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Wie man die Stadt Ulm lahmlegt

Heute morgen wiesen die DFI der Stadtwerke darauf hin, dass eine auf Facebook angekuendigte „lade einfach alle Leute zu einem unkontrollierten Fest an der Donau ein“-Party von der Stadt verboten wurde und der Besuch Bussgelder bis 5000 EUR nach sich ziehen koenne.

Das ist einer der letzten Akte in einer Serie von Aktionen und Reaktionen, die auf mich leicht schildbuergerlich wirkt. Ueber die „Facebook-Party“ war vorab mehrfach in der lokalen Presse berichtet worden, was ich aufgrund derer impliziten Haltung zum Leistungsschutzrecht aber nicht verlinken werde. Dass diese Berichte die Aufmerksamkeit nur noch weiter auf diese Veranstaltung gelenkt haben duerfte, sollte ebenfalls klar sein.

Die Stadt und die Polizei weisen in einer Mitteilung auf das Verbot der Veranstaltung hin (Hervorhebung von mir):

Aufgrund der nicht absehbaren Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die von einer unkoordinierten Massenveranstaltung ausgehen können, hat die Stadt Ulm mit einer Allgemeinverfügung die angekündigte Facebookparty am kommenden Samstag, 7. Juli, auf der Ulmer Donauwiese, wo zeitgleich das Internationale Donaufest stattfindet, verboten. Das Verbot umfasst darüber hinaus alle über Internetforen/Soziale Netzwerke organisierten Veranstaltungen im gesamten Ulmer Stadtgebiet im Zeitraum vom Freitag, 6. Juli, bis einschließlich Sonntag, 8. Juli.

[…] Stadt und Polizei rechnen damit, dass trotz des Verbots und der angedroh-ten Strafen zahlreiche, zumeist jugendliche „Partygäste“ erscheinen werden und bereiten sich entsprechend vor. „Unser Ziel ist es, das Internationale Donaufest unbehindert und ohne Einschränkungen stattfinden zu lassen. Störer und Randalierer, zumal wenn sie angetrunken sind, werden wir daher nicht dulden“, gibt Rainer Türke von den Bürgerdiensten die städtische Linie wieder. Zugleich solle alles unternommen werden, um eine Eskalation der Situation zu verhindern.

[…] Stadt und Polizei weisen außerdem ausdrücklich auf die Konsequenzen hin, die auch den Teilnehmern an einer verbotenen Party drohen: Personalienfeststellung und Ordnungsgelder bis zu 5.000 Euro (z.B. für das Nichtbeachten von Platzverweisen) können auf die jungen Partygäste zu-kommen.

In anderer Sache telefonierte ich vorhin mit dem Polizeirevier Ulm-West — eigentlich was nachrangiges, nicht dringliches, es wurde mir aber gleich von Anfang an zu verstehen gegeben, dass heute keine einzige Streife abkömmlich sei. Ich wunderte mich zunächst, fragte dann kurz: „Facebook?“ — „Jopp.“ Ich bin mal sehr gespannt, wie die Polizei es schaffen will, Donaufestbesucher und „Facebookpartygaenger“ auseinanderzuhalten. Muss ich selbst mit Personenkontrollen rechnen, wenn ich mir einfach nur ansehen will, wie ein Donaufest voller Paranoia vor einfallenden Partyhorden aussehen koennte? Gar das Donaufest-Programm auswendig lernen, um nachweisen zu koennen, kein Interesse an Veranstaltungen ohne offiziellen Ausrichter zu haben?

Die dazugehörige Allgemeinverfügung ist meiner Meinung nach indes <edit>in ihrer Allgemeinheit, die (wenn man sie woertlich auslegt) saemtliche privaten Zusammenkuenfte im oeffentlichen Raum mitmeint, und in ihrer Umgehbarkeit, wenn man Werkzeuge verwendet, die per Definition kein „Social Network“ sind,</edit> an Blödheit kaum zu überbieten. Ich kann weiterhin per Massen-E-Mail Leute zur Teilnahme an beliebigen Veranstaltungen einladen — will ich jedoch meine Freunde per Social Network zum Treffen im Stadtpark einladen, ist mir das verboten, und eigentlich muesste die Polizei dieses Verbot auch enforcen, wenn ich mich nicht ganz arg taeusche.

