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Bits und Baeume 2018

Ich fahre gerade (wegen koerperlicher Angeschlagenheit und des weiten Weges etwas verfrueht) von der Bits-und-Baeume-Konferenz aus Berlin zurueck nach Ulm, und wollte noch ein paar der Gespraeche und Gedanken festhalten, die wir in den letzten 48h hatten.

Die Idee der Konferenz war, die jeweiligen Bubbles aus $irgendwas_mit_Digitalisierung und $Nachhaltigkeit zusammenzuwerfen – um die Ueberschneidungen beider Themenfelder aufzuzeigen und die Menschen zusammenzubringen. Ich war offen gestanden anfangs etwas skeptisch, ob es das jetzt wirklich braucht. Nach dem Wochenende kann ich aber ganz im Gegenteil sagen: Das braucht es.

Die Veranstaltung besetzt eine Luecke, die von anderen Konferenzen und Congressen bislang eher maessig ausgefuellt wird. Ich fand es immer wieder schoen, eben nicht zum zehnten Mal dasselbe zu hoeren, sondern deutlich andere Stimmen, die den eigenen Horizont erweitern und zum Nachdenken anregen. Kam ich mir in den letzten Monaten auf anderen Veranstaltungen haeufig wie so ein Mini-Moechtegern-Extremist vor, der den Technozentrismus in der Smart-City-Diskussion infrage stellt und nach der gesellschaftlichen Rolle der technischen Loesungen fragt, fuehlte ich mich dort wie ein Digitale-Werkzeuge-Apologet, der immer wieder ins Achtung gestellt wurde. Weil die grundsaetzlichen Fragen noch viel weiter draussen sind, und ich in letzter Zeit auf ganz anderen Diskussionsebenen unterwegs war.

Das tat enorm gut.

Wir sprachen heute mittag auch ueber die Atmosphaere in den schick umdekorierten Hallen der TU: Die war ruhig, entspannt, unpraetentioes – und vor allem offenbar vollkommen trollfrei. Das tat auch gut. Vielleicht liegt’s am ausschliesslich veganen Essen, wer weiss :>

Ich konnte nur einen Bruchteil der Sessions live oder durch Erzaehlungen miterleben, das VOC hat aber wieder einmal grossartige Arbeit geleistet und die Vortraege Minuten nach Abschluss der Zeitslots ins Netz gestellt. Bislang kann ich Bits und Raeume hervorheben, und die Podiumsdiskussion „mit Digitalisierung zur Verkehrswende“, in der mal eben die Zerschlagung von VW gefordert wurde. Leon Kaiser brachte ausserdem in seinem Beitrag im Pecha-Kucha-Format Sporangium einen soliden Achtminueter ueber die De-Bullshitifizierung der Blockchain (Direktlink). Den Rest muss ich erst alles noch selber erst einmal nachsehen 😀

(Exkurs: Am Ende des Sporangium ertoente auf einmal naeherkommender Gesang aus den Hallen, was das Publikum immer ratloser machte – das stellte sich als das Berliner Heimatjodelduo Esels Albtraum heraus, die spaeter auch noch Stuecke wie den Bullenjodler im Lichthof auffuehrten :D)

Ich war selber auch eingeladen worden, zusammen mit Eva Blum-Dumontet (Privacy International) und Sybille Bauriedl (Europa-Universitaet Flensburg) „Reclaim the Smart City“ zu fordern und anschliessend auf dem Panel zu diskutieren. Ich sag mal so: Das hat geerdet. Ich habe die ganze Geschichte, was wir da in Ulm eigentlich mit der gar-nicht-so-smarten-City machen (und die ich jetzt seit zweieinhalb Jahren immer noch nicht hier niedergeschrieben habe), in den letzten Monaten fast immer nur anderen Kommunalmenschen oder gar Geschaeftsleuten erzaehlt, die selber gerne irgendwas mit Smart City machen wuerden. Das hat meine Koordinaten offenbar ganz ordentlich verschoben, und beim auszugsweisen Nachschauen dessen, was ich da gesagt habe, ist mir dieser offensichtliche engstirnige Verwaltungswicht ganz schoen peinlich.
Insofern danke v.A. an Sybille Bauriedl fuer die deutliche Zielrejustierung, worum’s eigentlich geht, und die kritischen Nachfragen aus dem Publikum. Und danke auch fuer das sehr direkte und offene Feedback nach dem Vortrag, dass sich mein Part im Vortrag sehr nach Selbstbeweihraeucherung angehoert habe. Ich muss diese Geschichte umbauen, die groesseren Ziele und auch viel mehr die vielen tollen Menschen in unserer lokalen Community in den Vordergrund stellen. Und ich muss wohl auch wieder haeufiger auf solche Veranstaltungen gehen, um mich vom Stadt-Alltag nicht allzusehr glattschleifen zu lassen.

