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Domainschema neu erfunden

„Hey, schreib mal was ueber den Heilmann! Der hat doch Wikipedia.de sperren lassen, aber ueber wp.org kommste ja trotzdem ran“

„Oeh, okay… wie ging das mit Domains? de und com und Punkte und Schraegstriche gibts auch, oder wie war das?“

Domainschema neu erfunden

(Hey, wenigstens ist der Inhalt solide recherchiert worden, und das meine ich nicht sarkastisch.)

Leser ernstnehmen? Fehlanzeige.

Eine Sache, die ich gestern bei den Augsburger Studenten zwar angesprochen, aber vielleicht nicht deutlich genug gemacht habe: Ein unglaublich wichtiger Erfolgsfaktor eines Onlineangebotes ist das Feedback vom Nutzer zum Anbieter (und zurueck). Der netzaffine Leser von heute ist es mittlerweile gewohnt, zu quasi allen Themen auch seinen Senf abgeben zu koennen — und dass seine Meinung auch ernst genommen wird. Und das ist der Knackpunkt, bei denen viele etablierte Medien massenweise vollkommen versagen.

Stefan Niggemeier zitiert einen Fall aus dem August: Ein Leser weist die Redaktion auf einen Schreibfehler im Angebot von Welt Online hin. Welt Online antwortet auch: Mit einem Standardbrief a la „vielen Dank fuer den Hinweis“. Sonstige Folgen: Keine.

Eine Ausnahmeerscheinung? Leider nein. Will man beispielsweise der Augsburger Allgemeinen schreiben, dass dort in einem Artikel Unsinn steht, bekommt man folgende Mail als Antwort:

Vielen Dank für Ihren Leserbrief.
Diese Antwort wird automatisch erstellt, damit Sie eine Bestätigung dafür haben, dass uns Ihre Zuschrift erreicht hat. Bitte antworten Sie nicht auf diese E-Mail.

Ein wichtiger Hinweis für Sie: Um eine Zuschrift veröffentlichen zu können, brauchen wir Ihre vollständige Anschrift. In der Zeitung werden allerdings nur Name und Wohnort abgedruckt.

Bitte geben Sie auch an, auf welchen Beitrag in der Zeitung Sie sich beziehen und wann dieser Beitrag erschienen ist.

Falls Ihre Zuschrift bereits diese Angaben enthält: Dankeschön. Falls nicht, bitte senden Sie uns diese Angaben noch zu.

Mit freundlichen Grüßen

AUGSBURGER ALLGEMEINE
Journal und Leserservice
– Leserbriefe –

Irgendeine weitergehende Antwort? Nein — damit wuerde man dem Leser ja viel mehr Wichtigkeit beimessen, als ihm zusteht, nicht wahr? Aufwachen, meine Damen und Herren…

//Nachtrag, 1752: Ich hatte das zwar schon vor ner Weile im Feed, aber in diesem Zusammenhang passen die „Five Barriers to user participation“ nochmal ganz gut.

Akademische Aufmerksamkeit

Irgendwie reisst es nicht ab — erst bietet TU ein Medienpraktikum fuer Studenten der Uni Ulm an, wird danach zum Thema zweier Diplomarbeiten (Augsburg und Heidenheim) und vergibt einen Praktikumsplaetz an eine Journalismusstudentin (Darmstadt, wobei mir da wieder einfaellt, dass ich mir noch phaette Projekte fuer die drei Monate ausdenken muss oO)

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Heute hatten wir das ganze Buero voller Studentinnen und Studenten aus Augsburg, die sich im Rahmen eines kooperativ durchgefuehrten Projektes mit modernem Journalismus beschaeftigen und dazu die SWP und uns besuchten. Der Betreuer hat bei mir gleich mal Sympathiepunkte gesammelt — ich weiss nur bis jetzt noch nicht, wie ich den Gesichtsausdruck der netten Dame von der SWP bei Aussagen wie „natuerlich wird das in der Mehrzahl online geschehen“ deuten sollte 😉

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Auf den Bildern sehen die Maedels und Jungs zwar aweng gelangweilt aus, es kamen aber trotzdem viele interessierte Fragen und Rueckfragen, und Andy und ich durften knapp eineinhalb Stunden lang aus dem Naehkaestchen plaudern, Graphen zeigen und ein wenig die Mitbewerber durch den Kakao ziehen.

