Mein Nichtraucherdilemma

Nachtrag: Ueber 10 Jahre Bloggerei heisst halt auch, dass hier noch Dinge aufgeschrieben sind, die mein damaliges Ich geschrieben hat, und die ich heute keineswegs mehr so darlegen wuerde. Manchmal stolpere ich dann nochmal ueber die Artikel und schreibe das explizit dazu – so wie hier. Generell sei mindestens alles von vor 2011/12 mit grosser Vorsicht zu geniessen.

Am 4. Juli soll ich abstimmen. Ueber ein Gesetz, das das Rauchen in bayerischen Gaststaetten, Bierzelten und Kneipen vollstaendig verbieten soll. Ohne Raucherclubs. Ohne Ausnahmen.

Und ich weiss nicht, wie ich stimmen soll.

Die Argumente fuer den Gesetzesvorschlag sind gleichermassen klar wie einleuchtend. Die von Gastronomie- und Tabakverbaenden immer wieder beschworene „Selbstregulierung“ funktioniert nicht — hat nie funktioniert, und wird vermutlich auch nie funktionieren. Die derzeitigen Ausnahmeregelungen sind vollkommen fuer die Katz, weil offenbar kein Kontrolleur in der Lage ist, Raumabmessungen, Raucherschild und das restliche Brimborium annaehernd genau zu pruefen. Genauso verhaelt es sich mit den Semi-Raucherclubs, die eine eigene Lachnummer fuer sich sind. Und letztendlich auch mit den Kontrolleuren, von denen ich bislang noch nie etwas gesehen oder gehoert haette. De facto ist das urspruengliche Rauchverbot in Bayern nicht mehr existent, und die Angst vor der Konkurrenz laesst die meisten Kneipiers das Rauchen weiter gestatten.

Auch die Argumente der Raucher selbst sind fadenscheinig und leicht zu durchschauen. Rauchen ist nur soweit freiverantwortliche Selbstschaedigung, wie wir das sozialisierte Gesundheitssystem aus der Gleichung herausstreichen. Und die Aussage, dass sich doch jeder aussuchen koenne, ob er eine bestimmte Kneipe betritt, in der geraucht wird, ist in letzter Konsequenz auch nur wenig anders als die Behauptung, dass man sich doch einfach vom Strassenverkehr fernhalten moege, wenn man Skepsis vor erlaubterweise betrunkenen Autofahrern habe.

Kurz zusammengefasst, Toleranz von Seiten der Raucher erlebe ich hoechst selten. Warum soll sie dann im Gegenzug gelten?

Aber.

Irgendeinem Teil von mir missfaellt es, staatliche Vorschriften zu machen, wer was wann konsumieren darf. Das baden-wuerttembergische Alkoholverkaufsverbot halte ich zum Beispiel fuer eine ausgemachte Bloedheit. Das ist natuerlich nicht gleichzusetzen mit einem Rauchverbot in der Gastronomie, aber ich habe hier einfach ein Grundproblem mit staatlichen Eingriffen solcher Art.

Freitext, das waere was. Unter das „Ja“ -Kreuz ein Essay ueber Raucher und Gastwirte, die selbst schuld sind, und dass das mit dem Verbot nur in diesem Zusammenhang zu verstehen sei. Oder unter das „Nein“ einen flammenden Aufsatz gegen staatliche Ueberregulierung und dass das kein Freibrief fuer Raucher und Gastronomen sei.

Es geht aber halt nur ein Kreuz. Ziemlich wahrscheinlich bei „Ja“. Wenn auch mit mit Bauchschmerzen.

8 Gedanken zu „Mein Nichtraucherdilemma

  1. markus

    die tabaklobby versucht das irgendwie zu einer „freiheitswahl“ zu machen. finde ich gut. kiffen, fixen usw. gehört längst legalisiert und überall erlaubt *hüst*

    als exraucher bin ich für ein rauchverbot, weil es sicher einigen leuten helfen wird damit aufzuhören bzw gar nicht damit anzufangen 😀

    Antworten
  2. marcus

    Ich bin auch zwiegespalten bei dem Thema.

    Argumente gegen das Rauchen gibt es viele gute. Gleichzeitig finde ich es seltsam, dass man auf Alkohol nicht so rumhackt. Kurze Recherche bringt zahlen hervor, die behaupten, dass gut 40k/a am Rauchen und 16k/a an Alkohol sterben. Beiden unglaublich hohe und unnötige Zahlen. Auf der Basis sollte man wohl beides verbannen.

