Archiv für den Monat: August 2012

Wenn Manfred Spitzer Studien zitiert

Eine kleine Ergaenzung zum Artikel von neulich ueber Manfred Spitzer und seine populaerwissenschaftlichen Haudraufaussagen Medienauftritte: Beat Doebeli reagiert auf Spitzers ZDF-Auftritt und zerlegt muehelos en passant eine seiner aktuellen Kernthesen.

Fazit:

Spitzers Vorgehensweise ist in keinster Art und Weise hilfreich zur Lösung der tatsächlich vorhandenen Herausforderungen im Zusammenhang mit Computer und Internet in Schule und Gesellschaft.

Als Wissenschafter stört mich zudem,dass er sich dauernd auf seine Wissenschaftlichkeit beruft, aber gleichzeitig sehr schludrig und unwissenschaftlich vorgeht. Das schadet auch dem Ansehen der Wissenschaft.

Addendum // Die Zerpflueckung geht weiter. Guido Brombach stellt passende Gegenstudien vor. Besonders schoen: Die Lesekompetenz steigt „trotz“ (oder wegen?) der Nutzung digitaler Medien. Das Argument, dass die „Auslagerung von Wissen“ spaetestens mit dem Buchdruck begonnen hat, gefaellt mir auch.

Leseempfehlungen

Offene Daten und Nahverkehr

  • Are Our Transit Map Tricking Us? — Verzerrte Innenstaedte, schematische Fehlvereinfachung: Oft sind Distanzen auf Nahverkehrsschemakarten in der Realitaet ganz anders als sie auf der Karte scheinen. Selbst „erfahrene“ Fahrgaeste nutzen deswegen bisweilen suboptimale Routen und Umstiege. Kann man das nutzen, um Fahrgastverhalten zu beeinflussen? Moeglicherweise ja. (via @lorz)

Genderpopender

  • I was a teenage sexist — Jenn Frank rekapituliert ihre Jugend-Abneigung gegen „Emanzen“ und wie sich das aendert, als sie, hm, in gewisse Schusslinien geraet.
  • Quoten, Piraten, Hierarchie und Netzwerk — „Wie geht man mit einem nicht-hierarchischen, auf Konsens bauenden Idealbild an Strukturen in der Gesellschaft ran, die hierarchisch sind?“

Gesellschaft

  • Muell hat einen Namen: Nespresso — „Sind die Jungs irre? Für 60 Euro bekomme ich wilden, handverlesen Dschungel-Kaffee mit Öko-Premium-Siegel, der so fair gehandelt wurde, dass ein äthiopischer Kaffeesammler seine Kinder in Berlin Theaterwissenschaften studieren lassen kann.“
  • What happens to stolen bicycles? — „For all practical purposes, stealing a bike is risk-free crime.  It turns out there is a near zero chance you will be caught stealing a bike and if you are, the consequences are minimal.“ (via)

Tech

  • The History of the Floppy Disk — Schoener Einblick in Designempfehlungen. Zum Beispiel, dass die 5¼-Zoll-Diskette gerade so nicht mehr in eine Hosentasche passen sollte. (via)
  • Using Twitter to Build Password Cracking Wordlist — Eine simple Wortanalyse auf eine Handvoll militaerischer Begriffe auf Twitter sorgt fuer 1978 unique Passworttreffer in einer gestohlenen Militaer-Partnerboersen-Mitgliedertabelle.
  • Vater zeigt seinen Kindern X11 — schon etwas aelter: Dieser Vater hat fuer seinen damals dreijaehrigen Sohn eine Linux-Maschine nur mit Kommandozeile eingerichtet. Nun bekommen er und sein zweijaehriger kleiner Bruder zum ersten Mal xmonad gezeigt.
  • The 5 Minutes Guide to Pointers in C — fuer Leute wie mich, die damals etwas laenger brauchten.

Was alles gehen wuerde, wenn man wollte

In einem kleinen Haeuschen bei Ulm tickt eine Uhr. Wenn es leise ist, wird das ticken irgendwann ziemlich penetrant. Aber wie das so ist bei regelmaessigen Geraeuschen, gewoehnt man sich irgendwann so sehr daran, dass man es ueberhaupt nicht mehr wahrnimmt.

So geht es vermutlich einer der beiden Bewohnerinnen dieses Hauses. Die andere hoert die Uhr auch nicht. Sie ist naemlich gehoerlos.

