Vom Clickbait-Journalismus

Ich bin gleichermassen fasziniert und entsetzt von der Art, wie die Online-Varianten der grossen Pressehaeuser ihr Clickbait-Game immer weiter ausbauen. Ulm und Neu-Ulm sind jeweils Ein-Zeitungs-Kreise: In Ulm dominiert die Suedwest Presse, in Neu-Ulm die Neu-Ulmer Zeitung als Ableger der Augsburger Allgemeinen. Theoretisch funkt in Ulm noch ein wenig die Schwaebische aus Ravensburg rein, und die dient auch als prima Beispiel, was da gerade alles kippt: Die Verlage kaufen eine Zeitung nach der anderen auf, Stellen werden abgebaut nachdem man externe Consulting-Firmen reingeholt hat, dadurch bleibt weniger Zeit fuer tiefere Recherchen und insgesamt kippt der Kurs haeufig mindestens in Richtung Boulevard, um es vorsichtig zu sagen.

Die Neu-Ulmer Zeitung ist mir dabei bislang am wenigsten aufgefallen, aber wenn man sich mal eine Weile Google News fuer die eigene Stadt einrichtet, begegnen einem Clickbait-Titel, die die bisherige fragwuerdige Praxis auf Facebook zahm aussehen lassen. Mein Highlight in den letzten Wochen war ein Artikel des Muenchner Merkur, der Biergaerten in Ulm und Neu-Ulm verglichen hatte – ohne vor Ort gewesen zu sein, anhand der Google-Maps-Bewertungen. Und vom oertlichen Pressehaus dominieren regelmaessig reisserische Ueberschriften im gewohnten andeute-Frage-Stil, die ganz Furchtbares versprechen – und im Text stellt sich dann heraus, dass das alles ganz harmlos ist. Hauptsache geklickt, das treibt die Statistik nach oben, und manche Redakteur*innen spielen dieses von der Hausleitung geforderte Spiel wohl auch einfach mit.

Joan Westenberg beschreibt, dass das nicht einfach nur die Konsequenz der Verwertungslogiken in dem Web sind, in dem wir leider nun sind, sondern ein handfestes Problem:

In their ruthless quest for clicks and attention, headline editors — and let’s be clear, it’s usually editors, not journalists — are destroying the legitimacy of the mainstream media.

They’re like magicians, but instead of pulling rabbits out of hats, they’re yanking context out of stories and replacing it with shock value. These headline mutilators are perfecting the art of the bait-and-switch, serving up tantalizing hooks that barely resemble the meat of the story. It’s not just misleading — it’s manipulation, turning journalism into a carnival sideshow where spectacle eclipses substance.​​​​​​​​​​​​​​​​

The Bait-and-Switch Crisis: A Dangerous Disconnect Between Headlines and Content

Denn haeufig werde bereits die Clickbait-Ueberschrift rezipiert und in die eigene Meinungsbildung eingebaut – egal ob im Newsfeed oder als Vorschau-Snippet in der Telegram-Gruppe. Und, persoenliche Beobachtung, nachdem immer mehr dieser Inhalte sowieso hinter einer Paywall verschwinden, durch die bei weitem nicht alle durchkommen, ist das auch das einzige, was viele Menschen sehen und sich daraus ihre Meinung bilden.

The commercial model of modern publishing is like a hyperactive toddler hopped up on sugar — it’s all instant gratification and constant stimulation. Click. Share. Engage. Repeat. It’s a model that values quantity over quality, speed over accuracy, and provocation over insight.

ebda.

Das kann doch alles nicht langfristig gut gehen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert