Schlagwort-Archive: social networks

Wie man die Stadt Ulm lahmlegt

Heute morgen wiesen die DFI der Stadtwerke darauf hin, dass eine auf Facebook angekuendigte „lade einfach alle Leute zu einem unkontrollierten Fest an der Donau ein“-Party von der Stadt verboten wurde und der Besuch Bussgelder bis 5000 EUR nach sich ziehen koenne.

Das ist einer der letzten Akte in einer Serie von Aktionen und Reaktionen, die auf mich leicht schildbuergerlich wirkt. Ueber die „Facebook-Party“ war vorab mehrfach in der lokalen Presse berichtet worden, was ich aufgrund derer impliziten Haltung zum Leistungsschutzrecht aber nicht verlinken werde. Dass diese Berichte die Aufmerksamkeit nur noch weiter auf diese Veranstaltung gelenkt haben duerfte, sollte ebenfalls klar sein.

Die Stadt und die Polizei weisen in einer Mitteilung auf das Verbot der Veranstaltung hin (Hervorhebung von mir):

Aufgrund der nicht absehbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die von einer unkoordinierten Massenveranstaltung ausgehen können, hat die Stadt Ulm mit einer Allgemeinverfügung die angekündigte Facebookparty am kommenden Samstag, 7. Juli, auf der Ulmer Donauwiese, wo zeitgleich das Internationale Donaufest stattfindet, verboten. Das Verbot umfasst darüber hinaus alle über Internetforen/Soziale Netzwerke organisierten Veranstaltungen im gesamten Ulmer Stadtgebiet im Zeitraum vom Freitag, 6. Juli, bis einschließlich Sonntag, 8. Juli.

[…] Stadt und Polizei rechnen damit, dass trotz des Verbots und der angedroh-ten Strafen zahlreiche, zumeist jugendliche „Partygäste“ erscheinen werden und bereiten sich entsprechend vor. „Unser Ziel ist es, das Internationale Donaufest unbehindert und ohne Einschränkungen stattfinden zu lassen. Störer und Randalierer, zumal wenn sie angetrunken sind, werden wir daher nicht dulden“, gibt Rainer Türke von den Bürgerdiensten die städtische Linie wieder. Zugleich solle alles unternommen werden, um eine Eskalation der Situation zu verhindern.

[…] Stadt und Polizei weisen außerdem ausdrücklich auf die Konsequenzen hin, die auch den Teilnehmern an einer verbotenen Party drohen: Personalienfeststellung und Ordnungsgelder bis zu 5.000 Euro (z.B. für das Nichtbeachten von Platzverweisen) können auf die jungen Partygäste zu-kommen.

In anderer Sache telefonierte ich vorhin mit dem Polizeirevier Ulm-West — eigentlich was nachrangiges, nicht dringliches, es wurde mir aber gleich von Anfang an zu verstehen gegeben, dass heute keine einzige Streife abkömmlich sei. Ich wunderte mich zunächst, fragte dann kurz: „Facebook?“ — „Jopp.“ Ich bin mal sehr gespannt, wie die Polizei es schaffen will, Donaufestbesucher und „Facebookpartygaenger“ auseinanderzuhalten. Muss ich selbst mit Personenkontrollen rechnen, wenn ich mir einfach nur ansehen will, wie ein Donaufest voller Paranoia vor einfallenden Partyhorden aussehen koennte? Gar das Donaufest-Programm auswendig lernen, um nachweisen zu koennen, kein Interesse an Veranstaltungen ohne offiziellen Ausrichter zu haben?

Die dazugehörige Allgemeinverfügung ist meiner Meinung nach indes <edit>in ihrer Allgemeinheit, die (wenn man sie woertlich auslegt) saemtliche privaten Zusammenkuenfte im oeffentlichen Raum mitmeint, und in ihrer Umgehbarkeit, wenn man Werkzeuge verwendet, die per Definition kein „Social Network“ sind,</edit> an Blödheit kaum zu überbieten. Ich kann weiterhin per Massen-E-Mail Leute zur Teilnahme an beliebigen Veranstaltungen einladen — will ich jedoch meine Freunde per Social Network zum Treffen im Stadtpark einladen, ist mir das verboten, und eigentlich muesste die Polizei dieses Verbot auch enforcen, wenn ich mich nicht ganz arg taeusche.

Das habe ich dann im Telefonat nicht weiter nachgefragt. Und schaue gerade nachdenklich das Telefon an.

Update: Um Rechtssicherheit zu haben, rief ich eben mal quer durch alle Institutionen und Behoerden, wie es denn aussieht, wenn beispielsweise Studierende ein gemeinsames Grillen per sozialem Netzwerk organisieren wuerden. Das durchlief insgesamt fuenf Instanzen von mehreren Polizeistellen ueber die Pressestelle der Stadt bis zum Leiter der Buergerdienste, und sah in etwa so aus:

  • Brauche ich generell eine Ausnahmegenehmigung, um Zusammenkuenfte/Feiern im Stadtgebiet per sozialem Netzwerk organisieren zu duerfen?
    • Polizei: Auf privatem Grund sollte das kein Problem sein. Im oeffentlichen Raum, aeh, fragen Sie doch besser mal bei der Stadt, die hat ja die Verfuegung erlassen.
    • Pressestelle: „Gemeint“ sind Sie damit vermutlich nicht, aber was die Rechtssicherheit angeht, haben Sie da wohl schon Recht. Fragen Sie doch bei den Buergerdiensten.
    • Buergerdienste: Es geht um Massenzusammenkuenfte, bei denen die oeffentliche Sicherheit und Ordnung gefaehrdet wird. Private Veranstaltungen sind nicht betroffen. Einwand meinerseits: Da steht doch „andere ueber soziale Netzwerke organisierte Partys“. Antwort: Ja, aber es geht um Massenpartys.
  • Kann ich das Problem umgehen, indem ich die Veranstaltung nicht per Facebook, sondern zum Beispiel in unserem Arbeitswiki organisiere? Das ist dann zwar oeffentlich einsehbar, aber per Definition kein soziales Netzwerk.
    • Polizei: Aber Wikis sind doch auch soziale Netzwerke, oder? Ich: Ne. Polizei: Oh. Hm. Fragen Sie am besten bei der Stadt nach.
    • Pressestelle: Oh, ja, damit waere das Problem wohl umgangen. Aber die Buergerdienste wissen da sicher mehr.
    • Buergerdienste: (Ging nicht auf Wikis ein, sondern betonte mehrmals, dass es um „Facebookparties“ mit Massenzusammenkunft, Alkohol und sonstigem gehe)

Fazit:

Nachtrag: Ersetzt man Holzplatten durch beliebige Buecher, waere das hier doch eine wunderbare Kunstaktion zur Visualisierung einer „Facebook-Party“:

Die Stadtwerke machen Social Media

Ausnahmelagen sind die Momente, in denen das Echtzeitnetz brillieren kann. Heute streikten die BusfahrerInnen der Stadtwerke Ulm bis etwa 1430 Uhr, was auch bereits in den grossen Medien der Region angekuendigt wurde.

Von einer tatsaechlichen medialen Begleitung des Ausstands hatte ich wenig mitbekommen — tatsaechlich war es hauptsaechlich Selbsthilfe der Betroffenen auf Twitter, beispielsweise durch das von @taxilof schnell auf die Lage angepasste Haltestellenscript, mit dessen Hilfe man herausfinden konnte, wann der naechste von der (nicht streikenden) RBA betriebene Bus des Umlaufs 3/5 kommen wuerde, der einen an die Uni bringt. Das wurde dann noch ein wenig untereinander verteilt, und ueber @ulmapi twitterte ich, als auf einmal wieder Ist-Daten der rollenden Busse eintrafen, ansonsten schien es aber ruhig an der Social-Media-Front.

Erst gerade vorhin sah ich durch Zufall, dass die Stadtwerke eine ansehlich gepflegte Facebook-Praesenz haben — auf der sich nicht viel zum Streik fand, aber immerhin alle Rahmendaten und die Information, als es wieder weiterging. Und Videos, die es zwar auch dilettieren, dafuer aber menscheln liessen.

Man kann sich jetzt wieder fragen, ob das so toll ist, wenn diese Informationen auf der Facebook-Seite mit wenigen hundert Fans, aber nicht auf der offiziellen Unternehmensseite zu finden ist. Halt, ich nehme das zurueck: Das ist eigentlich ziemlich beschissen. Dass dort aber etwas geht, und vor allem dass auf jeden einzelnen Kommentar reagiert wird, finde ich respektabel.

Da koennte sich manch andere Instanz eine dicke Scheibe abschneiden.

Studie: Jugendliche entwickeln eigene Werte in Netzwerken | Digital | ZEIT ONLINE

Laut einer US-Studie sehen Teenager ihre Privatsphäre nicht durch Google oder Facebook bedroht, sondern durch ihre Eltern. Deshalb kodieren sie ihre Botschaften im Netz.

Ihre Befragungen haben ergeben, dass sich für viele Jugendliche das Privatleben vor allem im Kopf abspielt: Privat sind für sie ihre Gedanken und Gefühle. Selbst das eigene Zimmer wird nicht unbedingt als Rückzugsraum angesehen. Schließlich dringen die Eltern dort immer wieder ein. Allein und damit privat fühlen sich viele Jugendlich laut der Studie daher vor allem dort, wo die Eltern nicht sind.

Studie: Jugendliche entwickeln eigene Werte in Netzwerken | Digital | ZEIT ONLINE.

Edit: Danke an Flo fuer den Link zum Originalpaper!

Der Echoraum

„Soziale Spaltung“ im Netz titeln die einen, die anderen nehmen die Facebook-Fankommentare um den Luegenbaron Guttenberg als Beispiel: Wenn das Netz ein Abbild der gesamten Gesellschaft ist, dann findet sich frueher oder spaeter eben auch die Klientel der Bild-Leser dort, oder beliebiger anderer Gruppen, die fuer uns bisher einfach „die anderen“ waren.

Jetzt kann man natuerlich argumentieren, dass man schon aus Gruenden der eigenen geistigen Gesundheit vielleicht einfach darauf verzichtet, bestimmte Twitterer, PI-News oder sonstige Ecken des Netzes zu verfolgen. Wir schaffen uns einfach unsere eigenen Echoraeume, wo alle mit uns einer Meinung sind, und leben friedlich bis in alle Zeit (juppheidi etcetera).

Damit werden dann aber halt nicht die Probleme zwischen datenschutzkritischer Spackeria und Datenschuetzern geklaert. Und wenn ich dann sehe, dass ich bei einem Facebook-Dialog wie dem Obigen der Einzige bin, dem der Vergleich sauer aufstoesst, dann finde ich das auch bitter. Wir haben uns dann eine Weile per Message ueber den Post gezofft und am Ende hatte die Urheberin auch verstanden, warum ich nicht so begeistert war — da war ich aber auch schon entfreundet.

Das gibt einem dann schon zu denken. Also nicht das Entfreunden, das war mir egal, ich kannte die Betreffende nur, weil sie mal zu einer WG-Party bei mir aufgekreuzt ist. Aber wenn ich jemanden wegen seiner seltsamen Meinungen bei Twitter entfolgen will, denke ich mittlerweile zwei Mal drueber nach. Lieber Meinungspluralitaet als ewig dieselben Meinungen zu lesen.

PS an alle Twitterer: Ich hab echt kein Problem mit Montag. Da haben wenigstens die Geschaefte offen.

German Angst, Kommunalausgabe

Ich kann mein schlechtes Gewissen ein klein wenig beruhigen: Es war wohl eine gute Entscheidung, gestern zu „Einsatz von sozialen Medien in Kommunen“ der MFG-Akademie gegangen zu sein, anstatt endlich einmal weiter fuer meine Pruefung zu lernen. Nicht nur wegen des riesigen Brezel- und Kuchen-Buffets, das aus irgendeinem Grund das einzige Fotomotiv blieb, sondern weil ich neben alten Aengsten auch echtes Interesse gefunden habe.

Leider nicht bei allen.

Grundsaetzlich konnte man die Referenten grob in drei Gruppen unterteilen: Begeisterte Experimentatoren, Berater und Angstbremser.

Der erste Buergermeister Ulms, Gunter Czisch, gehoert zweifelsfrei zu den Experimentatoren, was mich angenehm ueberrascht hatte. Er sei derjenige, der fuer das Ausprobieren neuer Ideen zustaendig sei, besitzt — natuerlich — ein iPad, und ist wie so viele Kommunalpolitiker gesetzteren Alters ueber seine Kinder auf soziale Netzwerke, namentlich den regionalen Platzhirschen, gestossen. Ebenfalls angenehm ueberrascht war ich ueber den gegruendeten Strategiezirkel der Stadt, der offenkundig sehr praezise analysiert hat, welche Chancen sich bieten. Im Gespraech war auch eine „Breitbandgarantie“ als Standortfaktor: Zusammen mit den Stadtwerken solle jedem Buerger breitbandiges Internet garantiert zur Verfuegung stehen. Respekt.