Jule bin ich erstmals um 2001 herum in einem Ulmer IRC-Kanal begegnet, und das waren meine ersten Schritte ueberhaupt hin zu Fragen, wie eigentlich Menschen mit Behinderung ihren Alltag erleben. Ich steckte damals mitten in meiner feuerwehrtechnischen Grundausbildung und war ueberrascht, dass Gehoerlose auch einen Fuehrerschein machen koennen — war mir doch immer wieder eingeblaeut worden, dass das Wegerecht im Einsatzfahrzeug einzig und allein dann zum Tragen kommt, wenn zu den Kennleuchten auch das Folgetonhorn zugeschaltet wird. Dass Gehoerlose viel sensibler auf den optischen Reiz der Blaulichter reagieren, fand ich faszinierend.

Etwa in dieser Zeit gingen auch einige Sirenen hier in Sueddeutschland wieder in den Bevoelkerungswarndienst. Der eigentliche Warndienst war in den 1990er Jahren nach Ende des kalten Kriegs aufgeloest worden, und die frueher dem Bund (bzw. der Bundespost) zugeschlagenen Sirenen in kommunale Hand uebergegangen, die die Sirenen meist nur als „Rueckfallebene“ fuer die Feuerwehralarmierung nutzte, wenn aus irgendwelchen Gruenden die stille Alarmierung nicht ausreichen sollte.

Um den Jahrtausendwechsel stellte man aber in Bayern fest, dass man die Sirenen auch in einem gewissen Umkreis um Betriebe mit einem Gefaehrdungspotenzial im Schadensfall wieder zur Bevoelkerungswarnung heranziehen koennte, und so wurden in dieser Zeit viele Sirenen im Landkreis Neu-Ulm (meines Wissens sogar alle) umgeruestet, um per Fernwirkempfaenger auch das Signal „Warnung der Bevoelkerung“ ausloesen zu koennen.

Nun habe ich mit Sirenen so ein bissel ein Problem. Fast alle deutschen Sirenenanlagen greifen auf die E57 zurueck, deren Reichweite in Stadtgebieten oft bei 500 Metern Radius schon an ihre Grenzen stoesst. „Verstaerkersirenen“, um die spaerliche Restbebauung aus Warnamt-Zeiten zu unterstuetzen, wurden quasi nie nachgeruestet. Hinzu kommen dreifach- oder vierfachverglaste Fenster — und wer dann noch einen Film auf der Surround-Anlage ansieht, muss auf eine ruhige Stelle im Film hoffen, um ueberhaupt die Warnung zu hoeren.

Und wer gehoerlos ist, hat ohnehin Pech.

Ein weiterer Nachteil des Sirenenwarnsystems ist, dass ueberhaupt keine Information abseits des „Rundfunkgeraete einschalten!“ uebermittelt werden kann. Selbst dieses „Rundfunkgeraete einschalten“ ist eine reichlich naive Vorstellung. Im Juni 2012 schaltete ein Disponent der hiesigen Leitstelle versehentlich schon in der Nacht zum Samstag die eigentlich fuer den naechsten Mittag geplante Warn-Probealarmierung „scharf“ und loeste so nachts um zwei einen Heulton fuer saemtliche Sirenen im Landkreis aus.

Die ueberraschten Einsatzkraefte im Landkreis konnte der arme Tropf von Disponent zwar direkt nach der Alarmausloesung ueber Funkspruch beruhigen, die Bevoelkerung an sich bekam aber keinerlei Informationen. Das zustaendige Polizeipraesidium Schwaben Sued/West gab immerhin rund 20 Minuten nach dem Alarm eine Sofort-Pressemitteilung heraus, dass es sich um einen Fehlalarm gehandelt habe — bei den lokalen Rundfunkstationen, die kontaktiert werden sollten, wurde aber schlichtweg niemand erreicht, da diese zu so spaeter Zeit ihr Programm allesamt aus der Konserve fahren. Selbst im Realfall haette die Bevoelkerung, pflichtbewusst wie per Sirene aufgefordert das Radio anschaltend, keinerlei weitere Information erhalten.

Endlich also einmal ein Fall, wo Gehoerlose nicht einmal einen Nachteil relativ zu den Hoerenden gehabt haetten.

