Archiv für den Monat: November 2012

The Man Who Hunts Spy Satellites

We went to Paris to interview premier astrophotographer, Thierry Legault, about tracking spy satellites in the sky. It’s a story of mutual surveillance, adept tracking and ultimately one man’s quest to do „things that nobody has done before.“

Read the full article on MOTHERBOARD here:
http://motherboard.vice.com/2012/11/27/spaced-out-the-satellite-hunter–2

(via)

Erste Schritte in QGIS

Ich schlage mich nun seit einigen Tagen bzw. Wochen damit herum, aus diversen Zwischenprodukten von DIVA einen funktionierenden GTFS-Datensatz zu bauen — beziehungsweise, einen Prozess zu bauen, mittels dessen die Stadtwerke das zukuenftig selber tun koennten, wenn sie das wollten. Die Fahrplaene sind dabei momentan das kleinste Problem, die koennen gemaess der Vorlage per rudimentaerem Hacktool automatisch aus den TSV-Dateien ueberfuehrt werden, die die SWU fuer den Satz ihrer Pocketfahrplaene verwendet.

Mehr Probleme machen derweil die scheinbaren Kleinigkeiten, die es in sich haben. Die Haltestellenorte hat einfach mal jemand irgendwo vom Server des Nahverkehrsverbund geparst. Die koennte man nehmen — dann waer’s aber nicht mehr sauber, weil die Datenquelle einer Nutzung unter freier Lizenz bislang nicht zugestimmt hat. Dasselbe gilt fuer die Fahrwege der Busse — die holt swu2gtfs bislang auch einfach aus der elektronischen Fahrplanauskunft des Verbunds.

Fuer beides habe ich testweise auch die Daten der Stadtwerke zur Verfuegung gestellt bekommen, die aber nur noch mehr Folgefragen aufwerfen. Eine Linie kann im Tages- und Wochenverlauf zig verschiedene Fahrwege haben, je nachdem, wo sie anfaengt, wo sie endet und welche Haltestellenreihung sie nimmt. Die haendisch zuzuordnen ist… aufwaendig. Noch umstaendlicher wird es bei den Haltepunkten: Die sind zentimetergenau vermessen — und zwar pro Haltepunkt, derer es pro Haltestelle gleich mehrere geben kann. Klar: Die meisten werden ja in zwei Richtungen bedient, und kompliziertere Halte wie der am Theater haben auch mal vier Steige, zwischen denen bis zu 50 Meter liegen.

Ich habe die KML-Dateien dann einfach mal in QGIS geladen und war ganz angetan, das auch mal im Ueberblick sehen zu koennen. Wunderbare freie Software, die per OpenLayers-Plugin auch gleich eine passende OpenStreetMaps-Hintergrundkarte einbinden koennen und vieles mehr.

Ich bin mir momentan noch nicht ganz sicher, wie ich hier weitermachen soll. Mehr oder minder ideal waere es, pro Haltestelle die mittlere Koordinate aller Haltepunkte zu berechnen, die dann als „virtuelle“ Oberhaltestelle aller Haltepunkte dient (Beispielsweise OLIF 9001010 fuer das Theater). Das ist eine eher krude Approximation und wird vor allem dann haesslich, wenn (wie aktuell) die Fahrplaene nicht den Steig angeben, von dem sie abfahren (z.B. 90010103 fuer die 6 in Richtung Uni, die am Theater-Steig 3 abfaehrt). Die Alternative ist, einfach immer den ersten Steig zu kopieren und als Oberhaltestelle zu definieren, um dann ggf. mit noch kruderen Abweichungen zu leben — aber hey, wenigstens eine Fahrtrichtung stimmt dann immer exakt. Naja.

tl;dr: QGIS scheint toll zu sein, es laesst einen Karten wie die obige machen. Geoinformationshackerei kann Leute in den Wahnsinn treiben.

The Saddest Boy in the World

Triggerwarnung: Darstellung von Depression und Suizidversuchen

Makabres Thema in wunderbarer Cinematographie, Einstellungen und Farben, die erstens die 1980er herrlich treffen und zweitens in ihrer Ausstattung, Absurditaet und uncanniness mehr als einmal an Fotografien von Gregory Crewdson erinnern:

The Saddest Boy in the World from Jamie Travis on Vimeo.

