Schlagwort-Archive: musikindustrie

Trollen auf Belgisch

Von Basta, der Gruppe, die neulich schon den belgischen Mobilfunkanbieter Mobistar gekonnt getrollt hatte, gibt es eine neue Produktion.

Direktniederlaendisch

In Belgien heisst das GEMA-Gegenstueck „Sabam“, und dort tauchen die Contentgebuehreneintreiber wohl auch oft mal auf Parties vorbei, um direkt vor Ort abzukassieren. Basta hat sich dann einmal angesehen, wie das eigentlich funktioniert, und wie weit man die Sabam-Leute denn mal bringen kann. Angefangen von der (harmlosen) Frage, ob der mitgenommene Anhalter noch zum Familienkreis gehoert und demzufolge gebuehrenfrei Autoradio mithoeren darf (tut er), bis hin zur Party, die auf 0,99 Quadratmetern stattfindet und demzufolge ja nicht unter die Regelung „1-200 Quadratmeter“ fallen kann…

Ich behaupte mal, dass man nicht in Nijmegen gewesen sein muss, um Niederlaendisch zumindest sinngemaess verstehen zu koennen — das klappt recht gut, und weil der Sender Eén die komplette Sendung online gestellt hat, wuensche ich mal gute Unterhaltung 😉

Was nicht gesagt wird

the city should pay street musicians to prevent riots
M. Jeremy Goldman, cc-by-nc

In den letzten Tagen und Wochen gab es zwei Diskussionen, die ich besonders interessant fand, weil in beiden Faellen vordergruendig ueber Sachfragen gestritten wurde, waehrend es im Kern um Ideologiefragen ging. Einmal war das die Debatte um Jens Bests „Digitale Armee Fraktion“, und einmal ging es um das Streitgespraech zwischen Lobo und Weiss in Sachen Urheberrecht.

Und nachdem ich im Vorbeigehen an meinem Buecherregal bei „Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren“ von Schleichert haengengeblieben bin, fand ich den Gedanken faszinierend: Beide Debatten einmal so anzugehen, als handle es sich um Fundamentaldebatten. Als vertrete eine beliebige Seite eine Religion mit abstruser Weltanschauung — besser noch, als vertraeten sie beide irgendwelche abstrusen Anschauungen.

Was in beiden Faellen sofort auffaellt, ist die Verkuerzung der Argumentationsketten unter Einbeziehung moralischer Aspekte. Lobo versuchte sein Gegenueber durch die (wiederholte) Frage, ob er Gegenueber Filesharing gegen den erklaerten Willen des Kuenstlers okay finde, in eine moralische Zwickmuehle zu bringen. Die Argumentation wuerde dann in etwa lauten

Filesharing geschieht in vielen Faellen gegen den erklaerten Willen des Anbieters. Deswegen ist Filesharing abzulehnen.

Diese Argumentation ist stark enthymematisch, weil hier mehrere Praemissen als bekannt angenommen werden. Interessant wird es tatsaechlich jedoch erst, wenn diese Praemissen konkret benannt und ihre Gueltigkeit beziehungsweise Akzeptanz bewertet werden. Die Frage muss also lauten, warum ein Kuenstler dagegen ist, dass seine Werke verbreitet werden, ohne dass er fuer diese Verbreitung entlohnt wird (genau darum handelt es sich ja bei „illegalem Filesharing“).

Hierfuer lassen sich mehrere Praemissen einsetzen, die teilweise gegeneinander austauschbar sind, und in manchen Argumentationen auch in Konjunktion verwendet werden.

Ein Argument ist, dass der Kuenstler ein Mitbestimmungsrecht ueber sein Werk haben soll. Auch diese Praemisse ist an sich eigentlich eine These, die genauer Begruendung bedarf, und nicht als allgemein anerkannter Grundsatz geltend gemacht werden kann. Ohne weiter auf diese Begruendung eingehen zu wollen, kann hier sogleich eine Gegenthese anhand Kafkas Nachlass aufgestellt werden. Kafka hatte seinen Freund Max Brod kurz vor seinem Tod gebeten, all seine Werke ungelesen zu verbrennen — sie also nicht der Nachwelt zu erhalten. Brod kam diesem Wunsch nicht nach.

Die Gegenthese liegt also zumindest in einer Rechtsgueterabwaegung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an kulturellen Werken und dem (postulierten) Verfuegungsrecht des Kuenstlers ueber seine Werke begruendet. Fuer den Fall, dass der Kuenstler tatsaechlich ein Eigentum an seinen Werken besitzt, leitet Daniel Schultz diese Abwaegung auch aus Artikel 14 GG („Eigentum verpflichtet“) her und spielt postwendend Lobo den moralischen Schwarzen Peter zurueck.

Ein weiteres oft angefuehrtes Argument ist, dass der Kuenstler von seinen Werken leben koennen soll. Dieses Argument halte ich an sich fuer grundfalsch. Es postuliert, dass jeder einen beliebigen Beruf ergreifen koennen sollte, und ihm dann vom freien Markt ausreichend Geld fuer den Lebensunterhalt zugespielt werden soll.

Die richtige Fassung dieses Arguments ist, dass viele Kuenstler von ihren Werken leben muessen, und das stellt die Diskussion meines Erachtens in ein ganz anderes Licht. Es bedeutet, dass Kuenstler abseits von Maezenaten (oder oeffentlichen Foerdergeldern) zwingend darauf angewiesen sind, ihre Werke auf irgendeine Weise zu Geld zu machen. Auch dieses Argument koennte man nun noch einmal aufdroeseln und in die Tiefe gehen.

Eine „korrekte“ Fassung der Loboschen Argumentation muesste also deutlich laenger und umfangreicher sein als die blosse Frage nach dem Willen des Kuenstlers. Und wenn man noch einen Schritt zurueck geht, sollte man unbedingt auch die Gesellschaft als Ganzes in diese Argumentation aufnehmen. Und allerspaetestens hier finden sich einige Teilargumente, die sich ordentlich zerpfluecken lassen. Und allerspaetestens hier sind wir auch endlich auf der Ebene angekommen, um die es eigentlich geht: Um Ideologiefragen.

(Streetview folgt. Demnaechst irgendwann.)

Warum sich auch die Filmindustrie Sorgen machen sollte

Martin Weigert hat bei netzwertig einige Thesen aufgestellt, wieso sich die Filmindustrie keine Sorgen machen brauche, die ich allesamt interessant finde. Mir kommt es naemlich so vor, als wuerde er genau die Argumentation verfolgen, die mittlerweile der Musikindustrie als extrem kurzsichtig vorgeworfen wurde:

These 1: Erlebnis Kinobesuch.

Nach Weigert habe das Kino immer noch den Vorteil ueberlegener Technik (Beispiel „Avatar“ in 3D), und zweitens sei der soziale Aspekt des gemeinsamen Kinobesuches hervorzuheben. Was 3D-Technik wie bei Avatar angeht, hat er natuerlich vollkommen Recht, und auch das Grossbilderlebnis ist kaum mit dem Heimkino zu vergleichen. Riesige HD-Fernseher oder sogar hoch aufgeloeste Videoprojektoren samt passender Mehrkanaltonanlage sind aber mittlerweile keine besondere Ausnahme mehr, sondern finden sich heutzutage in vielen Wohnzimmern wieder. Und das „soziale“ Element ist eher ein zweischneidiges Schwert — wer schon einmal im Kinosaal voller Popcornraschler, Laesterer und Zwischenrufer sass, kennt das. Im Vergleich dazu mit Freunden im Wohnzimmer (oder dem Feuerwehr-Lehrsaal) zu sitzen und gemeinsam einen Film zu sehen, ist da oft angenehmer. Zumal man den Film auch mal zur Toilettenpause unterbrechen kann, wenn das Bier drueckt.

Einzige Ausnahmen sind hier fuer mich die Sneak-Previews und Sonderformate a la Avatar. Ansonsten kann ich Weigerts These hier nicht folgen.

These 2: Begrenztes Angebot

Im Gegensatz zu Musik sei das Angebot an Filmen deutlich begrenzter und demnach wertvoller. Erst einmal wird ein Film anders konsumiert als ein Musikstueck, das man auch mal beim Joggen oder kochen „nebenbei“ hoert. Worldwideboxoffice.com hat zudem allein fuer 2009 ganze 198 Kinofilmproduktionen verzeichnet — hieraus eine prinzipielle Knappheit abzuleiten, halte ich also fuer etwas arg konstruiert.

These 3: Kosten-Nutzen-Missverhaeltnis bei nicht lizenzierten Downloads

Der Aufwand, einen Film per Tauschboerse o.ae. herunterzuladen, sei unverhaeltnismaessig hoch. Behauptet jedenfalls Weigert, der zu geringe Uebertragungsraten, Trafficbegrenzungen des Breitbandanschlusses (hat das jemand?!), Dateiformatvielfalt und die fehlende Verbindung zwischen PC und Fernseher als Gruende hierfuer anfuehrt.

