Archiv für den Monat: Juli 2012

Blockade erfolgreich

Der „leise Verdacht“, dass der Platz der NPD-Demoanmeldung samt zugehoeriger Polizeiabsperrung sehr geeignet fuer Zufahrtsblockaden sein wuerde, hatte sich dann tatsaechlich bestaetigt:

War schoen zu beobachten und alte Bekannte auf der fuer die Kuerze der Zeit angenehm grossen Gegendemo wiederzusehen. Mehr gibt es beim SWR und bei acht9.

Eine kleine Randnotiz ist noch die oertliche Zeitung wert, die das Ereignis samt Hashtag zwar auf Twitter konsequent ignorierte, dafuer viele Bilder auf Facebook hochlud — und ein wenig Flak abbekam:

Beim „Salt Law“ musste ich dann doch herzlich lachen :>

Am Gitter

Als ich vorhin vom Fundamt zurueck zur WG durch die Stadt spazierte, standen am Kornhaushof schon die Hamburger Gitter, samt zweier bulliger Herren, die sich beim Naeherkommen als Beamte der PD Ulm entpuppten und offenbar Appetit auf meine gerade gekaufte Tiefkuehlpizza hatten. Ich war einerseits amuesiert und zweitens neugierig auf die Absperrmassnahmen rund um den zu erwartenden heutigen Protest gegen das NPD-Flaggschiff (siehe auch) und unterhielt mich deswegen kurz mit ihnen und einer aelteren Dame, die neugierig die Absperrung beaeugte und wissen wollte, was da los sei, was das besondere an den Hamburger Gittern sei und wie das denn so als Polizei sei, dazwischenzustehen.

Die Polizisten waren noch gut gelaunt und erzaehlten wieder einmal die aus ihrer Sicht sicher verstaendliche Geschichte, dass es doch am besten sei, wenn „die Rechten“ ignoriert wuerden und sich damit „zum Affen machten“, anstatt dass „die Linken“ Gegendemos veranstalteten und sie dann dazwischen stuenden. Nachdem die betagte Dame sich zeigen liess, wie schwer man die Hamburger Gitter von der Schutzseite her bewegen koenne („da kann man dann einfach auf die Finger hauen“) und dass die auch nicht umfielen, wenn sie darauf klettern wuerde, konnte ich es mir doch nicht verkneifen, ihr grinsend zu erzaehlen, dass einige ihrer Stuttgarter Altersgenossinnen das sicher auch schon beim Protest fuer oder gegen gewisse Bahnhoefe erlebt haetten, und dass man natuerlich keinesfalls nur als „Rechter“ oder „Linker“ eine Demonstration besuchen koenne, sondern das fuer alle Alters- und Interessensgruppen oft ein lehr- und erkenntnisreiches Erlebnis ist. Mehr BuergerInnen auf Demonstrationen, quasi.

Das schien ihr einzuleuchten, und als schwaebische Buergerin war die folgende Frage beinahe schon vorherzusehen: Ob denn NPD oder Gewerkschaftsbund (als Anmelder der „linken“ Gegendemo) den Polizeieinsatz bezahlen wuerden. Nein, versicherten die Beamten ernst, das gehoere halt zu ihrem Beruf. Nein, versicherte ich, Schalk im Nacken sitzend, das sei ja keine Facebookparty. Das schien die Frau ein wenig zu ueberraschen — die Erklaerung eines der Beamten, dass Facebookparties nicht unter die Demonstrationsfreiheit fielen, sondern unter… aehm… oeh… nicht unter die Demonstrationsfreiheit, schien dann aber wieder einzuleuchten.

Ich hakte dann nicht weiter nach. Nicht, ob unsere neulich im Alten Friedhof veranstaltete WG-uebergreifende Nach-Schwoermontags-Tafel als Edupad-Party auch darunter gefallen waere (siehe Bild unten). Und auch nicht, ob die auffallend zurueckgezogenen Polizeiabsperrungen zwischen Kornhaus und der mit Ulm-gegen-Rechts-Bannern beflaggten Volkshochschule wirklich reichen wuerde, um eine (taktisch so recht einfach durchzufuehrende) Blockade der drei Zugangspunkte zu verhindern.

Das eigentlich eher buergerliche denn „linke“ Buendnis Ulm gegen Rechts ruft indes zur Gegenkundgebung auf. Treffpunkt ist 1530 am Haus der Gewerkschaften am Weinhof.

//addendum: Das Studentenwerk Ulm reisst mal wieder die Latte fuer die schoenste Facebook-Stellungnahme:

Obama, der Kommunistentypograph :)

Vor vier Jahren sorgte Barack Obama mit seiner Kampagne dafuer, dass die (zweifelsfrei wunderschoene) Gotham und die dazugehoerige Bildsprache einige Zeit gefuehlt ueberall zu sehen war.

Wie das Fontblog berichtet, sorgt die Schriftwahl bei Obamas neuer „Betting On America“-Kampagne dagegen fuer Diskussionen ganz anderer Art — sei die Revolution Gothic Extra Bold laut Buzzfeed doch zumindest mittelbar von der Typographie kubanischer Revolutionsposter inspiriert worden.

Der Obama-Presse-Chef habe die Vorwuerfe quasi antiamerikanischer Fontwahl ganz lapidar kommentiert:

Your GOP operative should have had the courtesy to stay sober before noon, and BuzzFeed should go back to labeling cat slideshows.

Die Angst vor den Menschen

In Ulm fand dann doch keine verbotene Facebook-Party statt. In Konstanz sorgten Polizeihubschrauber(sic) und -hundertschaften dafuer, dass die 30 erschienenen jungen Menschen ordnungsgemaess ihren Platzverweis vom Strandbad Horn erhielten. Gewonnen haben auf jeden Fall die Repressionsmassnahmen der betroffenen Staedte und der Landes- und Bundespolizei, denn:

  • Passiert gar nichts (wie in Ulm), waren die Massnahmen erfolgreich. Ohne das Komplettverbot saemtlicher(!) ueber soziale Netzwerke organisierte Veranstaltungen im Stadtgebiet und das massive Polizeiaufgebot waeren schlimme Dinge™ passiert.
  • Passiert wenig oder quasi nix (wie in Konstanz), waren die Massnahmen erfolgreich. Ohne die Allgemeinverfuegung oder mit weniger als diesen vielen hundert PolizistInnen waeren deutlich mehr Leute gekommen und es haetten schlimme Dinge™ passieren koennen.
  • Passiert doch was, waren die Massnahmen erfolgreich. Nur durch die Allgemeinverfuegung und das massive Polizeiaufgebot konnte die Lage halbwegs gemeistert werden.

Unterdessen stellt sich die Frage, wer die Kosten fuer besagte massives Polizeiaufgebot tragen soll. Zitat heise online:

Baden-Württembergs Landespolizeipräsident Wolf Hammann und Innenminister Reinhold Gall (SPD) wollen sich nun wehren. „Die Polizei wird alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Kosten für Polizeieinsätze, beispielsweise Platzverweise wegen Ruhestörungen, Streitigkeiten oder ähnlichem, in Rechnung zu stellen“, sagt Gall.

Bei einer geplanten Facebook-Party an diesem Wochenende in Ulm gab allein die örtliche Polizei ihre Ausgaben mit 60.000 Euro an. […] Nach der ausgeuferten Feier in Backnang (Rems-Murr-Kreis) eine Woche zuvor wollen Polizei und Stadt den Verantwortlichen dort sogar rund 140.000 Euro auf die Quittung schreiben. […]

Die Politik will der Minister aber erstmal nicht einschalten. „Grundsätzlich können junge Menschen Partys feiern und Spaß haben, aber wie immer nicht auf Kosten und zum Schaden Dritter oder der Allgemeinheit.“ Momentan reiche das bestehende Instrumentarium aus, um gegen Facebook-Partys vorzugehen. So zeigten die massiven Drohungen von Stadt und Polizei in Ulm und Konstanz Wirkung – die Partys fielen aus. „Falls notwendig, werde ich zu gegebener Zeit die Problematik in den zuständigen Gremien thematisieren“, betonte Gall.

Da stellen sich mir noch ein paar Fragen:

  • Wenn Fussballfans Party feiern und Spass haben, wird das ebenfalls von Polizeihundertschaften begleitet. Hierfuer kommen die SteuerzahlerInnen auf. Wo ist der Unterschied?
  • Wenn Autokorsos EM- oder WM-Siege feiern, geschieht das zum Nachteil der AnwohnerInnen der betroffenen Strecken, wie man in lokalen Nachrichtenmedien alle zwei Jahre an geeigneter Stelle nachlesen kann. Auch hier schreitet die Polizei nicht ein. Wo ist der Unterschied?
  • Wo ist der Unterschied einer „fuehrungslos“ per Facebook organisierten Party zu einer „fuehrungslos“ durch andere Kommunikationsmittel organisierten Veranstaltung? Verstehen wir uns nicht falsch, Telefonketten sind jetzt nicht mehr so das Mittel der Wahl, aber wuerde man nach dem Nabada zu einem kollektiv veranstalteten Riesenpicknick in der Au einladen, wuerde das in Teilnehmerzahl, eventuell verursachtem Muell und Lautstaerke womoeglich an die „Facebook-Party“ heran-, jedoch nicht wesentlich ueber das „normale“ Treiben nach dem Nabada heraus-ragen. Oder gibt es Tage, an denen das gesellschaftlich akzeptiert ist, weil es da genuegend parallel laufende „herkoemmliche“, kommerzielle Veranstaltungen gibt?
  • Und nicht zuletzt: Warum warte ich bislang vergeblich auf eine kritische Reflektion der im Vorfeld lustig berichtenden Regionalmedien ueber ihre eigene Rolle in der Eskalationsspirale?

Senor Coconut meets Kraftwerk

Ich habe einen Ruf zu erfuellen, deswegen der kurze Hinweis auf ein paar… interessante Versionen bekannter Stuecke durch Uwe Schmidt aka (hier) Senor Coconut:

Persoenlicher Favorit ist ja die Da-Da-Da-Version 🙂

Wer den Klang der Covers insgesamt mag, kann sich mal durch Martin Denny durchhoeren. Youtube (und damit einige wunderbare Lounge-/Exotica-Playlists) ist leider groesstenteil leer-geGEMAt, aber einige Aufnahmen findet man bisweilen:

Wie man die Stadt Ulm lahmlegt

Heute morgen wiesen die DFI der Stadtwerke darauf hin, dass eine auf Facebook angekuendigte „lade einfach alle Leute zu einem unkontrollierten Fest an der Donau ein“-Party von der Stadt verboten wurde und der Besuch Bussgelder bis 5000 EUR nach sich ziehen koenne.

Das ist einer der letzten Akte in einer Serie von Aktionen und Reaktionen, die auf mich leicht schildbuergerlich wirkt. Ueber die „Facebook-Party“ war vorab mehrfach in der lokalen Presse berichtet worden, was ich aufgrund derer impliziten Haltung zum Leistungsschutzrecht aber nicht verlinken werde. Dass diese Berichte die Aufmerksamkeit nur noch weiter auf diese Veranstaltung gelenkt haben duerfte, sollte ebenfalls klar sein.

Die Stadt und die Polizei weisen in einer Mitteilung auf das Verbot der Veranstaltung hin (Hervorhebung von mir):

Aufgrund der nicht absehbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die von einer unkoordinierten Massenveranstaltung ausgehen können, hat die Stadt Ulm mit einer Allgemeinverfügung die angekündigte Facebookparty am kommenden Samstag, 7. Juli, auf der Ulmer Donauwiese, wo zeitgleich das Internationale Donaufest stattfindet, verboten. Das Verbot umfasst darüber hinaus alle über Internetforen/Soziale Netzwerke organisierten Veranstaltungen im gesamten Ulmer Stadtgebiet im Zeitraum vom Freitag, 6. Juli, bis einschließlich Sonntag, 8. Juli.

[…] Stadt und Polizei rechnen damit, dass trotz des Verbots und der angedroh-ten Strafen zahlreiche, zumeist jugendliche „Partygäste“ erscheinen werden und bereiten sich entsprechend vor. „Unser Ziel ist es, das Internationale Donaufest unbehindert und ohne Einschränkungen stattfinden zu lassen. Störer und Randalierer, zumal wenn sie angetrunken sind, werden wir daher nicht dulden“, gibt Rainer Türke von den Bürgerdiensten die städtische Linie wieder. Zugleich solle alles unternommen werden, um eine Eskalation der Situation zu verhindern.

[…] Stadt und Polizei weisen außerdem ausdrücklich auf die Konsequenzen hin, die auch den Teilnehmern an einer verbotenen Party drohen: Personalienfeststellung und Ordnungsgelder bis zu 5.000 Euro (z.B. für das Nichtbeachten von Platzverweisen) können auf die jungen Partygäste zu-kommen.

In anderer Sache telefonierte ich vorhin mit dem Polizeirevier Ulm-West — eigentlich was nachrangiges, nicht dringliches, es wurde mir aber gleich von Anfang an zu verstehen gegeben, dass heute keine einzige Streife abkömmlich sei. Ich wunderte mich zunächst, fragte dann kurz: „Facebook?“ — „Jopp.“ Ich bin mal sehr gespannt, wie die Polizei es schaffen will, Donaufestbesucher und „Facebookpartygaenger“ auseinanderzuhalten. Muss ich selbst mit Personenkontrollen rechnen, wenn ich mir einfach nur ansehen will, wie ein Donaufest voller Paranoia vor einfallenden Partyhorden aussehen koennte? Gar das Donaufest-Programm auswendig lernen, um nachweisen zu koennen, kein Interesse an Veranstaltungen ohne offiziellen Ausrichter zu haben?

Die dazugehörige Allgemeinverfügung ist meiner Meinung nach indes <edit>in ihrer Allgemeinheit, die (wenn man sie woertlich auslegt) saemtliche privaten Zusammenkuenfte im oeffentlichen Raum mitmeint, und in ihrer Umgehbarkeit, wenn man Werkzeuge verwendet, die per Definition kein „Social Network“ sind,</edit> an Blödheit kaum zu überbieten. Ich kann weiterhin per Massen-E-Mail Leute zur Teilnahme an beliebigen Veranstaltungen einladen — will ich jedoch meine Freunde per Social Network zum Treffen im Stadtpark einladen, ist mir das verboten, und eigentlich muesste die Polizei dieses Verbot auch enforcen, wenn ich mich nicht ganz arg taeusche.

Das habe ich dann im Telefonat nicht weiter nachgefragt. Und schaue gerade nachdenklich das Telefon an.

Update: Um Rechtssicherheit zu haben, rief ich eben mal quer durch alle Institutionen und Behoerden, wie es denn aussieht, wenn beispielsweise Studierende ein gemeinsames Grillen per sozialem Netzwerk organisieren wuerden. Das durchlief insgesamt fuenf Instanzen von mehreren Polizeistellen ueber die Pressestelle der Stadt bis zum Leiter der Buergerdienste, und sah in etwa so aus:

  • Brauche ich generell eine Ausnahmegenehmigung, um Zusammenkuenfte/Feiern im Stadtgebiet per sozialem Netzwerk organisieren zu duerfen?
    • Polizei: Auf privatem Grund sollte das kein Problem sein. Im oeffentlichen Raum, aeh, fragen Sie doch besser mal bei der Stadt, die hat ja die Verfuegung erlassen.
    • Pressestelle: „Gemeint“ sind Sie damit vermutlich nicht, aber was die Rechtssicherheit angeht, haben Sie da wohl schon Recht. Fragen Sie doch bei den Buergerdiensten.
    • Buergerdienste: Es geht um Massenzusammenkuenfte, bei denen die oeffentliche Sicherheit und Ordnung gefaehrdet wird. Private Veranstaltungen sind nicht betroffen. Einwand meinerseits: Da steht doch „andere ueber soziale Netzwerke organisierte Partys“. Antwort: Ja, aber es geht um Massenpartys.
  • Kann ich das Problem umgehen, indem ich die Veranstaltung nicht per Facebook, sondern zum Beispiel in unserem Arbeitswiki organisiere? Das ist dann zwar oeffentlich einsehbar, aber per Definition kein soziales Netzwerk.
    • Polizei: Aber Wikis sind doch auch soziale Netzwerke, oder? Ich: Ne. Polizei: Oh. Hm. Fragen Sie am besten bei der Stadt nach.
    • Pressestelle: Oh, ja, damit waere das Problem wohl umgangen. Aber die Buergerdienste wissen da sicher mehr.
    • Buergerdienste: (Ging nicht auf Wikis ein, sondern betonte mehrmals, dass es um „Facebookparties“ mit Massenzusammenkunft, Alkohol und sonstigem gehe)

Fazit:

Nachtrag: Ersetzt man Holzplatten durch beliebige Buecher, waere das hier doch eine wunderbare Kunstaktion zur Visualisierung einer „Facebook-Party“: