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Wieder und wieder

Mir war wirklich koerperlich schlecht gestern abend.

Die Fachschaft Informatik tagte wie jeden Donnerstag abend im BECI, und ich habe mit einem Ohr ueber Telefon der Debatte rund um die Netzsperren gelauscht. Das war schwer ertraeglich. Noch schwerer ertraeglich war die Abstimmung.

Ja, es waere wohl wirklich naiv gewesen, zu glauben, das Gesetz wuerde nicht durchkommen. Aber wie Tauss das in seiner bemerkenswerten Stellungnahme angesprochen hat, fuehle ich mich wie mit Fuessen getreten — mit Anlauf ins Gesicht. Und es lief mir eiskalt ueber den Ruecken, als mir waehrend der kurzen FIN-Sitzungsunterbrechung mit Schweigeminute das dazu passende Zitat aus „1984“ einfiel. Aus Politikverdrossenheit wurde in dieser Minute die feste Ueberzeugung, dass ich alle mir zur Verfuegung stehenden — legalen — Mittel ausnutzen werden muss, um diese Abgeordneten daran zu hindern, dem Internet und unserem Land weiteren Schaden zuzufuegen. „Ihr werdet euch noch wuenschen, wir waeren politikverdrossen“ (@343max)

Abschliessend:

  • Ekin Deligoez (Gruene, NU): Enthalten
  • Hilde Mattheis (SPD, UL): Dafuer gestimmt
  • Dr. Georg Nuesslein (CSU, NU): Dafuer gestimmt
  • Anette Schavan (CDU, UL): Dafuer gestimmt

Kann man sich ja merken fuer den Herbst.

(Achja, das Zitat: „Sie wollen ein Bild der Zukunft? Stellen sie sich einen Stiefel vor, der in ein menschliches Antlitz tritt — wieder und wieder“)

Mit Nachdruck nachgesagt

Im Kontext zum gestrigen Artikel passt ja auch die Pressemitteilung des RCDS Ulm sehr gut, dessen Bitte um Veroeffentlichung ich selbstverstaendlich gerne hier nachkomme.

„Die Bildungsrepublik muss endlich umgesetzt werden, denn das Konjunkturpacket erfüllt diesen Zweck noch längst nicht“, fordert der am Wochenende in Berlin mit wieder in den Bundesvorstand gewählte Konstantin Zell(23), am Rande der 62. Bundesdelegiertenversammlung im Berliner Konrad-Adenauer-Haus.

Bundesministerin Schavan, die am Samstag Morgen zu den engagierten Studenten aus dem gesamten Bundesgebiet sprach, richtete von dieser Stelle deutliche Worte an die Verantwortlichen in der Wirtschaft, junge Menschen durch Stipendien stärker zu unterstützen. „Alle, die wissen, dass sie in den nächsten Jahren händeringend nach Fachkräften suchen, müssen heute ihren Beitrag zur finanziellen Förderung der Ausbildung dieser leisten. Die öffentliche Hand hat dafür schon viel getan“. Jetzt sei die Wirtschaft am Zug“.

Der Ulmer Mathematikstudent Konstantin Zell untermauerte: „Schnelles Handeln ist für die Wirtschaft bedeutend, denn guten Absolventen deutscher Hochschulen müssen wir eine Perspektive in unserem Land bieten, damit es sie nicht ins Ausland zieht.“

Zum neuerlichen Streit zwischen der Zentralen Vergabestelle für Studienplätze (ZVS) und der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) fand Schavan deutliche Worte: „Wenn sich die ZVS nicht ändert und eine Serviceagentur für die Studenten in Deutschland wird, dann hat sie Pech gehabt. Dann brauchen wir sich nicht mehr. Die Koordination der neuen Studienplätze muss zum Wintersemester funktionieren. Das erkläre ich hiermit zur Chefsache.“

Zell begrüßte diese deutlichen Worte der Bundesministerin: „Recht hat sie, mit der Umbenennung von ZVS zu Serviceagentur ist es nicht getan, sie muss auch eine Servicestelle für die Studenten werden, damit es zu einer gerechten, zeitgemäßen Verteilung der Studienplätze kommt.“

Der RCDS-Kongress stand unter dem Motto “Bildung als soziale Frage des 21. Jahrhunderts“. Hauptforderung des RCDS ist ein Masterplan zur Umsetzung der Bildungsrepublik. Bestes Wahlergebnis erhielt Zell. Zu seinen Kollegen wurden der Jurastudent Steffen Liebendörfer und der Volkswirtschaftsdoktorand Gottfried Ludewig in den Bundesvorstand wiedergewählt.

Wow! Das ist ja pures Rednergold! Einfach nochmal sagen, was Annette Schavan schon gesagt hat! Bombastisch!

Dass KoZe mehr Stimmen als seine Kumpanen bekommen hat, verwundert nur auf den ersten Blick: Steffen Liebendoerfer hat unlaengst publikumswirksam gefordert, analog zum 130 Abs. 3 f. StGB auch „die Leugnung des DDR-Unrechtssystems“ unter Strafe zu stellen. Man solle ja schliesslich „ein weiteres Erstarken der SED-Nachfolgepartei mit ihren sozialistischen Utopien […] verhindern„. Bravo, Herr Liebendoerfer!

Gottfried Ludewig wiederum ist derjenige aufstrebende Jungkonservative, der an der TU Berlin sehr zufrieden war, dass die AStA-Druckerei abgebaut wurde, der die Abschaffung des Wahlrechts fuer Rentner forderte und der sich damit bei Anne Will meines Erachtens ziemlich blamierte:

Konstantin Zell ist dagegen relativ unscheinbar: Keine dramatischen Forderungen, hoechstens mal Ueberraschung, als der eigens geladene damalige RCDS-Landesvorsitzende bei der „Holz fuer die Uni„-Demo fuer Studiengebuehren war, obwohl der RCDS Ulm populistischerweise „dagegen“ war.

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Wobei, KoZe: Wissen die anderen eigentlich von der Namen-aus-Protokoll-loesch-Aktion? Du weisst schon, SoNaFe und so? Oder vom Wahlplakate-anderer-Parteien-abhaengen, an dem nur du beteiligt warst, wie mir dein Kollege K. mit Umweg ueber die Staatsanwaltschaft nachdruecklich versichert hat? Oder davon, dass du die Polizei gerufen hast, als andere Studierende offizielle RCDS-Bundesverband-Flyer aufgehaengt haben? Hach, was waer‘ das lustig… 😀

Es gibt keinen deutschen Obama

Jetzt auf einmal versucht man sich gegenseitig zu ueberbieten. Die SPD mit walhkampf09.de, die Union mit team2009.de. Die Parallelen zur erfolgreichen Barack-Obama-Kampagnenseite will mal wohl auch gar nicht leugnen.

Alle deutschen Kampagnenableger haben aber etwas gemeinsam: Sie kommen zu spaet, und sie funktionieren nicht. Oder, polemischer gesagt, sie sind allesamt scheisse.

Da wird ein bissel getwittert, aweng geyoutubt, und eine Facebook-Seite hat man auch. Aber alles sieht so halbherzig aus, als habe man eben gesehen, dass dieser Obama das doch auch so gemacht hat, und dann muesse das doch auch bei der SPCDU funktionieren. Dass das eben nicht so einfach geht, weiss man doch eigentlich spaetestens seit dem missglueckten „Yes we can“ von Hubertus Heil, oder?

Vom Zufall zum Internet-Underdog

Thorsten Schaefer-Guembel war der erste Politiker, der es bisher geschafft hat, „richtig“ im Internet zu mobilisieren. Und das, wenn man mal ganz ehrlich ist, vollkommen ohne Grund. Weiss irgendjemand aus dem Stegreif, fuer was TSG steht? Was ihn so besonders macht, wenn man einmal davon absieht, dass er im Vergleich zu Roland Koch das geringere Uebel ist?

Ich auch nicht.

Der komplette multimediale TSG-Wahlkampf konnte eigentlich nur im Kielwasser der Obamanie so funktionieren. Und geplant war sie ja schon gleich dreimal nicht, erst durch Achim Schaffrinna vom Design-Tagebuch und die Wiederentdeckung seines als Witz gedachten Logos wurde aus dem „Milchbubi, den man damals auf dem Pausenhof verhauen haette“ (Quelle nicht mehr auffindbar) ein Quasi-Spitzenkandidat, ein Internet-Underdog. Ueberzeugend ist anders — Carta geht einen Schritt weiter und vergleicht TSG eher mit Palin als mit Obama. Recht haben sie.

Wo bleibt der „richtige“ Multimediawahlkampf?

Jetzt koennte man meinen, mit einer ordentlichen Kampagne haette das sicher funktioniert, und die aktuelle Schwierigkeit liege ja auch darin, dass die zwei Regierungsparteien nicht einfach mal parallel zum Regierungsgeschaeft zwei Jahre emotionalen Wahlkampf wie in den USA fahren koennen.

Das Problem ist: Wer sollte diese Kampagne durchfuehren?

Im Vorfeld der bayerischen Kommunalwahlen trat man an mich heran, ob ich denn nicht einige der Kommunalpolitiker unterstuetzen koenne. Nein, wollte ich nicht, da die Zeit knapp und das Kampagnenbudget quasi nichtexistent war. Aber Tipps gab ich gerne: WordPress als CMS aufsetzen, die Kandidaten stellen sich darauf vor und kommentieren das aktuelle kommunale politische Geschehen.

Herausgekommen sind am Ende die furchtbarsten Flyer, die ich jemals gesehen habe, und eine im Wesentlichen komplett dysfunktionale Website a la Frontpage Express. Man hatte ja schliesslich eine „Designerin“ im Kandidatenteam.

Dieses Denken scheint sich komplett von der Kommunal- ueber die Kreis-, Bezirks- und Landespolitik bis zum Bund durchzuziehen. Transparente Politiker (in welcher Form auch immer) sind die Ausnahme. Und damit beginnt die eigentliche Crux.

The medium is not the message

Ein multimedialer Wahlkampf gleich welcher Art ist immer nur der Nachrichtenkanal. Man stelle sich vor, auf die obamanatische Tour haette man in den USA einen Politiker vom Kaliber Kurt Beck beworben. Um Himmels Willen. Damit solch ein Wahlkampf funktioniert, bedarf es eines Hoffnungstraegers, eines glaubwuerdigen, vertrauenswuerdigen und charismatischen Kandidaten, dem man zutraut, etwas zu veraendern — change —, dem man Glauben schenken kann — we can believe in —, der einen hoffen laesst, endlich einmal einen Politiker vor sich zu haben, der nicht opportunistisch der Parteimeinung hinterherlaeuft — hope —.

Aus dem Stegreif wuerde mir bei all diesen Kriterien hoechstens der Stroebele einfallen. Der Rest? Die Wahlkreise Ulm und Neu-Ulm werden von Ekin Deligoez (Gruene), Hilde Mattheis (SPD), Dr. Georg Nuesslein (CSU) und Annette Schavan (CDU) vertreten. Von Frau Schavan habe ich auf Anfragen grundsaetzlich nie eine Antwort bekommen. Hilde Mattheis war im September 07 noch vollkommen gegen Onlinedurchsuchungen, stimmte aber letztendlich fuer genau dieselben Durchsuchungen im BKA-Gesetz — Begruendung schwammig. Dr. Georg Nuesslein haelt gerne lange Reden, in denen er viel spricht und wenig sagt, er will keine Anfragen auf abgeordnetenwatch beantworten und bedankt sich „fuer Ihre E-Mail“, wenn ich ihm einen Brief schreibe. Bleibt allein Frau Deligoez, aber die Gruenen sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Diese Profillosigkeit, das staendige Hin- und Herschwenken, Opportunismus und Eigennutz sind es letztendlich, die einen Obama-Wahlkampf in der Bundesrepublik vollkommen aussichtslos machen. Und das traurige ist, dass das nicht besser wird, wie Klaus Jarchow auf medienlese.com so sehr lesenswert eroertert hat: In Deutschland wird nicht derjenige zum Bundeskanzlerkandidaten, der revolutionaere Ideen hat und die Massen begeistern kann, sondern jemand, der die Ochsentour an allen moeglichen Parteifunktionaeren vorbei nach oben geschafft hat.

Das ist meines Erachtens gar nicht mal so gut fuer die Demokratie.