Archiv für den Monat: September 2011

Chemnitz

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In Chemnitz wird man am sonntag morgens von einem Maennergesangverein geweckt. Die stellen sich vor Karl Marx‘ Kopf, machen irgendwie Rauch und singen dann ueber Jena und ich glaube auch ueber Aue, die sie beide nicht so arg moegen. Ich war schon wach und habe interessiert zugesehen und gehoert. Hat wohl was mit Fussball zu tun.

Generell war von Samstag abend bis Sonntag Morgen vor dem Hotel durchgehend draussen eine Geraeuschkulisse wie auf der Oranienstrasse in Berlin.

Das hat sich von Sonntag auf Montag aber geaendert. Nun is‘ ruhig.

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Und da wollten wir hin: An die TU Chemnitz.

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„Gut dass es die Wired gibt, vielleicht“, dachte ich auf dem Klo.

Ich hab sie mir ja nicht gekauft. Nicht zuletzt, weil mir die Begeisterung Thomas Knuewers (dessen Twitter-Account ich irgendwann vorher schon abbestellt hatte) und Christian Jakubetzs (bei dem ich mir bisweilen aehnliches ueberlegte) auf die Nerven ging. Aber vielleicht auch deswegen, weil ich mir keine GQ-mit-Wired kaufen wollte, um dann eine GQ wegzuwerfen und nach einer Woche auch die Wired. Wenn man im vierten Stock wohnt, versucht man, so wenig Papier wie moeglich zu besitzen, das sich nicht ueber eine Toilette entsorgen laesst.

Hab ja auch nix verpasst, wenn man die Rezension von Felix Schwenzel liest, oder die von Michael Seemann. Lesen sollte man vor allem bei Michalis Pantelouris, schon wegen Absaetzen wie diesem hier:

Offenbar herrscht in der Redaktion oder zumindest bei ihrem Chefredakteur die Meinung vor, erstens einmal wäre “Geeks” der positive Ausdruck für “Nerds” (was mir nicht klar war – ist es eigentlich immer noch nicht), und zweitens wären Nerds in Deutschland irgendwie unterbewertet. Er macht das daran fest, dass die Süddeutsche Zeitung nicht regelmäßig über Geeks schreibt, was ich für ein komisches System halte. Die Süddeutsche Zeitung schreibt auch wenig über Spackos, obwohl sie in meinem Leben extrem präsent sind. Ich habe oft den Eindruck, ich wäre von Spackos umgeben.

Ich habs schon bei Christian de Vries geschrieben: Ist halt doch nicht fuer uns Geeks, oder Nerds, oder Sheldons oder weissderkuckuck wie der richtige Ausdruck dafuer nun lauten soll, dieses Heft. Sondern fuer die eher GQ-ige Leserschaft.

Und dann kam mir heute im Regionalexpress — irgendwo bei Plauen, in entspannter Situation — die Erkenntnis, dass das so schlimm ja nicht mal waere. Wenn man einer breiteren Masse zwischendurch auch mal so Themen wie Netzneutralitaet erlaeutern koennte. Und die das sogar lesen und verstehen wuerde.

Allemal besser, als wenn die Netzavantgarde sich gegenseitig von der Seite anpimmelt, weil Leute sich Leberkaese weggegessen oder irgendwo „falsch“ abgestimmt haben. Und dabei die GQ-Leser einfach GQ-Leser bleiben laesst.

(Chemnitz ist wirklich huebsch, uebrigens, soweit ich das bisher gesehen habe. Beispielsweise fehlen hier grossstadttypische Eigenheiten wie ein unglaublich haessliches Bahnhofsviertel voller Fast-Food-Laeden und Pornokinos. Stattdessen kommt man aus dem Bahnhof und sieht schoene alte Gebaeude. Faszinierend.)

Der Mann hinter dem „Mad Men“-Theme

Mad Men mag ab und zu ein paar Anachronismen in der Ausstattung haben, die Inspiration fuer die Titelmelodie (A Beautiful Mine) ist aber authentisch:

Enoch Light – Autumn Leaves(A Beautiful Mine Sample) – YouTube.

Enoch Light ist wohl seinerzeit so etwas wie ein Recording-Nerd gewesen: Seine Aufnahmen hat er nicht mit Tonband, sondern 35-mm-Magnetfilm aufgezeichnet und damit ein wirklich exzellentes Klangbild geschaffen, das man selbst nach der Digitalisierung auf Youtube noch wirken lassen kann. Da hoeren sich auch Irving-Berlin-Klassiker auf einmal doppelt so klanggewaltig an:


Direktberlin

Das Spiel mit Stereo gehoert natuerlich auch dazu:


Direktcalcutta

…und die Neuinterpretation von Filmmusikklassikern:


Direktrobinson

Sehr classy.