Andersherum wuerde mich echt interessieren, ob die Rejustage auch bei anderen stattgefunden hat. Die „Facebook-Zerschlagen-Kampagne“ fuehlte sich ein wenig arg nach Hackerfolklore an. Datenschutz ist fuer die uebergeordneten Ziele halt ebensowenig Selbstzweck wie die Digitalisierung fuer die lebenswerte Stadt. Naja.

Es bleiben Dank und Glueckwunsch fuer ein gelungenes Konferenzformat, das fuer mich Anstoss zu viel Nach- und Weiterdenken war. Und ich bin gespannt, was aus den teilweise absurden Vernetzungsgelegenheitem am Rande noch wird 😉

PS: Es gab Baumkletterkurse! Mit Robin Wood! Wie geil ist das!

(hab mich nicht getraut. naja und ich hab den termin verschlafen)

Rethinking the Mobile Web

Danke an bse8128 fuer den Linktipp: Rethinking the Mobile Web ist nicht nur eine wunderschoene Praesentation, sondern wartet auch mit ueberraschenden Zahlen und einer kuehnen Schlussfolgerung auf. Weg mit „graceful degradation“ von der vollen zur mobil-angepassten Seite, heisst die These, und hin zu Websites, die zuerst ganz generisch fuer das mobile Web angepasst werden und per „graceful upgrade“ im Zweifelsfall das volle Featureset fuer die „richtigen“ Browser mitbekommen.

Mobile first. Klingt gar nicht mal so dumm.

(Titelbild aus besagter Praesentation von Bryan Rieger, cc-by-sa)

Amnesty: Kurzfristiger Programmhinweis

Hab’s leider erst heute Mittag in der Mensa gesehen: Die Amnesty-Hochschulgruppe veranstaltet heute abend um 1900 Uhr im Hoersaal 6 der Uni Ulm (Gebaeudekreuz O25/Suedeingang) einen Vortrag zum Thema „Aufklaerungsarbeit an Massengraebern“. Auszug aus dem Programm:

FĂŒr die Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen ist die Identifikation der Opfer ein wichtiger erster Schritt. DafĂŒr sind eine FĂŒlle von Befunden zu erheben: Geschlechts- und Altersdiagnose, bei MassengrĂ€bern die Individuentrennung, selten auch einmal die EinschĂ€tzung der Liegezeit, stets die Erhebung von Verletzungsspuren (und die Abtrennung von BeschĂ€digungen nach dem Tod); vor allem mĂŒssen individuellen Merkmale gesammelt werden (GrĂ¶ĂŸen, Formen, DNS-Profil, Asymmetrien, HĂ€ndigkeit
). Welche dieser Befunde dann fĂŒr die eigentliche Identifikation nutzbar sind, hĂ€ngt ganz von den verfĂŒgbaren Informationen ĂŒber die Vermissten ab. So ist deren Sammlung, also die kriminalistische Seite der Arbeit an MassengrĂ€bern ebenso wichtig wie die Arbeit mit den Menschenresten. Aus verschiedenen LĂ€ndern werden Beispiele fĂŒr Befunde wie Identifikationen vorgestellt.

Am 8. Juni, 1900 Uhr geht es an selber Stelle um Die Suche nach den verschwundenen Kindern Argentiniens.

Und via Moritz noch ein thematisch verwandter Hinweis: Am 26. Juni moechte Amnesty in Ulm einen Flashmob als Hinweis auf das unterfinanzierte Behandlungszentrum fuer Folteropfer veranstalten. Mehr auf der Amnesty-Seite und in einer eigenen Team-Ulm-Gruppe.

AI-Vortrag ueber Folter

Noch ein Veranstaltungshinweis in letzter Minute: Die Amnesty-Hochschulgruppe der uulm richtet heute einen weiteren Vortrag zum Thema „Folter“ aus. Ein Vertreter des (mit ai verknuepften) Ulmer Behandlungszentrums fuer Folteropfer wird heute, 26. Januar 2010 ab 19.30 Uhr im Hoersaal H7 ueber die Ueberwindung von Foltertraumata referieren. Ich habe parallel bloederweise eine andere Veranstaltung, aber vielleicht interessiert es den einen oder anderen ja — der erste Vortrag vor einer Woche war jedenfalls hochinteressant.

Fuer Ortsunkundige: Anfahrt mit der Buslinie 3 bis Universitaet Sued, Eingang ueber den Suedeingang, rechts an der Cafete vorbei und dann gleich der erste (kleine) Hoersaal auf der rechten Seite.

Leseempfehlung (n+1)

Lars Reineke:

Wer nicht auf der rp09 war, Esra nicht gesehen hat und trotzdem nur von Eierschaukelei und Babykotze faselt: HALTET EURE IGNORANTEN FRESSEN.

Mit Esra meint er uebrigens die junge Dame, die es geschafft hat, auf der re:publica nicht einfach nur ueber Tools, Journalismus, Web und Politik zu lamentieren, sondern zu zeigen, dass man tatsaechlich auch etwas bewegen kann. Gaensehaut war garantiert, und ich frage mich, warum ich eigentlich nichts darueber geschrieben habe. Kann daran liegen, dass ich hier noch generell nichts ueber Tag 3 geschrieben habe. Whatever. Den Vortrag kann (und soll!) man sich bei make.tv ansehen. Danke.

Ebenso kann (und soll) man bei make auch den hervorragenden Vortrag von Cory Doctorow sehen, zudem auch den vielgeruehmten Lawrence-Lessig-Vortrag, die schon angesprochene Sache mit der Netiquette for Social Networks und „Hello World“ und last but not least die Twitterlesung, die hier auf Video nicht ganz so amuesant ist, wie sie live war.

Die restlichen Videos muss ich erst einmal selber ansehen.

Zahlenvisualisierung deluxe

Nachdem Raimar schon den Windows-Bildschirmschoner bemaengelt, der auf unserem Mega-Visualisierer 2000[tm] zu sehen ist, weil Andy sein MSI Wind so komisch konfiguriert hat: Die Studenten waren gestern eine Stunde zu spaet dran, und in der Zeit hatten sich Andy und ich auf dem grossen Schirm ein paar Videos zur Visualisierung von Zahlen angesehen, weil wir doch so gerne etwas 1337es haetten, mit denen wir unsere Gaeste beeindrucken koennen.

Akamai hat 2006 einen Einblick in sein Proll-NOC gewaehrt und erklaert einem die wunderhuebschen riesigen Kontrollmonitore:

Und Andy war total begeistert von der kurzweiligen TED-Praesentation von Altmeister Hans Rosling, der 2006 auf lockerste Art verschiedene geniale Visualisierungen zur Weltgesundheit und -Einkommensverteilung praesentiert hat:

Stellt sich nun die Frage: Sollen wir von TU aus nochmal ein Medienpraktikum an der Uni ausschreiben, um mal ganz IS-maessig eine tolle Visualisierungssuite zu entwickeln, die die Echtzeitstatistiken der Server auswertet und Apple-glanz-und-Helvetica-maessig todschick auf unseren grossen Bildschirm wirft? 😉

Benecke schlaegt Bond

Eigentlich wollten wir gestern abend ja in den neuen Bond gehen — wenn da nicht Claus vor ein paar Tagen bemerkt haette, dass sich auch Kriminalbiologe Dr. Mark Benecke fuers Roxy angekuendigt hatte. „Der Herr der Maden“ heisst sein Programm, und egal wie das „Quantum Trost“ so wird: Bestimmt nicht so amuesant wie der Vortrag 🙂

Der Herr der Maden

In Ulm („Pittoresk! Und das Muenschderle… fast so schoen wie der Koelner Dom!“) gab er als Premiere gleich zwei seiner Themen zum Besten. Einmal den Fall einer spontanen Entzuendung einer niederlaendischen Dame, die das ganze gluecklicherweise ueberlebt hatte, was fuer den Kriminologen natuerlich unter anderem den Vorteil mit sich bringt, dass man sie hinterher noch befragen konnte. Fuer National Geographic durfte er den Fall zusammen mit Larry Arnold untersuchen — Arnold als Unterstuetzer der Theorie der spontanen menschlichen Selbstentzuendung, Benecke als nerdiger ausgeflippter nuechterner Wissenschaftler, der nach dem Sherlock-Holmes-Prinzip alles Unmoegliche ausschliesst und schlussendlich zu plausiblen Erklaerungen kommt. Alles im Stil eines seeeeehr lockeren und unterhaltsamen Bildvortrags (Benecke fotografiert anscheinend alles und jeden, sogar Matze und mich!) — warum man Berliner Chemiestudenten keine Chemikalien ueberlassen sollte und was damit auf dem Ploetzensee passiert ist, soll hier nicht verraten werden.

Yours truly, big-matula und Dr. Made

Yours truly, big-matula und Dr. Made

Nach der Pause (sinnigerweise untermalt von der „Corpses Symphony (Mutilated Body Mix)“) ging es dann zu Verwesung, Fliegen und Maden, leider wegen der Themenueberschneidung etwas arg im Schnelldurchlauf, aber weiter so launig-schwarzhumorig wie zuvor. Wer beispielsweise Leichen irgendwo verscharren will, macht das am besten in den Waeldchen entlang des Koelner Strassenstrichs — so macht Benecke das zumindest mit seinen Studenten zu Uebungs- und Versuchszwecken, denn „wenns da stinkt, ruft garantiert keiner die Polizei“. Genauso erfaehrt man uebrigens auch, wie man umgedrehte Muelleimer zur Abwehr von Traenengasgranaten verwenden kann, auch wenn das wohl eher ein impromptu-Einschub von seiner Reise nach Kolumbien war ^^

Bei seinen Warnungen an die CSI-Fans, nicht Forensiker zu werden, musste ich unwillkuerlich an Tino denken: „Bei uns gibts keine Action oder Blaulicht, wir Biologen sitzen zehn Stunden am Mikroskop und finden das dann auch noch unheimlich spannend und cool!“ Tino, du sitzt doch auch in Koeln — mach doch mal ein Praktikum bei dem 😀

Mehr Info: benecke.com