Von allen Thesen halte ich diese fuer die undurchdachteste. Weigert sitzt der Fehleinschaetzung auf, dass sich die Technologie gerade so weit entwickle, dass sie zum Vorteil der Rechteinhaber gereiche — und dann einfach anhalten werde. Ein 700 MB grosses ISO-Image laesst sich schon ueber eine Leitung mit 2 Mbit/s in deutlich unter einer Stunde herunterladen — bei heutigen 16-Mbit/s-Anschluessen kann so ein Film bei voller Auslastung der Leitung in unter 10 Minuten geladen sein, und die Bandbreiten werden sicher auch in Zukunft weiter zunehmen. Heimanwender-NAS-Systeme und Netzwerkstreamer wie die WD TV Live kommen zu bezahlbaren Preisen mit eingebautem Bittorrent-Client samt einfachem Webinterface und sorgen fuer die hochaufloesende Verbindung zum Fernseher, ganz ohne ueberhaupt noch einen PC zu benoetigen — und die aktuellen Chipsaetze spielen so ziemlich alles ab, vom AVI-Container in den ueblichen Codierungen ueber die verschiedenen MPEG-Varianten bis zum hochaufloesenden MKV-Container. Teilweise kommen sogar schon Fernseher mit eingebauter USB-Schnittstelle und Decoderchipsatz daher.

Der Aufwand, den man sich fuer die illegale Beschaffung eines Filmes machen muss, ist also mittlerweile stark gesunken und wird auch weiter sinken — und somit das Herunterladen von Filmen noch breiteren Bevoelkerungsgruppen ermoeglichen. Gleichzeitig muss man sich weiterhin mit nicht ueberspringbarer Werbung und Anti-Piracy-Warnungen im Kino und auf legalen Filmtraegern herumschlagen. Das Angebot der illegalen Version ist also ironischerweise immer noch besser als die legale Variante, die nach wie vor noch nicht sinnvoll und zu angemessenen Preisen ueber das Netz gekauft werden kann.

These 4: Entwicklungspotenzial von Filmen

Weigert behauptet, dass bei Filmen noch „unzaehlige“ neue Moeglichkeiten offen stuenden, ohne diese — mit Ausnahme der derzeitigen 3D-Filme — konkret benennen zu koennen. Gleichzeitig erwaehnt er aber, dass die 3D-Technik in Kuerze auch fuer das Heimkino zur Verfuegung stehen koennte. Fuer mich stellt sich da die Frage, wieso es nicht moeglich sein soll, dass derartige Techniken — wie auch immer diese zukuenftig aussehen moegen — zukuenftig auch gerippt werden koennen.

Alles in Allem hinterlaesst dieser Exkurs bei mir einen sehr schalen Beigeschmack. Auf die tatsaechlichen Herausforderungen, naemlich funktionierende Geschaeftsmodelle, ein einfach zu bedienendes und preislich attraktives iTunes-Pendant fuer Filme zum Beispiel, wird kein Stueck eingegangen. Eingehen kann mit dieser Sichtweise nur die Filmindustrie.

Punkrock, die GEMA und Youtube, oder warum die GEMA ganz sicher nicht den Punkrock rettet

Nicht nur die R***PILS AG sorgte dieser Tage bei mir fuer Stirnrunzeln. Aus irgendeinem Grund bekomme ich auch immer wieder Pressemitteilungen der Punkrockband „KIM?“, derweil die in Bochum ansaessig ist und bis auf das Pfleghof-Open-Air in Langenau ansonsten nur zwischen Cuxhaven und Helgoland tourt. Vielleicht liegt’s am Partner The Rocking Ape, der bei meinen Eltern ums Eck in Kirchdorf ansaessig ist, man weiss es aber nicht so genau.

Normalerweise landen solche Pressemitteilungen ohne oertliche Relevanz — genau wie Texte mit exzessiver Selbstbeweihraeucherung oder jubilierenden, kaum getarnten Werbetexten — sofort auf dem Muell. Ich habe mittlerweile groessten Respekt vor wirklich guten Pressereferenten, denn es werden taeglich einfach nur Unmengen an Ramsch ueber deutsche Presseverteiler geschickt, und wer so etwas mehrmals macht, riskiert es, auf ewig in den Redaktionen ignoriert zu werden.