Das habe ich dann im Telefonat nicht weiter nachgefragt. Und schaue gerade nachdenklich das Telefon an.

Update: Um Rechtssicherheit zu haben, rief ich eben mal quer durch alle Institutionen und Behoerden, wie es denn aussieht, wenn beispielsweise Studierende ein gemeinsames Grillen per sozialem Netzwerk organisieren wuerden. Das durchlief insgesamt fuenf Instanzen von mehreren Polizeistellen ueber die Pressestelle der Stadt bis zum Leiter der Buergerdienste, und sah in etwa so aus:

  • Brauche ich generell eine Ausnahmegenehmigung, um Zusammenkuenfte/Feiern im Stadtgebiet per sozialem Netzwerk organisieren zu duerfen?
    • Polizei: Auf privatem Grund sollte das kein Problem sein. Im oeffentlichen Raum, aeh, fragen Sie doch besser mal bei der Stadt, die hat ja die Verfuegung erlassen.
    • Pressestelle: „Gemeint“ sind Sie damit vermutlich nicht, aber was die Rechtssicherheit angeht, haben Sie da wohl schon Recht. Fragen Sie doch bei den Buergerdiensten.
    • Buergerdienste: Es geht um Massenzusammenkuenfte, bei denen die oeffentliche Sicherheit und Ordnung gefaehrdet wird. Private Veranstaltungen sind nicht betroffen. Einwand meinerseits: Da steht doch „andere ueber soziale Netzwerke organisierte Partys“. Antwort: Ja, aber es geht um Massenpartys.
  • Kann ich das Problem umgehen, indem ich die Veranstaltung nicht per Facebook, sondern zum Beispiel in unserem Arbeitswiki organisiere? Das ist dann zwar oeffentlich einsehbar, aber per Definition kein soziales Netzwerk.
    • Polizei: Aber Wikis sind doch auch soziale Netzwerke, oder? Ich: Ne. Polizei: Oh. Hm. Fragen Sie am besten bei der Stadt nach.
    • Pressestelle: Oh, ja, damit waere das Problem wohl umgangen. Aber die Buergerdienste wissen da sicher mehr.
    • Buergerdienste: (Ging nicht auf Wikis ein, sondern betonte mehrmals, dass es um „Facebookparties“ mit Massenzusammenkunft, Alkohol und sonstigem gehe)

Fazit:

Nachtrag: Ersetzt man Holzplatten durch beliebige Buecher, waere das hier doch eine wunderbare Kunstaktion zur Visualisierung einer „Facebook-Party“:

Der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft

Da mordet eine Neonazi-Terrorzelle jahrelang vor sich hin, fuehrt „Todeslisten“, auf denen unter anderem mehrere Moscheegemeinden und die Gesellschaft fuer Christlich-Juedische Zusammenarbeit, und als die Listen bekannt werden, passiert so etwas:

Das Polizeipräsidium Frankfurt hatte Ende des letzten Jahres per Brief die Einrichtungen darüber informiert und diese durch Polizeibeamte persönlich überbracht. Es lägen bisher keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne vor, heißt es darin.

[…]

Aus verlässlicher Quelle wurde mir berichtet, dass ein Polizeibeamter bei der Übergabe des Briefes für Worte fand: „Bilden Sie sich nichts darauf ein und geben Sie nicht damit an – Sie sind nur eine von zigtausend Institutionen.“ Mir fehlen die Worte um zu beschreiben, welche Abgründe sich hier im Blick auf die Haltung dieses Staatsdieners zu den Verbrechen auftun.

Evangelisches Frankfurt › Eine unbequeme Wahrheit: Rassismus kommt aus der Mitte der Gesellschaft.

Der versagende Verfassungsschutz beansprucht derweil immer weitere Rechte fuer sich, beobachtet lieber die Linkspartei als innert zehn Jahren auch nur den Hauch einer Ahnung zu haben, was in Zwickau vor sich ging — und als Reaktion wuerde man gerne das Abspielen der „Paulchen Panther“-Melodie auf Demonstrationen verbieten.

