Als ausbildungstechnisch fachfremder zu „Besser online“ zu gehen war ja eigentlich nur so eine spontane Idee, nicht zuletzt ausgeloest durch @nullsummenspiel. Und waehrend des Auftaktpodiums dachte ich mir zeitweise nur noch „Oh Gott, wo bist du hier nur gelandet?!“.
Im Endeffekt war ich aber zufrieden: Keine Klassenfahrt wie die re:publica, stattdessen ein wahlweise erstaunlich oder erschreckend heterogenes Publikum, und der Eindruck, einige richtig kluge Koepfe erlebt zu haben.
Einer der klugen Koepfe, die ich bislang noch gar nicht auf dem Radar hatte, ist Jochen Wegner, der zeitweise en passant anstelle des Moderators die Moderation des Anfangspanels uebernahm, und zwar sehr gekonnt, wie ich finde. Leicht hatte er es dabei nicht, sass doch neben ihm Burda-Justiziar Robert Schweizer, der sich vehement fuer ein Leistunggschutzrecht einsetzte, und dabei manches Mal Kausalitaeten zu verwechseln schien — Google News, Henne-Ei, man kennt das ja. Wegners Fragen gefielen mir: Kann nur ein Journalist besser leben als vorher, wenn das Leistungsschutzrecht kommt? Kann das Leistungsschutzrecht ueberhaupt der Plan A sein? Und gibt es einen Plan B?
Schweizer setzte dem staendig die Worthuelse „Fair Share“ entgegen, in der „Fair“ hauptsaechlich zu bedeuten scheint, dass Google den Verlagen fuer den Dienst der Inhaltelieferung etwas bezahlen moechte. Nun gut. Wegner wollte immerhin hochwertige Inhalte, die nicht ersichtlicherweise von einem Roboter gemacht werden — oder einem Praktikanten, haette ich gerne dazwischengerufen.
Ganz schwach uebrigens die Auftritte von Andi Popp im Anfangs- und Schlusspanel, in denen er sich hauptsaechlich auf staatliche Ueberwachungs-Horrorvisionen einschoss, die uns allen als logische Konsequenz von Urheber- und Leistunggschutzrecht drohten. Wie ueberholt und kurzsichtig diese Argumentation ist, zeigte sich spaetestens nach einigen Einwaenden von Henning Krieg, und auch in der Frage des geistigen Eigentums an sich ueberzeugte der zweite Bundespirat nicht so wirklich. Dass der Wert eines Stuhls beispielsweise nicht im Materialwert des Holzes, sondern in der Wertschoepfung durch die Umformung des Holzklotzes in einen nuetzlichen(!) Gegenstand begruendet liegt, sollte man schon draufhaben, wenn irgendwann die Schaeuble-Belauscher-Paniknummer nicht mehr funktionieren sollte. Genauso, wie denn Alternativmodelle fuer das finanzielle Ueberleben der Journalisten aussehen sollten.
Das war ohnehin der Kanon, den ich haeufig hoerte: „Wie kann man denn da Geld verdienen“. Oder unglaeubige Kopfschuettler, als Christian Jakubetz — noch so ein kluger Kopf, dessen Blog man unbedingt lesen sollte — beilaeufig in seinem Panel erwaehnte, dass er sich an manchen Tagen bis zu sechs Stunden am Tag mit Social Media beschaeftige. Im Wesentlichen scheint sich in vielen Koepfen eben immer noch alles ums Geld zu drehen — samt aller negativen damit verbundenen Randerscheinungen. IVW-Klickvieh und so. Der empfundene Riss geht dabei quer durch alle Altersgruppen, wie sich auf spaeteren Panels feststellen liess.
Zum Beispiel, als es (gleich zwei Mal hintereinander) um „Crossmedia“ ging. Oder „bimedial“. Oder „intermedial“. Da fingen ja schon die Verstaendnisschwierigkeiten an: Was ist das ueberhaupt, Crossmedia? Fuer mich war irgendwie immer klar, dass „Crossmedia“ heisst, im Netz nicht nur Text anzubieten, sondern immer auch das, was sich gerade als Erzaehlform anbietet. Denkste, sagt Jakubetz, der mir als Crossmedia-Paradebeispiel „Neon“ nennt: Heft, Community, Lebensmittelpunkt. Peng. Ganz andere Richtung.
Fuer viele Redakteure wiederum schien „crossmedia“ in den letzten Jahren immer wieder auf Video hinauszulaufen, und zwar von der Sorte „Video um jeden Preis“, egal ob die Erzaehlform in dem Fall angemessen ist oder nicht. Und hier liegt meiner Meinung nach auch der Teufel begraben: Im Endeffekt mangelt es doch in den meisten Haeusern an der ausreichenden Anzahl brillianter, kreativer Koepfe, die sich gegenseitig befluegeln — der begnadete Texter, der zusammen mit dem hervorragenden Fotografen und einem Cutter ein Thema in Text, Stand- und Bewegtbild aufarbeitet, beispielsweise.
Stattdessen findet die meiste Ausbildung immer noch in-house in Autodidaktik statt, wo Mittelmaessigkeit als Resultat hohen Zeitdrucks als akzeptabel dargestellt wird, oder wo abstruse Regeln wie die Sache mit der Video-Laengenbegrenzung von keinesfalls mehr als 90 Sekunden gepredigt werden.
Woran es aber am meisten mangelt, ist ein Sammelpunkt, wo sich Gleichgesinnte ueber ihre Multimediaprojekte austauschen koennen. Wo gezeigt werden kann, was man selber gemacht hat, und man sich gegenseitig konstruktiv kritisieren kann. Finding the Frame ist so etwas — fuer den US-Markt. Warum gibt es das denn nicht fuer Deutschland?
Nun gut.
Eigentlich wollte ich noch mehr Leute hier zitieren und einbauen, aber irgendwie funktioniert das wohl doch nicht mehr, ohne einen riesigen Text zu bauen. Erwaehnt werden sollen aber noch:
- Christian DeVries, (Artikel) der bei der Selbstvermarktungsnummer per Zwischenfrage wohl gerne zu Recht ein wenig mehr Dampf in die Diskussion gebracht haette.
- Dirk von Gehlen, (Blog) der auf dem Abschlusspanel der ueberzeugendere Pirat als Andi Popp war.
- Dominik Grzbielok, von dem ich keine Ahnung habe, wer er ueberhaupt ist, der aber auf Twitter konstant gute Kommentare lieferte.
- Andreas Lerg, (Artikel) (zugehoeriger Artikel) der Quasi die Haelfte der Panels live per iPad mittippte und souveraen Sieger des Wettbewerbs „lustigster Tweet auf der Twitterwall“ wurde.
- Thomas Leidel, der nur Zweiter wurde und deswegen in leicht abgewandelt alphabetischer Reihenfolge hier auftaucht.
- Katrin Scheib, die ich bislang irgendwie noch gar nie auf dem Radar hatte, was ich einfach mal auf meinen Lebensmittelpunkt im Sueddeutschen schiebe.
Nachtrag, 11.10., 1332: Noch mehr Berichte bei bjvjungblut, Gulli.com, Ulrike Langer, Hardy Prothmann und Inge Seibel (mit Video!)