Beim aktuellen Text von „KIM?“ habe ich aber kurz gestutzt und noch einmal genauer nachgelesen. Man erhebt naemlich den Anspruch, eine „spannende Aktion zur aktuellen Verguetungsdebatte zwischen GEMA und Youtube abgefeuert“ zu haben. Die GEMA will, das ist ja seit einiger Zeit bekannt, mehr Geld von Youtube, wenn dort Inhalte von GEMA-Mitgliedern hochgeladen werden. Youtube will das verstaendlicherweise nicht, und so sind Videoclips mit der Musik von GEMA-Mitgliedern seit einigen Monaten in der Bundesrepublik „nicht verfuegbar“.

Deswegen haben „KIM?“ also eine „gemafreie Version“ ihres aktuellen Videos bei Youtube online gestellt. Das sieht so aus wie oben gezeigt und ist mit einem pseudolaessig klingenden Text garniert:

[…] Irre viele Leute besuchen die Seite – auch und gerade wegen der Musik hier – und der Betreiber verdient Geld durch den Verkauf von Werbung und wir bekommen davon am Ende… NICHTS!

Wir haben deshalb aus Protest unser aktuelles Video als gemafreie Version auf YouTube gestellt. Da kann dann jeder hören, wie das klingt, wenn am Ende nur noch Schrottbands auf YouTube stehen, weil sich alle andere verpissen bzw. von der Seite gekickt werden.

Also, es ist ja nicht so, dass wir das ganze Ding mit KIM? wegen der Kohle machen. Das ist uns ehrlich scheiß egal. Wir lieben das was wir tun und wir werden – mit oder ohne Kohle, mit oder ohne Plattenfirma – immer Musik machen. Das machen wir jetzt schon seit 8 Jahren so…

ABER, wenn wir verarscht werden, dann kotzt uns das an. Wenn einer mit unserer Musik Geld verdient, dann wollen wir etwas davon abhaben. Das ist so bei Shirts von KIM?, bei CDs von KIM?, bei Konzerten von KIM? – wir bekommen immer einen fairen Teil der Einnahmen.

Nur auf YouTube ist das zur Zeit anders, weil die sich nicht mit der GEMA einigen können, die dort eben unsere Interessen vertritt. Wir finden es eine Schweinerei, dass YouTube gemapflichtige Musik einfach aussperrt, um uns Künstler quasi zu erpressen. Wie die Zukunft der Musikkanäle bei YouTube aussieht, wenn die Sperre bleibt, können die YouTube-Macker sich ja jetzt bei uns anschauen und anhören.

Und bei der GEMA brauchen die jetzt nicht in Freudentaumel verfallen, weil eine Rockband mal das Maul aufmacht und zufällig mal nicht die GEMA anpisst, sondern sich auf ihre Seite stellt. Der Laden ist für uns oft genug wie Zahnschmerzen. Nur hier, heute und in Sachen YouTube ist es ok, wenn die GEMA Zähne zeigt und sich durchsetzt…

Soso. Ich koennte jetzt lang und breit beispielsweise von dem Verkehrsanbieter und den Taxifahrern schreiben, die Geld durch das Fahrgastaufkommen im Rahmen der „KIM?“-Konzerte verdienen, ohne auch nur einen einzigen Cent an die Band abzugeben. Das spare ich mir jetzt aber mal. Der Kern der Sache liegt naemlich noch etwas tiefer.

Stefan Niggemeier hat dieser Tage ueber ein wunderbares Beispiel geschrieben. Jemand machte Videoaufnahmen in einem Aquarium in Japan, untermalte das mit einem Stueck der Band „Barcelona“ und stellte es auf Vimeo online. Per Definition ein glatter Urheberrechtsverstoss. Der Witz ist aber, dass dieses Stueck einer eigentlich nicht mal allzu bekannten Band so vielen Leuten gefiel, dass sich diese das Stueck tatsaechlich kauften. Fuer richtiges Geld. Bei iTunes. Obwohl sie das auch „einfach so“ haetten auf Vimeo hoeren konnten. Ohne dass die Kuenstler dafuer einen Cent Verguetung gesehen haetten.

Ein anderes Beispiel gibt es bei Thomas Knuewer, der ueber das in den letzten Tagen etwas viral gewordene Hochzeitsvideo berichtet, in dem die Hochzeitsgesellschaft zu „Forever“ von Chris Brown in die Kirche eintanzt. „Forever“ schoss daraufhin auf Platz vier der iTunes-Charts und Platz drei bei Amazon, und die Werbung im Video sei doppelt so haeufig angeklickt worden wie ueblich.

