Archiv für den Monat: April 2009

Politische Blogger

Politikern und auch Behoerden- und Regierungsmitarbeitern wird ja immer wieder vorgeworfen, keine Ahnung vom Netz zu haben. So auch auf der rp09. Und zwar zu Recht.

Andererseits koennte man den Bloggern auch vorwerfen, groesstenteils nicht so arg viel Ahnung von Politik zu haben. Und der irrigen Ansicht zu sein, dass diese Politiker irgendwann von alleine ihre Blogs und Seiten finden, um sich dann sofort zu besinnen.

Meinjanur.

Im Maeandertal kann man themenverwandt weiterlesen und -denken.

Ueber den Daechern Berlins

Auf der re:publica waren sie angekuendigt. In Schoeneberg habe ich sie dann gefunden: Die Grossstadtnomaden.

dachaufstieg

Man stelle sich das so vor: Es trifft sich ein buntes Haeufchen Berliner (wie ueblich zum groessten Teil aus Zugezogenen bestehend), einer mit einem Tragl Bier, der andere hat ein Radio dabei, und irgendjemand wird auch Batterien fuer das Teil haben. Verschwoererisch drueckt man sich dann um ein vorab ausgekundschaftetes Haus und bedient sich einer ausgekluegelten Taktik, um in selbiges hineinzukommen (ueberall klingeln, bis jemand aufmacht). Per Hindernisparcours durch den Dachboden gelangt man dann auf’s Dach – wo man den Berliner Sonnenuntergang und den Ausblick ueber die Stadt geniesst.

wlada

Romantisch, lustig, abenteuerlich, oder? Wlada begleitet die Dachhasen schon seit einer ganzen Weile, um einen Artikel darueber zu schreiben (demnaechst in Ihrem Berliner Totholzmedium) und erzaehlt, dass sie einmal mit der Gruppe verhaftet wurde. Naja, verhaftet nicht so ganz, setzt sie nach, jedenfalls wurden die Personalien aufgenommen. Doch nicht mehr ganz so furchtbar abenteuerlich. Die anderen relativieren: Auf manchen Berliner Daechern kann man wohl in die Oberlichter von diversen Toiletten und Schlafzimmern sehen, was aber nur solange lustig war, bis ein betroffener Toilettenbesitzer bzw. -benutzer die Polizei rief. Und ein Verfahren wegen Hausfriedensbruch sei momentan auch noch in der Schwebe. Deswegen halten sich nun auch alle von den Oberlichtern entfernt, die es vier Daecher weiter gibt, eine Minute Kletterpartie von „unserem“ Dach entfernt.

gegenlicht

Stattdessen werden Fotos gemacht. Sonnenuntergang, Fernsehturm, Panoramaaufnahmen. Auf das Schoeneberger Rathaus sollte man mal, sagt die eine lachend. Der ragt noch ein ganzes Stueck weiter aus dem von oben gar nicht mal mehr so hoch aussehenden Haeuserwald. Oder irgendwo nach Moabit, damit Fernsehturm und Sonnenuntergang in derselben Richtung liegen, fuer ein noch schoener-pittoresk-klischeehaftes Berlin-Sonnenuntergangsbild.

prost1

Auch dieses Mal gibt es wieder Stress, obwohl wir keine Toilettenoberlichtbesitzer gegen uns aufgebracht haben. Die Bewohnerin der obersten Wohnung vermutet in uns Junkies, die auf dem Dach pushen wollen, und droht mit der Polizei. Lustige Vorstellung: Fixer weg von der Strasse, aber abends kann man sie auf Berlins Daechern herumhuepfen sehen, Mary-Poppins-artig. Naja, vielleicht doch nicht so lustig. Die Bewohnerin – bestimmt nicht viel aelter als wir – laesst sich dann doch noch ueberreden, uns zu dulden, „aber naechstes Mal gibt’s Aerger!“, erzaehlt unser juengster Dachkletterer, vielleicht zehn Jahre alt, heute mit seinem Papa hier. Die bereits spasseshalber erkundeten Fluchtrouten durch angrenzende Haeuser muessen doch nicht mehr auf ihre Tauglichkeit ueberprueft werden.

Stattdessen bekommen wir Besuch vom Haus gegenueber. Nils, ebenfalls Student, hatte angesichts der grueppchenweise einmarschierenden jungen Leute zuerst eine Wohnungsbesichtigung vermutet und fand den auf Nachfrage herausgefundenen Hintergrund so amuesant, dass er spontan seine Hoehenangst ueberwand, um sich uns anzuschliessen und von oben aus seinen Mitbewohnerinnen gegenueber zuzuwinken.

fotografieren

Dann sind so ziemlich alle denkbaren Bilder gemacht, die Sonne untergegangen, und langsam lehnt man sich zum Geschichten erzaehlen an die gemauerten Kamine, deren Backsteine noch schoen warm von der Sonne sind. Die ersten gehen wieder, wir schliessen uns an, und lassen uns noch ein wenig durch das Nachtleben treiben: Club der Visionaere (Treptow, abgefahren-gemuetlich, mehr Grasgeruch als um die Montrealer Metro herum) und irgendein Kneipchen in Friedrichshain (Singer-Naehmaschinentische, Knuddelbarkeeper). Viel zu spaet nach Hause kommen. Frueh aufstehen, Wlada schlaeft noch, kann mich nicht mal verabschieden. Klischeeberlin mit fruehmorgens nach Hause kommenden Partygehern sehen, nach Tegel fahren, und dann war’s das auch schon.

Aber ich komme wieder.

Schon allein wegen der Daecher.

Shift happens. Elsewhere.

Langsam mache ich mir Sorgen, warum ich gerade von den Panels der re:publica so enttaeuscht bin, auf die ich mich ganz besonders gefreut hatte. Markus Huendgen alias der Videopunk wollte… ja, was eigentlich? Zeigen, dass Webvideos kein TV sind? Dass es keine „richtige“ Laenge fuer Webvideo gibt? Das haette man auch vorher schon gewusst.

Stattdessen zitierte er die kuehne These, dass jeder, der TV kenne, auch die „Spielregeln“ eines Videobeitrags kenne und demzufolge auch selbst einen produzieren koenne. Und zeigte in seinen Beispielen genau die Aspekte, die ich an den meisten Webvideos hasse: Jedes Mal 15 Sekunden Pre-Roll-Werbung vor dem Abspielen eines Clips. Und Videos, die vermutlich keiner im Saal fuer relevant hielt.

Die wirklich interessanten Aspekte waeren meines Erachtens zwei andere gewesen. Erstens ist es ganz sicher so, dass wir die „Spielregeln“ eines Filmbeitrags kennen. Deswegen reagieren wir auch empfindlich auf langweilige Dauereinstellungen, komische Schnitte und labernde Koepfe. Daraus kann man aber nicht zwangslaeufig schliessen, dass wir diese Regeln auch richtig in ein Video umsetzen koennen, zumindest nicht sofort. Das macht aber zweitens nichts, weil selbst grottige Videos tausendfach gesehen werden, wenn genau diese Kriterien erfuellt sind:

  • das abgebildete Ereignis ist hochaktuell
  • das Ereignis spielte sich in einem fuer den Zuschauer hochrelevanten Umfeld ab

Das Umfeld kann dabei sowohl raeumlich als auch thematisch gesehen werden, von der Grossdemo in der Heimatstadt bis hin zum umgestuerzten Mannschaftsbus des Lieblingsfussballclubs. So etwas klappt aber meines Erachtens nur in genau diesem Umfeld — wenn zwei Strassen weiter eine Fabrik hochgeht, bin ich auch bereit, Pre-Rolls und Kaugummieinstellungen zu ertragen. Bei einer aehnlich gemachten (zeitlosen) Reportage bin ich nach 30 Sekunden weg.

Es darf getwittert werden

Interessant war dagegen das Panel zu Journalismus und Twitter. Ich bin wohl nicht der einzige, der der Ansicht ist, dass viele Journalisten von oben den Auftrag erhalten haben, jetzt doch auch mal dieses Twitterdingens auszuprobieren, dann aber hauptsaechlich nur den eigenen Kollegen followen und sich anschliessend ueber die Irrelevanz des dort getwitterten auslassen.

Positiv ueberrascht hat mich dagegen ein Journalist aus Stuttgart, der  erzaehlte, nach Veroeffentlichung des Krautchan-Screenshots gezielt „das Twitter-Orakel“ nach Input befragt zu haben, wie er es nannte, und dadurch auf eine Master-Thesis ueber Krautchan stiess. Generell scheint die Akzeptanz von Twitter als Recherchetool zu steigen — wohl nicht zuletzt, weil die betreffenden Journalisten sich auch langsam die hierzu noetige Medienkompetenz aneignen.

Ahnungsloser Staat in der digitalen Gesellschaft

Ein illustres Bild: Ein ganzer Saal voller sich fuer Netzpolitik interessierende Buerger, zwei durchaus interessiert zuhoerende, gelegentlich mitschreibende, aber teilweise etwas unverstehend wirkende Herren vom Innenministerium, und eine ver.di-Funktionaerin, an deren Aussagen man erschreckend gut erkennen konnte, wie wenig sie von den wirklich heissen Eisen wusste und wie irrelevant Gewerkschaften in dieser Hinsicht offenbar sind. Ob im Innenministerium nun Word oder OpenOffice verwendet wird, ist mir dann doch deutlich weniger wichtig als Netzneutralitaet, Filter und moderne Urheberrechtsfragen. Und die Frage, wann wir endlich eine Regierung haben, die das Netz als den wichtigen Wirtschaftsfaktor unserer Zeit entdeckt, kann anscheinend sowieso keiner beantworten.

Shift?

Allgemeines Zwischenfazit: Die Diskussionen im Anschluss an die Panels waren meistens deutlich interessanter als die eigentlichen Vortraege, was doppelt schade war: Einerseits angesichts der teilweise wirklich lahmen Vortraege, andererseits wegen der viel zu knapp bemessenen Diskussionszeit. Im Anschluss an das Twitter-Panel hatte ich mich noch mit einem Medienmenschen der taz unterhalten (dessen Namen ich peinlicherweise schon wieder vergessen habe) und haette die Diskussion auch gerne fortgesetzt, wenn ich nicht schon wieder zum naechsten Vortrag muessen haette.

Ich habe auch den Eindruck, dass das versammelte deutsche Alphabloggertum sich in dieser Rolle sehr gut gefaellt, und hauptsaechlich alte Themen aufs neue durchkaut. Von „Shift“ war aus dieser Ecke kaum etwas zu hoeren, und generell habe ich — abgesehen von der Kulturflatrate — bislang so rein gar nichts richtig kontroverses gesehen.

Herausgestochen hat in diesem Zusammenhang allenfalls der sehr beeindruckende Vortrag von Hendrik Speck ueber die gesammelten Nachteile von Social Networks, wenngleich ich den vorgestellten Prototypen seiner potenziellen Killerapplikation „Hello World“ nun doch nicht so ueberzeugend fand. Schauen wir mal.

Und im Uebrigen bin ich der Ansicht, dass Thomas Knuewer auf jedem Panel einer Netz-Tagung als kritischer Fragensteller im Publikum sitzen sollte.

„Gute Musik, schlechte Uebergaenge“

…das war die Versprechung des „Schwule Maedchen Sound Systems feat. Fettes Brot“. Das mit der guten Musik hat groesstenteils gestimmt — das mit den schlechten Uebergaengen aber auch. Auflegen mit dem iPod. Naja. Stimmung fand ich auch nicht so berauschend, und nachdem ich auch noch rechtzeitig wieder bei Wlada sein musste, um noch ins Haus zu kommen, hab ich’s nicht arg lang mitgemacht.

schwulemaedchensoundsystem

Die heutigen re:publica-Panels waren… durchwachsen. Die State-of-the-Blogosphere-Diskussion war nett, vor allem fuehle ich mich mit der Theorie um die „Silver Surfers“ bestaetigt (oder wie auch immer man die nennen mag. Scheiss-Namen, eigentlich). IBM im Anschluss fand ich katastrophal, ebenso wie die Sache mit den „Stadtnomaden“, die in 30minuetiger gegenseitiger Erzaehlrunde endete, wie toll doch Twitter ist. Langeweile pur.

moot von 4chan war unterhaltsam, und die zaeheste Veranstaltung war sicher die „Diskussionsrunde“ rund um den Medienwandel. Ronnie Grob hat kurz die Inhalte zusammengefasst — leider war das alles im Endeffekt lange Zeit immer nur ein Einzelgespraech zwischen Johnny Haeussler und den anderen Teilnehmern. Eine richtige Diskussion habe ich nicht erkannt, interessant wurde es erst mit den Zuschauerfragen, bei denen mir besonders Thomas Knuewer sehr angenehm aufgefallen ist. Waeren nicht immer wieder unterhaltsame Nachrichten ueber die Twitterwall gelaufen… ich sage nur „gute alte sms“ 😀

Achja: Die Gameshow war Gold. Und @Lars rockt, auch wenn er wider Erwarten doch nicht mit Sascha Lobo verwandt sein sollte.

Nachtrag: Was schreib ich eigentlich. Polkarobot hat das besser hinbekommen, als ich das jetzt koennte, so uebermuedet wie ich bin.

Digitale Tinte

kindle

Heute hatte ich zum ersten Mal ein Amazon Kindle in der Hand gehabt, und ich bin immer noch total fasziniert. Das war zwar eines aus der ersten Generation und demzufolge mit langsamer Anzeige etc., aber es laesst sich hervorragend ablesen und auch relativ gut herumblaettern.

joschabach

Das gute Stueck gehoert Joscha Bach von txtr, der nicht nur mehrere Kindles hat, sondern auch allgemein ein verdammt heller Kopf zu sein scheint. Ich habe mich jedenfalls angenehm ueber Ulm, KI, digitale Tinte und — ansatzweise — oekonomische Auswirkungen des Internets auf die Volkswirtschaft unterhalten 😉