The world has conspired against poor Timothy Higgins and he has no choice but to hang himself. Always the dramatist, he chooses his own 9th birthday party as his stage.

(via Frank Wahnschaffe auf Facebook)

Open-Data-Rundumschlag

Einige Verweise auf Videos und vor allem Veranstaltungen:

  • Am Donnerstag(!), dem 29. November ist der Entwicklerinnentag Apps and the City in Berlin; es geht um die neuerdings offenen Verkehrsdaten des VBB und was man damit machen koennte
  • Am Freitag, dem 7. Dezember nochmal Berlin: Das Bundesministerium des Innern und Fraunhofer FOKUS laden zum Community Workshop: Open Government Platform Deutschland.
  • Am Samstag, dem 8. Dezember trifft sich datalove ulm in den Raeumen der Verteilten Systeme an der uulm, um die Livemap zu aktualisieren, GTFS umzuwandeln, den Haushalt anzusehen und was sonst so rumliegt. Beginn 1000 Uhr.

Wer diese Termine (und die der vergangenen Wochen und Monate) ansieht, stellt fest, dass alle zwei Wochen irgendwas in Berlin ist. Und das wird fuer mich langsam zum Problem. Ich waere alleine diesen Monat zweimal gerne in Berlin (gewesen), um mich zu Open Transport Data auszutauschen — aber ich habe keine Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Trampen ist eine Option, aber wenn ich dafuer einen Arbeitstag ausfallen und mir ueber 100 EUR durch die Lappen gehen lassen muss, kostet mich das ebenso richtig ordentlich Geld, als wenn ich mit dem Zug fahren wuerde.

Julia Kloeckner erzaehlt im folgenden Video (ab Minute 52) etwas ueber die Hintergruende von Apps and the City und wie es zu einem Donnerstagstermin kommt:

Ich bin indes ein wenig nachdenklich, wie „wir im Sueden“ weiter den Anschluss behalten sollen, wenn das OpenData-Barcamp Friedrichshafen und unser OpenCityCamp die einzigen Gegenpole im Sueden zu sein scheinen. Ein Argument mehr, auch am Open Data Day, dem 23. Februar 2013 etwas hier in Ulm anzuschieben — oder hat jemand Ideen, wie datalove einfach an Fahrtkostenzuschuesse kommt?

Poetry-Shooting-Star

Unsere Poetry-Slam-Aufzeichnungsaktionen sind nun auch schon seit ueber einem halben Jahr Vergangenheit — ausgerechnet ein Zufallsfund des Ulmer Slams hat es jetzt aber ins Fernsehen geschafft. Nicolas Schmidt alias Bybercap duerfte mit bald 900.000 Videoaufrufen der meistgeklickte Slammer Deutschlands auf Youtube sein. In on3 Suedwild erzaehlt er nun von seinem „Doppelleben“ als Lehrer einerseits und Slammer andererseits, und wie beides irgendwie zusammenhaengt:

Die komplette Fassung laesst sich leider nicht einbetten, gibt’s aber beim Bayerischen Rundfunk. Und die Geschichte, wie Bybercap wegen des etwas voreingenommenen Jurorengehoers zwar nicht ins Finale, aber auf Youtube kam, hier und hier.

Automatisiert betrunken tippen

Koennte man ja mal brauchen, z.B. um im Instant Messenger Betrunkenheit zu simulieren:

Wer betrunken auf eine Tastatur patscht, haut gelegentlich daneben. Das habe ich automatisiertfoxitalic und [erlehmann] haben ein Programm entwickelt, um das zu simulieren – Vertipper erfolgen normalverteilt, Tastaturbelegung ist die QWERTZ-Variante meines HTC Dream. Text wird über stdin zugeführt, einziger Parameter ist die Standardabweichung: echo Automatisiert betrunken tippen | ./drunktyping.py 0.29ergibt
Autokatisiedz bettunken tippeb

Quelle

OpenData-Barcamp in Friedrichshafen

Wer IOException.de liest, hat den zugehoerigen Artikel schon gesehen: Am Freitag waren Falco, Timo und ich als datalove-Repraesentanten beim OpenData-Barcamp in der Containerstadt der Zeppelin University Friedrichshafen. Ein wichtiger und sinnvoller Besuch — gastgebender Professor, Joern von Lucke, ist von meiner Warte aus so ziemlich die einzige Person in Sueddeutschland, die sich sichtbar mit der Forschung rund um Open Data und Open Government beschaeftigt. Die GI, fuer deren Fachgruppe Verwaltungsinformatik er spricht, hatte unlaengst ein Memorandum zur Oeffnung von Staat und Verwaltung herausgegeben — und natuerlich war er auch im Mai beim OpenCityCamp in Ulm, was einen Gegenbesuch unbedingt erforderlich machte 😉

