Archiv für den Monat: Juli 2012

In der Tretmuehle

Wenn ich hier nachlese, was die letzten Wochen und Monate an Postings kam, koennte man meinen, es passiere so rein gar nichts.

Derweil bin ich Ende April zum ersten Mal nach Berlin getrampt, was einfacher war, als vorher gedacht: Nachmittags um drei mit dem Bus nach Boefingen, von dort mit einem Schild „HDH“ auf die Raststaette Lonetal, und nach vier Autos einen Handwerker gefunden, der mich beinahe bis vor die Haustuere von Gastgeber @_HeBu fuhr. Dann den OpenGLAM-Workshop in der Staatsbibliothek Berlin besucht, bei der Einweihung der Wikimedia-Stockwerksetage Freibier geschnorrt, tags darauf mit den wunderbaren @waxmuth und @presseschauer wunderbaren Kaffee getrunken und abends die Suit-Up-Party im Fotostudio von Anya alias Mina Gerngross im Suit besucht. Und im Flight Suit.

Eine Woche spaeter tat mir Juliane das mit der Berlin-tramperei gleich, waehrend Undine und ich schon mal mit dem Zug vorausgefahren waren und Maria irgendwann nachkam — damit wir alle das myfest in Kreuzberg besuchen, Helfer bei der re:publica sein, diesmal zu dritt in der Undinschen Luxushuette (siehe) crashen, uns verlaufen, und durch tiefgruendige Gespraeche zwischen Maria und plomlompom sowie Trollereien zwischen Undine und erlehmann zu geduldeten Besuchern in #nodrama.de werden konnten. Bild relatiert.

Irgendwo kamen dann noch Besprechungen mit Nahverkehrsbund und Stadtwerken zum Ausbau des Fahrtenangebots zur Universitaet, das OpenCityCamp, die kif 40.0, der Erwerb einer Zuckerwattemaschine (die nun nach vier Wochen kaputt ist), eine unerwartete Einladung zu einem Innovationsworkshop bei Daimler, das SoNaFe an der Uni und zig Kleinigkeiten, Projekte und immer noch offene Arbeiten.

Fragt sich, warum ich nicht mehr darueber schreibe. Und die Befuerchtung ist, in der Tretmuehle gelandet zu sein.

Wie damals™, als ich unglaublich viel Wissen aus dem USENET bekam, aber eben auch unglaublich viel Zeit in das Lesen und Mitdiskutieren steckte. (Ja, die meisten Posts findet man noch. Seid milde. Ich war 13 oder so.) Aehnlich geht es mir gerade mit Twitter: Ich habe regelmaessig 15 Tabs offen, die ich eigentlich auch gerne hier wieder teilen wuerde — nach fuenf Tagen, in denen ich nichts damit anstellte, schliesse ich sie wieder, und gut ist. Seit einigen Wochen komme ich erstmals nicht mehr meiner Timeline hinterher und ueberspringe teilweise ganze Tage — und die gehoerten bisweilen zu den entspanntesten, weil ich einfach nur schoen viel koerperlich arbeiten, Dinge umhertragen, mich im Freien bewegen und mit alten Schleppern herumfahren „durfte“.

Einige Mailinglisten, auf denen ich seit Jahren subskribiert bin, oeden mich derweil tierisch an. Gefuehlt kommt jede Woche eine Diskussion auf, die schon gefuehlt hundert Mal durch ist. Am wenigsten Lust habe ich aktuell auf diverse Piratenlisten. Generell: Die Piraten oeden mich an. Nach den ueber drei Jahren, in denen ich sie beobachte, sind viele immer noch nicht ueber die „aber wir sind fuer Buergerrechte!“-Rhetorik hinausgewachsen. Wahlweise ist die Partei vollkommen reflexionsfrei die einzige freiheitliche, buergerInnennahe, demokratische Partei (und alles andere immer schlecht), oder man solle doch gefaelligst mit- und alles besser machen.

Derweil kann man sich bei den Piraten weiterhin richtig einfach Freunde machen, wenn man irgendwas mit „Femi…“ am Anfang sagt. Die Analyse von Macht- und Herrschaftsstrukturen hoert da auf, wo die eigene Wohnung unueberwacht, die Internetleitung frei und „alles transparent“ ist. Oder so aehnlich. Kackscheisser kommen auf Listenplaetze fuer die Wahl, Leute in Amt und Funktion duerfen froehlich lustige Meinungen zum Nahen Osten, und in diversen Arbeitsgruppen geben sich „Waffenrechtler“ und Geldumordner ein Stelldichein. Mit der Einfuehrung von Bezirks- und Kreisverbaenden werden die Strukturen zudem immer rigider und aus dem sympathischen Chaoshaufen von vor ein paar Jahren zunehmend: Einfach nur eine weitere Partei.

(Mit einigen coolen und wirklich wichtigen Werkzeugen. Zugegeben. Aber einem Facepalmpotenzial, das mich oft nur noch abwinken laesst.)

Was bleibt?

Der Wunsch nach ein wenig Abstand von den meisten Twitter-, Mail und Facebookdebatten der letzten Monate. Um die schoenen Erlebnisse die es gab und hoffentlich weiter geben wird, auch mal richtig ver- und aufarbeiten koennen. Raus aus der Tretmuehle.

Und mehr Cowbell.

Geodaten vom Bund bald kostenfrei

heise online berichtet, dass der Bundestag die Reform des Geodatenzugangsgesetzes verabschiedet hat.

Geographische Informationen des Bundes, darauf basierende Dienste sowie zugehörige Metadaten sollen künftig „grundsätzlich geldleistungsfrei“ kommerziell und privat genutzt werden können.

Damit ist der Bund tatsaechlich weiter als die meisten Laender, in denen Gebuehrensatzungen solche beschraenkungsfreien Nutzungsmoeglichkeiten bislang verhindern. Die Landesvermessungsaemter, so die Logik, sollen die Kosten, die sie verursachen, zumindest teilweise wieder durch den Verkauf ihrer „Produkte“ einspielen. Aehnlich sieht es bei vielen Cultural Heritage Institutions (also Galerien, Museen, Archiven, Bibliotheken) aus, wie die OpenGLAM-Initiative regelmaessig bemaengelt.

Die deutsche Angst vor Verletzung vermeintlich privater Sphaeren durch die Auswertung oeffentlich zugaenglicher Fakten (in Fachkreisen Streetviewitis genannt) sorgte derweil fuer den aufregenden Zustand, dass dieses Open-Data-Gesetz von CDU/CSU und FDP verabschiedet wurde, waehrend SPD und Gruene die Bedenkenfahne hochhielten:

Die Sozialdemokraten und die Grünen enthielten sich. Vertreter beider Fraktionen hatten moniert, dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger gefährdet werden könnte.