit der Sau, da geb ich ihm ja voll und ganz Recht. Das ist ja mittlerweile schon so vorhersehbar und schmerzhaft, dass man die Hand schon gleich zu Beginn an die Stirn duebeln moechte. Aber dann schau ich mir meine Blogs im Feedreader an, die ich allesamt lese, weil sie so wunderbar unmainstreamig sind und eigentlich nur Leute mit seltsamen Partikularinteressen ansprechen — also so Leute wie mich. Und dann ueberlege ich mir, wie beschissen es doch waere, wenn ich hier nicht einfach das herunterschreiben koennte, was mir gerade so einfaellt, sondern mich an irgendeinem Mainstream ausrichten muesste.

Blogs in Deutschland sind nett. Aber Mainstream ist scheisse.