Die Friedrichshafener Arbeitsgruppe, die das Barcamp organisierte und die Mehrzahl der Gaeste stellte, gab uns auch einen ganz anderen Einblick in das Thema, das wir so gut zu kennen glaubten: An der ZU gehoert ein Praktikum in einem Ministerium oder bei einer NGO im Ausland zum guten Ton, wie mir scheint, so dass wir auch mal eben einen Eindruck von der Situation in Kenia bekamen, das bei der praktischen Umsetzung der offenen Verwaltung offenbar vielen europaeischen Konterparts weit voraus ist.

Fuer mich am wertvollsten war aber der kleine Moment, als wir von unserer Ueberforderung mit dem Haushalt der Stadt Ulm berichteten: Wir, allesamt (Medien)InformatikerInnen, haben trotz eintaegigen Doppik-Crashkurses in der zentralen Verwaltung der Stadt Ulm immer noch ein Defizit bei der Interpretation des Haushalts-Rohdatensatzes und — vor allem — bei der Plausibilitaetspruefung einer Visualisierung nach dem Vorbild von OpenSpending.

Das rief sofort die anderen TeilnehmerInnen auf den Plan, die im Gegensatz zu uns sehr wohl sehr viel Ahnung von solchen Dingen haben und gleich einmal durch die CSV-Dateien scrollten. Im Gegenzug scheinen wir ein wenig mehr Ahnung von (insbesondere geospatialer) Visualisierung zu haben, so dass wir gegen Ende gleich mal Kontakte fuer eine moegliche Lerntandempartnerschaft austauschten: Wir bringen den FriedrichshafenerInnen Visualisierung bei, sie uns dafuer dieses Zeug mit der Wirtschaft 😉

Ich freute mich auch, dass auch wir im Gegenzug Neues zeigen konnten: Ich referierte ein wenig ueber unsere Anstrengungen, den Nahverkehr in Ulm ein wenig offener zu machen, insbesondere das Projekt, Fahrplaene als GTFS zur Verfuegung zu stellen. Vergleichbare Bemuehungen scheint es im Bodenseekreis bislang noch nicht zu geben, aber dort zaehlt es offenbar auch schon als „Nachtbus“, wenn eine Linie bis 2200 Uhr gefahren wird oO

Fazit unterm Strich: Eine Wiederauflage des OpenCityCamps scheint Not zu tun. Zusammen koennen Friedrichshafen und Ulm einen Gegenpol zu den sonst leider sehr berlinzentrischen OpenData-Bemuehungen bilden — und als Zwischenpfeiler zwischen Stuttgart und Ulm dienen 🙂

(Bild mit freundlicher Erlaubnis von @Tinka_Grosse)

Stoererhaftung im Bundestag

Am 25.10. hat sich der Bundestag mit der Stoererhaftung bei unverschluesselten WLANs beschaeftigt — die SPD hatte einen Antrag gestellt, die Problematik der Stoererhaftung zu evaluieren, die hierzulande nach wie vor ein Damoklesschwert fuer Freifunk-Initiativen darstellt. Die Linksfraktion hatte daraufhin gleich einen Gesetzesentwurf eingebracht, das Telemediengesetz zu aendern, der von der digiges mit entworfen worden war.

Haette Netzpolitik die Sache nicht kommentiert, waere mir die „Debatte“ vermutlich gar nicht aufgefallen — Debatte in Anfuehrungszeichen, denn die Redebeitraege wurden zu Protokoll gegeben und nicht tatsaechlich gehalten. Heraus stach dabei — wieder einmal — der CSU-Abgeordnete fuer den Wahlkreis Neu-Ulm/Guenzburg, Dr. Georg Nuesslein, dessen Rede ich hier im Volltext zitieren moechte:

Wenn ich mir den vorliegenden Gesetzentwurf der Linken zur Änderung des Telemediengesetzes anschaue, wird mir sofort klar, wohin die Reise mal wieder gehen soll: Da gerieren sich die Genossen erneut zu Sozialaposteln par excellence, fordern freies Internet für alle, freie I-Pads für alle, freie Rechner für alle. Ich muss schon genau in den Text hineinlesen, um zu sehen, ob es sich hier um eine Hartz-IV-Debatte handelt oder ob es um die Haftungsfrage für WLAN-Betreiber geht.

Da lese ich: „Gerade für Menschen mit geringem Einkommen sind beide Zugangswege“ – gemeint sind kabel- und funkbasierte Internetanschlüsse – „jedoch nur schwer zu finanzieren. Es bedarf kaum der näheren Erörterung, warum bei einem monatlichen Regelsatz von derzeit 374 Euro zzgl. Kosten der Unterbringung 10 bis 20 Euro für einen DSL-Zugang ganz erheblich ins Gewicht fallen.“ Ich lese davon, dass „nicht hinreichend verfügbare Internetzugänge … die … Abhängigkeit der individuellen Bildungschancen vom sozialen Status der Eltern“ verschärfen, ich lese von einer „Frage der sozialen Gerechtigkeit“ und davon, dass „ein Computer zum soziokulturellen Existenzminimum gehört“. Ich jedenfalls will hier und heute keine linke Sozialdebatte à la Linke führen, sondern mich der Haftungsfrage für WLAN-Betreiber widmen.

(Anmerkung: Gerade darum geht es ja. Buergernetzinitiativen wie Freifunk ermoeglichen ja insbesondere, Dritten eine gegebenenfalls im Leistungsumfang gedrosselte Mit-Nutzungsmoeglichkeit an die Hand zu geben — nicht jedoch, solange hier Haftungsfragen im Weg stehen)

Die grundlegende Frage, die sowohl in dem SPD-Antrag als auch in dem Gesetzentwurf der Linken gestellt wird, hat im digitalen Zeitalter – auch vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung – durchaus seine Berechtigung, nämlich die Frage: Müssen private und kleingewerbliche WLAN-Anbieter wie Cafés dafür haften, wenn dritte Nutzer sich in ihrem Netz illegal verhalten, wenn solche Nutzer zum Beispiel illegal Musik oder Videos downloaden und damit gegen das Urheberrecht verstoßen? Warum sollte ein Kneipenwirt dafür belangt werden können, wenn ein Internetpirat in seinem WLAN-Netz Beute macht? Warum sollte der Kneipenwirt dafür kostenpflichtig abgemahnt werden und dafür schließlich auch noch kräftig Schadensersatz gegenüber dem geschädigten Rechteinhaber zahlen?

Dass ein solcher Fall bei einem betroffenen gewerblichen WLAN-Betreiber nicht gerade ein Anreiz ist, das Netz weiterhin anzubieten, und dass infolge solcher Vorkommnisse vielleicht der öffentlich zugängliche WLAN-Ausbau in Deutschland ins Stocken geraten könnte, vermag auf den ersten Blick denkbar zu sein. Schließlich ist die flächendeckende Versorgung von Kommunen und Städten mit frei zugänglichem Internet, wie sie jetzt zum Beispiel Kabel Deutschland und die Wall AG in Berlin mit der Einrichtung von Hotspots realisieren, auch ein interessantes Geschäftsmodell für die Telekommunikationswirtschaft und macht Städte und Gemeinden für Besucher und Gäste attraktiver.

(Anmerkung: Nuesslein scheint hier nur gewerbliche Nutzung im Blick zu haben. Eine Zurverfuegungstellung aus rein altruistischen Motiven scheint er nicht auf dem Radar zu haben.)

Nun sieht die Lösung der hellroten und der dunkelroten Genossen zunächst relativ einfach aus: Man erweitert einfach im Telemediengesetz den in § 8 definierten Kreis von Diensteanbietern, die von der Haftungspflicht ausgeschlossen sind – das sind im Wesentlichen die Accountbetreiber –, um die WLAN-Betreiber, ob gewerbliche oder private. Zusätzlich sollen WLAN-Betreiber von der sogenannten Störerhaftung ausgenommen werden; das heißt, geschädigte Rechteinhaber, zum Beispiel Musikverlage, sollen gegenüber dem Betreiber keinen Anspruch auf Unterlassung mehr haben. Das ist die eine Seite. Wie aber stehen dann die Rechteinhaber da, deren geistiges Eigentum dem zwar immer noch illegalen, faktisch aber beliebigen Zugriff von Nutzern schutzlos ausgeliefert wäre? Denn wo keine Haftung, da kein durchsetzbarer Schadensersatzanspruch. Diese Regelung würde bedeuten, dass Vergehen im Netz – seien sie zivilrechtlicher oder strafrechtlicher Art – erstens überhaupt nicht mehr zurückverfolgt werden könnten und zweitens nicht mehr geahndet werden könnten.

Nach derzeitiger Rechtslage kann wenigstens der Account des WLAN-Betreibers über dessen IP-Adresse zurückverfolgt werden, die diesem Betreiber eindeutig zuzuordnen ist. Dies ist bei den verschiedenen Nutzern, die sich mit dynamischen IP-Adressen in das WLAN-Netz einklinken, so nicht möglich. Denn sie sind nur während ihres Aufenthalts im Netz über ihre MAC-Adresse identifizierbar. Mit dieser gerätebezogenen Adresse lässt sich die Aktivität des Users nur nachweisen, während er noch im Netz ist.

Man müsste ihn also noch in flagranti beim illegalen Download erwischen, um ihm ein Vergehen zum Beispiel gegen das Urheberrecht nachweisen zu können. Selbst wenn es technisch möglich wäre, die einzelnen Nutzer im Nachhinein zu identifizieren – das heißt, wann welcher Nutzer welche Aktivität im Internet vorgenommen hat –, wäre dies aus datenschutzrechtlichen Gründen verboten. Dafür müsste der WLAN-Betreiber sozusagen auf Verdacht für alle Nutzer regelrechte Datenbanken mit Personendaten anlegen und speichern.

Das Telekommunikationsgesetz untersagt jedoch – zu Recht – die Erhebung nicht erforderlicher Daten. Darauf hat auch das Landgericht München in seinem Urteil vom 12. Januar 2012 (Aktenzeichen 17 HK O 1398/11) abgestellt.

In Ihrem Gesetzentwurf verteufeln Sie, geschätzte Linkskollegen, dass „Betreiber/innen von drahtlosen Netzwerken … die Mit-Nutzung ihrer Netze in aller Regel durch Verschlüsselungsverfahren unmöglich“ machen. Die Betreiber versuchten, „ihre Netze so gut als möglich abzuriegeln“. Ja, was sind das doch für böse Menschen! Gar nicht so sozial wie die guten Linken, die ja alles für alle öffnen wollen! Schlimm, so was! Ich weiß nicht, ob Sie, Frau Wawzyniak, Sie, Herr Korte, Sie, Frau Jelpke, oder Sie, Frau Pau, Ihr privates WLAN-Netz zu Hause einfach so von Ihren Nachbarn oder sonstigen Personen mitnutzen lassen wollen.

(Anmerkung: Netzpolitik.org wirft an der Stelle ein, dass MdB Wawzyniak genau das vorhat. Auch Freifunk basiert auf genau dieser Idee: Ein gemeinsames Netz aufzuspannen, innerhalb dessen einzelne NutzerInnen den privaten Netzzugang fuer die gemeinsame Nutzung zur Verfuegung stellen)

Das sehe ich jedenfalls schon mal aus ökonomischen Gründen nicht ein – soll sich der Nachbar doch einen eigenen Zugang besorgen –, aber vor allem aus Sicherheits- und, ja, aus Haftungsgründen.

Es ist schon heute so, dass „auch privaten Anschlussinhabern … aber eine Pflicht“ obliegt, „zu prüfen, ob ihr WLAN-Anschluss durch angemessene Sicherungsmaßnahmen vor der Gefahr geschützt ist, von unberechtigten Dritten zur Begehung von Urheberrechtsverletzungen missbraucht zu werden.“ Zwar muss der private Betreiber eines WLAN-Netzes seine Netzwerksicherheit nicht ständig auf dem neuesten Stand der Technik halten.
„Ihre Prüfpflicht bezieht sich daher auf die Einhaltung der im Zeitpunkt der Installation des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen“. So hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 12. Mai 2010 (Aktenzeichen I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens) gesprochen.

In diesem Verfahren ging es um einen WLAN-Betreiber, der sein WLAN nicht durch ein Passwort geschützt hatte und damit seine Prüfpflicht im gerade zitierten Sinne verletzt hatte. Der BGH hat hier angenommen, dass der Beklagte – also der WLAN-Betreiber – „nach den Rechtsgrundsätzen der sogenannten Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten“
– das sind nach geltendem Recht maximal 100 Euro – haftet. Der BGH weiter: „Diese Haftung besteht schon nach der ersten über seinen WLAN-Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzung. Hingegen ist der Beklagte nicht zum Schadensersatz verpflichtet. Eine Haftung als Täter einer Urheberrechtsverletzung hat der Bundesgerichtshof verneint, weil nicht der Beklagte“ – also der WLAN-Betreiber – „den fraglichen Musiktitel im Internet zugänglich gemacht hat. Eine Haftung als Gehilfe bei der fremden Urheberrechtsverletzung hätte Vorsatz vorausgesetzt, an dem es im Streitfall fehlte“, so der
BGH.

Die Rechteinhaber zum Beispiel von Musiktiteln oder Filmen haben also gegenüber WLAN-Betreibern unter bestimmten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch auf Unterlassung. Das ist die heißdiskutierte Störerhaftung des WLAN-Betreibers bei rechtswidrigen Handlungen Dritter. Wenn man den Rechteinhabern nach dem Willen der heute parlamentarisch vereinigten Linksfront diesen bereits eingeschränkten Rechtsanspruch nimmt, werden die WLAN-Betreiber auf Kosten der Rechteinhaber bessergestellt. Die bleiben nämlich auf ihrem Schaden sitzen.

Das kann es ja auch nicht sein.

Jetzt folgert die Linke daraus: „Im Ergebnis führt insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu, dass Funknetzwerke verschlüsselt werden und für die kostenfreie Mitnutzung nicht zur Verfügung stehen.“ Dabei gäbe es „eine Reihe guter Gründe … ihre Netze zur Mitnutzung zu öffnen“, unter anderem: „Private könnten ihre Netze insbesondere aus sozialen Motiven heraus öffnen, um insbesondere sozial benachteiligten Menschen den Zugang zum Internet zu ermöglichen.“

Wenn ich zwischen diesem Mutter-Teresa-Motiv 2.0 einerseits und den Risiken und Sicherheitsbedenken bei unverschlüsseltem WLAN-Netz andererseits abzuwägen hätte, wüsste ich schnell, dass ich mein Netz verschlüssele. Es geht bei privaten WLAN-Anbietern letztendlich auch um Verantwortung: Will ich mein Netz für alle öffnen, muss dann aber auch mit den eventuellen negativen Konsequenzen leben, oder sorge ich von vorneherein für Einschränkungen für Dritte, damit aber auch für meinen eigenen Schutz? Das muss letztlich jeder Einzelne für sich entscheiden.

(Anmerkung: Ich bin mir nicht sicher, ob Nuesslein hier polemisiert [gegenueber der Linken macht er das furchtbar gern], oder sich einfach nicht mit der Materie beschaeftigt hat; ich tippe auf Letzteres. Es geht ja in erster Linie nicht darum, das gesamte Heimnetzwerk ungesichert zu lassen, sondern beispielsweise ein geschuetztes Netzwerk fuer den Hausgebrauch aufzuspannen, und ein zweites fuer oeffentlichen Zugang anzubieten. Zwei Service Sets auf einem Geraet anbieten zu koennen ist heute kein aussergewoehnliches Feature mehr, das kann selbst die FritzBox im Werkszustand)

Ich denke, die wesentliche Problematik ist in dieser Debatte klargeworden: hier Haftungsbürde bei unverschuldet schuldigen WLAN-Betreibern, da Anspruch von Inhabern geistigen Eigentums im Netz auf Entschädigung im Missbrauchsfall. Die Entscheidung, ob und in welchem rechtlichen Rahmen wir hier tätig werden müssen, sollte nicht übers Knie gebrochen werden. Gründlichkeit geht bei solchen Haftungsfragen klar vor Schnelligkeit. Ob und wie das im Telemediengesetz geregelt werden muss, prüfen wir in nächster Zeit ausführlich. Hoppla hopp nach dem Willen von Sozialdemokraten und Sozialisten ist sicherlich die falsche Entscheidung.

Wir wollen ja nicht für etwas haftbar gemacht werden, was uns und den Betroffenen früher oder später auf die Füße fallen kann, nicht wahr?