Die Problematiken der Bevoelkerungswarnung ueber Sirene sind seit Jahren wenn nicht Jahrzehnten bekannt. In den USA gibt es mittlerweile das weitgehend automatisierte Emergency Alert System, das auch ueber Fernseher oder Wetterfunkempfaenger warnen kann. Der Vorgaenger Emergency Broadcasting System aus dem kalten Krieg war derweil von aehnlichen Erreichbarkeits- und Umsetzungsproblemen in den Rundfunkstationen geplagt, und auch die ausbleibende Warnung/Information per EAS nach dem 11. September 2001 machte auf KritikerInnen keinen guten Eindruck. Immerhin hat das System aber eine Weckfunktion und kann sowohl per Ton als auch per Text Informationen ausgeben. Das sieht dann etwa so aus.

In Deutschland laboriert man derweil immer noch an einem Warnsystem herum, das auch ohne Sirenen auskommt. Das BBK hatte vor rund 20 Jahren begonnen, ein System fuer die Verbreitung von Warnmeldungen per Rundfunk aufzubauen, und SatWaS ist seit 2001/2002 theoretisch auch „fertig“ und sendet munter Testuebertragungen — an angeschlossene, klassische Rundfunkstationen. 2004 gab es einen Feldversuch, SatWaS-Warnungen auch ueber den Zeitzeichensender DCF77 zu uebertragen — meines Wissens wurde nie weiter etwas daraus, die hierfuer herangezogenen ersten 14 Sekundenmarken des Zeitsignals dienen mittlerweile zur (proprietaeren) Uebertragung von Wettervorhersagen fuer hierfuer ausgeruestete Heim-Wetterstationen.

Die DCF77-Uebertragung haette sowieso noch weitere Tuecken gehabt: Innerhalb eines Drei-Minuten-Zeitfensters sollte hier zunaechst eine grobe Region und danach eine feiner aufgeloeste Ortsangabe fuer den Alarm uebermittelt werden. Erstens fehlte hier also wieder jegliche weitergehende Information darueber, welche Art von Warnung hier ausgesprochen werden soll, so dass man wieder von einem weiteren Kanal wie Rundfunk abhaengig waere. Zweitens muesste der Empfaenger zumindest grob den eigenen Standort kennen, um gegebenenfalls einen Weckalarm auszuloesen — oder es wuerde immer alarmiert werden und den Benutzern ueberlassen, herauszufinden, ob sie denn nun gemeint sind.

Per Handy geht so etwas auch: Ein Beispiel ist das vom Fraunhofer FOKUS zusammen mit dem VoeV entwickelte KatWarn, das meines Wissens auch von Jule propagiert wird. Interessierte koennen sich beim System registrieren, das dann im Warnfall eine SMS ausliefert — sofern denn die warnenden Stellen Teil von KatWarn sind. Auch hier wieder das Problem, dass man sich explizit anmelden muss und ein Standortwechsel auf Anwenderseite aktiv gemeldet werden muss.

In Zeiten von Smartphones schlaegt man sich bei solchen Verfahren manchmal schon ein wenig an den Kopf. Ein ueber seinen Standort informiertes Geraet koennte ueber passende Verfahren (Jehova!) Warnmeldungen passend zum Aufenthaltsort gepusht bekommen. Wer meint, das sei ja viel zu modern fuer so richtig behoerdenfeste Spezifikationen: Nichts grundliegend anderes machen beispielsweise OPNV-Busse, wenn sie Echtzeitdaten per VDV-454 mit der Betriebsleitstelle austauschen. Denkbar waere auch eine Anmeldung am jeweils zustaendigen Ort und danach die Auslieferung der Warnungen per SMS statt internetbasierender Nachricht. In jedem Fall ist all dies ein Fortschritt gegenueber der bestehenden Situation.

Ende 2004 hatten einige Kollegen und ich die Idee, die Ausgabe der Warnung einfach seitens der zustaendigen Leitstelle und der Landratsaemter per RSS zu vollziehen. Die ausloesenden DisponentInnen geben ohnehin eine Kurzbeschreibung ein — warum diese nicht an einem zentralen Punkt veroeffentlichen, wo sie auch von Dritten aufgegriffen und syndikalisiert werden kann? Genauso verhaelt es sich beim Landratsamt: Die Katastrophe ist ja in erster Linie ein Verwaltungsakt, der vom Landratsamt vollzogen wird und danach fuer viele hilfreiche Folgen sorgt.

