Es ist offenbar fuer viele Politiker schwierig, das Internet zu benutzen, ohne die dort aufgewachsenen zu vergraetzen. Da schickt das Sekretariat Martin Doermann beispielsweise ausgerechnet eine Einladung zu einer Diskussionsveranstaltung zum Thema Internet an fachkundige 300 Leute — aber nicht ueber BCC, sondern offen im Adressfeld.
Das ist kein Einzelfall. Die Ulmer Gruenen-Stadtratsfraktion schien fuer mich bisher immer positiv aus der Masse herauszustechen, haben sie zusaetzlich zu ihrer regelmaessig gepflegten Website anscheinend auch eine Facebook-Fansite (die ich aber nicht finde), und sind mit dem etwas irrefuehrenden Namen „RathausUlm“ auch bei Team-Ulm und Twitter unterwegs.
Vor diesem Hintergrund war ich dann etwas erstaunt, als ich auf einmal den Rundbrief der Ulmer Rathaus-Gruenen bekam. Im ersten Moment dachte ich, dass der vielleicht ueber eine der Uni-Mailinglisten gekommen war, ein Blick in den Header verriet aber, dass die Mail offenbar direkt an mich adressiert war. Kein Problem, kann ja mal passieren, einfach den Abmeldelink anwaehlen und gut ist — wenn es denn eine Abmeldefunktion gaebe. Und ich dachte immer, das sei abmahnfaehig đ
Ich habe es mir dann nicht verkneifen koennen, eine abgeschwaechte Version des T5F als Auskunftsersuchen an den Absender zu schicken, um herauszufinden, woher denn die Daten kommen, und mitzuteilen, dass ich keine Newsletter mag. Angereichert mit dem dezenten Hinweis, dass der Gruenen-Rundbrief nicht so ganz den rechtlichen Anforderungen genuege und man doch die Hinweise von eco zu Onlinemarketing beachten moege, das Internet sei schliesslich kein rechtsfreier Raum, zwinker zwinker.
Folgende Antwort bekam ich zurueck:
Sehr geehrter Herr Kaufmann,
ein sehr interessanter Aspekt, den Sie ansprechen! Seit mehreren Wochen bekommen wir Ihre E-Mails, die eigentlich an die StuVe der Uni Ulm adressiert sind, in Kopie ungefragt ins Haus. Die Rechtslage ist uns bewusst, gilt fĂŒr Sie aber ebenfalls, oder?
Daher wĂ€hlten wir den unkonventionellen Weg, darauf aufmerksam zu machen….
Freundliche GrĂŒĂe,
[…]
Ich muss zugeben, dass ich im ersten Moment so perplex war, dass ich tatsaechlich meine letzten Mails an die StuVe-Mailingliste durchgesehen habe, nur um sicherzustellen, dass ich nicht im Suff die Gruene Rathausfraktion ins CC genommen habe. Zu meiner Erleichterung war das aber nicht der Fall.
Blieb eigentlich nur die Option, dass die Gruenen sich selber auf die Liste gesetzt haetten und nun der Ansicht waren, einen Gegenschlag im universitaer-stadraetischen Cyberwar zu fuehren. Ich habe also dezent darauf hingewiesen, wie man Mails mit „[StuVe]“ im Betreff und dem typischen Mailinglistenheader erkennen und die notwendigen Schritte zur Abmeldung unternehmen kann. (Ganz nebenbei war an dieser Stelle auch meine Geduld am Ende.)
So einfach war es aber dann doch nicht. Der verantwortliche Gruenen-Stadtrat versuchte sich herauszulavieren, nachdem parallel auch die halbe FS-ET dabei war, Auskunftsformulare abzusenden, und nebenbei stellte sich heraus, dass eben dieser Stadtrat zwar seit Jahren mit seiner privaten Mailadresse subskribiert war, nicht aber die Fraktionsadresse. CC an die Adresse der Gruenen Fraktion gab es offenbar genau eine Mail, betreffend die geplante Tiefgarage, versandt am 17. August 2009.
Woher die ganzen privaten Mailadressen kamen, wie es die Gruenen schafften, sich die StuVe-Liste auf eine Dienstadresse zu abonnieren und warum sie den dort Aktiven „als Strafe“ ihren Newsletter schickten, anstatt sich einfach abzumelden, bleibt unklar — ein Interesse, herauszufinden, was genau passiert ist, scheint bei den Gruenen nicht gegeben zu sein.
Und auch ein Einsehen, dass das eine Scheissaktion war, ist nicht erkennbar:
sieh es als einmalige Ăbertretung, sachlieĂlich ist Porovkation auch ein Weg…
Addendum: Der Artikel war noch im Entwurfsstadium, als HeBu die Geschichte noch ein wenig erweitert hat — der bekam naemlich schon im November ungefragt E-Mails und auf Anfrage die folgende Antwort:
„[…] wir nehmen jedoch an, dass öffentlich und nicht als „BCC“ eingetragene EmpfĂ€nger von an uns gerichteten E-Mails in der Regel zustimmen, Infos zum selben Thema zu erhalten. Die Annahme ist sicherlich nicht allzu weit hergeholt.“
Manchmal juckt’s mich dann doch in den Fingern, die dunkle Seite zu beschreiten und strafbewehrte Unterlassungserklaerungen einzuholen…
Sehr geehrter Herr Kaufmann, ein sehr interessanter Aspekt, den Sie ansprechen! Seit mehreren Wochen bekommen wir Ihre E-Mails, die eigentlich an die StuVe der Uni Ulm adressiert sind, in Kopie ungefragt ins Haus. Die Rechtslage ist uns bewusst, gilt fĂŒr Sie aber ebenfalls, oder? Daher wĂ€hlten wir den unkonventionellen Weg, darauf aufmerksam zu machen.... Freundliche GrĂŒĂe, Michael Joukov.
du weiĂt schon, dass wir hier auf der dunklen Seite Kekse haben, oder? đ
ErgĂ€nzung zum Thema „EmpfĂ€nger auf CC“:
Der oben erwĂ€hnte GrĂŒnen-Stadtrat schrieb mir des Weiteren in seiner ErklĂ€rung:
„[…] Ihre E-Mail-Adresse war als einer der EmpfĂ€nger der StuVe-Ulm-E-Mail bezĂŒglich des Semestertickets eingetragen. Da ein Teil des Rundbriefs eben diesem Thema gewidmet ist, nahm ich an, es sei in Ihrem Sinne, darĂŒber auch informiert zu werden.“
Und weiter: „[…] die E-Mail (auf der ich angeblich auf CC stand, Anm. d. Autors) kam ja von der StuVe […] ich bekomme sie noch, weil ich bis 2007 selber Semesterticketreferent der StuVe gewesen bin.“
Da mich StuVe-Mails nie direkt, sondern immer ĂŒber die Mailingliste erreichen und ich mich an keine „Semesterticket-Mail“ erinnern konnte – der GrĂŒnen Newsletter aber sehr wohl direkt an mich ging – wurde ich stutzig.
Bis heute habe ich keine Antwort von Michael J., ob er mir diese StuVe-Mail mal zur Ansicht weiterleiten könnte. Die Herkunft meiner Adresse ist also Ă€uĂerst zweifelhaft und könnte eventuell ĂŒber administrativen Zugriff auf die StuVe-Mailingliste erfolgt sein. Es wĂ€re nicht das erste Mal, dass eine politische Gruppe administrative Zugriffe fĂŒr politsche Infobriefchen missbraucht hĂ€tte.
Wenigstens eines hat aber funktioniert: Ich wurde offensichtlich aus dem Newsletter-Verteiler der GrĂŒnen herausgenommen.
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