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Ich finde es saugut, dass es auch Hochschulen gibt, die nicht dem „Print ist toll, Print wird nie sterben“-Mantra folgen (so wie gewisse Freie Unis in Berlin) sondern sich Gedanken darueber machen, wie die Medienlandschaft morgen aussehen koennte — und wie man das vor allem auch finanzieren kann. Die Gruppe hat auch ein Blog, dessen URL ich aber leider noch nicht weiss und das man ueber die furchtbaren Seiten der Uni bzw. HS Augsburg auch nicht finden kann. Den Link reiche ich aber baldestmoeglich nach und werde das Ganze selbstverstaendlich auch weiter beobachten und dort herablassende und polemische Kommentare abladen sowie mit Links zu meinen Lieblings-Journalismus-Blogs und -Artikeln wild um mich werfen 😉

//Nachtrag: Wenn ein Projektblog schon mit Titeln wie „Print ist tot“ um sich wirft, finde ich das sympathisch. Und ausserdem verwenden sie das WordPress-Theme, das ich auch haben moechte ^^

Die spinnen (2)

Stefan Niggemeier sucht nebenan Vorschlaege fuer Nominierungen zu „JournalistInnen des Jahres“ des „Medium Magazins“, und in den Kommentaren habe ich eben dieses Kleinod von Jeeves gefunden:

Außerhalb des Pop-Musikbereichs gibt es ja auch gute Journalisten:
[…]
Nur bei den meisten anderen, da muss ich immer an die Asterix-Geschichte denken wo sich ein römischer Zenturio verzweifelt auf der Schulter seines Chefs ausweint: „Sie sind alles so doof. Und ich bin ihr Chef.”

Ich habe schon sehr lachen muessen — gibt es vielleicht einen Zeichner, der mir sowas in gross nachmachen kann, so zum an-die-Wand-haengen? 😀

Die Zeichnung ist uebrigens aus „Asterix und die Goten“, und den Scan habe ich ganz dummdreist von comedix.de geklaut.

PS: Asterix-Tag ist ein guter Vorschlag fuers BECI :->

Fernsehen und Internet reichen

Mehr als 40% der befragten Deutschen zwischen 14 und 19 gaben an, dass sie fuer ihre taegliche Information keine Zeitung mehr brauchen, weil Fernsehen und Internet reichen. Das ist, gelinde gesagt, happig.

Aber halt! Wie ist das Mantra der Verleger? Wer gebildet ist, wird auch in Zukunft Zeitungen lesen. Oder?

Holger Schmidt weiss anderes zu berichten: Auch für knapp 25% der 20- bis 39jährigen mit abgeschlossenem Studium reichen Internet und TV.

Mehr — auch grafisch aufbereitet — beim Netzoekonom.

Schlechter online

Gestern schreibe ich noch ueber komische Online-Versuche, und nur knappe zwei Stunden spaeter veroeffentlicht Stefan Niggemeier einen der wohl lesenswertesten Artikel ueber den Zustand des deutschen Onlinejournalismus schlechthin. „Schlechter online“ nennt er ihn, und er trifft den Kommentaren nach nicht nur bei mir ins Schwarze. Auszuege:

Wenn wir im Internet weniger verdienen, geht die Logik ungefähr, können wir halt auch nur weniger ausgeben. [… A]n der Stelle von Fachjournalisten beschäftigen wir günstige Allesproduzierer, die die einlaufenden Agenturmeldungen und Pressemitteilungen so einpflegen, dass es halbwegs okay ist.

Hey, das kennen wir doch irgendwoher. Onlineredaktionen, in denen hauptsaechlich die Artikel der Printausgabe eingepflegt werden? Menschliches CMS quasi? Doch, das kommt mir von mehr als einer regionalen Zeitung hier bekannt vor. Verlinkung auf Quellen ist dort aber immer noch unbekannt, da ist selbst bild.de besser:

Vor kurzem hat Bild.de sogar entdeckt, dass es im Internet die Möglichkeit gibt, auf andere Texte zu verlinken. […] Das ist mehr als man von den meisten anderen Medien sagen kann, bei denen immer noch der Glaube zu herrschen scheint, dass jeder Link auf eine Quelle die Gefahr bedeutet, einen Leser zu verlieren, obwohl es längst keine Frage mehr ist, dass das Gegenteil der Fall ist.

Und auch die fatalen Folgen, die solch eine Onlinestrategie nach sich fuehrt, bleiben nicht unerwaehnt:

Meine Befürchtung ist, wie ich am Anfang gesagt habe, dass das Internet für viele Medienunternehmen – geplant oder ungeplant – eine Art Labor ist, um einmal, halb geschützt von der eigentlichen Marke, auszuprobieren, was geht. […]

Die Verleger riskieren, dass schlimmstenfalls eine ganze Generation von Medien-Nutzern, die vor allem mit den real existierenden Online-Ablegern der Medien groß werden (oder noch journalismusferneren Quellen) gar nicht mehr erwarten, dass Journalismus etwas mit Recherche und Genauigkeit zu tun hat, mit dem Streben nach Wahrheit und Sprache, mit Auswählen und Redigieren. Darin sehe ich die größte Gefahr.

Wir erinnern uns: Selbst zukunftsunerschrockene Zeitungsmacher sind nach wie vor der Ansicht, Inhalte verkaufen zu koennen. Und das

[i]n einer Zeit, in der die meisten Informationen der Nachrichtenagenturen, der ganze Klatsch und Trasch, selbst aktuelle Nachrichtenfotos und -videos an jeder Stelle für jeden frei zugänglich sind; in einer Zeit, in der jeder mit relativ einfachen Mitteln daraus eine Seite basteln kann, die man leicht für ein Nachrichtenportal halten könnte […]

Zugegeben, Niggemeier bezieht sich dabei auf die hundsmiserable Qualitaet, mit der viele Ableger selbst renommierter deutscher Zeitungen im Internet agieren. Das laesst sich aber genausogut auf diejenigen muenzen, die der Ansicht sind, dass paid content in Zukunft noch ein realistisches Geschaeftsmodell fuer tagesaktuelle Informationen sind. In einer Zeit, in der sich auch der normale User eine Seite stricken kann, auf der Agenturmeldungen zu bestimmten Themen aggregiert werden, und in der man nach zwei Mausklicks ueber die Geschehnisse in der Region bloggen kann, ist das ein Holzweg.

Und um zu zeigen, dass man keine 180-seitigen Klickstrecken braucht, um Information zu vermitteln, sondern dass man das sogar mit richtiger Usability und Mehrwert fuer den Leser hinbekommt, zum Abschluss ein paar Links:

Hm. Keine deutsche Seite dabei. Seltsam.
(die meisten Links via Teaching Online Journalism)

Auch Thomas Brackvogel glaubt leider an Bezahlinhalte

Thomas Brackvogel imponiert mir. Von der Goslarschen Zeitung ging seine Karriere ueber den dpd, Tagesspiegel bis zur Zeit und Zeit Online — und nun weiter zur Suedwest-Presse, wo er sich augenscheinlich die Modernisierung dieses Quasi-Monopolblattes auf die Fahnen geschrieben hat. Aus der eher droege-seltsamen „Suedwest-Aktiv“-Seite wurde eine… modern-seltsame Nachrichtenseite mit grosser Karte und kaputter Suchfunktion, die zumindest vorsichtig-interessierte Reaktionen hervorrief, und auch in der vormals winzigen Onlineredaktion scheint man mittlerweile mehr Personal und Experimentiergeist zu haben. Sogar gebloggt wird dort, wenn auch nur sehr sehr zaghaft und gaaaaaanz arg versteckt, so dass der gemeine Leser kaum dorthin findet. Zeit wird das mit der Modernisierung auf jeden Fall, und mit Brackvogel hat man in jedem Fall ein passendes Zugpferd eingespannt.

Ueber seine Aussagen im aktuellen Spazz war ich jedoch gelinde gesagt ueberrascht. Wenn man den etwas seltsamen Schreibstil mal beiseite laesst, stoesst man naemlich schnell auf folgendes Zitat:

Kann man im Internet auch wie ein Printmedienverlag Geld verdienen?
Ja, doch, es gibt jetzt immer mehr, die wirklich Geld verdienen. Man kann nicht so gut verdienen wie in den Zeitungen. Die Zeitungen haben sich über gut 250 Jahre entwickeln können.
Das Internet ist ein vergleichsweise junges Medium. In der klassischen Aufgabe einer Zeitung oder eines Medienhauses wird traditionell nicht das Geld verdient, weil die Nutzer im Internet nicht bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Auf Dauer wird man sich daran gewöhnen müssen, dass man für eine Leistung, die man erhält, auch Geld bezahlen muss.

Geld bezahlen? Fuer Nachrichten? Im Internet? Ich hoffe ganz instaendig, dass Brackvogel damit meint, dass man sich mit Werbung abfinden muss. Aber nochmal: Bezahlen? Felix Schwenzel kann wieder einmal besser als ich ausdruecken, wo hier das Problem liegt:

das konzept bezahlter inhalte war kein irrweg, es war von anfang an dumm. es war dumm zu glauben, dass leser massenhaft für inhalte, für nachrichten bezahlen würden. es war vor allem auch von anfang an verlogen zu behaupten, für „qualitätsjournalismus“ müsse der leser eben zahlen.