(Exkurs: Wenn also in der Presse die Rede davon ist, dass von offizieller Stelle „Katastrophenalarm ausgeloest wurde“, heisst das in der Regel nichts weiter, als dass der Katastrophenfall erklaert wurde. Das hat in erster Linie Rechtsfolgen, naemlich dass die Landeskatastrophenschutzgesetze angewandt werden koennen. In Bayern fliesst ab diesem Zeitpunkt viel einfacher Geld fuer die Schadensregulierung, aber auch fuer die Verpflegung der eingesetzten HelferInnen. Ausserdem kann in Bayern ab diesem Zeitpunkt einE vorab bestimmte Oertliche EinsatzleiterIn die Fuehrung ueber alle eingesetzten Kraefte zur Gefahrenabwehr uebernehmen. Mit Weltuntergang oder aehnlichem hat dieser Verwaltungsakt eher weniger zu tun, genausowenig ist er ein Verzweiflungsakt. Aber es schreibt sich halt schoen, wenn man keine Ahnung vom Katastrophenschutz hat, und es sorgt fuer Dramatik.)

Bei unserer Idee zur Internet-Veroeffentlichung der Warnung ging es einfach nur darum, einen Anlaufpunkt fuer die Alarmmeldung zu haben: Welche Art von Schadensfall liegt denn vor? Was ist der offizielle Hinweis des Landratsamtes (wenn er denn kommt)? Die Grundidee war klar: Anstelle darauf zu warten, dass der zustaendige Rundfunksender die offizielle Mitteilung an ihm passender Stelle verliest, einfach die offizielle Mitteilung fuer alle BuergerInnen zu jeder Zeit an bekannter Stelle aufrufbar machen.

Solche Veroeffentlichungspunkte gibt es aber kaum. Gestern, bei der Sprengung der Fliegerbombe in Schwabing, fuhr die Feuerwehr offenbar vorab herum und warnte HoergeraetetraegerInnen, diese doch nun herauszunehmen. Per Lautsprecher. Ich bekam beinahe-live eine Audioaufnahme der Durchsage — und verstand maximal die Haelfte davon.

(Ueberhaupt, gestern. Ich bin begeistert. So viel Bilder, Berichte, Videos per Twitter und IRC gestern. Hier ein Sprengvideo, auf dem man auch die Durchsage hoert.

Sprengung der Fliegerbombe / Schwabing, München / 28.8.2012 from Simon Aschenbrenner on Vimeo.

Internet. Hach.)

Jedenfalls.

Wir gingen also mit dieser Idee an die zustaendigen Stellen™. Kreisbrandinspektion und Landratsamt, beispielsweise. Wo man so gar nicht begeistert war. Wie koenne man denn garantieren, dass niemand irgendeine Falschmeldung bekaeme, die jemand anders auf einer passend aussehenden Seite veroeffentliche? Und ueberhaupt, warum sollten da andere diese Meldung uebernehmen duerfen? Am Ende wuerde die ja dann quasi verbreitet, oder so.

Endgueltig die Hutschnur platzte mir irgendwann in einem laengeren Gespraech mit einer Feuerwehrfuehrungskraft auf Kreisebene, mit der ich mich persoenlich eigentlich ganz gut verstehe — die mir aber sehr ausfuehrlich und schmerzhaft erklaerte, warum das nicht funktionieren koenne. Man muesse naemlich Ausfallsicherheit gewaehrleisten koennen, und Fehlalarmsicherheit, und das sei alles nicht so einfach, und es gebe ja jetzt die Versuche ueber DCF, und das Radio sowieso, darauf muesse man sich halt dann auch verlassen.

Das ist also der Grund, warum man auch 2012 noch weiter an SatWaS und alarmierenden Funkuhren herumlaboriert, die dann auch nichts anderes koennen, als zu piepsen, dass irgendwo was ist, wovor gewarnt werden soll. Und mit Sirenen, die einem bedeuten, das Radio einzuschalten, wo dann etwas kommt oder auch nicht.

Traurig.

Epilog.

Auf dem Dach eines Hauses in Japan tickt ein Geigerzaehler. Auch dieses Ticken hoert niemand, denn es macht sich erst gar nicht die Muehe, aus einem Lautsprecher zu kommen, sondern verschwindet in einem Datenlogger.

Hunderte NutzerInnen in Japan hatten nach dem Reaktorunglueck von Fukushima den offiziellen Angaben zur Strahlenbelastung nicht geglaubt — und eigene Messstationen aufgebaut. Dass so tatsaechlich ein relativ dichtmaschiges Messnetz werden wuerde, haette kaum jemand vorher gedacht.

