Die Piraten und die Feuerwehr

Bei der Piratenpartei wird zur vollkommenen Nicht-Ueberraschung aller einmal wieder eine Sau durchs Netzdorf getrieben; dieses Mal heisst sie „Bezahlung von Parteipersonal“. Die ist nicht neu, aber aktuell laeuft sie wieder, seit Johannes Ponader von seinen ParteikollegInnen auf Spendenbasis finanziert werden moechte.

Das schlaegt einige Wellen — nicht zu Unrecht. Aber neben der Frage, ob nun er finanziert werden soll und wie er finanziert werden soll (diese Art von Maezenatentum ist zumindest spannend) stellen auch einige die Frage, ob man fuer parteiliche Arbeit ueberhaupt finanziert werden soll. Ja, sagen die einen, alles andere waere Ausbeuterei. Und die Nein-Sager ziehen bisweilen interessante Vergleiche:

 

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ja, das ist bei der Feuerwehr auch so. Ob sich das freiwillige Feuerwehrwesen noch lange in seiner jetzigen Form — insbesondere in Flaechenlaendern wie Bayern — halten koennen wird, halte ich fuer fragwuerdig.

In den 1950ern, als eine Feuerloeschkreiselpumpe mit Abgasstrahler noch mit eines der kompliziertesten Geraete im Feuerwehrdienst war und ein Standard-Loeschangriff aus klassischen drei Rohren von aussen in die Bude spritzte, war das alles noch einfacher. Heutzutage sind hydraulisches Rettungsgeraet, Pressluftatmer, Abseilgeraete, computergesteuerte Schaumzumischanlagen und dergleichen schon lange nicht mehr High-Tech, sondern quasi Standardausruestung. Mittlerweile sorgen allein die Instandhaltungsarbeiten, Fort- und Ausbildungen rund um das Atemschutzwesen in meiner beschaulichen kleinen Feuerwehr fuer einen Aufwand von knapp 600 Personenarbeitsstunden zusaetzlich zu den „normalen“ Aus- und Fortbildungen, Uebungen und Einsaetzen. Aehnlich sieht es bei den Fahrzeug- und Geraetewarten aus, und die umfangreichen Dokumentationspflichten des Feuerwehrkommandos kenne ich aus leidlicher Erfahrung selbst sehr gut.

Dass Boomel ausgerechnet die Feuerwehren, in denen seit Jahren Rufe nach bezahlten Fachwarten oder Aufwandsentschaedigungen laut werden, als Positivbeispiel fuer eine seiner Ansicht nach nicht notwendige Entlohnung von Parteifunktionen heranzieht, finde ich jedenfalls eher belustigend.

(In Baden-Wuerttemberg gibt es solche Entschaedigungen uebrigens vielerorts. Manchmal muss man einfach nur einmal ueber den bayerischen Horizont hinaussehen.)

2 Gedanken zu „Die Piraten und die Feuerwehr

  1. Boomel

    Sorry wenn du dir jetzt Feuerwehren als Beispiel rauspickst. Ich kenne das nur aus meinem 8000-Seelen Heimatort.

    Fakt ist: 96 Mrd Arbeitsstunden Ehrenamt gegen 56Mrd Arbeitsstunden Erwerbsarbeit sind nicht bezahlbar in Deutschland.

    Bei elementaren Dingen wie der Feuerwehr kann man ja diskutieren, aber willst du einer Ortsgruppe der SPD die Arbeit verbieten wenn die Plakate kleistert? So kommt nämlich diese ganze Sache jetzt in Richtung Piraten rüber…

    Piraten arbeiten freiwillig. Bis in die obersten Ebenen, weil wir dieses Land verändern wollen. Wer das mit Formalien und Ausbeutung gleichsetzt kommt mir sehr suspekt rüber… du verstehst?

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    1. stk Beitragsautor

      Ich kenne die Feuerwehr aus meinem 5000-Seele-Heimatdorf, hatte aber das Glueck, unter/mit Kiebele zu arbeiten (den vielleicht einige in Bayern noch kennen) und ueber den ich viel gelernt habe.

      Die Frage, die sich mir in der Diskussion stellt ist eher die, wie Politik ueberhaupt leistbar sein soll. Gaebe es ein BGE, waeren alle diese Fragen relativ schnell beantwortet — sowohl Feuerwehr als auch Politik muessten in der Zeiteinteilung der Beteiligten nicht mehr ganz so krass mit der Erwerbsarbeit konkurrieren, wie das derzeit ab einer gewissen Schwelle der Fall ist.

      Wir haben aber — noch — kein BGE. Und der selbstauferlegte Anspruch, ehrenamtlich „bis in die obersten Ebenen“ arbeiten zu wollen ist ein hehrer. Ich halte ihn aber fuer wenig durchdacht — oder einfach nur aus Sicht derjenigen Privilegierten gedacht, die sich das im wahrsten Sinne des Wortes „leisten koennen“. Das sind aber halt schlichtweg nicht alle. Und spaetestens da faengt das Problem an.

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