Das sind allesamt Beispiele fuer eigentlich nicht erlaubte Vervielfaeltigung urheberrechtlich geschuetzter Werke. Na gut, eigentlich sind es derivative Werke, aber nichtsdestoweniger handelt es sich hierbei um Urheberrechtsverletzungen, da die Rechteinhaber der urspruenglichen Werke fuer die Nutzung keine Verguetung erfahren. Der Witz an der Sache ist, dass diese unerlaubte Nutzung in diesen beiden Faellen den Urhebern kein bisschen schadet, im Gegenteil wirkte diese Nutzung verkaufsfoerdernd.

In unserer neuen digitalen Welt der perfekten Kopie, in der jeder kreativ sein und neue Werke auf der Basis anderer schaffen kann, gelten alte Geschaefts- und Verwertungsmodelle nicht mehr. Verstaubte Institutionen wie die GEMA behindern in ihrem starren Festhalten an diesen Modellen sowohl ihre Mitglieder als auch die Gesellschaft als Ganzes, worueber sich auch der Musiker Andreas Wagner juengst beklagte.

Die Aktion von „KIM?“ zeigt jedoch, dass selbst einige Bands diese Hintergruende entweder nicht verstanden haben — oder sie aber sehr wohl verstehen, aber ihre Fans mit dummen Spruechen verarschen, anstatt frank und frei zu sagen, was Sache ist.

Ich halte es beispielsweise fuer eine Frechheit, zu behaupten, es blieben nur „Schrottbands“ uebrig, wenn kein GEMA-Mitglied mehr auf Youtube veroeffentlicht. Unter den vielen Youtube-Mitgliedern befinden sich wahre Perlen, die ihre Musik ebenfalls aus reiner Freude an der Sache machen und veroeffentlichen, so wie „KIM?“ das von sich behauptet. Die werden nur eben nicht von der GEMA vertreten, die ihrerseits Youtube melken moechte.

Youtube reagiert, indem einfach keine Inhalte von GEMA-Mitgliedern mehr veroeffentlicht werden duerfen. Das ist deren gutes Recht, denn es ist ihre Plattform und sie haben die rechtlichen Konsequenzen zu tragen. Warum soll das aber nun eine „Schweinerei“ sein, und warum ist das „Erpressung“? Niemand zwingt „KIM?“, ihre Videos bei Youtube zu veroeffentlichen. Na gut, eigentlich schon: Das Publikum erwartet es eigentlich schon fast. Nur interessiert die GEMA das Publikum kein Stueck weit, sondern nur ihre Einnahmen, die sie ja „fair“ wieder den Kuenstlern zukommen lassen wollen.

Vor diesem Hintergrund koennte man sich ja einmal ueberlegen, ob man als Kuenstler wie „KIM?“ von der GEMA tatsaechlich noch vertreten wird — oder in Wirklichkeit verkauft. Und ob es sinnvoll ist, nun herumzujammern, wenn man die GEMA-Geister, die man rief, sein Leben lang am Hals haben wird.

Nachtrag: Wollte ich urspruenglich auch noch unterbringen, hab’s aber vergessen — was Trent Reznor von NIN von gratis im Netz angebotener Musik und Labels haelt.

Mash it up

Ich weiss nicht so genau, warum das so ist, aber die Mashups mit Peter Fox machen mich irgendwie an. Letzten Herbst hatte ich ja schon einen hier gezeigt, und ueber einen Facebook-Link von Michi (oder wer war das?) bin ich jetzt auf eine ganze Seite gestossen, die sich rein solchen Mashups widmet. Bei Mashup-Germany findet man teilweise abstruse, teilweise ganz schoen gelungene Remixe verschiedenster Werke. Da tanzt auch mal Disneys Arielle zu Deichkind, oder die Black Eyed Peas singen zusammen mit The Contours und Get Cape Wear Fly zu — natuerlich — Peter Fox.

Peter Fox vs. Black Eyed Peas – Alles so boom boom pow neu from MashupGermany on Vimeo.

Ich finde das faszinierend. Hier ist eine ganz neue Kultur entstanden, die vor zwanzig Jahren, als Breitbandinternet und Videoschnittplattformen fuer den gewoehnlichen Normalverdiener unbezahlbar waren, vollkommen unvorstellbar war. Heutzutage hat mit seinem ganz normalen Heim-PC jeder das technische Werkzeug in der Hand, so etwas zu fabrizieren — wenn er denn die passende Begabung hat. Man kann unumwunden zugeben, dass das Kunst ist. Und illegal.