Ulm: Welle seltsamer Schluesse schwappt ueber

„Ulm: Die Welle der Gewalt gegen Hilfskräfte schwappt über“ hiess es gestern beim oertlichen Lokaljournalismusanbieter. Und dieser Text ist in seiner Gesamtheit so merkwuerdig, dass ich ihn hier mal kurz abklopfen moechte.

Inspiriert wurde die oertliche Recherche offenbar durch mindestens zwei Artikel der letzten Tage: Die zitierte Geschichte um einen Nuernberger Rettungssanitaeter, der im Einsatz gebissen wurde, findet sich auch auf sueddeutsche.de (vom 31.08.2011, im swp-Artikel auch verlinkt) und auf bild.de (vom 04.09.2011).

Das gab dann wohl Anlass, einmal in Ulm nachzurecherchieren — die Idee ist nachvollziehbar, der Zusammenhang zwischen dem Artikel und der Ueberschrift vom Ueberschwappen einer Gewaltwelle dagegen so gar nicht. Von Gewalt, auch nur ansatzweise im Umfang wie im Nuernberg-Aufreisser ist naemlich bei den Interviewten nie die Rede:

„Solch extreme Schutzmaßnahmen müssen wir zum Glück noch nicht treffen. Und hoffentlich kommt es auch nie dazu“, sagt Rainer Benedens, Rettungssanitäter des Deutschen Roten Kreuz aus Ulm.

[…]

Die Hemmschwelle, den Rettungsdienst zu rufen, sei gerade bei Jugendlichen gesunken. „Früher hat man seinen zu betrunkenen Kumpel in eine sichere Lage gebracht und auf ihn Acht gegeben, bis er sich erholt hatte. Heute ist ‚Koma-Saufen‘ angesagt und wenn einer zu viel hat, ruft man halt den Rettungsdienst. Problematisch wird es, wenn bei einer Gruppe der zu Behandelnde minderjährig ist und nicht mehr Herr der Lage ist, aber sich weigert mitzukommen. Dann meinen die anderen, helfen zu müssen und uns davon abzuhalten, den Freund mitzunehmen – wenn es dumm läuft artet es aus und es wird bedrohlich. Hier hilft dann nur noch eine Zwangseinweisung mithilfe der Polizeibeamten vor Ort“, erklärt Benedens.

„Es kommt regelmäßig vor, dass Polizeihilfe angefordert wird, weil sich psychisch kranke Personen gegen die Versorgung durch Sanitäter mit Gewalt zur Wehr setzen. Wie oft wir aufgrund willkürlicher Gewalt gegen die Hilfskräfte ausrücken müssen, kann ich nicht sagen, da im System leider nicht erfasst wird, ob der Rettungsdienst bedroht wird oder andere Personen“, sagt Wolfgang Jürgens, Polizeisprecher Ulm.

Wir halten fest:

  • Eingangs werden Eigenschutzmassnahmen wie durchstichsichere Westen fuer Rettungsdienstmitarbeiter beschrieben.
  • Diese Massnahmen sind laut DRK-Rettungsdienst in Ulm nicht notwendig.
  • Das DRK berichtet von einer sinkenden „Hemmschwelle, den Rettungsdienst zu rufen, […] gerade bei Jugendlichen“.
  • Gelegentlich seien alkoholisierte Jugendliche nicht mehr einwilligungsfaehig und muessten „zwangseingewiesen“ werden (gemeint ist wohl polizeiliche Ingewahrsamnahme nach §28 Abs. 1 Ziffer 2b PolG BW)
  • Die Polizei gibt an, regelmaessig angefordert zu werden, wenn sich psychisch Kranke gegen medizinische Versorgung zur Wehr setzen. Diese Baustelle heisst dann aber Psychisch-Kranken-Gesetz oder Unterbringungsgesetz. Diese polizeiliche Hilfe ist das, was z.B. in bayerischen psychiatrischen Kliniken als „Unterbringung nach 10-2“ bekannt ist.
  • konkrete Zahlen ueber polizeiliche Massnahmen gegen BOS-Kraefte liegen der Polizei Ulm nicht vor.

Zwischendurch wird dann von der Verschaerfung des § 113 StGB (Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte) erzaehlt, und auch da tut sich erstaunliches auf:

Im Sommer 2010 wurde dann der Paragraf 113 des Strafgesetzbuches verschärft. Seither gilt, wer ‚Widerstand gegen Vollzugsbeamte‘ im Einsatz – auch Feuerwehr und Rettungsdienst – leistet, hat mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren zu rechnen.

Richtig ist: Es gab im Sommer 2010 einen Gesetzesentwurf, der den Strafrahmen auf drei Jahre erhoehen, den Einsatz „gefaehrlicher Gegenstaende“ ebenfalls strafverschaerfend werten und auch Feuerwehr- und Rettungsbedienstete unter Schutz stellen sollte. (An dieser Stelle uebrigens: Feuerwehr und Rettungsdienst sind nach wie vor keine Vollzugsbeamte, und schon gar keine „Hilfskraefte“.)

Beschlossen war dadurch aber noch lange nichts — der Bundesrat hatte beispielsweise moniert, dass Katastrophenschutzkraefte nicht vom Entwurf beruehrt wurden (was dann wieder eine Gegenstellungnahme erforderlich machte), waehrend diverse Strafrechtler nicht ganz zu Unrecht mal laut fragten, ob hier eigentlich zusammen mit dem Strafmass auch gleich das Problem verschaerft werde.

Am 30. Juni 2011 waere dann also eigentlich der Termin fuer den Beschluss des StrRAendG gewesen, das den 113 StGB verschaerft haette. Wurde aber nix draus. Kam wohl die Energiewende dazwischen. Oder die aktuelle Stunde „Einschränkung des Versammlungsrechts durch Massenfunkzellenabfrage“ anlaesslich der polizeilichen Lauschaktion bei den Anti-Nazi-Blockaden in Dresden. Oder wegen etwas ganz anderem, wer weiss.

Was das mit Ulm zu tun hat, weiss ich aber nach wie vor nicht. Vielleicht ist ja die Zahl der psychisch Kranken gestiegen, die renitent werden. Nachdem die Polizei aber keine Zahlen dazu hat (wie das der Artikel zwischen ganz viel Mutmassung ueberraschend ehrlich einraeumt), werden wir das wohl auch nicht herausfinden koennen.

//Nachtrag, 9.9.: Mir ging es nicht darum, hier den Autoren blossstellen zu wollen. Ich habe mich hauptsaechlich darueber geaergert, dass ich nach der ersten Irritation ueber die seltsame Argumentation gerade mal 20 Minuten gebraucht habe, um die passenden Stellen in den jeweiligen Gesetzen und die Beschlusslage zum 113 StGB zu finden — und dass ein kurzer Blick auf den 113 StGB genuegt haette, um festzustellen, dass er bislang noch nicht geaendert wurde. 20 Minuten. Nicht mal so viel Zeit war ein vernuenftiger Artikel wert m(

Update, 9.9., 1500 Uhr

Ich war nicht der einzige, dem die Argumentation etwas seltsam vorkam. Auf Facebook gab es einige Kommentare (danke fuer den Link auf diesen Artikel), und ein namenloser SWP-Facebook-Seitenbetreuer hat eine Ueberarbeitung des Artikels angekuendigt.

Diese Ueberarbeitung besteht, soweit ich das erkennen kann, aus zwei Punkten. Einmal ist das „Ulm:“ aus der Ueberschrift verschwunden, die nun nur noch „Gewaltbereitschaft gegen Rettungskraefte gestiegen“ heisst. Wo das der Fall ist, aund uf welcher Faktenbasis man einen Anstieg gegen Rettungskraefte statistisch belegen kann, bleibt zwar weiter im Dunkel, aber das nehmen wir einfach mal so hin.

Interessant wird es beim woertlichen(!) Zitat des Ulmer Polizeisprechers Wolfgang Juergens, das nun anders lautet als in der ersten Fassung:

„Es kommt regelmäßig vor, dass Polizeihilfe angefordert wird, weil sich Personen gegen die Versorgung durch Sanitäter mit Gewalt zur Wehr setzen.

Vorher stand hier noch, „dass Polizeihilfe angefordert wird, weil sich psychisch kranke Personen gegen die Versorgung“ wehrten. Ob Juergens mit seinem woertlichen Zitat eigentlich die Unterbringung tatsaechlich psychisch Kranker nach dem UBG oder Ingewahrsamname Alkoholisierter nach dem PolG meinte, bleibt leider unklar — im Artikel wurden weder die Aenderungen gekennzeichnet, noch, dass ueberhaupt etwas am Artikel geaendert wurde.

Dafuer blieb dem Artikel der Verweis auf den angeblich schon geaenderten §113 StGB erhalten. Der nach wie vor falsch ist.

Wlada. Und Kaviarmuesli

Wlada Kolosowa bloggt nun. Endlich. In Form eines Abklatschs ihrer SpON-Kolumne Tagebuchs ihrer Reise durch Russland. Teilweise in seltsamer Reihenfolge, aber mit einem grandiosen Schreibstil, der in meinem Feedreader momentan seinesgleichen sucht. Probe:

In Sotschi war die Welt noch in Ordnung. Ich kaufte auf dem Markt Essen für die Fahrt, aß Wassermelone und frühstückte mit meinen Gastgebern. Dieses Frühstück erlebe ich gerade noch mal in umgekehrter Reihenfolge. Ich bin ein einziger Output. Die Wassermelone kommt aus mir heraus wie aus einem kaputten Getränkeautomaten. Ich bin mir sicher: Ich komme nie in Odessa an.

Boris arbeitet beim Rettungsdienst und macht am Schwarzen Meer Urlaub. Er treibt bei unseren Nachbarn eine Flasche stilles Wasser auf und eine Handvoll Medikamente, von denen ich kein einziges kenne. „Fieber?“, fragt er und plaziert seine Lippen an meine Stirn. Keine Anmache, sondern so misst man in Russland Fieber. Außerdem glaube ich kaum, dass er Interesse hat, einen Kotzvulkan zu küssen.

„Trink!“ Boris hält mir eine seltsame weißliche Suspension vor die Nase und eine schwarze Pille. Ich habe keine Ahnung, was das ist und was es mit mir macht. Ich drehe den Kopf weg. „Na los, du bist nicht fünf Jahre alt“, sagt er. Um ihm das Gegenteil zu beweisen, fange ich an zu weinen. Ich habe kein Handynetz, keine Würde, keine Verbindung zu Mama oder zu Google und lasse mir unbekannte Medikamente von einem unbekannten Muskelprotz einflößen. Ich will nach Hause, wo auch immer das ist: In meiner WG in Berlin, bei Mama in Ulm, bei Papa in St. Petersburg oder überall dort, wo ich Zugang zum Internet habe.

Noch viel mehr davon gibt es auf Kaviarmuesli. Inklusive Bildern wie dem obigen und Bilduntertiteln wie dem hier:

Eigentlich ist es das Dach einer Bruecke, nur andersherum, weil ich die Bilddrehfunktion nicht finden kann.

Kuriosum des Tages

Die Richter in England sind offenbar der Ansicht, die mutmaßlichen Hacktivisten ihren teils in der Szene äußerst bekannten Nicknames zugeordnet zu haben, und wollen ihnen verbieten, unter diesen Nicknames weiterhin aufzutreten.
[…]
Noch kurioser ist der Fall des 22-jährigen Studenten Peter David Gibson: diesem ist ab sofort verboten, sich online „Peter“ zu nennen.

England: Mutmaßliche Hacktivisten erhalten Nickname-Verbot / via @plomlompom

Macht sie fettich!

Weil, aeh, weil ich ja schon so lang keine skurrilen Videos mehr hier hatte. Oder so.


Peterlicht – Wir sind jung und wir machen uns Sorg… – MyVideo

Peterlicht – Wir sind jung und wir machen uns Sorgen über unsere Chancen auf dem Arbeitsmarkt Video – ROBO_Kobsen – MyVideo.

Kam ueber Twitter rein, leider finde ich die Quelle nicht mehr 🙁

Der bildgebende Film ist glaube ich genau das richtige fuer einen Abend mit viel Alkohol. Hier ein schoener Zusammenschnitt der signifikanten Szenen :->

Wie’s zur Finanzkrise kam?

In den ueblichen Social Networks geht gerade dieses Video von/mit Chin Meyer bei Markus Lanz herum, in dem Meyer die Subprime-Krise auf eine ganz neue Art und Weise erklaert.

Man muss ihm schon zugestehen: In dieser kompakten Form habe ich das bisher noch nicht gesehen. Die zwei Briten John Bird und John Fortune haben das aber schon vor drei Jahren gemacht, und zwar so richtig herrlich englisch, politisch und vor allem auch sehr ausfuehrlich in der Erklaerung der Hintergruende.

Der Klassiker:


Bird and Fortune – Subprime Crisis

Und noch einmal ausfuehrlicher:

– So, you’re saying it wasn’t criminal, it was… stupidity?

– Stupidity and incompetence, that’s all. And that’s something we can be very proud of!


Bird & Fortune – Financial crisis – Silly Money, Nov 08 (1/2) auf Youtube


Bird & Fortune – Financial crisis – Silly Money, Nov 08 (2/2) auf Youtube