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Kausalzusammenhaenge konstruieren

Die oertliche Zeitung macht zu meiner Freude neuerdings auch wieder ein wenig auf Datenjournalismus: Der Schwoermontag soll laut Willen des Gemeinderats ein frueheres Ende bekommen, weil „die Exzesse zunaehmen“, und ich war positiv ueberrascht, dass man in der Onlineredaktion bei Stadt und Rettungsdienst nach Zahlen fragte, die das belegen sollen. (Warum ich nicht auf den Originalartikel linke, steht hier.)

Visualisiert sind die Zahlen dort mit dem freien Data Wrapper, und da der die Originaldaten immer gleich mit ausliefert, habe ich die Diagramme mal ein wenig ueberarbeitet und hier mit eingestellt. Die Originale kranken naemlich an mancher Stelle:

Im Original des Diagramms steht hier nur „Koerperverletzungen“, und das ist irrefuehrend. Es ist naemlich nicht einfach nur Kleingeistigkeit, hier auf dem Label „erfasste Koerperverletzungen“ oder „Koerperverletzungen, die Polizei und Stadt bekannt gemacht wurden“ zu beharren, sondern ein wesentlicher Unterschied, da das Dunkelfeld ueberhaupt nicht bekannt sein duerfte. Interessant waeren hier noch zusaetzliche Zahlen, beispielsweise wie intensiv bestreift wurde, ob bei den jeweiligen Koerperverletzungen Strafantrag gestellt wurde oder die Polizei das „Einschreiten von Amts wegen“ fuer geboten hielt, und ob es hier die Moeglichkeit einer Korrelation geben koennte. (Spaeter mehr)

Interessant wird es ab hier: Die Entwicklung von Koerperverletzungen und Festnahmen sieht aehnlich aus. Das kann banalerweise damit zusammenhaengen, dass jemand verletzt und die jeweiligen TaeterInnen danach festgenommen wurden — muss es aber nicht, denn der Grund der Festnahme ist nicht aufgeschluesselt. Genauere Daten waeren — wieder einmal — hilfreich.

…und auch die Zahlen des ASB scheinen aehnlich zu verlaufen wie die von Festnahmen und Koerperverletzungen — wobei man sich wieder die Frage stellen darf, ob es auch hier ein Dunkelfeld gibt. Man denke an eine Alkoholintox, die von BesitzerIn in eine Kneipe in der Neustadt geschleppt wird, wo sie/er dann im Strahl reihert und in die Uniklinik gebracht wird — deren Zahlen waeren ebenfalls interessant. Genauso auch hier wieder die Aufschluesselung, was denn genau passierte: Die hohe Verletztenzahl 2012 koennte prinzipiell auch etwas mit schlechter Gefahrenabsicherung und verstauchten Knoecheln zu tun haben, so einfach ist das aus den nackten Zahlen nicht herauszulesen. Genauso gut haette aber auch 2011 eine Massenschlaegerei stattfinden koennen, die einfach von der Polizei nicht wahrgenommen, von den Beteiligten nicht angezeigt und deren Beteiligte nicht medizinisch behandelt wurden.

Man weiss es schlichtweg nicht.

Abschliessend stellen sich zwei Fragen.
Einmal, welches Jahr denn nun der statistische Ausreisser war, 2011 oder 2012, und wie der Trend ueber einen laengeren Zeitraum aussieht. Die ASB-Zahlen geben eine Ahnung, wie es aussehen koennte, verlassen wuerde ich mich aber nicht darauf.
Und zum Anderen, auf was fuer einer verdammt duennen Datenlage die Stadt ihr Vorgehen rund um den Schwoermontag begruendet, und warum.

Der rechtsfreie Raum. Teil n+1.

Es ist offenbar fuer viele Politiker schwierig, das Internet zu benutzen, ohne die dort aufgewachsenen zu vergraetzen. Da schickt das Sekretariat Martin Doermann beispielsweise ausgerechnet eine Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Internet an fachkundige 300 Leute — aber nicht ueber BCC, sondern offen im Adressfeld.