    Gleichzeitig gehört Alkohol wohl zur Kultur – Rauchen auch. Ich bin ex-Raucher und finde es auch nach 2 Jahren noch angenehmer im Raucherbereich des Murphys zu sitzen als vorne. Irgendwie gehört das zumindest zu Kneipen dazu. Und entgegen meines Vorredners bin ich eher für die Legalisierung des Kiffens, schon allein um dem Schwarzmarkt die Grundlage zu entziehen. Besser das Zeug in Apotheken zu ebensolchen Preisen verkaufen – selbstverständlich erst ab 18 Jahren. Die Menschen müssen schon selbst wissen, was sie tun. Auch wenn das bedeutet, dass sie sich selbst schädigen. Aufklärung ist hier viel wichtiger als Verbote.

    Mein Ansatzpunkt wären höhere Tabaksteuer, Werbeverbot, Abbau der Zigarettenautomaten, Anhebung der Kaufgrenze von 16 auf 18, etc.

    @stk: Wenn du Bauchschmerzen beim Abstimmen hast, wäre dann nicht Enthaltung eine Option?

    Antworten
  3. Seba

    Warum nicht gleich Tabak (und Alkohol) verbieten? Prohibition….
    Aber womit darf man sich dann unter dem Mantel des Gesetzes selbst zerstören?

    Ein vollkommenes Verbot halte ich für falsch. Zumindest wenn getrennte Raucherbereiche vorhanden sind sollte es erlaubt sein. Und bei Bierzelten wird eine entsprechende Regulierung schlichtweg versagen.
    Ich würde dagegen stimmen. Frei nach Montesquieu:
    „Wenn es nicht notwendig ist, ein Gesetz zu machen, dann ist es notwendig, kein Gesetz zu machen.“

    Antworten
  4. markus

    man kann wohl kippen verbieten und alk hingegen nicht. jede einzelne kippe ist ungesund und potentiell tödlich. bei bier, wein usw. ist das was anderes. man kann eine gewisse menge davon trinken, ohne dem körper zu schädigen (manche behaupten ja sogar, bier und wein wären gesund ^^).

    Antworten
  5. Moritz

    Ich habe auch lange hin und her überlegt und bin für mich zu diesem Schluss gekommen:

    Das Argument, Nichtraucher sollten sich doch einfach ihre eigenen Gaststätten suchen, ist Bullshit – wieso hast du ja schon erklärt. Außerdem kann man das Rauchen imo nicht mit dem Saufen gleichsetzen. Ganz einfach, weil ein Säufer nur sich selbst bzw. seinem eigenen Körper schadet. Nicht so der Raucher. Wenn ich zweimal im Monat in einem Gasthof oder in einer Kneipe bin und dort jedes Mal passiv rauche, dann ist es möglich, dass mein Körper dadurch kaputt geht. Es muss nicht sein, es kann aber. Aber was noch schlimmer ist: vor allem Gasthäuser sind oft voll mit Kindern und wenn ich daran denke, dass diese Kinder in verrauchten Zimmern spielen, während sie auf ihr Essen warten, dann wird mir schlecht.

    Weiterhin glaube ich, dass unsere Gesellschaft sich immer mehr vom Rauchen distanzieren wird. Was im vergangenen Jahrhundert vollkommen in gewesen ist, wird bald vollkommen out sein und Gesetze wie dieses unterstützen diesen Rückgang.

    Kurz gesagt: Ja, ich werde für den Nichtraucherschutz stimmen.

    Antworten
  6. stk Beitragsautor

    Moritz‘ Punkt ist genau der, der mich dem Entwurf zustimmen lassen wuerde. Beim Rauchen innerhalb geschlossener Gebaeude handelt es sich immer nicht nur um eine Selbst-, sondern auch um eine Fremdschaedigung. Ganz unweigerlich. Da bringen auch Aufklaerung und besondere Abgabe nichts — wie es mit der Ruecksicht aussieht, sieht man ja.

    Gegen abgetrennte Raucherraeume haette ich auch nichts einzuwenden, das waere an sich dann wieder ein Wettbewerbsproblem, etc. pp.

    Wie gesagt. Der Vorschlag geht mir eigentlich zu weit. Mit der jetzigen Loesung bin ich aber ebenso wenig zufrieden.

    Antworten
  7. Laser

    Moin!

    In Memmingen hat die Selbstregulierung ganz gut funktioniert.
    Dort gab es, dem Prinzip von Angebot und Nachfrage folgend, schon vor dem Rauchverbot Nichtraucherkneipen.

    Gruß
    Jochen

    Antworten
  8. Pingback: Freiheit oder Sozialismus! | The Aftermath

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert