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Das Aussterben der Subkulturen?

Leere Reihen in den Clubs titelt die SWP. Und liegt damit eigentlich leicht daneben. Denn wann auch immer ich wochenends die Hirschstrasse entlanglaufe, sehe ich Schlangen vor dem Myer’s und Theatro stehen. Wie es in den anderen Ulmer Clubs aussieht, weiss ich nicht — die Tanzfabrik soll wohl in letzter Zeit eher leer stehen — aber nichtsdestoweniger, die Überschrift sollte anders aussehen.

„Leere Reihen in den gemuetlichen Laeden, in denen auch mal handgemachte Musik aufgefuehrt wird“, das wuerde es eher treffen. Denn allem Anschein nach geht man heutzutage entweder lieber in Electro-Tanztempel, statt einer Band zuzuhoeren, oder das Livemusik-Publikum bleibt mittlerweile zu Hause, aus welchen Gruenden auch immer. Der Salon Hansen hat bereits im Winter die Konsequenzen ziehen muessen und dichtgemacht, und Klaus Erb zieht nach und wird in absehbarer Zeit (aus umstrittenen Gruenden) seine Pufferbar schliessen. Da stellt sich schon die Frage: Warum denn eigentlich?

SWP-Autor Pierre La Qua nennt steigende Produktionskosten, einbrechende Besucherzahlen auch wegen des Nichtraucherschutzgesetzes, die Umorientierung zu Electro und House, und den Wandel von Musik zum reinen Konsumgut. DSDS wird genannt. Soweit alles richtig.

Aber dann folgt eine schwere Fehlinterpretation.

War man früher stolz auf seine ganz legal erworbene LP seines Idols, die man dann zusammen mit Freunden wieder und wieder durchgehört hat, lädt man sich heute an einem Tag Tausende von Songs aus dem Internet herunter. Zeit zum intensiven Hören oder zur Auseinandersetzung mit der Musik und ihren Inhalten? Fehlanzeige. Der Lieblingshit degeneriert zum File unter zigtausend anderen, gesichtslos zusammengeschrumpft aufs handliche MP3-Format.

Was bleibt, ist der fehlende Respekt vor dem Künstler und seinem Werk.

Der letzte Satz ist richtig. Das davor, lieber Pierre la Qua, Unsinn. Es ist nicht das Transportmedium, das fuer viele aus Musik ein reines Konsumgut gemacht hat, denn ich wage zu behaupten, dass unter last.fm-Nutzern und iTunes-Kunden ein grosser Anteil wahrer Musikliebhaber ist. Die Entscheidung, nur zu pushen, was sich auch vermarkten laesst, kommt rein aus der Musikindustrie, die uns mittlerweile fuer derart bloede haelt, dass sie uns Schaefer Martin als Musiker verkaufen will. Die Verwertungsgesellschaften tun derweil ihr uebriges, wie einem auffaellt, wenn man nur den Folgeartikel aufmerksam liest:

Ein generelles Problem, gerade für kleinere Clubkonzerte, sieht der Geschäftsführer des Roxy vor allem auch in den „Unsummen“, die man an die Gema abtreten muss: „Es kann ja nicht sein, dass ein Club erst mal 15 oder mehr Besucher braucht, damit die Gema bezahlt ist.“

Ich moechte jetzt nicht wieder in die Litanei vom Internet als grossen Gleichmacher verfallen, in der auch unbekanntere Bands ueber einen direkten Vertriebskanal ihre Kunden bedienen und dabei sogar noch mehr als bisher vom Kuchen abbekommen koennen. Aber ganz so einseitig wie in dem Artikel beschrieben, fallen die Ursachen fuer das langsame Wegsterben der Livemusikszene in Ulm dann doch nicht aus.

Und weil ich ja nie nein sagen kann, wenn es darum geht, mir noch mehr Arbeit aufzuhalsen, werde ich der Frage einmal nachgehen. NERT-maessig. Demnaechst mehr an dieser Stelle, und vielleicht auch nebenan.

Ich gehe viel zu selten in die Olgabar

Ernsthaft. Gestern abend hat’s uns nach mehrstuendigem Auf-die-Bedienung-warten und Fernseher-ausmachen im Choclet noch dorthin verschlagen, und das war gut so. Erstens, weil das Choclet-Personal irgendwann anfing, am Fernseher nach Wackelkontakten zu suchen und wir uns kaum das Lachen verkneifen konnten. Und zweitens, weil in der Olga sooo oft Livemusik ist, ich aber irgendwie nie hingekommen bin. Bis gestern.

Okay, die Musikauswahl konnte sicher nicht mit Tiefschwarz und wasweissich mithalten, der Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Und ausserdem gehoerten wir gestern zu den juengeren Semestern in dem Laden, was mir auch schon eine ganze Weile nicht mehr passiert ist (man wird halt alt). Und wen das noch nicht ueberzeugt: Rolf war da und hat auch getanzt. Olgabar-Party blessed by Ulmer Lokalguru. Was will man mehr.

Linkdreingabe: Was FAZ-Schreiber 2004 vom Ulmer Nachtleben hielten.

The Bathroom Sign Incident

OMG, Edward ist gerade hier und moechte anhand der von mir gemachten Fotos den gestrigen Abend nachvollziehen — ich muss mir gerade den Bauch vor lauter Lachen halten und fuehle mich schwer an HIMYM erinnert 😀 Edward hat zu seiner grossen Beruhigung 18 der 45 ausgegebenen Dollars nicht fuer Alkohol, sondern fuer Eintritt und Pizza ausgegeben, war aber sehr geschockt darueber, dass er auf den Bildern sein Handy in der Hand hat und anscheinend SMS verschickt hat. Bloederweise wissen wir auch beide nicht mehr, was er fuer einen Unsinn erzaehlt hat (ich weiss nur, dass ich mich irgendwann halb kaputt gelacht habe, aber nicht mehr, worum es ging) Nachdem wir ihn mit einiger Muehe ins Bett gebracht hatten, hat er sich ausserdem sofort wieder angezogen und auf die Suche nach einer Afterhour-Party gemacht. Ob das Klodesinfektionsspray dabei auch wieder einen Auftritt hatte, und wenn ja, welchen, laesst sich zu diesem Zeitpunkt leider nicht nachvollziehen :->

In Storrs steppt der Baer

Waehrend David, Raimar und Saskia gestern lieber in der Bib procrastinaten lernen wollten, waren Sven und Edward so freundlich, mir mal das berauschende Nachtleben auf dem Campus zu zeigen. Clevererweise habe ich erstmal Svens Wegbeschreibung falsch verstanden und bin statt ins Gebaeude gegenueber bei stroemendem Regen bis nach Hilltop gelaufen und kannte mich dann nicht mehr aus. Aber zum Glueck gibt es ja den Husky-Escort :->

Den Escort-Service wollten wir dann auch beanspruchen, um in die Bar, pardon, das unweit der Bar liegende Mathegebaeude zu kommen, wir haetten aber vielleicht nicht nach dem Anruf noch ein Bier trinken sollen — so war der Escort schon ueber alle Berge, als wir am Co-Op waren. Vorgluehen ist hier natuerlich sowieso illegal, da das hier ein „Dry Campus“ ist, auf dem man in der Oeffentlichkeit keinen Alkohol trinken darf, und in den Dorms ist Alk natuerlich auch streng verboten. Wer meint, die Deutschen seien schlimm in Sachen Ueberregulierung, war wohl noch nie an der UConn. Hier lassen einen dann auch die Busfahrer nicht raus, wenn man gerade seinen Halt verpasst hat, sondern handeln einem nen ordentlichen Fussrueckmarsch ein.

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Irgendwann sind wir dann doch noch mit patschnassen Fuessen im „Thirsty Dog“ eingetroffen. Wie soll man das beschreiben. Ne Bude mit Bar und DJ, Lichtverhaeltnisse und Fuellungsgrad a la „Hinteres Kreuz“. Am Eingang ein Tuersteher, der ID sehen will und einem 5 USD abknoepft. Wobei der das wohl nicht so genau nimmt, zumindest hat er nichts daran auszusetzen gehabt, dass ich so gar nicht mehr wie der Typ auf meinem Fuehrerschein aussehe, und einige der Gaeste haette ich auch auf deutlich unter 21 eingeschaetzt.

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Publikum war allgemein… strange. Irgendwie kam’s mir so vor, als ob in den meisten der huebschen Koepfchen nicht sehr viel drin sein kann. Irgendwer (ich glaube das war Manuel) hat mir dann auch erzaehlt, dass die meisten Studis an der UConn ihr ganzes Leben noch nie aus Connecticut herausgekommen seien. Und wer denkt, das sei krass, der waere vermutlich genau wie ich mit offenem Mund dagestanden, als um 0030 Uhr das Licht anging und der Ausschank eingestellt wurde. I shit you not. Parties enden hier um die Uhrzeit, zu der man zuhause gerade zum zweiten Mal die Location wechseln wuerde, und so habe ich hier zum ersten Mal das Phaenomen des Nachgluehens kennengelernt: Aufm Zimmer so lange weiter Bier trinken, bis Edward irgendwann „Restroom closed“-Schilder anschleppt und man ihn ins Bett bringen muss 😀

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Einen Vorteil hat das Ganze aber natuerlich: Nach so einer Nacht kann man problemlos um 0900 Uhr wieder aufstehen. Only in America.

Das UWG gilt auch fuer Virtual-Nights

Die vor einigen Tagen angerissene Story rund um mehr oder weniger unauffaelliges Red-Bull-Productplacement bei Virtual-Nights.de hat eine amuesante Wendung genommen. Wir hatten uns heute in Medienrecht mit dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) befasst, und ich habe dem Dozenten Matthias Ehrhardt nebenbei das Video gezeigt, in dem die Videomoderatorin in der ueblichen legeren Koerperhaltung eine Brausedose in die Kamera haelt.


Als Erhardt aus dem Lachen wieder herauskam (schaut euch das Video einfach an. Die absolut natuerliche Pose ist zum totlachen) hat er uns den Fall einmal exemplarisch nach den Gesichtspunkten des UWG durcharbeiten lassen:

  1. Befinden wir uns im Wettbewerb? Check. Es existiert ein Markt, auf dem VN geschaeftlich aktiv ist.
  2. Wird hier Werbung betrieben? Check. So recht konnte sich jedenfalls keiner im Hoersaal vorstellen, dass die keine Gegenleistung fuer diese Platzierung bekommen.
  3. Ist die Werbung unlauter? Juristen-Standardantwort: „Es kommt darauf an“. Es wird verschleiert, dass in den Video- und Bildbeitraegen Werbung platziert wird — andererseits kann man zumindest bei dem Video nicht verhehlen, dass fast gar nicht versucht wird, das offensichtliche Product Placement zu verschleiern 😀
  4. Zudem stellt sich die Frage, ob man damit rechnen kann, auf VN nur objektiv-neutrale Berichterstattung von Veranstaltungen aus der Region zu finden. Und ob die Inhalte und Aussagen dort veroeffentlichter Medien grundsaetzlich von Gegenleistungen gleich welcher Art unbeeinflusst sind.

Falls man die Fragen nach Verschleierung und Irrefuehrung jedoch bejahen kann, haetten wir einen astreinen Verstoss gegen das UWG. Wer abmahnen moechte, soll sich keinen Zwang antun 😉

Offenlegung: Ich bin ehrenamtlich fuer ein anderes Onlinemagazin taetig.

Offen und ehrlich

Vor ein paar Jahren, das muesste Anfang 2004 gewesen sein, war Andreas Tischler fuer mich das Mass der Dinge — das war damals einer von ganz wenigen Partyfotografen, die qualitativ gute Bilder hinbekamen. In Ulm hatte bei TU, OP und Konsorten noch kein Mensch eine DSLR, ich wurde damals erst einmal ganz schief angesehen, als ich anfing, mit einer herumzuexperimentieren. Wie sich die Zeiten doch geaendert haben.

Tischler hatte damals auch ein Nightlife-Fotomagazin, mit damals ganz schoen gewagten Werbeformen: Ueber die Bilder waren feste Overlays mit — gekennzeichneten — Anzeigen fuer diverse Biere gelegt. Das war ueberraschenderweise gar nicht mal so aufdringlich, wie es sich anhoert.

Diesen Sommer habe ich mitbekommen, dass die Fotografen eines Marktbegleiters in den Clubs allen Leuten Red-Bull-Dosen schenken, um sie anschliessend mit diesen Dosen zu fotografieren.

Wenn man hinsieht, kann man auch auf Videos eine unerklaerliche Affinitaet zu Red-Bull-Werbefahrzeugen sehen. Kann natuerlich Zufall sein. Warum aber Videomoderatorinnen nicht nur waehrend der Moderation Gummibaerchenlimonade trinken, sondern diese auch staendig in die Kamera halten, erschliesst sich mir nicht so recht:

Und natuerlich bietet es sich an, beim von einem bestimmten Getraenkehersteller gesponsorten „Red Monday“ auch das beworbene Produkt staendig in Szene zu setzen:

Man muss nicht von Haus aus dieselben Massstaebe an ein Nightlifemagazin anlegen, mit denen man eine „serioese“ journalistische Quelle messen wuerde. Bei mir hinterlaesst das trotzdem einen etwas bitteren Nachgeschmack. Aber nicht nach Gummibaerchen.

Wunderbare Datenwelt

Am Wochenende hat ja offiziell der Club „Theatro“ in Ulm seine Pforten geoeffnet und dabei wohl wie eine Bombe eingeschlagen — andere Lokalitaeten hatten am Eroeffnungsabend Top-Acts aufgefahren, und trotzdem sei es dort teilweise gaehnend leer gewesen. Gelungener Einstand, kann man da nur sagen.

Natuerlich wurde im Vorfeld auch ordentlich gehypt. Das ehemalige Kino ist wirklich sehr schick herausgeputzt worden, und um dem Nobelflair gerecht zu werden, wurde die Devise ausgegeben, nur Gaeste ueber 21 einzulassen. Nun bin ich aber gestern ueber die Galerie der Eroeffnungsparty bei einem unserer Marktbegleiter gestolpert; dort kann man sich analog zu Facebook auf Bildern markieren und angeben, dass man auf der Party war.

Wuerde man nun ein wenig scripten und die „ich-war-da“-Funktion auswerten, bekaeme man aus den ueber 300 Eintraegen etwa folgendes Ergebnis:

Hossa. Klar kann sich da jeder eintragen, auch wenn er tatsaechlich gar nicht dort war, aber beim Abgleich mit den Fototags komme ich kaeme man auch auf ganz viele U21jaehrige. So schnell verpufft die Illusion 😉

Egal. Ich bin mal gespannt, wie sich das Theatro im Vergleich mit den direkten Wettbewerbern myer’s und Citrus platzieren wird…

Der Blick von aussen

…fehlt manchmal wirklich. Mir geht ja schon ewig die Ulmer Jugend auf den Senkel. Von denen meint naemlich anscheinend ein grosser Teil, ueberall anders sei es besser als hier. Derweil bietet Ulm relativ zur Groesse verdammt viel — man muss sich einmal vor Augen halten, dass es wohl kaum eine Stadt dieser Groesse in Deutschland gibt, die ein so hervorragendes Angebot in Sachen Nahverkehr, Einkaufen und auch Nachtleben bietet.

Die Clubszene habe ich in den letzten Jahren aber anscheinend vollkommen aus den Augen verloren. Okay, mich sieht man ohnehin eher in abgefuckten Kneipen oder Cocktailbars als in irgendwelchen Clubs, aber irgendwie war ich der Ansicht, dass das Angebot hier doch eher eintoenig waere: Frueher gab’s irgendwie nur Black und RnB, die letzten Jahre vorwiegend Drum’n’Bass. Dachte ich.

Am Dienstag war aber eine Journalismusstudentin von der FH Darmstadt im TU-Buero, die sich um einen Praktikumsplatz bei mir in der Redaktion bewerben wollte, und die kam aus dem Schwaermen gar nicht mehr heraus: Frueher sei es in Ulm eher droege gewesen und man sei nach Stuttgart oder sonstwohin gefahren — mittlerweile kaemen die Stuttgarter nach Ulm, weil hier so viel geboten sei. Moonbootica, Monika Kruse, Oliver Koletzki, undsoweiter, kenne ich alle zwar nur dem Namen nach, sagt mir aber durchaus was. Und es stimmt auch. Keine Ahnung, wer die alle hier her holt, aber es scheint zu funktionieren — grosse Namen in Ulm, und die Leute gehen auch hin und bleiben vielleicht sogar bis zur After-Hour, die’s hier auch (wieder) gibt.

Wir brauchen uns natuerlich nix vormachen, Ulm ist und bleibt Provinz. Subkulturen gibts zwar ein paar, aber halt irgendwo im hinteren Keller irgendwo am Stadtrand. Club-Hopping von $in-club-1 zu $in-club-8 gibts keins. Und nach der Party koennen die meisten Ulmer entweder zu Fuss oder fuer 5 EUR mitm Taxi nach Hause kommen.

Aber das ist glaube ich auch ganz okay so.

(Bild: Oliver Koletzki in Ulm // Team-Ulm.de)