Inhaltlich positiv, wenngleich stellenweise etwas droege vermittelt, der Vortrag von Joern von Lucke, der auch als Sachverstaendiger dem OpenData-Network zuarbeitet, und der mit seinem Beispiel von geokartierten Gesundheitskontrollen in Restaurants der Bestschen Energieverbrauchskartierung schon recht nahe kam: Das sei „gut fuer die Volksgesundheit“ und motiviere zu besserer Hygiene.

Personal Attack Cow
Personal Attack Cow, Repoort, cc-by

Bei den anderen beiden Beratern, Bernhard Jodeleit von fischerAppelt und Carsten Ulbricht, habe ich mich mental ein klein wenig ausgeklinkt. Ulbricht versuchte, in 30 Minuten den kompletten Bogen vom Marken- ueber das Domain- zum Urheberrecht zu schlagen, was ich dann doch eher sportlich fand.

Jodeleit versuchte dagegen, mittels „Open-Source-Bildern“ (ohne cc-by-Namensnennung) den rund 120 Gaesten die soziale Dynamik in sozialen Netzwerken zu vermitteln und glaenzte dabei mit Erklaerungen wie „Web-2.0-Menschen drehen durch, wenn man sie abmahnt“, erklaert anhand Jako vs. Trainer Baade. Interessanter Einblick, wie so etwas aus „dieser“ Perspektive aussieht. Nunja.

Richtig schlimm fand ich dagegen den Vortrag von Joerg Blumenthal, der als Pressesprecher der Stadt Mannheim zunaechst eigentlich ganz passabel die Zusammenfuehrung der verschiedenen „Netzidentitaeten“ seiner Stadt beschrieb, dann aber zunehmend haarig wurde. Angefangen vom von mir subjektiv wahrgenommenen Unverstaendnis, warum die Klage um @mannheim zu einem Scheissesturm fuehrte, muendete der Vortrag abschliessend in einen gut fuenfminuetigen Rant ueber Google, insbesondere natuerlich Streetview, und Facebook. Die Stadt Mannheim habe auf Google reagiert, indem sie auch die oeffentlich zugaenglichen Luftbilder der Stadt wieder geloescht habe (sic!), und angesichts des potenziell unsicheren Umgangs von Facebook mit personenbezogenen Daten koenne er nicht ruhigen Gewissens empfehlen, dass eine Stadt ein Profil bei Facebook habe — schliesslich wuerde man so Unwissende in den „Datensumpf“ ziehen.

Ich habe dann bei der Diskussion noch einmal nachzuhaken versucht, warum man nicht die Nutzer mitnehmen moechte, die ohnehin in einem Datensumpfnetzwerk angemeldet sind, das konnte aber nicht wirklich zufriedenstellend beantwortet werden.

Nach der Veranstaltung wurde ich daraufhin von Georg Schaefer vom Innenministerium angesprochen, der vorher noch behauptet hatte, dass die „Gigantisch vielen Informationen“ den „Buerger ueberfordert“ und mich nun fragte, was ich denn persoenlich gegen die Datensammlerei tun wuerde und ob das nicht schlimm waere, wenn ich auf einer No-Fly-Liste landen wuerde. Meine Erklaerung mittels der Klotuerenanalogie, dass ich gerne bereit sei, gewisse persoenliche Daten freiwillig zu teilen, aber entschieden etwas dagegen habe, diese unter Zwang gegen meinen Willen preiszugeben zu muessen, stiess leider nicht auf fruchtbare Ohren, weswegen ich das Gespraech nach einem bedeutungsschwangeren „You have been warned!“ seinerseits beendet habe.

Belustigt zugesehen hatte dabei Uli Sailer, der als letztes vortrug und den ich nach anfaenglicher Skepsis sehr schnell zu den begeisterten Experimentatoren einordnen konnte. Keine Facebook-Schulung, dementsprechend ein etwas naiv eingerichteter Stadt-Account, aber spuerbarer Enthusiasmus, und vor allem viel Authentizitaet.

Artikel anderswo:

Social Media in Kommunen – Da kommt noch viel Arbeit!

Denkwuerdige Implikationen

Ein Nutzer, der offenbar in privaten Nachrichten ueber eine Onlinecommunity Links auf Seiten mit kinderpornographischem Inhalt verschickt, bringt den dortigen technischen Support in eine groteske Situation. Falls es sich bei dem Seiteninhalt tatsaechlich um KiPo-Material handeln sollte, darf man dieses nicht gezielt aufrufen — die Frage ist nun, ob man „gezielt“ klickt, wenn man als Kundendienstler eine solche Nachricht als beanstandenswert zugesandt bekommt.

Falls dem so waere — interne Massgabe ist, dass man zur Sicherheit die Finger davon lassen soll — ist man wirklich saubloed dran. Das hiesse, dass alles, was nach Beschwerdemeldung den Anschein von KiPo-Links erwecken wuerde, direkt und ungeprueft an die Kripo weitergeleitet werden muesste.

Ich frage mich nun, ob es solche Faelle auch anderswo gab, und wie dort verfahren wurde. Und ob das in letzter Konsequenz hiesse, dass boeswillige Menschen bundesweit die Kripo trollen koennten, wenn sie an die Supportteams beliebiger Social Networks melden wuerden, dass Benutzer XY ihnen beispielsweise hinter dem URL http://bit.ly/a5QwO9 Kinderpornos geschickt haben koennte — und die das ohne weitere Kontrolle weiterleiten muessten.

It’s the social economy, stupid.

Wlada hat uns ja leider gestern verlassen, um ein Jahr eine Uni bei Washington unsicher zu machen, deren Namen ich mir nicht merken kann, und anlaesslich dessen gab’s natuerlich erst einmal totes Tier und kaltes Bier. Und Wlada im Ostblock-Leistungsschwimmerinnen-Outfit. Und Ex-Cheerleaderinnen in kurzen Roeckchen. Nein, keine Bilder.

Irgendwann — @derzornige war schon zuhause, muss ja frueh ins Bett, der Bub — ging’s darum, wie man Wlada denn am guenstigsten besuchen koennte. Fluege nach NYC seien ja gar nicht so teuer, meinte eine, mit 350 EUR sei man ja schon dabei. “250!”, warf ich ein, “wenn man’s gut anstellt, sogar schon ab 150 EUR. Hin und zurueck.” Dazu muss man nur den richtigen Zeitpunkt abwarten, Hin- und Rueckflug bei Air France buchen, und zeitlich nach der Rueckkehr noch einen American-Airlines-Flug innerhalb der Staaten. Klingt total bescheuert, ist aber so.

Woher ich das weiss? Von @Nitek. Der hat mir (und allen anderen Mitlesern) in seinem Google-Share den passenden Artikel dazu empfohlen, weil er meinte, dass seine Leser das interessieren koennte. Auf aehnliche Art und Weise habe ich bei der vergangenen Media-Markt-Rabatt-Aktion nicht nur 19%, sondern insgesamt rund 40% Nachlass herausgehandelt. Mit der Rechnungskopie von irgendjemandem, den ich gar nicht kenne.

Das ist die pure Kraft des Social Webs. Wer daran nicht teilnimmt, kann das vermutlich nicht verstehen. Und bezahlt den vollen Preis. Da haben wir unser Digital Divide.

Nicht alles ist gut dabei. Ich finde es ein wenig fragwuerdig, einerseits gegen Vorratsdatenspeicherung zu wettern und andererseits bei Googles User Generated MfS mitzumachen. Und die Idee, all diese Daten in Firmenhaende zu legen, ist auch ein wenig ernuechternd. Das macht die ganze Angelegenheit aber nicht minder weltveraendernd.

Thomas Knuewer hat fuer seinen thematisch passenden Artikel dazu ein nett anzusehendes Video gefunden. Und ich bin gespannt, wann auch die deutschen Zeitungshaeuser auf den Trichter kommen.

Die Digital Natives werden ueberbewertet. Noch.

Der mspro ist mir zum ersten Mal aufgefallen, als er meinen Post zur Causa Heilmann verlinkt hat. Danach gabs von ihm hauptsaechlich immer noch seltsamer werdende Status zu lesen, bis Samstag jedenfalls. Da kam zu den Status auch mal wieder ein lesenswerter Artikel, ueber die Luecke zwischen den Generationen der Internetausdrucker und der sogenannten Digital Natives.

Es steht viel Wahres in diesem Artikel. Zum Beispiel, dass in vielen Schulen „Informatik“ noch aus „Turbo Pascal“ und aehnlichem Unsinn besteht. Auf meinem ehemaligen Gymi gab’s auch „Webseiten basteln“, mit irgendeinem Netscape-Programm. Gruselig. Die Kiddies holen sich WordPress-Accounts, und die Lehrer bringen einem derweil HTML bei, das nicht einmal standardkonform ist.

Was aber ebenfalls an den Schulen nicht gelehrt wird, sind Medienkompetenz und die grundlegenden Rechtskenntnisse, die man zum Überleben in der Informationsgesellschaft braucht — und das macht die „Digital Natives“ meiner Meinung nach momentan zur einer hoffnungslos ueberschaetzten Generation. Ein Kollege hat mir neulich von der Tochter seiner Freundin erzaehlt, fuer die Internet == Zeitvertreib ist. Auf TU surfen, Nachrichten austauschen, klar. Dass man den Rechner aber auch fuer zielgerichtete Recherchen verwenden kann, scheint vielen dieser sogenannten Digital Natives vollkommen fremd zu sein. Und wer behauptet, die Generation nach 1990 koenne wie selbstverstaendlich mit dem Rechner umgehen, schaue sich einmal die Referrer groesserer Internetseiten an. team-ulm.de, aufgerufen durch das erste Ergebnis der Suche nach „team-ulm.de“. Was ist denn eine Adressleiste? Google ist doch gleichzusetzen mit dem Internet, oder? So etwas erschreckt mich manchmal schon ein wenig.

Sehen wir es ein:  Wir, die wir bloggen, uns auf Konferenzen treffen um uns zu beweihraeuchern und uns in voelliger Selbstueberschaetzung als Elite vorkommen, sind doch nur ein verschwindend geringer Anteil an der Bevoelkerung. Wir sind diejenigen, denen gesagt wird, dass in der Firma Outlook und nur Outlook verwendet wird, egal ob wir damit zurechtkommen oder nicht. Wir sind diejenigen, die gefragt werden, warum wir schief schauen, wenn unser Gegenüber zwar Firefox benutzt, aber nicht die Tab-Funktion. In der jungen Generation mag dieser Anteil vielleicht etwas groesser sein, aber Wunder darf man keine erwarten.

Auf der anderen Seite steht es mir nicht zu, darueber die Haende ueber dem Kopf zusammenzuschlagen. Von wem soll die junge Generation denn die noetigen Fertigkeiten erlangen, wenn sich doch schon die Mehrzahl der Lehrer nicht mit der Materie auskennen, geschweige denn die Eltern? Die Situation erinnert mich fatal an die Stimmung im Usenet in den 1990er-Jahren, als hordenweise die klischeehaften AOL-Newbies in die Newsgroups einfielen. Man machte sich lustig, rollte mit den Augen — Abhilfe kam aber erst, als man diese Newbies langsam zum richtigen Umgang mit dem Medium „erzog“.

Mspro meint, dass wir die Grundlagenarbeit leisten muessen. Lobbyarbeit, Netzpolitik, Mittler spielen zwischen den Internetausdruckern und der Post-1990-Generation. Ich finde, das reicht nicht. Uns obliegt es, aus der Nachwendegeneration auch tatsaechlich Digital Natives zu machen. Indem wir ihnen erklaeren, warum es nach unserem Urheberrecht nicht in Ordnung ist, geschuetzte Liedtexte zu veroeffentlichen, auch nicht wenn ein „(c) by $Kuenstler“ dabei steht. Und warum eben dieses Urheberrecht vielleicht ueberholt ist. Und was man dagegen tun kann.

Kurz: Wir muessen ihnen zeigen, was fuer ein wunderbares Medium das Netz sein kann, wenn man damit umgehen kann — nicht nur zum Zeitvertreib — und warum sie es gemeinsam mit uns vor den alten Leuten schuetzen muessen, die es zerstoeren wollen.

Leseempfehlung (n+1)

Lars Reineke:

Wer nicht auf der rp09 war, Esra nicht gesehen hat und trotzdem nur von Eierschaukelei und Babykotze faselt: HALTET EURE IGNORANTEN FRESSEN.

Mit Esra meint er uebrigens die junge Dame, die es geschafft hat, auf der re:publica nicht einfach nur ueber Tools, Journalismus, Web und Politik zu lamentieren, sondern zu zeigen, dass man tatsaechlich auch etwas bewegen kann. Gaensehaut war garantiert, und ich frage mich, warum ich eigentlich nichts darueber geschrieben habe. Kann daran liegen, dass ich hier noch generell nichts ueber Tag 3 geschrieben habe. Whatever. Den Vortrag kann (und soll!) man sich bei make.tv ansehen. Danke.

Ebenso kann (und soll) man bei make auch den hervorragenden Vortrag von Cory Doctorow sehen, zudem auch den vielgeruehmten Lawrence-Lessig-Vortrag, die schon angesprochene Sache mit der Netiquette for Social Networks und „Hello World“ und last but not least die Twitterlesung, die hier auf Video nicht ganz so amuesant ist, wie sie live war.

Die restlichen Videos muss ich erst einmal selber ansehen.