Auf Youtube sind die Mashups mit Peter Fox sehr schnell verschwunden. Warner Music Group ist bei der Durchsetzung ihrer Verwertungsrechte gnadenlos. Das ist rechtlich gesehen vollkommen legal, weil das Recht den technischen Neuerungen einfach hinterherhinkt.

Der metaphorische ausserirdische Wissenschaftler, der sich die Entstehung des (europaeischen) Urheberrechts und des (amerikanischen) Copyrights ansieht, kann beide Rechtsstroemungen gleichermassen verstehen. Der Urheber eines Werkes soll fuer seine kreative Leistung auch eine Belohnung bekommen, naemlich die alleinige Entscheidungsfreiheit, wer seine Musik in Platten presst, aus der Druckerpresse wirft und damit Geld verdient. Tut das jemand, muss er den Urheber entlohnen. Die Schutzdauer lassen wir mal aussen vor, das ist ein Thema fuer sich. Schlussendlich moechte man so Kuenstler vor einer Ausbeutung schuetzen, indem z.B. Verlage nicht einfach den grossen Reibach mit einem literarischen Werk machen koennen, ohne dem Urheber einen Anteil zukommen lassen.

Dieses System ist mittlerweile aus zwei Gruenden vollkommen zerstoert.

Erstens, weil heute in der Regel weder Urheberrecht noch Copyright tatsaechlich den Urheber schuetzen. Vielmehr helfen sie den Verwertungsgesellschaften, ein kuenstlerisches Monopol aufzubauen, in dem sie alleine bestimmen, was mit populaerer Kunst geschieht. Auf Youtube steht nicht, dass das Video entfernt wurde, „weil Peter Fox das Video nicht so gut gefaellt und er deswegen nach §14 UrhG die Entfernung beantragt hat“. Dort steht etwas von einem „Copyright claim by Warner Music Group Germany“. Selbst wenn Fox das Video gefallen wuerde, haette er kein Mitspracherecht mehr: Warner entscheidet, was mit diesem Stueck Kultur geschehen kann und was nicht.

Es ist auch nicht so, dass Deichkind oder Peter Fox wegen solcher Mashups auch nur eine Platte weniger verkaufen wuerden — es darf angenommen werden, dass das Gegenteil der Fall ist. Das Urheberrecht wird hier also nicht verwendet, um missbraeuchlichen kommerziellen Gebrauch zu unterbinden, sondern um ein Monopol durchzusetzen: Nur Warner Music darf bestimmen, wo Peter Fox drin sein darf.

Zweitens hat ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Das wortwoertliche „Copyright“ betraf frueher Druckereien und Presswerke — denn nur dort konnte in massenweiser Auflage ein Werk vervielfaeltigt und somit kommerziell verwertet werden. Heute hat jeder, der diesen Artikel liest, ein maechtiges Vervielfaeltigungswerkzeug in der Hand, das millionenfache perfekte Kopien aller denkbaren Medien herstellen kann. Jede Bearbeitung, jeder Umgang mit einem Werk zieht gleichzeitig eine Vervielfaeltigung mit sich, und wer das Produkt seiner Kreativitaet nicht nur privat im stillen Kaemmerlein betrachten moechte, wird gleichzeitig zum potenziell millionenfachen Verbreiter. Es kann mit Sicherheit angenommen werden, dass die geistigen Vaeter des UrhG und des Copyrights diesen Fall nicht einmal ansatzweise fuer moeglich gehalten haben — heute ist das aber unser Alltag.

Wer heute also auf Basis populaerer, kommerziell vermarkteter Werke eigene derivative Werke schafft und diese — vollkommen frei von kommerziellen Absichten — ins Netz stellt, bricht das Gesetz. Immer. Diesen Umstand gilt es zu aendern. Punkt.

Auf der rp09 gab es zu diesem Thema gleich drei Vortraege und Panels, die ich dem geneigten Leser ans Herz legen moechte. Einmal Cory Doctorow — How to survive the Web without embracing it. Und einmal Lawrence Lessig — Society 2.0. Die beiden Vortraege sind lang, aber sehenswert, wenn man einmal einen Einblick in eine der groessten Herausforderungen unserer Zeit haben moechte.

Zum dritten Vortrag von Till Kreutzer kann ich leider nur die Folien zeigen, dabei ist er eigentlich am naechsten am Thema. Kreutzer spricht — auch in seiner Dissertation — offen aus, dass das derzeitige Urheberrecht sich vollkommen von der Realitaet entfernt hat:

Das Urheberrecht unterliegt einer gravierenden Fehlentwicklung, die nur durch grundlegende Reformen aufgehalten werden kann!