Auf Demonstrationen wohlgemerkt, auf denen Rechtsextreme gerne auch mal unter den Augen der Polizei mit „Fahnenstangen“ durch die Gegend laufen duerfen, waehrend regelmaessig BFE auf linke Demonstranten einklopft, wenn deren Seitentransparente 20cm zu breit sind (was dann auch gerne vor Ort langwierig vermessen wird). Oder bei einer Demo fuer den 2005 unter ungeklaerten Umstaenden in Dessauer Polizeigewahrsam verbrannten Oury Jalloh zwei Demonstranten krankenhausreif pruegelt.

In Dessau flogen unlaengst Brandsaetze, angeblich im Zusammenhang mit Jalloh. Und mittlerweile ist es dort scheinbar auch wieder salon- und strassenfaehig, „Deutschland den Deutschen, Auslaender raus“ zu skandieren.

Soll keiner sagen, er haette nichts mitbekommen.

„Suppression always creates the opposite of the effect desired“

Keith Olbermann Special Comment On Michael Bloomberg – YouTube via fefe: Ein ansehenswerter Rant ueber die Aktionen (nicht nur) Michael Bloombergs gegen die Occupy-Proteste, die gerade dieser Reaktionen wegen an Zulauf gewinnen.

Und weil man hierzulande oft viel zu wenig ueber die von Olbermann zitierten historischen Gegebenheiten weiss, eine kleine Linkliste:

Dankeschoen an das Internet und die vielen Wikipedia-MasochisSchreiber, die einem ermoeglichen, das mal eben einfach zu verlinken!

The Troublemakers carried pepper spray and guns… and were wearing badges.

Ich wurde am Sonntag bei /dev/radio von Seder geschimpft, nachdem ich behauptete, „die Polizei“ haette einem 15jaehrigen offenbar grundlos die Zaehne eingeschlagen. Das hat „die Polizei“ nicht. Das war ein einzelner leitender Beamter.

Kein strukturelles Problem, sagt Joachim Hermann. Derartige Anschuldigungen der bayerischen Gruenen seien vielmehr eine „Unverschaemtheit“. Nur Einzelfaelle eben, man werde die aktuellen Faelle aufklaeren.

Doch ein strukturelles Problem, sagt Lawrence O’Donnell, und noch viel schlimmer: Auch in den USA seien die prompt versprochenen Ermittlungen jedes Mal auf Neue eine Farce, und selbst angesichts Beweisvideos werde gelogen und behauptet, dass Pruegel und Pfefferspray kein Rechtsbruch, sondern angemessen sei. Wenn man lange genug wartet, verschwindet das Medieninteresse und man kann die Rechtsbrueche unbestraft oder mit einem „Slap on the Wrist“ unter den Tisch kehren. Sounds familiar.

Das Strafrechtsaenderungsgesetz ist jetzt uebrigens mit minimaler Aenderung durch den Bundesrat. Wem zukuenftig von der Polizei einzelnen Vollstreckungsbeamten als Retourkutsche fuer eine Anzeige eine Widerstandshandlung unterstellt wird, kann im bloedesten Fall fuer drei Jahre im Bau landen.

(via Jens Scholz und David Dorst)

Ulm: Welle seltsamer Schluesse schwappt ueber

„Ulm: Die Welle der Gewalt gegen Hilfskräfte schwappt über“ hiess es gestern beim oertlichen Lokaljournalismusanbieter. Und dieser Text ist in seiner Gesamtheit so merkwuerdig, dass ich ihn hier mal kurz abklopfen moechte.

Inspiriert wurde die oertliche Recherche offenbar durch mindestens zwei Artikel der letzten Tage: Die zitierte Geschichte um einen Nuernberger Rettungssanitaeter, der im Einsatz gebissen wurde, findet sich auch auf sueddeutsche.de (vom 31.08.2011, im swp-Artikel auch verlinkt) und auf bild.de (vom 04.09.2011).

Das gab dann wohl Anlass, einmal in Ulm nachzurecherchieren — die Idee ist nachvollziehbar, der Zusammenhang zwischen dem Artikel und der Ueberschrift vom Ueberschwappen einer Gewaltwelle dagegen so gar nicht. Von Gewalt, auch nur ansatzweise im Umfang wie im Nuernberg-Aufreisser ist naemlich bei den Interviewten nie die Rede:

„Solch extreme Schutzmaßnahmen müssen wir zum Glück noch nicht treffen. Und hoffentlich kommt es auch nie dazu“, sagt Rainer Benedens, Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuz aus Ulm.

