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Nervt eure Abgeordneten wegen der VDS

Ich kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig konstruktives trollen ist. Aktuell ruft der AK Vorrat am Rande seiner Stellungnahme zur Vorratsdatenspeicherung dazu auf, mal die verantwortlichen Abgeordneten zu fragen, warum sie da fuer ein verfassungswidriges Gesetz gestimmt haben, obwohl doch davor gewarnt worden ist.

Fuer die Region hier sind das:

  • Dr. Georg Nuesslein (CSU, NU): Telefon 030-227 77026, Fax 030-227 76269
  • Hilde Mattheis (SPD, UL): Telefon 030-227 75142, Fax 030-227 76713

Ich weiss, das Thema haengt einem mittlerweile fast schon wieder zum Hals raus. Aber keine falsche Scheu, einfach mal Buergernaehe auch ausserhalb des Wahlkampfs betreiben und die Watschen des BVerfG ruhig nochmal ordentlich reinreiben. Bei Frau Mattheis habe ich den Eindruck, dass die Argumente ankommen und mittlerweile auch gehoert und verstanden werden, bei Herrn Nuesslein… ruft an.

Hilde Mattheis an der Uni

Gestern war Hilde Mattheis, SPD-Bundestagsabgeordnete fuer den Wahlkreis Ulm, auf Einladung der Juso-HSG an der uulm zu Gast. Praktischerweise direkt nach dem Grillabend der Hochschulpiraten, und nachdem schon auf den Einladungsplakaten das Thema „Netzsperren“ auftauchte, war es kaum verwunderlich, dass der (kleine) Hoersaal H7 mit geschaetzt weit ueber 30 Zuhoerern randvoll war.

Erst war jedoch die Gesundheitspolitik an der Reihe. Ueber eine Frage zum Risikostrukturausgleich waren wir schnell bei der Gesundheitskarte und ihre prinzipiellen Risiken angelangt. Aller Kritik zum Trotze sei die Nuetzlichkeit der Gesundheitskarte „unstrittig“, so Mattheis. Ich war leider nicht ausreichend auf die Thematik vorbereitet, der entsprechende Artikel auf netzpolitik.org kam etwas zu spaet 😉 — die meisten wollten aber ohnehin weiter zu einem ganz anderen Thema: Netzsperren.

Mir geht es gerade aehnlich wie gestern abend bei der Diskussion: Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Insgesamt blieb die Diskussion (bis auf wenige einzelne Teilnehmer) sachlich und unaufgeregt, ich konnte mir jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass hier zwei Welten aufeinanderprallten: Auf der einen Seite die Bundestagsabgeordnete, die das Netz maximal als Kommunikationswerkzeug aehnlich dem Telefon nutzt, und die viele Argumente der Studierenden nicht versteht (das Loeschexperiment des AK Zensur wurde in der Diskussion dreimal genannt, ohne dass ich den Eindruck hatte, dass Mattheis die Bedeutung des Ergebnisses bewusst wurde — stattdessen sprach sie immer wieder davon, dass die Polizei ja keine Amtshandlungen im Ausland vornehmen koenne, und ja „Loeschen vor Sperren“ gelte.) Auf der anderen Seite die Studierenden, die den Gesetzmaessigkeiten der Politik mit verzogenen Mienen begegneten — so zum Beispiel, als das Thema auf einen „Kollegen, der nun bei der Piratenpartei ist“ fiel, und darauf, dass man gerade vor diesem Hintergrund nicht den Eindruck erwecken koennen habe, man unternehme nichts gegen Kinderpornographie im Internet.

Dass dieses „Loeschen“ mit simplen Abuse-Mails bewerkstelligt werden kann, wurde Mattheis zwar mehrmals erklaert, wieder mit dem Verweis auf das AK-Zensur-Experiments, ich hatte jedoch nicht den Eindruck, dass dieser Sachverhalt auch bei Mattheis ankam. Im Gegenzug kam die Frage, was wir denn an dieser „Zensur“ (sie selbst fand das Wort offenbar unpassend) so schlimm faenden, dass sie den „Nutzen“ ueberwiege — worauf die gesamte Diskussion wieder von vorne anfing.

Es gab jedoch auch viele (fuer mich) positive Aspekte: Als ehemaliges Mitglied des Petitionsausschusses hielt sie die E-Petition gegen die Netzsperren fuer „aussichtsreich“, und es war meines Erachtens auch stets der Wille erkennbar, unsere Meinungen und Aussagen ernst zu nehmen. Und so traurig es ist, dass von der wochenlang gefuehrten Debatte offenbar nur wenig direkt zu ihr vorgedrungen war, bot sie uns an, ihr eine von uns ausgearbeitete Stellungnahme mit allen Kritikpunkten zu uebersenden, die sie gemeinsam mit Monika Griefahn durcharbeiten wolle.

Immerhin.

Wieder und wieder

Mir war wirklich koerperlich schlecht gestern abend.

Die Fachschaft Informatik tagte wie jeden Donnerstag abend im BECI, und ich habe mit einem Ohr ueber Telefon der Debatte rund um die Netzsperren gelauscht. Das war schwer ertraeglich. Noch schwerer ertraeglich war die Abstimmung.

Ja, es waere wohl wirklich naiv gewesen, zu glauben, das Gesetz wuerde nicht durchkommen. Aber wie Tauss das in seiner bemerkenswerten Stellungnahme angesprochen hat, fuehle ich mich wie mit Fuessen getreten — mit Anlauf ins Gesicht. Und es lief mir eiskalt ueber den Ruecken, als mir waehrend der kurzen FIN-Sitzungsunterbrechung mit Schweigeminute das dazu passende Zitat aus „1984“ einfiel. Aus Politikverdrossenheit wurde in dieser Minute die feste Ueberzeugung, dass ich alle mir zur Verfuegung stehenden — legalen — Mittel ausnutzen werden muss, um diese Abgeordneten daran zu hindern, dem Internet und unserem Land weiteren Schaden zuzufuegen. „Ihr werdet euch noch wuenschen, wir waeren politikverdrossen“ (@343max)

Abschliessend:

  • Ekin Deligoez (Gruene, NU): Enthalten
  • Hilde Mattheis (SPD, UL): Dafuer gestimmt
  • Dr. Georg Nuesslein (CSU, NU): Dafuer gestimmt
  • Anette Schavan (CDU, UL): Dafuer gestimmt

Kann man sich ja merken fuer den Herbst.

(Achja, das Zitat: „Sie wollen ein Bild der Zukunft? Stellen sie sich einen Stiefel vor, der in ein menschliches Antlitz tritt — wieder und wieder“)

Es gibt keinen deutschen Obama

Jetzt auf einmal versucht man sich gegenseitig zu ueberbieten. Die SPD mit walhkampf09.de, die Union mit team2009.de. Die Parallelen zur erfolgreichen Barack-Obama-Kampagnenseite will mal wohl auch gar nicht leugnen.

Alle deutschen Kampagnenableger haben aber etwas gemeinsam: Sie kommen zu spaet, und sie funktionieren nicht. Oder, polemischer gesagt, sie sind allesamt scheisse.

Da wird ein bissel getwittert, aweng geyoutubt, und eine Facebook-Seite hat man auch. Aber alles sieht so halbherzig aus, als habe man eben gesehen, dass dieser Obama das doch auch so gemacht hat, und dann muesse das doch auch bei der SPCDU funktionieren. Dass das eben nicht so einfach geht, weiss man doch eigentlich spaetestens seit dem missglueckten „Yes we can“ von Hubertus Heil, oder?

Vom Zufall zum Internet-Underdog

Thorsten Schaefer-Guembel war der erste Politiker, der es bisher geschafft hat, „richtig“ im Internet zu mobilisieren. Und das, wenn man mal ganz ehrlich ist, vollkommen ohne Grund. Weiss irgendjemand aus dem Stegreif, fuer was TSG steht? Was ihn so besonders macht, wenn man einmal davon absieht, dass er im Vergleich zu Roland Koch das geringere Uebel ist?

Ich auch nicht.

Der komplette multimediale TSG-Wahlkampf konnte eigentlich nur im Kielwasser der Obamanie so funktionieren. Und geplant war sie ja schon gleich dreimal nicht, erst durch Achim Schaffrinna vom Design-Tagebuch und die Wiederentdeckung seines als Witz gedachten Logos wurde aus dem „Milchbubi, den man damals auf dem Pausenhof verhauen haette“ (Quelle nicht mehr auffindbar) ein Quasi-Spitzenkandidat, ein Internet-Underdog. Ueberzeugend ist anders — Carta geht einen Schritt weiter und vergleicht TSG eher mit Palin als mit Obama. Recht haben sie.

Wo bleibt der „richtige“ Multimediawahlkampf?

Jetzt koennte man meinen, mit einer ordentlichen Kampagne haette das sicher funktioniert, und die aktuelle Schwierigkeit liege ja auch darin, dass die zwei Regierungsparteien nicht einfach mal parallel zum Regierungsgeschaeft zwei Jahre emotionalen Wahlkampf wie in den USA fahren koennen.

Das Problem ist: Wer sollte diese Kampagne durchfuehren?

Im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahlen trat man an mich heran, ob ich denn nicht einige der Kommunalpolitiker unterstuetzen koenne. Nein, wollte ich nicht, da die Zeit knapp und das Kampagnenbudget quasi nichtexistent war. Aber Tipps gab ich gerne: WordPress als CMS aufsetzen, die Kandidaten stellen sich darauf vor und kommentieren das aktuelle kommunale politische Geschehen.

Herausgekommen sind am Ende die furchtbarsten Flyer, die ich jemals gesehen habe, und eine im Wesentlichen komplett dysfunktionale Website a la Frontpage Express. Man hatte ja schliesslich eine „Designerin“ im Kandidatenteam.

Dieses Denken scheint sich komplett von der Kommunal- ueber die Kreis-, Bezirks- und Landespolitik bis zum Bund durchzuziehen. Transparente Politiker (in welcher Form auch immer) sind die Ausnahme. Und damit beginnt die eigentliche Crux.

The medium is not the message

Ein multimedialer Wahlkampf gleich welcher Art ist immer nur der Nachrichtenkanal. Man stelle sich vor, auf die obamanatische Tour haette man in den USA einen Politiker vom Kaliber Kurt Beck beworben. Um Himmels Willen. Damit solch ein Wahlkampf funktioniert, bedarf es eines Hoffnungstraegers, eines glaubwuerdigen, vertrauenswuerdigen und charismatischen Kandidaten, dem man zutraut, etwas zu veraendern — change —, dem man Glauben schenken kann — we can believe in —, der einen hoffen laesst, endlich einmal einen Politiker vor sich zu haben, der nicht opportunistisch der Parteimeinung hinterherlaeuft — hope —.

Aus dem Stegreif wuerde mir bei all diesen Kriterien hoechstens der Stroebele einfallen. Der Rest? Die Wahlkreise Ulm und Neu-Ulm werden von Ekin Deligoez (Gruene), Hilde Mattheis (SPD), Dr. Georg Nuesslein (CSU) und Annette Schavan (CDU) vertreten. Von Frau Schavan habe ich auf Anfragen grundsaetzlich nie eine Antwort bekommen. Hilde Mattheis war im September 07 noch vollkommen gegen Onlinedurchsuchungen, stimmte aber letztendlich fuer genau dieselben Durchsuchungen im BKA-Gesetz — Begruendung schwammig. Dr. Georg Nuesslein haelt gerne lange Reden, in denen er viel spricht und wenig sagt, er will keine Anfragen auf abgeordnetenwatch beantworten und bedankt sich „fuer Ihre E-Mail“, wenn ich ihm einen Brief schreibe. Bleibt allein Frau Deligoez, aber die Gruenen sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Diese Profillosigkeit, das staendige Hin- und Herschwenken, Opportunismus und Eigennutz sind es letztendlich, die einen Obama-Wahlkampf in der Bundesrepublik vollkommen aussichtslos machen. Und das traurige ist, dass das nicht besser wird, wie Klaus Jarchow auf medienlese.com so sehr lesenswert eroertert hat: In Deutschland wird nicht derjenige zum Bundeskanzlerkandidaten, der revolutionaere Ideen hat und die Massen begeistern kann, sondern jemand, der die Ochsentour an allen moeglichen Parteifunktionaeren vorbei nach oben geschafft hat.

Das ist meines Erachtens gar nicht mal so gut fuer die Demokratie.