Eine legendaere Maschine

tlf

Als ich 1999 meine Feuerwehrausbildung angefangen habe, war das noch unter dem beinahe schon legendaeren Kommandanten Kiebele, und mit einem deutlich anders aussehenden Fahrzeugpark als dem heutigen. Fuer ein neues LF16, MZF, SW1000 und Ruestwagen hatte Kiebele schon gesorgt, die alte Drehleiter (auf Magirus-Rundhauber-Fahrgestell) wurde 2000 von einem Neufahrzeug ersetzt, und so blieb von den „alten“ Fahrzeugen nur das stattliche Tankloeschfahrzeug uebrig.

Zugegeben, diese Maschine war sowas wie Chris‘ und mein Lieblingsfahrzeug. Immerhin gehoerten zu den 16 Tonnen Lebendgewicht alleine sieben Tonnen Wasser; auf dem Dach sass ein leistungsfaehiges Wenderohr, und schon der Anblick und das satte Motorengeraeusch waren eine Augen- und Ohrenweide. Wenn wir mit dem TLF auf Bewegungsfahrten unterwegs waren, wirkte es wie Magie: Kleine Jungs und alte Maenner drehten sich nach dem Riesen um und fingen bis ueber beide Ohren zu grinsen an. Wir liebten dieses Fahrzeug.

Wenderohreinsatz bei der Inspektion

Schon damals gab es einige Legenden rund um das TLF — einmal war es auf dem Uferweg des Illerkanals umgekippt und in einer Nacht-und-Nebel-Aktion ueber das Wochenende komplett wieder hergerichtet worden, inklusive einer Neulackierung; andere Legenden sollte man vielleicht nicht unbedingt oeffentlich wiedergeben.

Die eigentliche Geschichte rund um dieses Fahrzeug faengt aber noch frueher an. So richtig bewusst wurde mir das erst, als es auf Bewegungsfahrt einmal zu einem Drehleitertreffen in Memmingen kam, und die vielen dort angereisten „Fahrzeugfotosammler“ (Quasi Spotter fuer Feuerwehrfahrzeuge) saemtliche historischen Leitern stehen und liegen liessen und sich begeistert mit Rufen wie „Der letzte seiner Art!“ auf den alten Tanker stuerzten. Ich kenne die Geschichte nicht zu 100% genau, was ich aber weiss, ist folgendes:

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Anfang 1972 produzierte Magirus in Ulm eine Reihe sogenannter Zubringerloeschfahrzeuge, die — so die Legende — fuer Korea bestimmt waren. Dieser Auftrag platzte aber, und die Fahrzeuge standen bei Magirus auf dem Hof, bis Ende 1972 das Land Hessen sechs davon als ZB 6 fuer deutsche Verhaeltnisse umruesten, mit Allradfahrgestell ausstatten und an die Feuerwehren Kassel, Fulda, Heppenheim, Limburg, Alsfeld und Bad Hersfeld ausliefern liess (Quelle).

„Unser“ TLF stand jedoch weiter so wie es war bei Magirus, wurde offenbar gelegentlich ausgeliehen und war wohl auch beim Brand in der Heide im Einsatz, bis es 1976 nach Altenstadt kam — immer noch weitgehend im Originalzustand. So erklaeren sich auch die Unstimmigkeiten bei der Bezeichnung: Das Typenschild auf der Motorhaube spricht von einem Magirus F 232 D 16 A, der Fahrzeugschein von einem F 200 D 16 A — tatsaechlich sitzt der Aufbau aber auf einem Strassenfahrgestell, also einem Magirus F 200 D 16.

Auch die Fahrzeugtypbezeichnung war irrefuehrend. Offiziell war es ein ZB 6 S15, also ein Zubringerloeschfahrzeug mit 6000 Litern Wasser und 2400 l/min Pumpenleistung. Bei uns lief es als TLF 24/50, also ein Tankloeschfahrzeug mit 5000 Litern Wasser und 2400 l/min Pumpenleistung. Tatsaechlich hatte es 7000 Liter Wasser im Fahrzeugtank, den man bei gleichzeitiger Abgabe ueber das Dachwenderohr und ein B-Rohr innerhalb von zwei Minuten restlos leerpumpen konnte. Bei einem Foerdertest konnte die Pumpe mehrere Schlauchstrecken mit deutlich ueber 3600 Litern Wasser in der Minute bedienen.

Ostseite, Verwaltungsgebaeude

Mit so einer Pumpenleistung und Wassermenge war es also das ideale Pufferfahrzeug fuer Loeschwasserfoerderstrecken, wofuer es dann auch waehrend meiner Zeit noch einige Male verwendet wurde — zuletzt in so grossem Umfang, als in einem Illertisser Kuehlhaus Tonnen von Lebkuchen verbrannten (siehe die letzten beiden Bilder).

Ansonsten kam der Tanker oft mit auf die Autobahn, wenn wir zu Fahrzeugbraenden und Verkehrsunfaellen fuhren; mit dem nachgeruesteten Triblitz und seinem Gewicht war er sozusagen der „Rammbock“ am hintersten Punkt der Verkehrsabsicherung. Die Anfahrt war dabei gar nicht so einfach: In Altenstadt geht es Richtung Norden dreispurig bergauf, und das Fahrgestell hat noch ein unsynchronisiertes Getriebe. Das bedeutet, beim Hochschalten Kupplung treten, Getriebe auf Neutral, Kupplung kurz loslassen und nochmal treten, Gang vorsichtig einlegen und wieder einkuppeln. Und wenn das zu langsam ging, ratschte es furchtbar, man bekam keinen Gang eingelegt und durfte rechts ranfahren um nochmal neu aus dem Stand loszulegen. Was mit laufendem Blaulicht und Horn reichlich peinlich ist.

2008-04-05 Überführung TLF nach Griechenland (30)

Im Nachhinein fuellt es mich schon mit ein wenig nostalgischem Stolz, dass ich auf diesem Fahrzeug gelernt und auch gearbeitet habe. Nach meiner Maschinistenausbildung habe ich auf der Kiste das Ansaugen mit Abgasstrahler geuebt, was vom Aussehen und Geraeusch immer etwas machohaftes hatte. Ich habe selbst breitbeinig auf dem Dach gestanden und mit dem Wenderohr einen Flaechenbrand ausgepustet, und kurz bevor die Ersatzbeschaffung anstand, bekam auch auch mal die Gelegenheit, selbst die Kiste auf einem Versuchsgelaende zu fahren. Herausfordernd, wenn man Dinge wie Zwischengas geben gelernt hat.

Und Anfang 2007 habe ich dann, im alten Buero unseres Feuerwehrhauses, das es so nicht mehr gibt, im Auftrag von Kiebele, der heute nicht mehr Kommandant ist, die Ausschreibung fuer den Verkauf dieses einmaligen Fahrzeugs geschrieben.

2008-04-05 Überführung TLF nach Griechenland (21)

Es kursierten verschiedene Ideen, was mit dem Fahrzeug geschehen solle. Selber behalten und pflegen kam nicht in Frage — schon der Erhalt unseres historischen LF 15 frisst jede Menge Zeit und Arbeit. Nur in einem Museum stehend wuerde es zwar erhalten werden, aber nicht mehr fahren koennen. Manch einer, dem der Tanker ans Herz gewachsen war, hatte wohl auch heimlich ueberlegt, ihn einfach selbst der Gemeinde abzukaufen. Innerlich sind wir wohl alle Kindskoepfe.

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Im Endeffekt kam alles ganz anders. Karl Hermann, der ebenfalls bei uns auf dem Stuetzpunkt gelernt hatte und mittlerweile Kreisbrandmeister des Landkreises Tuebingen ist, kaufte das TLF fuer die Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften, die es einer Waldbrandgruppe im griechischen Kaissariani ueberliess. Am 5. April 2008, gut ein halbes Jahr, nachdem es von unserem neuen LF 20 ersetzt wurde, kam das TLF ein allerletztes Mal zu seinem ehemaligen Heimatstuetzpunkt, der sich gerade mitten im Umbau befand.

Alle Aufschriften waren mittlerweile zusaetzlich auf Griechisch angebracht worden, und nachdem in Altenstadt noch einmal Haende geschuettelt, das noch bei uns lagernde Ersatzrad auf dem Dach verlastet und das ehemalige Kennzeichen dem neuen Kommandanten Dr. Schmidt und dem mittlerweile verstorbenen Buergermeister Schloegel ueberreicht worden war, machte sich das TLF auf die Reise nach Griechenland.

2008-04-05 Überführung TLF nach Griechenland (32)

Seither habe ich es nie wieder gesehen.

"Alarich" in Griechenland

In Griechenland kann man den Tanker aber offensichtlich brauchen: Bereits bei einem Waldbrand im Juni 2008 wurde der „Alarich“, wie er nun heisst, erstmals von der Berufsfeuerwehr angefordert und versorgte ein Loeschwassernetz mit fuenf Kilometern Schlauchlaenge.

Danke an das Nordstadt-Forum, das ich zufaellig beim Googeln gefunden habe und das mit seinen Hintergrundinformationen und alten Bildern dieses Fahrzeugs ein wenig Nostalgie ausgeloest hat. Durch die dort verlinkten alten Bildern mit Tagesleuchtrotlackierung ist mir aufgefallen, dass unser ehemaliger Hallenlautsprecher, der nun bei mir steht, von unserem alten Tanker stammt.

Ein Gedanke zu „Eine legendaere Maschine

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