Archiv für den Monat: Juni 2011

Oh Internet…

Die (mir persoenlich bekannte und nicht als aufmerksamssuechtig eingeschaetzte) @VictoriaHamburg hat gestern ihr mindestens verstoerendes Erlebnis mit dem Rettungsruf verbloggt — und wird jetzt in einem signifikanten Teil der Blogkommentare dafuer gebasht. Von den vielen Rettungsprofis natuerlich (die vorher noch Reaktorprofis, oder Gurkenprofis, also generell Universalprofis) waren.

Ich kenne die Leitstelle Hamburg nicht. Es gibt einige Kommentare, die auch Sachkenntnis erahnen lassen und die Hintergruende zu ermitteln versuchen, die sind aber (leider) subjektiv recht selten.

Allgemein: So ein Verhalten wie von Victoria beschrieben gibt es leider ab und zu. Genauso, wie es Fehlbesetzungen auch bei der Polizei, im Lehrerberuf oder an beliebigen anderen Stellen gibt, kann es auch Disponenten geben, die man eigentlich nicht auf nach Hilfe suchende Anrufer loslassen sollte. In jedem Fall sollte man hier aber nachhaken, falls man so jemandem begegnet. Wir hatten einen Fall, in dem ein Anrufer, der einen Flaechenbrand melden wollte, vom Polizei-Disponenten (die damals noch die vom Handynetz auflaufenden 112-Rufe bearbeiteten) belehrt wurde, dass es doch viel zu nass sei, als dass in einer Freiflaeche etwas brennen koenne. Erst der zweite Anrufer, dessen Ruf in der Feuerwehreinsatzzentrale aufschlug, sorgte fuer einen Alarm — das umfangreiche Holzlager war bis dahin abgebrannt.

Der Fall wurde damals von der Kreisbrandinspektion aufgegriffen und zusammen mit der Polizei nachvollzogen — dem Disponenten wurde klargemacht, dass ziemlich viele Dinge zu beliebigen Tages- und Wetterlagen brennen koennen. Ich bin mir sicher, dass die Angelegenheit in Hamburg auch aufgerollt werden wird. Schliesslich soll jeder, der den Notruf waehlt, auch kompetente Hilfe beanspruchen koennen.

Bloede Kommentare, dass man doch gefaelligst einen Ersthelferkurs machen solle, anstatt ueber das geschilderte unprofessionelle Verhalten entsetzt zu sein, kann man sich dagegen gerne sparen.

Gute und schlechte Visualisierungen

Seit ein paar Tagen geht eine Serie von Infografiken durchs Netz, die offenbar jede Menge Design-Awards gewonnen hat, und ich muss mich fragen: Warum eigentlich? (Hat sie das ueberhaupt?) Im Wesentlichen soll dargestellt werden, wie die Welt aussaehe, wenn man die komplette Weltbevoelkerung mit 100 Personen repraesentieren wuerde. Das ist eigentlich ganz nett, und der Vergleich ist schoen — man moege das aber richtig machen.

Snopes.com beschaeftigte sich bereits ausfuehrlich mit der E-Mail-Variante der 100-Personen-Reduktion und stellt richtigerweise fest, dass die dargestellten Begrifflichkeiten teilweise sehr schwammig sind: Ab wann ist jemand „weiss“, ab wann „nicht-weiss“? Kann man die gesamte Bevoelkerung einfach auf hetero- und homosexuelle Menschen herunterbrechen? Wo sind die B und T aus LGBT?

Davon einmal abgesehen, finde ich die Visualisierung der Zahlen (woher auch immer sie kommen) an sich alles andere als preiswuerdig. Schauen wir uns beispielsweise den Energieverbrauch an:

Kann man die Werte aufgrund der Grafik tatsaechlich in Relation setzen? Ausfuehrlich ohne die Beschriftung (die ich hier fieserweise mal wegeditiert habe)? Nicht wirklich, die Form ist zwar huebsch anzusehen, an sich aber ueberhaupt nicht interpretierbar. Insbesondere, weil die Beschriftung von 76% und 24% spricht — eine kurz ueberschlagene Pixelzaehlung aber ganz andere Zahlen ergibt.

Richtig abstrus wird es dann aber bei manchen anderen Darstellungen:

Hae? Wie viele Leute haben denn nun keinen Zugang zu sauberem Wasser? Nur die, die durch den sichtbaren Teil der Wolke repraesentiert werden? Oder geht die Wolke (so wie Wolken das oft tun) perspektivisch hinter der „sauberen“ Wolke weiter? Was soll das?

Ernsthaft? Come on…

Gut, das hat Unterhaltungswert. Wer sich ernsthaft mit (tatsaechlich praktischen) Informationsvisualisierungen beschaeftigen moechte, kann die Standardwerke von Edward Tufte, naemlich „The Visual Display of Quantitative Information“ und „Envisioning Information“ (Amazon-Referrerlinks) lesen und bekommt dort auch die genaue Erklaerung, warum Visualisierungen wie die von Ng als eigentliche Visualisierung (d.h. auch ohne Legende) eigentlich nichts taugen.

„You don’t have to be a scientist. But at least know and understand whats going on!“

Neil DeGrasse Tyson ueber Science Literacy (was heisst das auf Deutsch? Wissenschaftskompetenz?). Sehr schoen — man muss nicht auf allen wissenschaftlichen Gebieten tiefe Sachkenntnis haben, sollte aber zumindest die passenden (kritischen) Bewertungsmethoden kennen.

(direktvideo), via Olivers Suppe.