Schlagwort-Archive: Bildungsstreik

Komplexe Thematik

Wenn man den typischen Ablauf kennt, nach dem ein Zeitungsartikel entsteht, weiss man natuerlich, dass Person X beinahe nie das gesagt hat, was ihr im Artikel in den Mund gelegt wird. Insbesondere bei komplizierten Zusammenhaengen neigen Redakteure oft zu Verkuerzungen — dem durchschnittlichen Leser faellt das nicht auf, wer sich auskennt, aergert sich aber vielleicht ein wenig.

Im Zusammenhang mit unserer heutigen Trauerfeier zu Ehren des unbekannten Tutoren vor dem medizinischen Hoersaal gibt es im begleitenden SWP-Artikel nun einige verkuerzte Zitate, die unter Umstaenden falsch interpretiert werden koennten.

Unsere Tutoren werden seit dem SoSe 2007 natuerlich nur zum Teil aus Studiengebuehren bezahlt. Richtig ist, dass die Universitaet ihren Beitrag fuer die Einstellung und Bezahlung von Tutoren zurueckgefahren hat, so dass deutlich weniger Tutoren als bislang von der Universitaet selbst bezahlt werden. Was wegfiel, wurde durch Studiengebuehren ersetzt und auch aufgestockt. Dass diese Methode fragwuerdig ist, stimmt natuerlich.

Dass die Zahl der Studierenden zurueckgegangen ist, stimmt natuerlich auch. Das Betreuungsverhaeltnis ist aber, wie gezeigt, im kommenden SoSe 10 trotz der vielen Studiengebuehren wieder etwa auf dem Level von vor Einfuehrung der Studiengebuehren angelangt, woraus Christoph Mayer ein „schlechter geworden als frueher“ macht — naja.

Trotzdem bin ich ganz angetan ueber den Bericht, der den Protest im Gegensatz zur offiziellen uulm-PM wenigstens ernst zu nehmen scheint — die Pressestelle der Uni darf sich sicher sein, dass wir auch ohne Einladung sichergestellt haetten, dass moeglichst viel Buffet-Budget wieder uns Studierenden zu Gute gekommen waere :->

PS: Um die doch recht undurchsichtigen Budgetfragen rund um Studiengebuehren und Haushalt ein wenig besser verstaendlich machen zu koennen, haben wir die aktuellen Zahlen angefordert. Mal sehen, was sich da passend visualisieren laesst.

PPS: Wer einmal @gruenzeug, @mab12, @d33r und mich auf einem Bild sehen will: Klick 🙂

#unibrennt

Via soup.io: Eine Visualisierung, wie oft der Hashtag #unibrennt von wo aus getwittert wurde.

Als kleine Orientierungshilfe fuer diejenigen, die sich nicht ohne Beschriftungen auf einer Karte orientieren koennen, hier mal die Lage von Ulm eingezeichnet. Und jetzt nochmal ansehen. Grml.

ulmkarte

Beste Korrekturantwort. Ehrlich.

nerdsreisen

Waehrend sich in Ulm am Hauptbahnhof die Studenten und Schueler zum lustigen Demonstrieren sammelten, machte sich ein Teil der BECI-Besatzung auf zum Zug nach Berlin. Und Geeks reisen natuerlich standesgemaess mit ihrem Werkzeug, das sie nach dem Einsatz im steckdosenlosen IC auch mal laden, wenn sie koennen, um weiter Uebungsblaetter zu korrigieren. Und ueber Highlights wie das hier zu lachen:

Frage:  Was passiert wenn Sie in Ihrem Browser STRG-F5 drücken? Hat das einen Einfluss auf die Proxies?

In Mac OS X wird Lautstärke wird erhöht. Diese Änderung hat keinerlei Einfluss auf einen Proxy.
Bei einem Linux System wird die Helligkeit verringert. Auch diese Änderung hat keinen Einfluss auf den Proxy.

Kein Abzug :->

Neben der Demo verpassen wir leider auch die 24-Stunden-Dauervorlesung am Donnerstag, mit deren Hilfe man binnen einen Tages den Turbobachelor of Nothing (Ba. NN) erwerben kann. Falls es jemanden interessiert: Beginn ist am Donnerstag um 1200 Uhr im H6, Highlights sind unter anderem die Lightning-Talks (1300–1400), fuer die man noch einspringen darf, die Diskussionsrunde mit Prof. Dr. Stadtmueller (1830–2000), „Alexander von Humboldt“ ( Prof. Dr. Kalko, 2300–2400), „Kick it like Frankreich“ (Film, 0430–0630) und „Coole Primaten“ (Dr. Schmid, 1000–1130). Ich gehe aber mal davon aus, dass sich auch der Rest der Dozenten lockere und interessante Vorlesungen ausgedacht hat, die man sich anhoeren kann — und schliesslich winkt ja am Ende auch der Bachelor 😉

Dann lieber gar keine Kommentare

Eine Demonstration zu organisieren, ist nicht einfach. Eine Demonstration an der Uni Ulm zu organisieren, schier unmoeglich und auch frustrierend: Die Haelfte der Studenten sind Mediziner, und die haben traditionell wenig Zeit oder Lust, fuer oder gegen irgendetwas aktiv zu werden — man muss ja schliesslich viel Fleissarbeit verrichten, wenn man im sechsten Semester nebenher promovieren will. Kein Wunder, dass die meisten ehemaligen Demo-Orgs mittlerweile etwas frustriert sind und so etwas nur ungern noch einmal in die Hand nehmen moechten.

Bissige Kommentare zu schreiben ist hingegen sehr einfach. Als Student kann man sich einfach berieseln lassen, und wenn dann irgendwelche Mails kommen, schickt man einfach boese Repliken zurueck, wie unorganisiert und grundsaetzlich schlecht die ganze Aktion ist (uebrigens hauptsaechlich von Leuten, die sich noch nie selbst irgendwo eingebracht haben. Das scheint eine Gesetzmaessigkeit zu sein). Als Journalist hat man es noch einfacher: Man sitzt in seinem Elfenbeinturm, versucht taegliche Geschehnisse in sein Weltbild zu integrieren und schreibt dann hauptsaechlich ueber Dinge Artikel, von denen man fachlich nur wenig Ahnung hat.

Anders kann ich mir den Kommentar „Dann lieber gar keinen Streik“ in der SWP nicht erklaeren. Schon im ersten Absatz hat man sich offenbar keine grossen Gedanken gemacht, die Hintergruende der Verspaetung in Erfahrung zu bringen, ueber die ich ja schon hier gebloggt hatte.

„Brav: Klausuren und Abi-Vorbereitung gingen vor.“ heisst es dort. Die Realitaet sah anders aus: In der StuVe hatte sich keiner verantwortlich fuer eine Ulmer Beteiligung am bundesweiten Bildungsstreik gezeigt. Bene war davon entsetzt, hat alle Hebel in Bewegung gesetzt und wollte gemeinsam mit Schuelern und Studenten doch noch etwas in Ulm auf die Beine stellen.

Alleine die Schueler kamen nicht. Lediglich Sprecher des Anna-Essinger-Gymnasiums und des TG waren mit Feuereifer dabei, den restlichen Schuelervertretungen schien die ganze Angelegenheit — mit Verlaub — am Arsch vorbeizugehen. Sehr aufschlussreich war hierbei ein Treffen am Kepler-Gymnasium, wo sich ein Kepler-Sprecher (und immerhin der Verbindungslehrer) interessiert zeigte, die zwei anderen Kepler-Sprecherinnen schienen das nicht fuer ihre Angelegenheit zu halten. Andere Schuelervertretungen waren gar nicht erst zu einem Treffen zu bekommen.

Also wurde — hauptsaechlich auf mein Draengen — die Reissleine gezogen, um das ganze einen Monat spaeter ordentlich aufziehen zu koennen. Das war wohl ein Fehler, denn alleine schon die Berichte der Aktionen aus anderen Staedten haetten wohl sicher den einen oder anderen mobilisiert. Aber gut.

Das Ende vom Lied waren nun rund 70 Demonstranten, davon etwa 20 Schueler. Und das noetigt den SWP-Kommentatoren zu folgender Aussage:

Der „Ulmer Bildungsstreik“ lässt deshalb nur vier Schlüsse zu. Entweder die Jugend interessiert sich kein bisschen für Bildungspolitik; oder sie besteht überwiegend aus angepassten Strebern; oder sie ist mit dem gegenwärtigen Bildungssystem vollauf zufrieden; oder sie hat schon resigniert. Alle Varianten sind gleichermaßen trostlos.

Wenn man nun den Elfenbeinturm verlaesst und sich die Realitaet ansieht, hat das noch andere Gruende. So weiss ich von Schulleitungen, die jegliche aktive Werbung fuer diese Demonstration untersagt hatten. Von einigen Schuelern hatte ich auch gehoert, dass das Fernbleiben vom Unterricht (trotz beendeter Schulpflicht) nicht gestattet werden wuerde. Und nicht zuletzt scheinen nur wenige Schueler auch nur ansatzweise politisiert zu sein — vielleicht schwingt da Resignation mit, ich weiss es nicht.

Dass die Pruefungsphase fuer die Schueler nun vorbei ist, ist ebenfalls zweischneidig. Das heisst naemlich auch, dass die 13er nicht mehr greifbar sind, entweder schon den Pflichtdienst beginnen oder irgendwo jobben. Zudem bedeutet das Semesterende auch den Beginn der Pruefungsphase fuer die Bachelor, diejenigen also, die die ganze Angelegenheit mit am meisten betrifft, und die am meisten zu leiden haben — und die sich aus genau diesen Gruenden ueberlegen muessen, ob sie nun an Podiumsdiskussionen teilnehmen, oder sich den Pruefungsstoff ins Hirn quetschen, um eine Pruefung nach der anderen zu schreiben und hoffentlich die Punktegrenze erreichen, um weiter studieren zu koennen.

Der Bildungsstreik 2009 in Ulm war ein Anfang, nachdem die Studierenden jahrelang nichts von sich hoeren lassen hatten. Die ersten Demonstrationen sind quasi immer die am schlechtesten besuchten, das duerfte eigentlich jeder wissen, und in diesem Fall gab es in der Tat auch viele gute Gruende fuer die schlechte Resonanz. Aber die haetten halt nicht in einen aetzenden Kurzkommentar gepasst.

„Dann lieber gar keine Kommentare“ scheint man indes auch bei der SWP zu glauben: Gestern abend gab es acht Kommentare von zwei Kommentatoren, die sich inhaltlich mit dem Artikel auseinandersetzten. Diese wurden mittlerweile kommentarlos geloescht. Einen Vergleich zu vorher habe ich von Simon L als PDF bekommen, danke.

PS: Die vielen Maekler sind aufgerufen, sich gerne beim naechsten Mal zu beteiligen. Und das ist kein Sarkasmus, sondern ernst gemeint. Fuenf erfahrene Helfer mehr haetten viel bewirkt.

Schlechtes Demowetter

Wenn’s gegen Rechts geht, scheint das Wetter zu stimmen, und auch jetzt scheint in Ulm wieder die Sonne. Als heute morgen um 10 Uhr die Demonstration zum Bildungsstreik begann, schuettete es aber erst einmal.

Ob es nun am Mistwetter oder am Interesse der Schueler und Studenten lag, wird sich nicht so leicht beantworten lassen — jedenfalls nahmen nur (von mir geschaetzte) rund 70 Demonstranten am Zug vom Bahnhof zum Muenster und von dort aus am Wochenmarkt vorbei zum Weinhof teil. Massgeblich wurde die Kundgebung von so.lid organisiert, die so auch Strom und Unterstuetzung vom Gewerkschaftshaus organisierten, aber auch fuer mitunter seltsame Parolen sorgten, denen sich die restlichen Teilnehmer nicht so recht anschliessen wollten, und auch ich musste ein paar Mal die Stirn runzeln, als ein geschaetzt 16jaehriger so.lid-Angehoeriger irgendwelche alten Arbeiterkampflieder anstimmte oder lauthals die CDU verbieten wollte. Aber okay, als ich 16 war, habe ich auch viel komisches Zeug erzaehlt.

Bilder der ganzen Aktion gibt es in der passenden Galerie auf Team-Ulm.

Mittlerweile sind uebrigens ueber 20 Piratenflaggen in Ulm im Umlauf. Fuer David stellt sie wohl so etwas wie das klassische Handtuch im Anhalter dar — er hat sich damit schon im BECI beim schlafen zugedeckt, heute diente sie ihm als Regenmantel und generell scheint jeder seine neu erworbene Flagge erst einmal als Superheldencape zu verwenden. So auch @Nitek, der damit auf dem Wochenmarkt fuer getuschelte Unterhaltungen sorgte — ich habe heute sehr oft „Kinderporno“ fluestern hoeren. Vorurteile funktionieren offensichtlich.