[…]

Die Hemmschwelle, den Rettungsdienst zu rufen, sei gerade bei Jugendlichen gesunken. „Früher hat man seinen zu betrunkenen Kumpel in eine sichere Lage gebracht und auf ihn Acht gegeben, bis er sich erholt hatte. Heute ist ‚Koma-Saufen‘ angesagt und wenn einer zu viel hat, ruft man halt den Rettungsdienst. Problematisch wird es, wenn bei einer Gruppe der zu Behandelnde minderjährig ist und nicht mehr Herr der Lage ist, aber sich weigert mitzukommen. Dann meinen die anderen, helfen zu müssen und uns davon abzuhalten, den Freund mitzunehmen – wenn es dumm läuft artet es aus und es wird bedrohlich. Hier hilft dann nur noch eine Zwangseinweisung mithilfe der Polizeibeamten vor Ort“, erklärt Benedens.

„Es kommt regelmäßig vor, dass Polizeihilfe angefordert wird, weil sich psychisch kranke Personen gegen die Versorgung durch Sanitäter mit Gewalt zur Wehr setzen. Wie oft wir aufgrund willkürlicher Gewalt gegen die Hilfskräfte ausrücken müssen, kann ich nicht sagen, da im System leider nicht erfasst wird, ob der Rettungsdienst bedroht wird oder andere Personen“, sagt Wolfgang Jürgens, Polizeisprecher Ulm.

Wir halten fest:

  • Eingangs werden Eigenschutzmassnahmen wie durchstichsichere Westen fuer Rettungsdienstmitarbeiter beschrieben.
  • Diese Massnahmen sind laut DRK-Rettungsdienst in Ulm nicht notwendig.
  • Das DRK berichtet von einer sinkenden „Hemmschwelle, den Rettungsdienst zu rufen, […] gerade bei Jugendlichen“.
  • Gelegentlich seien alkoholisierte Jugendliche nicht mehr einwilligungsfaehig und muessten „zwangseingewiesen“ werden (gemeint ist wohl polizeiliche Ingewahrsamnahme nach §28 Abs. 1 Ziffer 2b PolG BW)
  • Die Polizei gibt an, regelmaessig angefordert zu werden, wenn sich psychisch Kranke gegen medizinische Versorgung zur Wehr setzen. Diese Baustelle heisst dann aber Psychisch-Kranken-Gesetz oder Unterbringungsgesetz. Diese polizeiliche Hilfe ist das, was z.B. in bayerischen psychiatrischen Kliniken als „Unterbringung nach 10-2“ bekannt ist.
  • konkrete Zahlen ueber polizeiliche Massnahmen gegen BOS-Kraefte liegen der Polizei Ulm nicht vor.

Zwischendurch wird dann von der Verschaerfung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) erzaehlt, und auch da tut sich erstaunliches auf:

Im Sommer 2010 wurde dann der Paragraf 113 des Strafgesetzbuches verschärft. Seither gilt, wer ‚Widerstand gegen Vollzugsbeamte‘ im Einsatz – auch Feuerwehr und Rettungsdienst – leistet, hat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu rechnen.

Richtig ist: Es gab im Sommer 2010 einen Gesetzesentwurf, der den Strafrahmen auf drei Jahre erhoehen, den Einsatz „gefaehrlicher Gegenstaende“ ebenfalls strafverschaerfend werten und auch Feuerwehr- und Rettungsbedienstete unter Schutz stellen sollte. (An dieser Stelle uebrigens: Feuerwehr und Rettungsdienst sind nach wie vor keine Vollzugsbeamte, und schon gar keine „Hilfskraefte“.)

Beschlossen war dadurch aber noch lange nichts — der Bundesrat hatte beispielsweise moniert, dass Katastrophenschutzkraefte nicht vom Entwurf beruehrt wurden (was dann wieder eine Gegenstellungnahme erforderlich machte), waehrend diverse Strafrechtler nicht ganz zu Unrecht mal laut fragten, ob hier eigentlich zusammen mit dem Strafmass auch gleich das Problem verschaerft werde.

Am 30. Juni 2011 waere dann also eigentlich der Termin fuer den Beschluss des StrRAendG gewesen, das den 113 StGB verschaerft haette. Wurde aber nix draus. Kam wohl die Energiewende dazwischen. Oder die aktuelle Stunde „Einschränkung des Versammlungsrechts durch Massenfunkzellenabfrage“ anlaesslich der polizeilichen Lauschaktion bei den Anti-Nazi-Blockaden in Dresden. Oder wegen etwas ganz anderem, wer weiss.

Was das mit Ulm zu tun hat, weiss ich aber nach wie vor nicht. Vielleicht ist ja die Zahl der psychisch Kranken gestiegen, die renitent werden. Nachdem die Polizei aber keine Zahlen dazu hat (wie das der Artikel zwischen ganz viel Mutmassung ueberraschend ehrlich einraeumt), werden wir das wohl auch nicht herausfinden koennen.

//Nachtrag, 9.9.: Mir ging es nicht darum, hier den Autoren blossstellen zu wollen. Ich habe mich hauptsaechlich darueber geaergert, dass ich nach der ersten Irritation ueber die seltsame Argumentation gerade mal 20 Minuten gebraucht habe, um die passenden Stellen in den jeweiligen Gesetzen und die Beschlusslage zum 113 StGB zu finden — und dass ein kurzer Blick auf den 113 StGB genuegt haette, um festzustellen, dass er bislang noch nicht geaendert wurde. 20 Minuten. Nicht mal so viel Zeit war ein vernuenftiger Artikel wert m(

Update, 9.9., 1500 Uhr

Ich war nicht der einzige, dem die Argumentation etwas seltsam vorkam. Auf Facebook gab es einige Kommentare (danke fuer den Link auf diesen Artikel), und ein namenloser SWP-Facebook-Seitenbetreuer hat eine Ueberarbeitung des Artikels angekuendigt.

Diese Ueberarbeitung besteht, soweit ich das erkennen kann, aus zwei Punkten. Einmal ist das „Ulm:“ aus der Ueberschrift verschwunden, die nun nur noch „Gewaltbereitschaft gegen Rettungskraefte gestiegen“ heisst. Wo das der Fall ist, aund uf welcher Faktenbasis man einen Anstieg gegen Rettungskraefte statistisch belegen kann, bleibt zwar weiter im Dunkel, aber das nehmen wir einfach mal so hin.

Interessant wird es beim woertlichen(!) Zitat des Ulmer Polizeisprechers Wolfgang Juergens, das nun anders lautet als in der ersten Fassung:

„Es kommt regelmäßig vor, dass Polizeihilfe angefordert wird, weil sich Personen gegen die Versorgung durch Sanitäter mit Gewalt zur Wehr setzen.

Vorher stand hier noch, „dass Polizeihilfe angefordert wird, weil sich psychisch kranke Personen gegen die Versorgung“ wehrten. Ob Juergens mit seinem woertlichen Zitat eigentlich die Unterbringung tatsaechlich psychisch Kranker nach dem UBG oder Ingewahrsamname Alkoholisierter nach dem PolG meinte, bleibt leider unklar — im Artikel wurden weder die Aenderungen gekennzeichnet, noch, dass ueberhaupt etwas am Artikel geaendert wurde.

Dafuer blieb dem Artikel der Verweis auf den angeblich schon geaenderten §113 StGB erhalten. Der nach wie vor falsch ist.

Der Tag der Brandschutztuere

Ich breche ab. Da bin ich ne Stunde beim Essen, und schon ist die Twitter-Timeline voller Anspielungen auf eine Stahltuere.

Was ist passiert? Ein paar Aktivisten hatten symbolischerweise den Suedfluegel des Stuttgarter Bahnhofs besetzt. Eigentlich wollte man den dann irgendwann mal wieder friedlich verlassen, nur ging dann eine Brandschutztuer nicht mehr auf, und die Polizei versuchte, eben diese Tuer zu ueberwinden. Und weil @tilman36 das gleich mitgefilmt hat, konnte man den Tueroeffnungsversuch auch im Internet verfolgen. Live. Ueber eine Stunde lang. Der Feuerwehrler in mir, dem das schnelle und effiziente Tueroeffnen beigebracht wurde, hat dann schon etwas lachen muessen, als er die Aufzeichnung gesehen hat (ab ca. 1:30 wirds laut).

Eine ganz neue Form von Reality-TV. Von den etablierten Medien hatte das natuerlich keiner, bis jetzt.

PS: Brandschutztueren haben ja gewisse Feuerwiderstandsklassen. Feuerhemmend F30 heisst beispielsweise, dass die Tuer 30 Minuten lang einer Brandbeaufschlagung widerstehen kann. Die besagte Tuer ist dann wohl hochpolizeihemmend P60 😉

Danke fuer die Links an @sebaso!

Faszination

Eigentlich wollte ich gestern den ganzen Tag lang auf meine Pruefung lernen.

Als gegen Mittag die ersten Twittermeldungen ueber verpruegelte Schueler aus Stuttgart eintrafen, fiel es verdammt schwer, bei der Sache zu bleiben, und nicht sofort noch eben mal diretto unter heissen Bedingungen livezutesten.

Und als ich abends eigentlich noch Texte einsprechen wollte, sass ich stattdessen fast bis 0300 Uhr wie gebannt vor den Video-Livestreams aus dem Schlosspark, waehrend auf Twitter neue Bilder nachgeschoben wurden und ich dem Ulmer K21-Buendnis beim Live-Verfassen einer Pressemitteilung zusah.

Es faellt mir schwer, so richtig auszudruecken, was dieses Gefuehl ist. „Faszination“ klingt irgendwie viel zu schwach, es scheint nicht zu reichen fuer dieses seltsame Gefuehl, eigentlich zu traeumen, wenn man so mal eben mit wenigen Sekunden Verzoegerung sieht, was andere so mal eben mit ihrem Telefon aufgenommen haben. Mit einem Telefon! Absurd! Waren das nicht vorgestern noch so gruene Dinger mit Nummernschalter? Heute uebertragen die, wie andere gruene Dinger ganz ohne Nummer mit Reizgas spritzen. Live. Wahnsinn.

In bierseliger Runde im Swobster’s letzte Woche kam irgendwann die philosophische Frage auf, in welcher Zeit man denn gerne gelebt haette, wenn man sich’s aussuchen koennte. Kennt ihr bestimmt alle, die Frage kommt immer mal wieder. Letzte Woche habe ich zum ersten Mal ohne zu zoegern „genau jetzt“ gesagt. Ich glaube, diese Antwort ist die beste, die es auf die Frage gibt.

Links:

Das war die FSA10

Wo soll man anfangen. Ich habe lange ueberlegt, ob ich auf der Demo den Prototypen des diretto-Uebertragungsrucksacks ausprobieren soll. Bloederweise hatte ich aber vergessen, den GPS-Empfaenger einzupacken, und nachdem unsere Einsatzzeit von 1200 bis 1730 Uhr ging, haette der Akku ohnehin nicht so lange durchgehalten.

Trotzdem sind mir einige Dinge aufgefallen, die auch fuer den diretto-Einsatz passen koennten. Es gab wieder das Problem, dass die „diskreten Sprechgarnituren“ fuer die Funkgeraete alles andere als diskret waren, und immer wieder Leute auf uns zeigten und tuschelten. Beim „Sorgenkind“ Antikapitalistischer Block gabs dann auch mehrere Ansprachen, warum wir einen Knopf im Ohr haetten, ob wir Zivilbullen seien oder ein paar aufs Maul wollten. Wir bekamen dann zum Glueck aber keine auf die Birne, wie das einem der AK-Vorrat-Beobachter ging.

Auch die Sache mit GPS-Daten und Dateiupload hat noch ein paar Feinschliffprobleme, wie mir auffiel, als wir mehrmals die Bundespolizei im S-Bahnhof Potsdamer Platz unter die Lupe nahmen. Da muss ich mir noch eine bessere Strategie fuer den Umgang mit GPS-Fix-Verlusten ausdenken.