Information ist frei. Warum soll ich fuer etwas bezahlen, was ich eigentlich kostenlos bekommen kann — und sei es im Aushang vor dem Pressehaus, wo das Blatt taeglich aushaengt.

Eine erfolgreiche Strategie muss andersherum gehen: Leser auf das eigene Onlineangebot locken, mit aktuellen Artikeln, die auch ueber Google und Co. gefunden werden koennen. Leser neugierig auf mehr machen, mit benutzerfreundlicher Navigation. Und Leser langfristig binden, indem man ein attraktives Angebot schafft, das alle Informationen vorhaelt, die der Benutzer wuenscht, und indem man den Leser als Dialogpartner ernstnimmt, Artikel kommentierbar macht und als Redakteur auch auf diese Kommentare und Anregungen eingeht. Dann wird das vielleicht auch was mit den Werbeeinnahmen.

Oder, um das Zitat umzudrehen: Auf Dauer wird man sich daran gewoehnen muessen, dass man fuer das Geld, das man verdienen moechte, auch etwas leisten muss.

Ronald Hinzpeter und das Internet

Wenn es sich ergibt, dass zwei Parteien einen gemeinsamen Feind haben, tun sich manchmal bemerkenswerte Buendnisse auf. Welchen Feind die Musikindustrie und die meisten bundesdeutschen Zeitungen gemeinsam haben, muss man ja eigentlich nicht extra erwaehnen — Richtig, ganz klar: Das Internet.

So schreibt Ronald Hinzpeter am Samstag auf Seite 3 der Augsburger Allgemeinen im Rahmen der Branchenmesse popkomm ueber Musik-Piraten aus dem Internet, und wie die Branche darauf reagiert — beispielsweise freut sie sich ueber wachsende Umsaetze bei (sicherlich DRM-geschuetzten) MP3s und ist empoert darueber, dass nach wie vor einige junge Leute keine Skrupel davor haben, sich ein (DRM-freies) Stueck aus dem Internet zu ziehen.

Eines verschweigen jedoch sowohl der Branchenvertreter als auch Ronald Hinzpeter ganz beflissentlich: Wie es ueberhaupt zu der Situation kam, dass die „illegalen“ Tauschboersen attraktiver waren als das Angebot der Musikindustrie. Denn, Urheberrechtsdiskussion hin oder her, fuer ein rundes Bild zu diesem Thema muss auch erwaehnt werden, dass die grossen Labels jahrelang gnadenlos versagt haben, ihre Ware im Internet zu attraktiven Konditionen anzubieten. Anstatt das Internet als fantastischen neuen Vertriebskanal fuer
den ganz individuellen Geschmack jedes einzelnen Hoerers zu begreifen, setzte man weiterhin auf CD-Verwurstungen im bewaehrten Schema „drei Hits, Rest Muell, 20 Euro“. Und war ueberrascht, als die Nutzer darauf reagierten, indem sie die verfuegbaren Mittel nutzten, um sich Tauschboersen zu stricken. Und noch ueberraschter, als ausgerechnet ein IT-Guru endlich ein vernuenftiges Vertriebskonzept auf die Fuesse stellte.

All das erwaehnt Ronald Hinzpeter nicht. Vielleicht wuerde das nicht in die Welt der Zeitungen passen, von denen viele weiterhin das gedruckte Wort als Mass aller Dinge setzen, und die Googles Versuche, ihnen Leser zu bescheren, als Unverschaemtheit bezeichnen. Stattdessen kolportiert Hinzpeter ungeniert die Ansichten der popkomm-Dinosaurier, man moege doch Urheberrechtsverletzern einfach den Internethahn abdrehen. Und findet quasi nur noch als Nachtrag Stimmen gegen derartige Eingriffe in die Netzneutralitaet, in erster Linie natuerlich die sattsam bekannten Datenschuetzer, die doch sowieso immer den Zeigefinger mahnend erhoben haben. Als ob auf die irgendjemand hoeren wuerde, nicht wahr.

Der Artikel ist uebrigens nur fuer Abonnenten oder gegen Geld abrufbar, und auch eine Moeglichkeit, mit dem Autoren in Kontakt, ja vielleicht sogar eine oeffentliche Diskussion zu seinem Artikel zu treten, gibt es auf der Seite nicht, trotz der in der Printausgabe vielbeworbenen Diskussionsforen und leidlich genutzten Umfragen. Aber das passt irgendwie ja auch ins Bild.

nachtrag, 15. oktober: der heutige xkcd passt einfach zu gut, um ihn hier nicht zu erwaehnen. ende der durchsage.