Ulmer Bordellkultur… vor 40 Jahren

Ein schoener Einblick in die Ulmer Welt der kaeuflichen Zuneigung anno 1972 aus dem Spiegel-Archiv via Achim:

Dr. h. c. Theodor Pfizer, 68, scheidender Oberbürgermeister von Ulm und Präsident der Hölderlin-Gesellschaft, nahm bei seiner Abschiedsrede am 24. Juli nach dem Zeugnis seiner Mitarbeiter das Wort „Bordell“ zum erstenmal in den Mund.

Was den feinsinnigen Stadtvater gerade am Ende seiner Amtszeit zu solch verbalem Kraftakt zwang, formulierte eine Mitbürgerin Pfizers zwanglos mit der Frage: „Wo, zum Teufel, sollen wir denn noch bumsen?“ Denn sie darf es nicht mehr im Freudenhaus, weil die Stadtverwaltung es nicht will, und sie darf es nicht per Straßenstrich — weil die Konkurrenz es nicht duldet.

Schauplatz war die heute vergleichsweise honorig wirkende Schuelinstrasse 12 im Viertel Oststadt-Wielandstraße, die zuerst 310 Immigranten und danach 50 Prostituierte beherbergte — was der nachkriegsdeutschen Ulmer Stadtfuehrung unter dem vermeintlichen Saubermann Pfizer nicht so recht gefallen wollte. Das Haus wurde geschlossen, die Dirnen auf den Strassenstrich getrieben.

Der verlief, die Vorstellung ist heute ebenfalls ungewohnt, entlang der Schillerstrasse an der Grenze zur Weststadt. Und war bereits besetzt:

Eugen Kalchschmidt, Organisator und Boß der Freiluftliebe in der Schillerstraße, setzte am vorletzten Wochenende eine Männerriege ein. um die erwerbslosen Damen „freundlich, aber unmißverständlich“ fortzuschicken.

Die Vertriebenen aus der Schülinstraße erhielten von dem Stoßtrupp einen Stadtplan. in den neue Sperrbezirke eingezeichnet waren — diesmal freilich nicht von der Stadtverwaltung, sondern von der Selbstverwaltung des Schillerstraßen-Strichs.

 

 

DER SPIEGEL 34/1972 – Gelegentlich Schreie.

2 Gedanken zu „Ulmer Bordellkultur… vor 40 Jahren

  1. Rudi Eimer

    Zuerst war ich darüber amüsiert, dass die Prostituierten damals wohl hießen, wie die alten Frauen heute. Dann bemerkt, dass die Prostituierten von damals, die alten Frauen von heute sind.

    Wie die Geschichte wohl weiterging. So wie ich die Lokalredaktion der örtlichen Presse einschätze, leckt sie sich doch sämtliche verfügbare Finger nach so einer Story. Und eventuell steht ja sogar die „attraktive Geschäftsführerin Marianne Ziehfreund“ für ein Interview zur Verfügung. Die Reisekosten dürften sich auch in Grenzen halten:
    http://www3.dastelefonbuch.de/?bi=101&kw=Ziehfreund&ci=Ulm

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    1. stk Beitragsautor

      Rudi, pssst! Angeblich gehen die ab und zu ins Internet und lesen bisweilen auch doenges Blog mit… am Schluss aergerst du dich noch thierisch, den Tipp gegeben zu haben — da bleibt nur noch die Hoffmann, dass da am Ende keines der typischen Talking-Head-Videos draus wird.

      (edit: ganz vergessen. „Quelle: Internet.“

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