Privatsphaere ist keine reine Datenfrage

xkcd: Facebook (cc-by Randall Munroe)

xkcd: Facebook (cc-by Randall Munroe)

Wer auf WG-Suche ist, der facebookt Leute. So ist das heutzutage. Gleich vier meiner KollegInnen waren die letzten Wochen auf der Suche nach einer neuen Bleibe, und irgendwie bin ich dann auch mit MonSi auf die Facebook-Angelegenheit gekommen. Erste Schlussfolgerung: Wer ein weitgehend nicht-oeffentliches Profil dort hat — wird uninteressant. Weitere Idee war dann, einmal zu evaluieren zu versuchen, mit welchen Profilinhalten man die besten Chancen auf Akzeptanz bei potenziellen neuen Mitbewohnern hat.

MonSis Gegenargument war aber gleichermassen bestechend wie simpel: Er hat auf seinem Profil das abgebildet, was er fuer eine halbwegs akkurate Repraesentation seiner selbst haelt — wuerde er sich irgendwie virtuell mainstreamen, haette er vielleicht bessere Chancen auf eine WG, aber mit dem Risiko, nicht die passende zu finden.

Das ist natuerlich ein gefundenes Fressen fuer Datenschutzideologen. Am besten gar nicht erst bei Facebook angemeldet sein, hoert man von denen, keine Daten anvertrauen, und vor allem nicht veroeffentlichen. Aber ist das so? @fasel hat mich heute auf einen Artikel bei The Gay Bar gestossen, der die Privatsphaerendebatte einmal von der Datenfrage zu loesen versucht. Der Tenor bei den Schreckensvisionen laeuft ja oft auf die Nummer mit den Besoffenenbildern hinaus, die einem dann $irgendwann auf $schrecklicheWeise $irgendwo schaden koennen. Die Konsequenz fuer die Datenschuetzer: Solche Bilder fuer sich bewahren und niemals nie verbreiten. Was aber heisst das?

Traditional privacy people tell him to keep the picture secret because he might make a bad impression on future or current employers. Secrecy ensures that society or certain social entities will not punish him for his behavior. Is that really what we care about?

Isn’t it true that his interest is just to live his life exactly the way he wants to live it? Maybe he wants to go out drinking every once in a while, maybe he also has weird political ideas that mainstream society does not want to accept or his sexuality is not what the mainstream likes. The point is that his ultimate goal is not about who knows what about him, his goal is just to be happy and be the person he wants to be.

Und dann sitze ich da als Spackeria-Interessierter und muss mir von einem extrem auf die Datensicherheit seiner IT-Systeme fixierten Kollegen erklaeren lassen, dass er sein Facebook-Profil mit genau seiner Lieblingsmusik und genau seinen Lieblingsfilmen auch fuer Nicht-Freunde so einsehbar hat, damit er beispielsweise auch gerade an die WG geraet, in die er passt.

Und dann ergibt dieses diffuse Spackeria-Konzept, das man sowieso nicht klar fassen kann, auf einmal auch einen Sinn: Aspekte seiner digitalen Repraesentation nicht geheim halten zu muessen, weil man auch keine Verfolgung oder Ausgrenzung ihretwegen fuerchten muss — das ist Freiheit.

14 Gedanken zu „Privatsphaere ist keine reine Datenfrage

  1. sa7yr

    Ähm, doch, man muss nach wie vor „Verfolgung“ und „Ausgrenzung“ fürchten. Weil es nämlich jedermanns Privatsache ist, ob er mit dir oder wem auch immer welchen Umgang auch immer pflegen möchte (und das liegt in der menschlichen Natur und ist nicht prinzipiell änderbar, allenfalls verändert sich über die Zeit die Toleranz und die Art der „Ausgrenzungs“-Antworten).

    Außerdem gibt es ganz viele Lebensbereiche, in denen ein weit anonymerer Kontakt (noch) möglich ist. Wenn ich meine Daten allerdings jedermann preisgebe, dann bin ich auch in heute noch weitgehend anonymen Situationen plötzlich identifizierbar. Mir gefällt das überhaupt nicht.

    Ich möchte nicht überall mit meiner ganzen Persönlichkeit auftreten und für sie einstehen müssen, es ist viel stressfreier, wenn ich auch mal ganz unbekannt sein kann.

    Ein weiterer Aspekt macht mir Sorgen: wenn es „normal“ wird, dass praktisch jeder alles über sich preisgibt, dann geraten diejenigen, die das nicht tun, zwangsläufig unter Druck und in Nachteil. Auch nicht schön.

    Und wenn das Spackeria-Konzept so diffus ist, dass man erst noch einen Sinn für es finden muss… nun ja.

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  2. derkleinejack

    Um sa7yrs Argument noch weiter zu führen, fällt mir auf, wie stark die Ausgrenzung von sog. „Facebook-Verweigerern“ momentan zunimmt. Der Ausdruck an sich ist ja schon die reine Absurdität. Wir finden es absurd, dass jemand seine Daten einem Konzern nicht schenkt. Von wie vielen Leuten ich in der vergangen Zeit gehört habe, die – halbwegs – wichtige Infos verpasst haben, weil die nur bei Facebook gepostet werden ist fast tragisch. Facebook macht die Kommunikation seiner Kunden so einfach, dass sie freiwillig not-yet Facebookkunden ausgrenzen, weil Email Verteiler (offenes System) und Facebook nutzen ja total redundant wäre.

    Zum Thema WG finden, ist ja auch noch interessant, dass man sich überlegen könnte: „Mit Leuten, die mich wegen meines Facebook Profils diskriminieren, will ich gar nicht zusammen leben, weil, wie einseitig sind die denn…“

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  3. stk Beitragsautor

    @sa7yr, a.d. „Spackeria“: Ich habe da in den letzten Wochen die wildesten Hypothesen gehoert, was das sein soll. Von „aktiven Piratenzersetzern“ ueber „Geheimorganisation, die andere in ihre Krallen bekommen und ihnen ihre Ideologie aufdruecken will“ war da fast alles dabei.

    Von dem, was ich bisher ueber Twitter und im IRC mitbekommen habe, ist das einfach eine lose Gruppe von Menschen, von denen jeder fuer sich eine eigene Definition des Begriffs hat. Fuer mich taugt beispielsweise die Definition, dass wir uns Gedanken darueber machen sollten, was passiert, wenn Datenschutz nicht mehr ausreichen sollte. Wir versuchen derzeit, moeglicherweise durch den Missbrauch persoenlicher Daten entstehende Gefahren durch das „Eindeichen“ der „Datenflut“ technisch zu beheben. Das Problem ist eben, was passiert, wenn der „Datenwasserspiegel“ noch weiter steigt und aufgrund anderer technischer Entwicklungen noch rauher wird — ich habe hierfuer keine Loesung, und auch seitens der Antispacken habe ich bislang noch nichts zufriedenstellendes gehoert. Den technischen Damm durch DRM erhoehen zu wollen, halte ich fuer verfehlt.

    Es wird ziemlich sicher auch weiterhin Abgrenzung geben. Wenn jemand der Ansicht ist, die Todesstrafe sei okay oder man solle Arbeitslose zur Zwangsarbeit heranziehen, will ich mit so jemandem vielleicht nicht allzuviel Zeit verbringen. Das ist auch jetzt so, und daran wird sich nicht wesentlich etwas aendern. Das Hauptproblem, das ich in der Offenlegung sehe, ist die Moeglichkeit einer „Totalpolarisierung“ mit ziemlich hart definierten Grenzen zwischen einigen groesseren Bevoelkerungsgruppen, die innerhalb dieser Grenzen unter sich bleiben und die Ideen und Ideale der jeweils anderen fuer verwerflich halten.

    Ein vollkommen pseudonymes Auftreten anderswo halte ich eigentlich auch fuer die Zukunft nicht fuer ausgeschlossen. Mehrere virtuelle Repraesentationen seiner selbst pflegen? Kann man. 4chan soll’s ja auch in Zukunft geben. Ich halte lediglich andersherum die Idee fuer wenig realistisch, dass auch in Zukunft _alle_ immer nur pseudonym oder anonym unterwegs sein „duerfen“ sollen.

    Zur Abhaengigkeit von Facebook: Ja, das sehe ich im persoenlichen Umfeld genau so. Wer nicht bei FB ist, wird nicht zu Events eingeladen und nimmt nur noch eingeschraenkt am sozialen Leben teil. Das hatten wir vor gut acht Jahren schon bei Team-Ulm.de gesehen, das fand ich damals schon krass (da wurden SchuelerInnen gemobbt, weil sie keinen TU-Account haben durften. Okay, Mobbing ist dann sowieso wieder eine andere Baustelle). Ich habe bei mir selbst zwischenzeitlich erlebt, dass ich kaum noch hier veroeffentlicht habe, weil ich Bilder und kurze Texte > 140 Zeichen immer in Facebook veroeffentlicht hatte — unter Anderem auch wegen des sofortigen Feedbacks durch Likes und Kommentare. Mir gefaellt das nicht wirklich — aber weniger deswegen, weil man durch die eigenen Daten den Wert eines Unternehmens steigert (das ist jedem selbst ueberlassen), sondern weil das System geschlossen und nur fuer denjenigen nutzbar ist, der zumindest seinen sozialen Graphen dort mehr oder weniger auswertbar abbildet.

    Letztes Jahr habe ich nach der rp10 nachts um 0300 in der Muschi Obermaier mit jemandem, dessen Namen ich leider vergessen hatte (der vorher mspr0 „semantic web“ erklaeren wollte, was dieser fuer ein Anzeichen fuer die Singularitaet hielt) ueber dezentrale soziale Netzwerke diskutiert. Der meinte, er koenne gar nicht verstehen, warum sich das nicht schon laengst durchgesetzt habe, man vertraue ja Facebook seine Daten an, das sei furchtbar schlimm, etc. pp.
    Ich hab damals die These vertreten, dass es halt eine Frage der Zeit sei, bis a) Facebook aus Sicht der Nutzer zu grottig wird und b) ein _besseres_ und einfach zu nutzendes Konkurrenzprodukt draussen ist. Wenn also jemand eine Idee fuer ein besseres, vielleicht pseudonymes oder mehrere Identitaeten zulassendes und am besten noch dezentrales soziales Netzwerk hat: Hau rein. Ich waere wirklich interessiert daran. Und wenn’s gut ist, hat sich die Facebookbasherei auch erledigt.

    @derkleinejack, von wegen WG-Mitbewohner aussuchen: Kann man. Wieso auch nicht.

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  4. sa7yr

    Was den Datenschutz angeht, den ja – wenn man entsprechende Äußerungen denn Ernst nehmen darf – die Spackeria nicht aufgeben, sondern nur erneuern will, so halte auch ich technische Lösungen („X-pire“) für ungeeignet, das ist letztlich entweder nur ein Feigenblatt (was natürlich nicht heißt, dass man es nicht trotzdem machen kann, ein bisschen kann es ja helfen) oder führt zu massiven Freiheitseinschränkungen (indem es verbindlich gemacht wird und Umgehungsmöglichkeiten auf Clientseite technisch ausgeschlossen werden).

    Was aber geht und heute auch schon umgesetzt wird: dem Einzelnen die Möglichkeit geben, sich gegen Datenschutzverletzungen zu wehren, und außerdem Unternehmen (vor allem große, die eine monopolartige Stellung haben und die man deshalb nur schwer meiden kann, etwa Facebook und Google) zu verpflichten, gewisse Mindeststandards einzuhalten.

    Das ist auch ohne Übertreibungen (Streetview) möglich und umsetzbar; ich weiß nicht was daran schlecht sein soll und verstehe deshalb auch nicht das philosophierende Gebrabbel der Spackeria. Es wäre überzeugender, wenn man sich auf die Diskussion der Übertreibungen und die Herausarbeitung von Mindeststandards beschränken würde, sozusagen eine Demonstration am Praxisbeispiel. So gasförmig wie bisher ist die Spackeria für jeden datenbewusst lebenden Menschen nicht annehmbar und immer leicht angreifbar für Kritiker.

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    1. fasel

      @sa7yr
      die Misere aus der Wahl zwischen massiven Freiheitseinschränkungen und Feigenbättern ist doch ein denkwürdiger Punkt, besonders im Hinblick auf Seiten, wo du keine Handhabe hast , wie zB isharegossip.

      Facebook und Google haben das größte Datenschutzinteresse von allen. Die können sich ein Vertrauensverlust nicht leisten, allein deswegen, nicht wegen irgendwelcher Gesetze. Gleichzeitig haben die die Ressourcen, jede Richtlinie zu befolgen, egal wie streng. Die Richtlinien treffen dann aber auch kleine Anbieter/Privatpersonen.

      Was an all dem schlecht ist, ist dass Feigenblätter und Freiheitseinschränkungen gerade vorrangetrieben werden. Wirklich helfen tuts keinem. Dazu werden die großen noch doppelt bevorteilt. Einmal wiegen sich die Nutzer in falscher Sicherheit und geben noch mehr Daten preis, zu anderen die schon ungleiche Verteilung der Ressourcen um überhaupt ein rechtssicheren Auftritt auf die Beine stellen zu können.

      Das rumphilosophierenden tun wir um nach vorne zu denken und zu schauen wie man mit der allgemeinen Entwicklung umgehen kann. Die Frage nach dem, was wirklich sinnvoll ist und wo die wirklichen Gefahren sind.
      Es geht nicht darum heute den Leute jede Datenschutzmaßnahme aus den Händen zu schlagen und alle Daten von jedem offenzulegen. Das scheint mir die Angst vieler aufgeschreckter „Kritiker“ zu sein.

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      1. sa7yr

        1. Extrem: „Aufgabe von Schutzrechten“, „isharegossip“

        Eine Rechtsposition (Persönlichkeitsrecht, Datenschutz) darf auch dann gesetzlich geschützt werden, wenn der Schutz unvollkommen bleibt. Nur weil Urteile etc. im Einzelfall nicht vollstreckt werden können, heißt das nicht, dass sie nicht in anderen Fällen ihren Zweck erfüllen. So wäre „isharegossip“ mindestens in Deutschland nicht möglich, und sicher auch in vielen europäischen Ländern nicht. Beleidigung, üble Nachrede und Verleumdung sollen strafbar und zivilrechtlich verfolgbar bleiben, wenn man über ihre Grenzen auch möglicherweise neu nachdenken muss (vor allem bei der Beleidigung).

        Kinderpornographie kann weltweit relativ erfolgreich bekämpft werden. Grundsätzlich ist eine solche internationale Zusammenarbeit auch bei anderen Rechtsverletzungen möglich (teilweise ist das schon europäisches Recht).

        2. Extrem: „Einschränkung von Freiheitsrechten“

        Es dürfte Einigkeit darin bestehen, dass weitere Einschränkungen von Freiheitsrechten abzulehnen sind. Dahingehende Forderungen gibt es immer wieder, es darf aber festgehalten werden, dass sie sich bisher in Deutschland noch nicht durchgesetzt haben. Selbst das Sperrgesetz wird zurückgenommen werden, außerdem würde es wohl ohnehin vom Bundesverfassungsgericht kassiert.

        3. Mittelweg: differenzierter Rechtsschutz

        Das ist im Prinzip der Status quo. Sicherlich fällt es großen Unternehmen leichter, Schutzrichtlinien umzusetzen, dass das aber kleinere Anbieter so benachteiligt, dass sie ein Angebot nicht umsetzen können, sehe ich nicht. Außerdem könnte man hier an eine Differenzierung denken: wenn ein Angebot eine Größe überschreitet, die seine Vermeidung für Privatpersonen faktisch unmöglich macht (Facebook) – oder auch schon, wenn eine bestimmte Kennziffer wie Umsatz, Mitglieder, Marktanteil überschritten wird – dann greifen verschärfte Regeln.

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        1. fasel

          das mit der „Einschränkung von Freiheitsrechten“ nehme ich nicht so auf die leichte Schulter. Das BVerfG wird uns nicht vor allem beschützen können. Gerade die internationale Harmonisierung der Rechte macht es extrem schwierig sich als Bürgerrechtler zu wehren.

          Sperrgesetz ist mitnichten vom Tisch. VDS wartet noch auf Umsetzung. ACTA schlummert auch noch irgendwo. Diese Vorstöße haben immerhin noch gemeinsam, dass man als Aktivist geschlossen dagegen ist.

          Jetzt kommt da noch so ein „Recht auf Vergessen“ daher. Über die G8-Staaten wohlgemerkt. Da klatscht der Datenschützer laut in die Hände. isharegossip-Problem ist damit ja schön gelöst und Partybilder-„Problem“ auf Facebook auch. (um dokumentierten Missbrauch entfernt zu bekommen braucht es dieses „Recht“ allerdings nicht, wie du ja bemerkt hast. Geht also auch ohne wenn es drauf ankommt)

          Dass dahinter im Grunde ein Mechanismus auf selektives Löschen von Inhalten steckt bedenkt man nicht. Über den Mechanismus ließe sich auch elegant das Wikileaks-Problem lösen und das der Blogbeiträge die schlecht über Firmen schreiben.

          Überhaupt diese Idee zu populieren, man hätte so ein Recht ist ein respektabler Schachzug. Die Idee hielt sich trotz Aigners X-Pire-Radiergummi, da war ja nur die technische Lösung schlecht, den ganzen Ansatz hat keine hinterfragt.

          Datenschutz wird zunehmend zur Bedrohung von Freiheitsrechten. Gleichzeitig hat man so gut wie keinen Benefit als Bürger. Die Abwägung der verschiedenen Rechte findet nicht reflektiert genug statt.

          P.S.: wenn isharegossip in Deutschland nicht möglich ist, was ist dann onlinerache de ? Ist zwar ein anderes Kaliber aber nicht so weit weg

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          1. sa7yr

            Grundsätzlich habe ich keinen Zweifel daran, dass das Bundesverfassungsgericht weiterhin dafür sorgen wird, dass man in Deutschland Dinge mindestens dann veröffentlichen darf, wenn man ein berechtigtes Interesse daran hat (darauf lässt sich jedes Recht zur Veröffentlichung letztlich zurückführen). Wer dieses berechtigte Interesse allerdings nicht hat, weil er zum Beispiel jemanden mobben will, der muss auch damit rechnen, dass der Inhalt entfernt werden kann. Diese Grundsätze bedürfen der Konkretisierung und im Einzelfall befindet darüber ein (einfaches) Gericht.

            Was den digitalen Radiergummi angeht, so ist gegen die Grundidee auch gar nichts einzuwenden. Die beschränkt sich ja auf die technische Möglichkeit, dass derjenige, der eine Information einstellt, dort, wo er sie einstellt, ein Verfallsdatum soll bestimmen dürfen. Das ist nicht per se plattformübergreifend (was auch zu weit ginge, wenn es verpflichtend wäre, diese Möglichkeit anzubieten) und verhindert auch allein noch nicht, dass jemand anders dieselbe Information ohne Verfallsdatum beim selben oder bei einem anderen Dienst einstellt. Die Legitimation muss bezogen auf den Radiergummi eine rein formale sein, es geht beim Radiergummi nicht um die Rechte am Material selbst (zum Beispiel Recht am eigenen Bild, das ich ja veräußert haben kann, auch durch eine unentgeltliche Gestattung der Veröffentlichung). Was darüber hinaus geht, ist abzulehnen, auch weil es technisch kaum umsetzbar ist. Wer ein Recht an einer Information geltend macht, muss das im Einzelfall tun, und das ist auch heute schon möglich.

            Es wird auch im Internet immer möglich bleiben, Informationen zu verteilen, bevor sie geprüft werden können, schon deshalb wird Wikileaks in irgendeiner Form immer möglich sein (abgesehen davon, dass es berechtigte Interessen gibt, solches Material zu veröffentlichen – Pressefreiheit).

            Was „isharegossip“-artige Dienste in Deutschland angeht, greifen dort sämtliche deutschen Rechtsgrundlagen, zum Beispiel die Forenhaftung. Das muss nicht dazu führen, dass der Dienst an sich unzulässig ist.

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          2. stk Beitragsautor

            @sa7yr, genau da setzt aber meine Skepsis ein. _Koennen_ wir diese Daten tatsaechlich schuetzen? Oder wiegen wir uns mit einem nicht-plattformuebergreifenden Ablaufdatum in einer Feigenblatt-Sicherheit, die kaum durchsetzbar ist?

            Mein vielbemuehtes Bild geht von drei Saeulen aus, auf dem alles beruhen muss: Der technischen (was ist einerseits durch Kryptographie und andere Massnahmen in welchem Umfang auch immer „schuetzbar“, und wie sorgen andere Techniken dafuer, dass selbst verschleierte Daten zusammenfuehrbar und auswertbar sind); der rechtlichen (was ist erlaubt, was verboten?) und der sozialen (welche Folgen sind sozial anerkannt und welche verpoent?)

            Wir erleben derzeit, wie die technische Saeule allen anderen immer voraus ist — die gesellschaftliche und rechtliche Entwicklung hinkt (notwendigerweise?) immer hinterher. Die Frage, die sich mir stellt ist: Ist es sinnvoll und wuenschenswert, einfach durch mehr oder minder sinnvolle Rechtsvorschriften die technische Saeule zu kappen, oder sollen wir uns ueberlegen, ob und wie wir Recht und Gesellschaft dem technischen Stand entsprechend adaequat mitentwickeln koennen?

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  5. sa7yr

    @stk

    Es geht gar nicht darum, ob der Schutz durch ein Ablaufdatum absolut ist. Das ist schlicht der einzige, den du bekommst, basta. Wenn dir das dann nicht reicht, kannst du immer noch unterlassen, selbst Fotos von dir ins Netz zu stellen.

    Wo ist da ein Problem? Dass mancher Doofe meint, dann sei er sicher, ist klar, aber Doofe wird es immer geben.

    Und was Recht vs. Technologie angeht: was das Recht sinnvoll liefern kann (vor allem individuelle Schutzrechte, also Unterlassung, Schadensersatz; zukünftig auch Unterlassung der Datenzusammenführung ohne Gestattung), das soll es liefern. Niemand soll ein Recht haben, ohne meine Erlaubnis Fotos von mir ins Netz zu stellen, soweit das nicht von einem der schon heute geläufigen Ausnahmetatbestände gedeckt ist. Niemand soll ohne Erlaubnis (oder ein berechtigtes Interesse) irgendein Profil von mir mit anderen Daten zusammenführen dürfen (ob und wie das dann beweisbar und rechtlich zu bekämpfen ist, ist eine völlig andere Frage).

    Wir haben kein grundsätzliches Problem mit dem Eigentumsrecht, nur weil ein Diebstahl immer möglich sein wird.

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  6. stk Beitragsautor

    @sa7yr, die Angelegenheit mit den Daten, ueber deren Verbreitung man bewusst entscheiden kann, ist ja nicht das Problem. Die tauchen ja erst auf, wenn auf einen Schlag bisherige technische Schranken wegfallen.

    Jeder konnte schon immer mit dem Auto herumfahren und ansehen, wo ich wohne, wenn er meine Adresse aus dem Telefonbuch suchte — seit geoindizierten Satelliten- und Fassadenaufnahmen geht das halt nochmal viel einfacher, und auf einmal war offenkundig fuer viele Beteiligte daraus ein Problem entstanden.

    Du sagst, dass niemand ein Recht haben soll, ohne deine Erlaubnis Fotos von dir ins Netz stellen zu duerfen — abgesehen von den heute gelaeufigen Ausnahmetatbestaenden. Gaelte aber der Ausdruck „Beiwerk“ i.S.D. §23 Abs. 1 Ziffer 2 KunstUrhG noch, wenn Personen in _jedem_ oeffentlich zugaenglichen Werk durch geeignete Gesichtserkennungsalgorithmen identifiziert werden koennen? Stellen wir uns doch einmal ein Szenario vor, in dem ich dich irgendwann einmal heimlich irgendwo fotografieren, einen eindeutigen Fingerprint fuer dein Gesicht errechnen und damit eine Suchabfrage starten kann — voila, ich habe alle Bilder, auf denen du irgendwo herumschwirrst, egal ob im Vorder- oder im Hintergrund.

    Wie soll das verhindert werden? DRM? Muss ich meiner Kamera (mit eingebauter Gesichtserkennung) die Freigabeschluessel aller meiner Freunde geben, und die Gesichter aller anderen Personen ohne Freigabe werden direkt unkenntlich gemacht? Was macht der Pressefotograf? Und haben wir dann eine Zwei-Klassen-Fotografiegesellschaft (inklusive der Jailbreaks, die sicher nicht lange auf sich warten lassen werden)?

    In der Analogie mit dem Deich (der technisch gegen die Datenflut angehen will) gefaellt mir die Idee besser, die Daten eher liberal fliessen zu lassen und zu beschraenken, dass mir jemand deswegen an den Karren fahren kann. Wegen mir soll man Daten zusammenfuehren koennen (das wird naemlich eh kaum jemand beweisen koennen), ich will aber ein gesellschaftliches und rechtliches Rahmenkonstrukt, das es mindestens einschraenkt, diese zusammengefuehrten Daten zu meinem Nachteil zu benutzen. Ich will nicht, dass mir gekuendigt werden kann, weil jemand ein Bild von mir mit Bierflasche irgendwo hochlaedt, und ich will, dass Firmen mich nicht scoren, _selbst wenn sie die Daten haetten_. Darum geht’s mir.

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  7. sa7yr

    @stk

    Nein, allein dass es möglich wird, aus ansonsten zulässigem Material mehr Informationen zu gewinnen sollte hier meiner Meinung nach nicht zu weiteren Einschränkungen führen.

    Anders sehe ich das bei einer Plattform, die eben diese Verknüpfung von Daten anbietet. Das sollte der Einzelne untersagen dürfen. Dass das auch nichtöffentlich passieren kann, spricht nicht gegen diese Vorgehensweise.

    So wäre es geradezu ein Missbrauch des Rechts, Personen ohne ihre explizite Erlaubnis abbilden zu dürfen, wenn diese Informationen später mit anderen Informationen zusammengeführt werden. Ich denke ein Gericht würde hier eine inhärente Einschränkung des Abbildungsrechts sehen und die Zusammenführung als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. der informationellen Selbstbestimmung. Ausnahmetatbestände (das Recht zur Abbildung ohne Erlaubnis) sind eng auszulegen.

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  8. stk Beitragsautor

    @sa7yr, diese Plattform kann aber auch der heimische Rechner sein. Ich kann doch sagen, parse alle flickr-Uploads dieser oder jener Benutzer, schreibe das Ergebnis lokal auf die Platte und fahr dann Gesichtserkennung darueber. Wie sollte das verhindert werden? Wenn hier nur ein Verbot gefordert wird, das de facto nicht vollzogen werden kann, haben wir doch wieder dieselbe Misere wie beim Urheberrecht: Eigentlich ist es verboten, in der Praxis schert’s einen Grossteil der Nutzer kein bisschen, und der Rechtsverstoss wird zur Norm. Wollten wir von solchen Szenarien nicht weg?

    Es geht weniger darum, dass die Abbildung Dritter (eigentlich unbeteiligter) Personen ein „Recht“ ist, sondern dass hier dem Recht am eigenen Bild eine Schrankenbestimmung auferlegt wird, um ueberhaupt das Veroeffentlichen von Bildern praktikabel zu machen — weil ein Fotograf eben nicht jede einzelne, zufaellig auf dem Bild befindliche Person um Erlaubnis bitten muss.

    Und jetzt haben wir ein Trilemma:

    – entweder heben wir die Schrankenbestimmung des Rechts am eigenen Bild auf. Dann muss wirklich jeder Fotograf immer die Einwilligung _aller_ Personen haben, bevor er ein Bild veroeffentlichen darf. Anderenfalls muss er die anderweitigen Gesichter verfremden

    – oder wir haben die Situation, dass Personen erkennbar und (wenn ein Bild Zeit- und Geoinformation als Metadatum mitbringt) raeumlich und zeitlich verortbar sind. Im Zweifelsfall maschinell und in grossem Umfang.

    – oder wir behalten bei, dass Fotografen _nicht_ alle abgebildeten Personen fragen muessen, verbieten ausdruecklich, dass jemand maschinell Daten zusammenfuehren kann — und leben damit, dass ein Verstoss gegen dieses Verbot de facto nicht bewiesen und demnach auch nicht geahndet werden kann, womit wir einen zahnlosen Tiger geschaffen haben.

    Und nu?

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  9. sa7yr

    @stk

    Die Zusammenführung von Informationen bezieht sich in erster Linie auf veröffentlichte Informationen. Dass im stillen Kämmerlein jemand irgendwas machen kann, interessiert mich nicht. Aber es soll diesbezüglich keine Erleichterung durch große, öffentliche Datenbanken geben.

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