Sind die offiziellen, staatlichen Stellen nicht in der Lage, ihren BuergerInnen zeitnah die Informationen zu liefern, die sie in diesem Moment brauchen, ist das eigentlich ein Indiz dafuer, dass sie sich fuer diesen speziellen Zweck ueberfluessig gemacht haben.

Addendum // Christian Gries berichtet aus Sicht eines Schwabinger Anwohners genau das bekannte Problem: Lautsprecherfahrzeuge fahren ab und zu scheppernd (und nur Deutsch benutzend) vorbei, in Radio und Fernsehen kommt auch nur alle x Minuten irgendetwas und man muss zufaellig gerade davor sitzen, um etwas mitzubekommen. Online-Nachrichtenportale und Twitter waren Informationsquelle der Wahl. Den Schluss, als KatS-Behoerde Twitter und Facebook bespielen zu muessen, teile ich so unmittelbar nicht — gerne aber, einen offiziellen Nachrichtenanlaufpunkt zu haben, der dann per RSS auch Social-Media-Kanaele bespielt.

Neil Armstrong und die Fotos

Auf Twitter konnte man der Meldung gestern ebensowenig entgehen wie der Aberkennung der Tour-De-France-Titel eines anderern Armstrong vor einigen Tagen: Der erste Mensch, der auf dem Mond war, ist tot. Zeit fuer wunderbare Mond-Bilder auf Seite 1 der… naja, wohl Montagsausgabe der meisten deutschen Zeitungen.

Charles Apple, seines Zeichens freelance visual journalist, warnt derweil davor, allzu ikonische Mondlandungsbilder unhinterfragt zu verwenden. Der Mondfahrer mit dem goldenen Visor im Weltraumanzug? Buzz Aldrin. Und das Foto ist dazu auch noch manipuliert — im Original ist der Kopf abgeschnitten. Der Fussabdruck im Mondstaub? Oft auf dem Kopf verwendet oder nachtraeglich coloriert. Und dazu noch der von Buzz Aldrin.

Das dpa-Paket scheint alle Bilder richtig zuzuordnen, wenn man annimmt, dass die oertliche Zeitung alle Bildunterschriften 1:1 uebernommen (und „Foto: SWP“ dazugeschrieben) hat; im Zweifelsfall mit geschickten Auslassungen und nicht-ganz-Behauptungen. Wer mag, kann aber mit diesem Blog-Wissen am Montag aufmerksam den oertlichen Kiosk ueberfliegen.

(via)

Die Piraten und die Feuerwehr

Bei der Piratenpartei wird zur vollkommenen Nicht-Ueberraschung aller einmal wieder eine Sau durchs Netzdorf getrieben; dieses Mal heisst sie „Bezahlung von Parteipersonal“. Die ist nicht neu, aber aktuell laeuft sie wieder, seit Johannes Ponader von seinen ParteikollegInnen auf Spendenbasis finanziert werden moechte.

Das schlaegt einige Wellen — nicht zu Unrecht. Aber neben der Frage, ob nun er finanziert werden soll und wie er finanziert werden soll (diese Art von Maezenatentum ist zumindest spannend) stellen auch einige die Frage, ob man fuer parteiliche Arbeit ueberhaupt finanziert werden soll. Ja, sagen die einen, alles andere waere Ausbeuterei. Und die Nein-Sager ziehen bisweilen interessante Vergleiche:

 

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Ja, das ist bei der Feuerwehr auch so. Ob sich das freiwillige Feuerwehrwesen noch lange in seiner jetzigen Form — insbesondere in Flaechenlaendern wie Bayern — halten koennen wird, halte ich fuer fragwuerdig.

In den 1950ern, als eine Feuerloeschkreiselpumpe mit Abgasstrahler noch mit eines der kompliziertesten Geraete im Feuerwehrdienst war und ein Standard-Loeschangriff aus klassischen drei Rohren von aussen in die Bude spritzte, war das alles noch einfacher. Heutzutage sind hydraulisches Rettungsgeraet, Pressluftatmer, Abseilgeraete, computergesteuerte Schaumzumischanlagen und dergleichen schon lange nicht mehr High-Tech, sondern quasi Standardausruestung. Mittlerweile sorgen allein die Instandhaltungsarbeiten, Fort- und Ausbildungen rund um das Atemschutzwesen in meiner beschaulichen kleinen Feuerwehr fuer einen Aufwand von knapp 600 Personenarbeitsstunden zusaetzlich zu den „normalen“ Aus- und Fortbildungen, Uebungen und Einsaetzen. Aehnlich sieht es bei den Fahrzeug- und Geraetewarten aus, und die umfangreichen Dokumentationspflichten des Feuerwehrkommandos kenne ich aus leidlicher Erfahrung selbst sehr gut.

