Schlagwort-Archive: Gender

„Studierende“: Older than you think

Anatol Stefanowitsch hat im Sprachlog (mal wieder) schoene Fakten zusammengetragen. „Studierende“ und „Lehrende“ (statt „Studenten“ und „Professoren“) ruft bei einigen Leuten regelmaessig Reaktanzreaktionen hervor, das sei ja Sprachpanscherei, und was man denn mit geschlechtsneutraler Sprache wolle, sei doch eh fuer die Katz oder bloed oder was weiss ich.

Wenn man nicht nur das Hirn, sondern vielleicht auch mal Google Books anwirft, wird man jedoch auf die Verwendung dieser Begriffe seit zig Jahren stossen:

Auch die Studierenden (alternativ auch Studirende geschrieben) gibt es schon sehr, sehr lange. Das Wort ist seit dem 18. Jahrhundert absolut gebräuchlich, auch bei der Political Correctness absolut unverdächtigen Organisationen wie dem Königreich Bayern

Ich lachte :3

(via @laprintemps)

Wie romantische Aktivitaeten die Einstellung von Frauen zu MINT-Themen beeinflussen

Abstract

The present research examined the impact of everyday romantic goal strivings on women’s attitudes toward science, technology, engineering, and math (STEM). It was hypothesized that women may distance themselves from STEM when the goal to be romantically desirable is activated because pursuing intelligence goals in masculine domains (i.e., STEM) conflicts with pursuing romantic goals associated with traditional romantic scripts and gender norms. Consistent with hypotheses, women, but not men, who viewed images (Study 1) or overheard conversations (Studies 2a-2b) related to romantic goals reported less positive attitudes toward STEM and less preference for majoring in math/science compared to other disciplines. On days
when women pursued romantic goals, the more romantic activities they engaged in and the more desirable they felt, but the fewer math activities they engaged in. Furthermore, women’s previous day romantic goal strivings predicted feeling more desirable but being less invested in math on the following day (Study 3).

L.E. Park, A.F. Young, J.D. Troisi, R.T. Pinkus: „Effects of Everyday Romantic Goal Pursuit on Women’s Attitudes Toward Math and Science“. In: Personality and Social Psychology Bulletin, 2011

Wie so oft lohnt es sich, Zitierstellen des Papers anzusehen: Dieser Artikel erlaeutert noch ein wenig und geht auf das zugrundeliegende Prinzip des Primings ein — zum Beispiel, dass Menschen kreativer werden, wenn sie einem Apple-Logo ausgesetzt waren, als wenn sie ein IBM-Logo sahen. (Hint: Statt des Apfels koennte das auch dein Tesaabroller sein)

(BibTeX, via erlehmann, link fixiert)

Alkohol, Selbstsicherheit und Feminismus

Nein, nicht zusammen, sondern drei Linktipps:

Einmal hat Julia Schramm alias @lamprintemps fuer Telepolis einen Artikel zum offenbar grassierenden Problem einer ganzen Menge Netznerds mit dem Thema Feminismus geschrieben. Vieles davon wirkt fuer mich stimmig, und da tauchen auf einmal ganz spannende Theorien auf:

Denn in erster Linie ging es in dem Workshop um das Lokalisieren der Ablehnung „des Feminismus“ (und ja, als Feministin erscheint es absurd, diese Frage ĂĽberhaupt zu stellen!) – und die Antworten waren nicht ĂĽberraschend fĂĽr mich, dabei jedoch entlarvend und fĂĽr den Diskurs durchaus fruchtbar.

[…] Und da findet sich auch der erste Hinweis fĂĽr die Vermutung, dass es bei der Ablehnung des Feminismus nicht um inhaltliche, sondern eine emotionale handelt. Und so geht es ans Eingemachte. Die Teilnehmer berichteten von ihrem Dasein als frauenferne Nerds, von den DemĂĽtigungen in der Pubertät und der gefĂĽhlten Ohnmacht gegenĂĽber Frauen. Es wird deutlich: Mit der Behauptung Frauen seien strukturell benachteiligt wird die eigene Erfahrung konterkariert, der Schmerz, die DemĂĽtigung scheinbar negiert.

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Antifeminismus dieses Mal nicht einfach nur wegen akutem Nicht-Beschaeftigenwollens und Unkenntnis der eigenen vielfaeltigen Privilegien gegenueber, sondern gar die Negation der Privilegien? Interessant. Dass Julia gerade gescheissestuermt wird, ist „natuerlich“ klar. Ich wuerde ihr erst einmal einzig vorwerfen, dass ihr Artikel — wieder einmal — wirklich aufmerksam gelesen werden will. Geht natuerlich noch fachsprachlicher, aber das ist jetzt auch kein Argument.

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Andersherum wird’s mit der Selbstsicherheit aber auch nicht besser. „Don’t Blink! The Hazards of Confidence!“ (nytimes.com, via @naturalismus) von Daniel Kahneman beleuchtet die Ueberschaetzung der eigenen Schluesse, angefangen von der eigenen Armeeerfahrung Kahnemans bis zur Selbsteinschaetzung von Tradern:

We are prone to think that the world is more regular and predictable than it really is, because our memory automatically and continuously maintains a story about what is going on, and because the rules of memory tend to make that story as coherent as possible and to suppress alternatives. Fast thinking is not prone to doubt.

[…] I coined the term “illusion of validity” because the confidence we had in judgments about individual soldiers was not affected by a statistical fact we knew to be true — that our predictions were unrelated to the truth. This is not an isolated observation. When a compelling impression of a particular event clashes with general knowledge, the impression commonly prevails. And this goes for you, too. The confidence you will experience in your future judgments will not be diminished by what you just read, even if you believe every word.

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Manch einer, der nicht von Haus aus mit hohem Selbstvertrauen ausgestattet ist, meint ja, dem mit Alkohol nachhelfen zu koennen. Zum Beispiel, wenn man Nerd ist und was mit Frauen anfangen will. Alles Quatsch, sagt Sozialantrophologin Kate Fox in einem Artikel fuer die BBC (via Udo Vetter):

The problem is that we Brits believe that alcohol has magical powers – that it causes us to shed our inhibitions and become aggressive, promiscuous, disorderly and even violent.

But we are wrong.

[…]The effects of alcohol on behaviour are determined by cultural rules and norms, not by the chemical actions of ethanol.

Na denn.

„The Computer Girls“

Ein netter Artikel im Blog von Fog Creek Software beschreibt die „typischen“ Programmierer-Geschlechterrollen… der 1960er, inklusive eines Scans einer damaligen Cosmopolitan:

Now have come the big, dazzling computers—and a whole new kind of work for women: programming. Telling the miracle machines what to do and how to do it. […]
And if it doesn’t sound like woman’s work—well, it just is.

Schoen zu lesen, auch die weitere Entwicklung ab 1984, in deren Zug immer weniger Frauen Informatik attraktiv zu finden schienen — vermutlich nicht zuletzt dem Bild des einsamen, sozial inadaequaten Nerds vor dem Rechner geschuldet.

Der Trend scheint sich aber wieder umzukehren: In Harvard habe sich die Quote von Informatikabsolventinnen von 13% auf 25% beinahe verdoppelt (bis zu den 37% von 1984 noch ein Stueck hin), und persoenlich habe ich den Eindruck, dass die Quote vor allem in der Medieninformatik noch steiler steigt.

Der Artikel ist jedenfalls lesenswert, nicht zuletzt wegen des Interviews mit einer der Fog-Creek-eigenen Informatikerinnen:

My friends who are girls ask for help to fix their computers normally because it’s acceptable for them not to be able to do it. They don’t realize that I’m just going to google the answer anyway! They think I already know the answer! Whereas I think most guys would be embarrassed to admit that they can’t fix their computers.

(via @newsycombinator/@fasel)