Und hier beginnt die Crux. Die Legislative hat kein Interesse an derartigen Aenderungen. Zu maechtig scheint die Musik- und Filmlobby, die der Politik Schreckensvisionen von verhungernden Musikern und Filmschaffenden an die Wand malt — wohl wissend, dass es in beiden Faellen nur wenige ueberdurchschnittlich verdienende Shooting-Stars gibt und die restlichen Kreativen tatsaechlich quasi am Hungertuch nagen muessen. Wir, die Generation C=64/Youtube/Mashup, die durch diese vermeintlich kreativitaetsschuetzende Gesetzgebung an eigener Kreativitaet gehindert wird, haben in dieser politischen Welt keine Lobby.

Dies gilt es zu aendern. Wir muessen uns nach Kraeften bemuehen, dass die nachfolgende Generation nicht in einer Welt aufwaechst, in der es an der Tagesordnung ist, zigfach das Gesetz zu brechen, wenn man sich auf Youtube den Musikmix fuer die Party zusammenstellt, Mashups herstellt oder Freunden eigene Remixes zeigt.

Meinen Nachforschungen (und auch direkten Briefkontakten mit einzelnen MdB) zufolge gibt es offenbar nur eine politische Stroemung, die dieses Ziel ebenfalls vollumfaenglich verfolgt. Aus diesem Grund bleibt fuer mich nur die logische Konsequenz, am Sonntag nichts anderes als die Piratenpartei zu waehlen.

Das Aussterben der Subkulturen?

Leere Reihen in den Clubs titelt die SWP. Und liegt damit eigentlich leicht daneben. Denn wann auch immer ich wochenends die Hirschstrasse entlanglaufe, sehe ich Schlangen vor dem Myer’s und Theatro stehen. Wie es in den anderen Ulmer Clubs aussieht, weiss ich nicht — die Tanzfabrik soll wohl in letzter Zeit eher leer stehen — aber nichtsdestoweniger, die Überschrift sollte anders aussehen.

„Leere Reihen in den gemuetlichen Laeden, in denen auch mal handgemachte Musik aufgefuehrt wird“, das wuerde es eher treffen. Denn allem Anschein nach geht man heutzutage entweder lieber in Electro-Tanztempel, statt einer Band zuzuhoeren, oder das Livemusik-Publikum bleibt mittlerweile zu Hause, aus welchen Gruenden auch immer. Der Salon Hansen hat bereits im Winter die Konsequenzen ziehen muessen und dichtgemacht, und Klaus Erb zieht nach und wird in absehbarer Zeit (aus umstrittenen Gruenden) seine Pufferbar schliessen. Da stellt sich schon die Frage: Warum denn eigentlich?

SWP-Autor Pierre La Qua nennt steigende Produktionskosten, einbrechende Besucherzahlen auch wegen des Nichtraucherschutzgesetzes, die Umorientierung zu Electro und House, und den Wandel von Musik zum reinen Konsumgut. DSDS wird genannt. Soweit alles richtig.

Aber dann folgt eine schwere Fehlinterpretation.

War man früher stolz auf seine ganz legal erworbene LP seines Idols, die man dann zusammen mit Freunden wieder und wieder durchgehört hat, lädt man sich heute an einem Tag Tausende von Songs aus dem Internet herunter. Zeit zum intensiven Hören oder zur Auseinandersetzung mit der Musik und ihren Inhalten? Fehlanzeige. Der Lieblingshit degeneriert zum File unter zigtausend anderen, gesichtslos zusammengeschrumpft aufs handliche MP3-Format.

Was bleibt, ist der fehlende Respekt vor dem Künstler und seinem Werk.

Der letzte Satz ist richtig. Das davor, lieber Pierre la Qua, Unsinn. Es ist nicht das Transportmedium, das fuer viele aus Musik ein reines Konsumgut gemacht hat, denn ich wage zu behaupten, dass unter last.fm-Nutzern und iTunes-Kunden ein grosser Anteil wahrer Musikliebhaber ist. Die Entscheidung, nur zu pushen, was sich auch vermarkten laesst, kommt rein aus der Musikindustrie, die uns mittlerweile fuer derart bloede haelt, dass sie uns Schaefer Martin als Musiker verkaufen will. Die Verwertungsgesellschaften tun derweil ihr uebriges, wie einem auffaellt, wenn man nur den Folgeartikel aufmerksam liest:

Ein generelles Problem, gerade für kleinere Clubkonzerte, sieht der Geschäftsführer des Roxy vor allem auch in den „Unsummen“, die man an die Gema abtreten muss: „Es kann ja nicht sein, dass ein Club erst mal 15 oder mehr Besucher braucht, damit die Gema bezahlt ist.“

Ich moechte jetzt nicht wieder in die Litanei vom Internet als grossen Gleichmacher verfallen, in der auch unbekanntere Bands ueber einen direkten Vertriebskanal ihre Kunden bedienen und dabei sogar noch mehr als bisher vom Kuchen abbekommen koennen. Aber ganz so einseitig wie in dem Artikel beschrieben, fallen die Ursachen fuer das langsame Wegsterben der Livemusikszene in Ulm dann doch nicht aus.

Und weil ich ja nie nein sagen kann, wenn es darum geht, mir noch mehr Arbeit aufzuhalsen, werde ich der Frage einmal nachgehen. NERT-maessig. Demnaechst mehr an dieser Stelle, und vielleicht auch nebenan.

Ronald Hinzpeter und das Internet

Wenn es sich ergibt, dass zwei Parteien einen gemeinsamen Feind haben, tun sich manchmal bemerkenswerte Buendnisse auf. Welchen Feind die Musikindustrie und die meisten bundesdeutschen Zeitungen gemeinsam haben, muss man ja eigentlich nicht extra erwaehnen — Richtig, ganz klar: Das Internet.

So schreibt Ronald Hinzpeter am Samstag auf Seite 3 der Augsburger Allgemeinen im Rahmen der Branchenmesse popkomm ueber Musik-Piraten aus dem Internet, und wie die Branche darauf reagiert — beispielsweise freut sie sich ueber wachsende Umsaetze bei (sicherlich DRM-geschuetzten) MP3s und ist empoert darueber, dass nach wie vor einige junge Leute keine Skrupel davor haben, sich ein (DRM-freies) Stueck aus dem Internet zu ziehen.

Eines verschweigen jedoch sowohl der Branchenvertreter als auch Ronald Hinzpeter ganz beflissentlich: Wie es ueberhaupt zu der Situation kam, dass die „illegalen“ Tauschboersen attraktiver waren als das Angebot der Musikindustrie. Denn, Urheberrechtsdiskussion hin oder her, fuer ein rundes Bild zu diesem Thema muss auch erwaehnt werden, dass die grossen Labels jahrelang gnadenlos versagt haben, ihre Ware im Internet zu attraktiven Konditionen anzubieten. Anstatt das Internet als fantastischen neuen Vertriebskanal fuer
den ganz individuellen Geschmack jedes einzelnen Hoerers zu begreifen, setzte man weiterhin auf CD-Verwurstungen im bewaehrten Schema „drei Hits, Rest Muell, 20 Euro“. Und war ueberrascht, als die Nutzer darauf reagierten, indem sie die verfuegbaren Mittel nutzten, um sich Tauschboersen zu stricken. Und noch ueberraschter, als ausgerechnet ein IT-Guru endlich ein vernuenftiges Vertriebskonzept auf die Fuesse stellte.

All das erwaehnt Ronald Hinzpeter nicht. Vielleicht wuerde das nicht in die Welt der Zeitungen passen, von denen viele weiterhin das gedruckte Wort als Mass aller Dinge setzen, und die Googles Versuche, ihnen Leser zu bescheren, als Unverschaemtheit bezeichnen. Stattdessen kolportiert Hinzpeter ungeniert die Ansichten der popkomm-Dinosaurier, man moege doch Urheberrechtsverletzern einfach den Internethahn abdrehen. Und findet quasi nur noch als Nachtrag Stimmen gegen derartige Eingriffe in die Netzneutralitaet, in erster Linie natuerlich die sattsam bekannten Datenschuetzer, die doch sowieso immer den Zeigefinger mahnend erhoben haben. Als ob auf die irgendjemand hoeren wuerde, nicht wahr.

Der Artikel ist uebrigens nur fuer Abonnenten oder gegen Geld abrufbar, und auch eine Moeglichkeit, mit dem Autoren in Kontakt, ja vielleicht sogar eine oeffentliche Diskussion zu seinem Artikel zu treten, gibt es auf der Seite nicht, trotz der in der Printausgabe vielbeworbenen Diskussionsforen und leidlich genutzten Umfragen. Aber das passt irgendwie ja auch ins Bild.

nachtrag, 15. oktober: der heutige xkcd passt einfach zu gut, um ihn hier nicht zu erwaehnen. ende der durchsage.