Es darf diskutiert werden

Auch hier noch einmal der Hinweis: Beim „richtigen“ Bildungsstreik hat sich Ulm aus organisatorischen Gruenden nicht beteiligen koennen, das Team um Benedikt hat aber allen Widrigkeiten zum Trotz ein feines Programm fuer die kommende Woche auf die Beine gestellt.

Los geht es morgen frueh mit einer… Kunstinstallation, am abend findet ab 18.30 Uhr im H3 der Uni Ulm eine Podiumsdiskussion mit Lehrern, Professoren und Rektoren statt.

Am Dienstag (14.7.) folgt eine politische Podiumsdiskussion im Gewerkschaftshaus am Weinhof, Beginn ist ebenfalls 18.30 Uhr, eingeladen wurden Politiker aller Bundestagsparteien (ausser @tauss)

Fuer Mittwoch (15.7.) habe ich Bene dann mein Megaphon geliehen, damit Schueler und Studenten ihre Meinung beim Demonstrationszug kund tun koennen. Beginn ist um 10.00 Uhr am Hauptbahnhof, die (anscheinend eher juxhalber so angemeldete) Route entlang der Fussgaengerzone, einmal ums Muenster und zum Weinhof wurde zum Vergnuegen aller Beteiligten tatsaechlich so genehmigt.

Ich bin gespannt.

Warum man in Ulm mit Verspaetung streikt

Es waere jetzt einfach, mit Fingern zu zeigen.

Beispielsweise auf AStA und StuVe der Uni Ulm, die sich in den vergangenen Monaten intensivst mit Hausordnungen, Plakatierregeln und Geschaeftsordnungen beschaeftigt haben, waehrend der Posteingang des — seit zwei Jahren unbesetzen — Aussenreferats mit Aufrufen zur Beteiligung am bundesweiten Bildungsstreik unbeachtet ueberlief.

Man koennte auch auf die Schueler, besser gesagt die SMVen der Ulmer Schulen zeigen, denen das alles zum groessten Teil grob gesagt am Arsch vorbei ging. Alleine die SMV des Anna-Essinger-Gymnasiums war gleichermassen begeistert wie bei jedem der extrem kurzfristig anberaumten Planungstreffen dabei. Im Kepler-Gymnasium, frueher die Planungszentrale fuer Schuelersturm und was weiss ich, begegnete man uns dagegen groesstenteils mit Irritation nach dem Motto „was geht uns das an?!“.

Die Schulleitungen sind ein Thema fuer sich. Am TG, wo ich Abi gemacht habe, und das ich bisher fuer einen Hort der Liberalitaet gehalten habe, hat der Fachabteilungsleiter anscheinend jegliches Engagement und jegliche Werbung fuer den Bildungsstreik verboten. Ich werde ihn demnaechst beim Ehemaligentreffen einmal darauf ansprechen, wie er darauf kommt, die Versammlungsfreiheit seiner durch die Bank nicht mehr schulpflichtigen Schueler einschraenken zu koennen.

Ja, und nicht zuletzt kann und muss man den anklagenden Finger auf das Ulmer Planungskommittee richten, im Klartext Bene und mich. Uns zwei, die binnen dreier Wochen alles komplett auf die Beine zu stellen koennen glaubten. Die nicht gleich von Anfang an demoerfahrene Mitorganisatoren ins Boot geholt haben, um die Arbeit zu verteilen. Die auch nicht die Schulen und Elternverbaende rechtzeitig informiert haben. Und die zunaechst zu zoegerlich vorgegangen sind.

So werden nun in der kommenden Woche Bilder unzaehliger Aktionen zu sehen sein, aus Universitaetsstaedten der ganzen Bundesrepublik. Nur Ulm wird wieder einmal nicht dabei sein.

Vorerst.

Denn waehrend ich fuer einen Exit war, solange man noch heil rauskommt, ohne sich mit einer Demo mit 50 Studenten zu blamieren, kamen aus unerwarteten Richtungen neue Mitstreiter. Bene hat sich noch einmal mit vollem Eifer in die Sache gestuerzt, und so wird die Ulmer Beteiligung eben mit ein wenig Verspaetung kommen: In der 29 KW (13-17.Juli)

Wer sich beteiligen oder informieren moechte: Die passende StudiVZ-Gruppe „Bildungsstreik 2009 – Ulm ist dabei“ und die Mailingliste bildungssstreik_09 auf dem uulm-Listserver.

Eine Infoveranstaltung wird es am 22. Juni geben — genaueres kommt noch ueber die Mailingliste und die svz-Gruppe.