Friede, Freude, Pflastersteine

das Dossier titelt ueber die Blockupy-Proteste in Frankfurt. Bei denen legten zwar die Behoerden eine Stadt tagelang teilweise illegal, immer jedoch martialisch auftretend lahm, die herbeibeschworenen Gewaltexzesse seitens der Demonstrierenden blieben jedoch aus.

Nun kann man solch ein Ergebnis immer auf zwei Arten interpretieren. Die Verfechter von Law&Order begruenden das friedliche und entspannte Wochenende mit dem entschiedenen Auftreten der Polizei, die selbst das Verteilen von Grundgesetzen als einen potenziellen Angriff auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung verstand und wenigstens mit Personalienaufnahmen darauf reagierte.

Die Befuerworter der Versammlungsfreiheit halten dagegen das Polizeiauftreten fuer einen gezielten Einschuechterungsversuch, um „demonstrationsunerfahrene“ Bevoelkerungsgruppen von der Wahrnehmung ihrer Rechte abzuschrecken.

Die Demonstrationen blieben indes friedlich. „Bunt“, ein gerne gebrauchtes Wort, das genausogut „fad“ lauten koennte. Jedenfalls fuer die dritte Partei, die in der Bewertung und Rezeption einer jeden oeffentlichkeitswirksamen Aktion beinahe noch wichtiger scheint als Demonstrierende und Ordnungsbehoerden: Die Medien.

Fuer Die Medien™ war Blockupy genau das. Friedlich. Bunt. Fad. Das interessiert eben keinen: Keine Gewaltexzesse, keine Steinewerfer — also auch keine Titelseiten. Absurd:

Eine der größten Kundgebungen, die die Stadt Frankfurt in diesem Jahrtausend gesehen hat, durchgesetzt gegen eine Orgie von Verboten und einen martialischen Polizeieinsatz, 25.000 Teilnehmerinnen aus ganz Europa, der größte Protest gegen Merkels Krisenregime, den Deutschland bisher gesehen hat – und selbst die heimische Frankfurter Rundschau hatte dafür nur einige Spalten im Lokalteil über. Lediglich einige linke, von vornherein interessierte Medien berichteten auch am Montag noch.

Das soll keine Klage ueber eine etwa „zu friedliche“ Blockupy-Demonstration sein, im Gegenteil. Es ist eine Klage gegen das formatierten Geschichten folgende Nachrichtenangebot. Dass ein griechischer Rentner sich vor dem Parlament erschiesst, aus Scham, aus dem Muell leben zu wollen, findet keinen Platz in der Tagesschau. Und dass 25.000 Demonstrierende friedlich durch eine Grossstadt ziehen, passt offenbar nicht ins gewohnte Narrativ — und verliert somit jeglichen Nachrichtenwert.

Denn Inhalte spielten bei der Berichterstattung rund um die Frankfurter Blockupy-Proteste keine Rolle. Die sozialen Bewegungen in Deutschland werden stattdessen gebetsmühlenartig in eine Gewaltdebatte hineingedrängt, obwohl sie seit mehreren Jahren einen immer breiteren Konsens der gewaltfreien Militanz entwickeln und damit neue Anhänger aus allen Schichten gewinnen.

Manchmal wuenschte ich mir, Leute wuerden wieder selbst mehr aus dem Haus gehen und sich Dinge selber ansehen. Ich weiss gar nicht, ob ich mich selber als „Demonstrant“ bezeichnen koennte — ich war zwar mittlerweile bei einigen zugegen, aber fast immer in der Beobachterrolle, egal ob vor der Haustuere oder weiter weg. Das erweckende Erlebnis, im Beobachterteam auf der FSA09 wenige Meter von dem Pruegeleinsatz“ gestanden und im Nachgang die Berichterstattung mit den eigenen Protokollen und den Bildern und Videos der anderen TeilnehmerInnen verglichen zu haben, hat mein Vertrauen in Presseberichte (nicht nur) von Demonstrationen nachhaltig veraendert.

Damals, 2009, nachdem andere Medien die NPD-Demo in Ulm zu einer Strassenschlacht im Stile von Kreuzberg am 1. Mai hochstilisierten, erschien in der oertlichen Zeitung ein schoener (leider nicht mehr abrufbarer) Artikel darueber, wie befremdlich doch der Vergleich dieser Berichte zum eigenen Empfinden sei.

Und spaetestens jetzt sollte man sich sowieso wieder an die eigene Nase fassen und noch einmal genau nachdenken, wann eigentlich der 1. Mai in Kreuzberg zuletzt wirklich aus Strassenschlachten bestand.

Schon beim ersten Mai in Berlin konnte man in diesem Jahr ein einzigartiges Schauspiel beobachten: um die einzige brennende Mülltonne drängten sich 20 Fotografen.

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