Interessant fand ich den subjektiv empfundenen anderen Umgang der Polizei mit den Kameras der Demonstranten. Nach wie vor erlebt man tief ins Gesicht gezogene Muetzen und hochgezogene Kraegen, sobald Polizisten jemanden mit „gezogener“ Kamera bemerken. Erst einmal seltsam fand ich es aber die Situation, als eine EHu an mir vorbeizog, als ich die Kamera auf dem linken Arm aufgelegt hatte, mit der rechten Hand demonstrativ nicht am Ausloeser: Trotzdem hielten einige Polizisten ihren Helm vors Objektiv, und einer der letzten beugte sich vor die Kamera und quatschte irgendwas „in die Kamera“. Es dauerte eine Weile, bis bei mir der Groschen fiel: HDSLR-Kameras mit Videofunktion. Klar. So wie die von Alvar, den ich gefuehlte 20 Mal beim Filmen sah 😉

Und nicht zuletzt: Ja, mit der Moeglichkeit, die Bilder sofort „sicher“ zu uebertragen und dem KoZe gleichzeitig meinen Standpunkt zu zeigen, haette ich mich subjektiv ein wenig „sicherer“ gefuehlt. Nun gut.

Insgesamt: Die Polizei kam mir nach dem Terz des letzten Jahres sensibilisiert vor — was aber nicht viel heissen muss: Personalienfeststellungen und offenbar auch Festnahmen gab’s trotzdem, dieses Mal eben bei Leuten, die auf dem Nachhauseweg waren. Schau‘ mer mal.

Denkwuerdige Implikationen

Ein Nutzer, der offenbar in privaten Nachrichten ueber eine Onlinecommunity Links auf Seiten mit kinderpornographischem Inhalt verschickt, bringt den dortigen technischen Support in eine groteske Situation. Falls es sich bei dem Seiteninhalt tatsaechlich um KiPo-Material handeln sollte, darf man dieses nicht gezielt aufrufen — die Frage ist nun, ob man „gezielt“ klickt, wenn man als Kundendienstler eine solche Nachricht als beanstandenswert zugesandt bekommt.

Falls dem so waere — interne Massgabe ist, dass man zur Sicherheit die Finger davon lassen soll — ist man wirklich saubloed dran. Das hiesse, dass alles, was nach Beschwerdemeldung den Anschein von KiPo-Links erwecken wuerde, direkt und ungeprueft an die Kripo weitergeleitet werden muesste.

Ich frage mich nun, ob es solche Faelle auch anderswo gab, und wie dort verfahren wurde. Und ob das in letzter Konsequenz hiesse, dass boeswillige Menschen bundesweit die Kripo trollen koennten, wenn sie an die Supportteams beliebiger Social Networks melden wuerden, dass Benutzer XY ihnen beispielsweise hinter dem URL http://bit.ly/a5QwO9 Kinderpornos geschickt haben koennte — und die das ohne weitere Kontrolle weiterleiten muessten.

So ist das halt bei uns auf dem Land

Eine Hausdurchsuchung greift schwerwiegend in die grundrechtlich geschuetzte persoenliche Lebenssphaere ein und bedarf daher einer richterlichen Anordnung. Ausnahmen gibt es nur, wenn Gefahr in Verzug ist — beispielsweise, wenn angenommen werden muss, dass sich eine in einer Wohnung befindliche Person in Lebensgefahr befindet, oder dass eine in der Wohnung befindliche Person Beweise vernichtet.

Laut einer nicht naeher genannten Polizistin der Dienststelle Illertissen zaehlt zur Beweisvernichtung auch, dass eine Person des nachts moeglicherweise zuvor unter Alkoholeinfluss am Strassenverkehr teilgenommen und sich nun (moeglicherweise zur Ausnuechterung) in die Wohnung “gefluechtet” hat. Konkreter Fall war, dass ein Anwohner nach Verlassen seines Fahrzeugs im Hof auf dem Weg zur Haustuere angehalten und zu einem Alkoholtest gebeten wurde. Haette er auf den Zuruf hin nicht angehalten und waere in sein Haus gegangen, haette man die Tuer gewaltsam oeffnen koennen, so jedenfalls die Polizistin.

Das kaeme mir dann schon etwas seltsam vor, auch wenn ich die Hintergruende nicht kenne (eventuelle Fahrauffaelligkeiten o.ae.)