Dass Boomel ausgerechnet die Feuerwehren, in denen seit Jahren Rufe nach bezahlten Fachwarten oder Aufwandsentschaedigungen laut werden, als Positivbeispiel fuer eine seiner Ansicht nach nicht notwendige Entlohnung von Parteifunktionen heranzieht, finde ich jedenfalls eher belustigend.

(In Baden-Wuerttemberg gibt es solche Entschaedigungen uebrigens vielerorts. Manchmal muss man einfach nur einmal ueber den bayerischen Horizont hinaussehen.)

Populistenhirnforscher

Manfred Spitzer ist Hirnforscher an der uuulm und bekannt fuer seine steilen Thesen insbesondere was die Nutzung „neuer“ Medien auf die geistige Entwicklung angeht. Die verpackt er gerne in populaerwissenschaftliche Buecher, wobei die Betonung hierbei eher in Richtung „populaer“ als „wissenschaftlich“ geht.

Ich finde das aergerlich, weil er mit seinen Buechern und Fernsehauftritten erstens seinen Namen herumtraegt (Hallo Funding!) und auch die oeffentliche Debatte mitpraegt — allem Anschein nach wissend, dass seine dortigen Argumentationen verkuerzt und einseitig sind und das billigt. Ich haette gerne einmal eine ordentliche wissenschaftliche Literaturkritik seiner Buecher gehabt, die diese Argumentationsspruenge bewertet. Martin Lindner hat einen ersten Schritt dahin getan und auf G+ veroeffentlicht.

Trampen durch Daenemark

Die Tramperei nach Kopenhagen durchzieht sich bislang ziemlich arg mit im Nachhinein nicht ganz so optimalen Entscheidungen.

Die erste war schon einmal, erst waehrend der Woche bei Undine anzufangen, Couchsurfing-Anfragen zu schreiben. Das kostete dort viel Zeit am Rechner und war ausserdem reichlich spaet. Fazit: Niemand kann/will uns so kurzfristig unterbringen.

Fehler Nummer zwei: Am Freitag gab es in Rostock Bier. Viel Bier. Und einen unerwarteten Gast von der Uni Rostock, den wir bei der Bildungsmesse in Ulm kennengelernt hatten. Es war spaet. Echt spaet. Und der Kater am Morgen gross. Und das mit dem „frueh losziehen“ klappte dann auch nicht. Und Kronen hatten wir am Freitag auch noch keine getauscht. Und eine Daenemark-Karte auch dann erst am Samstag morgen gekauft. Und dann den Expressbus zur Faehre (mit Expressbusaufpreis) statt der S-Bahn genommen. Letztlich waren wir erst 1500 Uhr am Faehrhafen, was uns auf die Idee brachte, nur einen Lift bis zur Insel Møn zu suchen und dort auf dem kostenlosen Rastplatz zu campieren. Das so fuer uns schon festgelegt zu haben sollte dann nochmal ein Fehler werden.

Einen Lift von Rostock nach Gedser zu bekommen ist… durchwachsen. Viele haben wohl ihre Tickets online gebucht und eine Personenanzahl draufstehen, was angeblich nix macht, aber offenbar vom Mitnehmen abhaelt. Juliane bekam einen Lift — in einem Zweisitzer bei Thomas, einem redseligen ehemaligen Ostberliner, der auf dem Weg nach Schweden zu seinem selbstgebauten Blockhaus war und eigentlich direkt ueber Kopenhagen fahren wuerde. Aber eben nur mit einem Passagier.
Ich versuchte mein Glueck noch vor der Info/Ticketausgabe, hatte aber keinen Erfolg — also buchte ich ein Fussgaengerticket und versuchte, auf der verspaeteten 1700-Faehre einen Lift zu bekommen. Den bekam ich dann auch direkt nach der ersten Ansprache: Eine Gruppe Theaterleute auf dem Rueckweg aus Berlin war mit einem Bus auf der Faehre und hatte Platz fuer Juka und mich — im Zweifelsfall bis Kopenhagen.

Ich winkte ab — schliesslich hatten wir momentan noch weder Couchsurfinghost noch Hostel in Kopenhagen, und anstatt einfach nach Tipps (oder vielleicht einem Hinterhof fuers Tarp) zu fragen, erzaehlte ich nur vom Plan, bei Farø die Autobahn verlassen und dort lagern zu wollen. So lief das dann auch, und so betraten wir gegen 2000 Uhr zum ersten Mal im Leben daenischen Boden. Ohne eine einzelne Krone in der Tasche.

Dank des dortigen kostenlosen Lagerplatzes (was in Daenemark offenbar wirklich selten ist), brauchten wir auch keine — das Tarp genuegte, um einen Sonnenuntergang ueber der Ostsee betrachten zu koennen, bevor wir einschliefen.

Aus Farø wegzukommen, gestaltete sich dann wieder etwas… schwierig. Das Hitchwiki hatte schon gewarnt; dass es so absurd schlecht sein wuerde, hatte ich aber nicht gedacht. Nach knapp 1:20 h (und einer abgelehnten Gelegenheit nach Rødbyhavn, wo es weiter nach Fehmarn gegangen waere) mit unserem „Anywhere“-Schild (das zumindest Laecheln und Winken provozierte), nahmen wir die Gelegenheit wahr, eine Anschlussstelle weiter nach Sueden zu fahren. Dort ging es ueberraschenderweise schon nach zehn Minuten weiter bis Lellinge, rund 40 Kilometer vor Kopenhagen. Diese Ausfahrt stellte sich wiederum als absoluter Albtraum fuer Tramper heraus: Eine Ampel vor allen Auf- und Abfahrten, keine sinnvolle Stoppmoeglichkeit auf der Auffahrtsrampe, viel Kopfschuetteln. Also beschlossen wir, einfach die paar Kilometer Richtung Strand nach Køge zu wandern — schliesslich stand dort mal das erste daenische Elektrizitaetswerk :>

(und neben einer Aufspannmoeglichkeit fuer unser Tarp gabs’s auch einen Strand. Nicht so toll wie Kopenhagen, zugegeben.)

Die letzten Kilometer heute morgen von Køge nach København liefen dagegen fuer daenische Verhaeltnisse wunderbar: Nach 35 Minuten an der Landstrasse [sic] hatten wir einen Lift direkt bis an die Tuer unseres (schweineteuren, aber ganz okayen) Hostels, der sogar extra noch ein paar Umwege fuhr, um uns erst einmal eine kleine Stadtrundfahrt aus dem Auto bieten zu koennen.

Und hier haben wir heute erst einmal neun Stunden lang getan, was wir am besten koennen.

Gammeln:

Bier trinken:

Schiffe gucken in Verbindung mit Rettungsgedoens (wow!)

Eine ausfuehrliche Stadttour haben wir bereits hinter uns; die paar Kronen, die wir nach einem Tag in Daenemark dann doch abgehoben haben, beinahe ganz fuer Essen und Bier (2 EUR pro 0,5-Liter-Dose! Die spinnen!) ausgegeben — und sind jetzt erst einmal todmuede.

Wie man hier zu sagen pflegt: „Jeg taler ikke dansk!“. Oder so aehnlich.

In Rostock kann man…

(kleiner Versuch, mal aufzuzaehlen, was man in dieser Stadt alles machen kann. Fuer sich jetzt hoffentlich angesprochen fuehlende Zweifler in Ulm 😉 )

In Rostock kann man…

…baden geh’n

…Moewen seh’n (na gut, schluss mit den Reimversuchen)

…Schiffe gucken

…Brombeer’n pfluecken (was? das ist doch nichtmal ein Reim!)

…sein Bier im Hafen kuehlen

…Kunsteinkaeufer spielen (ich komm dafuer sicher in die Hoelle)

…Kuchen backen

…schwer versacken (Ah! Ich kann nicht mehr aufhoeren!)

Aehmja. Sorry 😀

Danke nochmal an Gastgeberin Undine, deren Gastfreundschaft wir mit unserem etwas unklaren Ab-/Weiterreiseplan auch ein wenig ueberstrapaziert haben duerften. Dazu spaeter noch etwas — ich sitze hier auf einer Parkbank in Kobø Køge (kurz suedlich von Kopenhagen) und habe kaum noch Akku 😉