Das ist kein Einzelfall. Die Ulmer Gruenen-Stadtratsfraktion schien fuer mich bisher immer positiv aus der Masse herauszustechen, haben sie zusaetzlich zu ihrer regelmaessig gepflegten Website anscheinend auch eine Facebook-Fansite (die ich aber nicht finde), und sind mit dem etwas irrefuehrenden Namen „RathausUlm“ auch bei Team-Ulm und Twitter unterwegs.

Vor diesem Hintergrund war ich dann etwas erstaunt, als ich auf einmal den Rundbrief der Ulmer Rathaus-Gruenen bekam. Im ersten Moment dachte ich, dass der vielleicht ueber eine der Uni-Mailinglisten gekommen war, ein Blick in den Header verriet aber, dass die Mail offenbar direkt an mich adressiert war. Kein Problem, kann ja mal passieren, einfach den Abmeldelink anwaehlen und gut ist — wenn es denn eine Abmeldefunktion gaebe. Und ich dachte immer, das sei abmahnfaehig 🙂

Ich habe es mir dann nicht verkneifen koennen, eine abgeschwaechte Version des T5F als Auskunftsersuchen an den Absender zu schicken, um herauszufinden, woher denn die Daten kommen, und mitzuteilen, dass ich keine Newsletter mag. Angereichert mit dem dezenten Hinweis, dass der Gruenen-Rundbrief nicht so ganz den rechtlichen Anforderungen genuege und man doch die Hinweise von eco zu Onlinemarketing beachten moege, das Internet sei schliesslich kein rechtsfreier Raum, zwinker zwinker.

Folgende Antwort bekam ich zurueck:

Sehr geehrter Herr Kaufmann,

ein sehr interessanter Aspekt, den Sie ansprechen! Seit mehreren Wochen bekommen wir Ihre E-Mails, die eigentlich an die StuVe der Uni Ulm adressiert sind, in Kopie ungefragt ins Haus. Die Rechtslage ist uns bewusst, gilt für Sie aber ebenfalls, oder?

Daher wählten wir den unkonventionellen Weg, darauf aufmerksam zu machen….

Freundliche Grüße,

[…]

Ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment so perplex war, dass ich tatsaechlich meine letzten Mails an die StuVe-Mailingliste durchgesehen habe, nur um sicherzustellen, dass ich nicht im Suff die Gruene Rathausfraktion ins CC genommen habe. Zu meiner Erleichterung war das aber nicht der Fall.

Blieb eigentlich nur die Option, dass die Gruenen sich selber auf die Liste gesetzt haetten und nun der Ansicht waren, einen Gegenschlag im universitaer-stadraetischen Cyberwar zu fuehren. Ich habe also dezent darauf hingewiesen, wie man Mails mit „[StuVe]“ im Betreff und dem typischen Mailinglistenheader erkennen und die notwendigen Schritte zur Abmeldung unternehmen kann. (Ganz nebenbei war an dieser Stelle auch meine Geduld am Ende.)

So einfach war es aber dann doch nicht. Der verantwortliche Gruenen-Stadtrat versuchte sich herauszulavieren, nachdem parallel auch die halbe FS-ET dabei war, Auskunftsformulare abzusenden, und nebenbei stellte sich heraus, dass eben dieser Stadtrat zwar seit Jahren mit seiner privaten Mailadresse subskribiert war, nicht aber die Fraktionsadresse. CC an die Adresse der Gruenen Fraktion gab es offenbar genau eine Mail, betreffend die geplante Tiefgarage, versandt am 17. August 2009.

Woher die ganzen privaten Mailadressen kamen, wie es die Gruenen schafften, sich die StuVe-Liste auf eine Dienstadresse zu abonnieren und warum sie den dort Aktiven „als Strafe“ ihren Newsletter schickten, anstatt sich einfach abzumelden, bleibt unklar — ein Interesse, herauszufinden, was genau passiert ist, scheint bei den Gruenen nicht gegeben zu sein.

Und auch ein Einsehen, dass das eine Scheissaktion war, ist nicht erkennbar:

sieh es als einmalige Übertretung, sachließlich ist Porovkation auch ein Weg…

Addendum: Der Artikel war noch im Entwurfsstadium, als HeBu die Geschichte noch ein wenig erweitert hat — der bekam naemlich schon im November ungefragt E-Mails und auf Anfrage die folgende Antwort:

„[…] wir nehmen jedoch an, dass öffentlich und nicht als „BCC“ eingetragene Empfänger von an uns gerichteten E-Mails in der Regel zustimmen, Infos zum selben Thema zu erhalten. Die Annahme ist sicherlich nicht allzu weit hergeholt.“

Manchmal juckt’s mich dann doch in den Fingern, die dunkle Seite zu beschreiten und strafbewehrte Unterlassungserklaerungen einzuholen…

Sehr geehrter Herr Kaufmann,

ein sehr interessanter Aspekt, den Sie ansprechen! Seit mehreren Wochen bekommen wir Ihre E-Mails, die eigentlich an die StuVe der Uni Ulm adressiert sind, in Kopie ungefragt ins Haus. Die Rechtslage ist uns bewusst, gilt für Sie aber ebenfalls, oder?

Daher wählten wir den unkonventionellen Weg, darauf aufmerksam zu machen....

Freundliche Grüße,

Michael Joukov.

Jetzt wird zurueckgeschossen (II)

Ich scheine mit meiner Meinung ueber den Wahl-Rundumschlag der SWP nicht alleine zu sein. Nach Nitek und mir gabs noch einen weiteren Kommentator, der das fein auf den Punkt bringt:

Der überflüssigste Artikel des Jahres! Es ist weder lustig noch eine Parodie, sich 1 Woche vor der Wahl über das Aussehen, die Fotos, die Schulbildung (Waldorf)oder Hüte von Leuten lustig zu machen, die sich für Ihre Stadt engagieren. Da rettet es auch nicht, dass jede Partei ihr „Fett“ wegbekommt“ und niemand bevorteilt wird.
Berichten sie lieber SERIÖS über die Kommunalwahlen und geben Sie mir ordentliche Entscheidungshilfen! Das erwarte ich von einer Zeitung!!! Danke.

Ob’s darauf wohl eine Antwort gibt? 😉

Jetzt wird zurueckgeschossen

Keine Ahnung, was die SWP dazu bewegt hat, unter dem Titel „Kumuliert, panaschiert, maltraetiert“ ihren „ganz persoenlichen Wahlvorschlag“ zu veroeffentlichen. Eigentlich ist das auch kein Wahlvorschlag, sondern ein Rundumschlag. Auszuege:

Toll, wer alles regelmäßig bei dir Rat sucht: Forschungsministerin Schavan und Verteidigungsminister Jung und Bundeskanzlerin Merkel und Ministerpräsident Oettinger und sogar der altersweise Erwin Teufel. Boooah! Die besprechen mit dir bestimmt immer gaanz, gaanz wichtige Sachen. Und das, obwohl du nur einen Waldorfschulabschluss hast. Sorry, dank Papis Brieftasche hast du natürlich noch einen International Baccalaureate in Oxford und viele viele Auslandsaufenthalte draufgesetzt. Na, da kann ja karrieremäßig nichts mehr schiefgehen.

[…]

Apropos: Gibts bei euch Grünen keine Schwulen und Lesben mehr? Stattdessen bloß 20 Heteropaare, alles Kultur- und Sozialschaffende. Wie bieder! Fast so wie eure Politik mittlerweile ist.

Ich weiss momentan nicht so recht, was ich davon halten soll — ist das jetzt besonders bissig, besonders witzig oder einfach nur besonders bloede?

Was ich aber ziemlich sicher weiss: Haette das jemand gebloggt, kaeme bestimmt gleich wieder der Aufschrei von wegen Qualitaetsjournalismus und dass sowas ja nicht gehe. So ist das mit dem „subjektiv“ also gemeint.