Ich habe selbst die Schulbank im Kolleg der Schulbrueder in Illertissen gedrueckt, von der 5. bis zur 10. Klasse — danach hatte ich genug von der taeglich dort gelebten Bigotterie, die sich durch alle Bereiche der Schule spannte. Waehrend nach aussen christliche Ideale hochgehalten wurden, sah es hinter den Kulissen zu oft anders aus. Nachdem beispielsweise eine erneute Heirat nach Scheidung nicht mit dem Wertebild der Schule vereinbar war, lebte ein betroffenes Lehrerpaar soweit ich mich entsinnen kann offiziell in zwei getrennten Wohnungen unter einem Dach. Und ein anderer Lehrer, der vormals fuer seine beinahe schon fundamentalistischen Wertvorstellungen bekannt war, verliess auf einen Schlag Schule, Frau und Kinder, um mit einer neuen Partnerin ein neues Leben zu beginnen.
Das Problem, das die wegen ihres Kirchenaustritts der Schule verwiesene Zehntklaesslerin aktuell betrifft, gab es leider auch vor zehn Jahren schon. Einige Leute aus meiner Jahrgangsstufe hatten die Nase voll von Scheinheiligkeit und Religionsindoktrination und wollten wissen, wie man denn am Ethikunterricht teilnehmen koenne. Gar nicht, war die Antwort unseres damaligen „Klassenpapis“, schliesslich seien sie Christen und muessten demnach am Religionsunterricht teilnehmen. Und wenn man aus der Kirche austreten wuerde? Dann wuerde man der Schule verwiesen werden.
Dieses Gespraech war damals der Tropfen, der das Fass fuer mich zum Ueberlaufen brachte. Ich war einer von verdammt vielen, die damals nach der zehnten Klasse die Schule wechselten (nachdem man mir das auch seitens gewisser Lehrer relativ eindeutig nahe gelegt hatte), und ich habe den Entschluss nie bereut: Es war ein ganz neues Gefuehl, vom kompletten Lehrerkollegium nicht mehr nur als Haufen stoerender Schueler, sondern als foerderungswuerdige Menschen gesehen zu werden. In diesem Sinne duerfte der Schulausschluss wohl das Beste sein, was der Schuelerin passieren konnte.
Edit: In den Kommentaren findet sich folgendes:
Seit die Schulbrüder das Ruder nicht mehr in der Hand haben, geht es mit der Schule stetig bergab. Zum Glück hab ich mit dem Austritt bis nach dem Abi gewartet.
Unter Bruder Norbert hätte die Schülerin einfach den Ethikunterricht besuchen können.
Die damals verbleibenden Schulbrueder, insbesondere Bruder Norbert, fand ich am fairsten und am wenigsten ideologisch verbohrt. Dennoch stand die Drohung des Schulausschlusses auch schon damals im Raum.