Archiv für den Monat: April 2010

re:publica und so

Lobos launiger, mir aber nicht so ganz zusagender Shitstorm-Vortrag hat mich dann doch noch dazu gebracht, das Netbook auszupacken und ein wenig meine Notizen in eine koherente koherentere Form zu bringen. Das ist mir sowieso positiv aufgefallen: Entweder war ich einfach bei den „richtigen“ Veranstaltungen, oder dieses Jahr ist wirklich endlich wieder Notizblock statt Netbook in. Dafuer wurden staendig von mehreren Leuten relativ unspektakulaere Aussagen von Rednern wiederholt, die diese ohnehin vor vollen Saelen und Liveuebertragung zum Besten gaben. Naja.

Nachdem ich nun bei der Haelfte meines Zettelwusts bin und mir die Augen zufallen, weil ich mich gestern abend noch zur Sneak nach Neukoelln (mit anschliessender S-Bahn-Verfolgungsjagd) mitschleppen lassen habe, vertage ich den Artikel auf morgen und schliesse mit den gleichsam fundamentalen wie eigentlich schon ziemlich offensichtlichen Grundprinzipien der re:publica:

Nein, es gibt kein WLAN und keinen schnellen Checkin. Ja, alle quatschen und begruessen sich waehrend der Keynote, schweigen sich dafuer vor den Workshops an und twittern, dass alle schweigend vor dem Workshop stehen. Ja, die miteinander halbverwandt- und verschwaegert-e Internetzelite ist geradezu inzestuoes miteinander verbandelt. Nein, in die Workshops, die man sich ausgesucht hat, kommt man nicht rein, weil der Raum eh schon dreifach ueberfuellt ist. Und die Twitterlesung war mit Ausnahme der von Jeff Jarvis vorgelesenen englischen Tweets jetzt nicht so arg lustig.

Hat mir bislang trotzdem insgesamt gefallen. Warum, erzaehl ich morgen. Bis dann.

Mein #rp10-Programm

Es ist sauschwierig, jedes Mal wieder. Dieses Jahr habe ich gleich mal ohne mit der Wimper zu zucken den groessten Teil der Veranstaltungen im Friedrichstadtpalast aus dem Kalender geschmissen, weil es die ja eh auf Video geben wird, und ich hoffe instaendig, dass mir das nicht allzuviele nachmachen und die Kalkscheune wieder aus allen Naehten platzt. Mein vorlaeufiges Programm fuer die re-publica sieht nun so aus:

Mittwoch

Nach dem ueblichen Begruessungsgeplaenkel geht es fuer mich los mit „A Twitter Revolution without Revolutionaries?“ von Evgeny Morozov, der mir noch durch das FAZ-Gespraech mit Clay Shirky positiv in Erinnerung ist. Danach wird es wohl auf „Praktische Antizensur“ mit Florian „scusi“ Walther hinauslaufen, bevor ich mir — wahrscheinlich — einmal die zweiseitigen Maerkte ansehen werde.

Danach werde ich „Technology for Transparency“ (David Sakasi) bzw. „What’s Next“ (Peter Kruse) angesichts der Aufzeichnung eher links liegen lassen und stattdessen  „Wie man Leuten nichts beibringt“ (Passig) ansehen, und dann muss ich mich wohl doch forken: „Mobile Augmented Reality“ und „Saving the planet vs. privacy“ werden zwar aufgezeichnet, zeitgleich zur Session „35mm-Webvideo“ vom im letzten Jahr von mir gescholtenen und nun neuerdings bei Blinkenlichten untergekommenen Markus „Videopunk“ Huendgen finden auch „Pressefreiheit, Informantenschutz und Quellenschutz fuer Blogger“, sowie der Anfang der „Identity Wars“ von Christian Heller statt.

Abschluss: Vermutlich „Auf der Ueberholspur zum Stoppschild“, und dann schau mer mal.

Donnerstag

Wird schwierig. Klingt alles interessant. Alvars Session, auf die Gefahr hin, nur bereits bekanntes zu hoeren? Dasselbe gilt fuer die Netzneutralitaeteinfuehrung. Die Zeitungsrettungssession, obwohl sie so nach Selbstlob einer einzigen allheilbringenden App klingt? Oder doch re:learn? Mal schauen. Selbes gilt quasi fuer den kompletten Tag, bis auf „#unibrennt“ und „Haha, ich lachte, Bernd“, was mal relativ sicher gebucht ist 😉

Freitag

Nicht den blassesten Schimmer. Open Education, weiss der Geier. Das plan ich dann am Mittwoch abend. Vielleicht.

Wellentiefflug

Ich haette ja im Vorfeld nicht erwartet, dass Segeln so viel Spass macht. Es macht aber in der Tat so viel Spass, dass Ferienwohnungs-WG-Mitbewohner Joe mir bisweilen zu verstehen gibt, dass ich nicht alle 20 Minuten laut sagen muss, wie viel Spass Segeln macht.

Den SBF-B-Kurs des Universitaetssegelclub Ulm wollte ich eigentlich schon vor zwei Jahren machen, und letztes Jahr hat es dann irgendwie auch nicht gereicht, weswegen Raimar, Frank und Ferdi lange Zeit die einzigen im Bekanntenkreis waren, die mit dem amtlichen Segelwisch herumprotzen konnten. Nun habe ich aber mit Juli und Mab die Theoriepruefung abgelegt um nun eine Woche lang auf dem Ammersee zwecks Aneignung praktischer Kompetenzen herumzufetzen. Und auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: Junge, macht das Spass! 😀

Die Lernkurve ist schon verdammt steil, und allerspaetestens am zweiten Tag kann man auch mal eben schnell eine flotte Halse fahren, was einem zuvor im Theorieunterricht noch wie ein Buch mit sieben Siegeln vorkam. Ab dem zweiten Abend erfaehrt man dann auch, was „Landkrankheit“ ist, wenn einem leicht schwindlig wird, weil der Boden im Tengelmann beim gehen gar nicht nachgibt und schwankt, was einen dann auch richtig fertig macht. Ausserdem muss man davon ausgehen, dass man im taeglichen Leben auf einmal „Backbord“ und „Steuerbord“ oder Begriffe wie „Ablegen“ (statt „wegfahren“) verwendet, oder Luv- und Leeseite statt der Himmelsrichtungen zur Orientierung verwendet.

Absolutes Highlight ist aber die Regatta am Freitag, fuer die sogar noch einmal richtig ordentlich(!) Wind blies. Schon Donnerstags beginnen einige ganz besonders ehrgeizige Crews damit, optimale Regattakurse per GPS zu ermitteln, das allerletzte aus den (ziemlich abgefuckten) Segeln herauszuholen, oder gleich ganze Grosssegel bei anderen Schiffen mit besserer Ausstattung zu „klauen“. Dasselbe Schiff des besonders ehrgeizigen Bootsfuehrers bekam dann dafuer Freitag mittag von einer anderen Crew unter Wasser einen dicken Stein an den Kiel gebunden, um den Vorteil wieder auszubremsen, was unter allgemeinem Gelaechter leider schon vor Start auffiel. All diese kreativen Versuche wurden selbstverstaendlich von der Regattaleitung nach einem moeglichst willkuerlichen System mit Straf- oder Bonusminuten vergolten.

Den Vogel schoss aber die Crew ab, die zehn Minuten vor dem Start penibel auf der Seekarte den wirklich alleralleroptimalsten Kurs anhand des gerade anstehenden Windes ausrechnete (10 Strafminuten fuer zu viel Ehrgeiz), nach einigen Runden aber kurzerhand anfing, an der dritten Wendemarke wiederholt Boje-ueber-Bord-Manoever zu ueben, um anschliessend ihren USCU-Bootsfuehrer zu fesseln und knebeln und den Regattakurs gnadenlos bis zum Ende des Rennens andersherum zu befahren. Ich bin beinahe abgebrochen.

Und nachdem wir dann heute noch einmal bei ordentlichem Wind mit maximalster Kraengung ueber den See gefetzt sind, scheint nun auch meine Theorie bestaetigt, dass es guten Wind nur gibt, wenn man die weissen Schuhe anhat. Das werde ich aber erst noch einmal untersuchen muessen.

Warum es nicht vergebens war

Zugegeben. Anfangs ging es mir wie @mspro. Da ist das Sperrgesetz im eigenen Land noch nicht mal aufgehoben, und schon geht es auf EU-Ebene weiter — wie Don Quijote mit den Windmuehlen. Als haetten die Petition, die Demonstrationen, der Versuch, Medien und Politik wachzuruetteln, nie stattgefunden.

All das hat aber stattgefunden. Und demnach ist einiges anders als im vergangenen Jahr. Auf B5 aktuell habe ich alle 15 Minuten die Stellungnahme des voll namentlich genannten Arbeitskreises gegen Internet-Sperren und Zensur verlesen bekommen, was im Radio einen geradezu pathetischen Klang bekommt. Waehrend bei der SWP vor einem Jahr noch Gunther Hartwig und Thomas Veitinger pro Netzsperren schrieben, war der Censilia-Vorstoss dieses Mal einen Seite-1-Kommentar wert, in dem Christoph Faisst die Sperrphantasien als die, Zitat, „sinnlose Symbolpolitik“ anprangert, die sie tatsaechlich sind. Und selbst Bild.de ergeht sich nicht in Ad-hominem-Angriffen gegen Sperrgegner, sondern berichtet ueberraschend ausgewogen.

Ich bin natuerlich zu sehr Zyniker, um den Unterschied zwischen der gedruckten Bild und bild.de nicht zu erkennen. Und ich werde mich von den Anti-Zensur-Beteuerungen der schwarz-gelben Regierung nicht einlullen lassen. Aber trotzdem zeigen mir solche einzelnen Punkte, dass die Bemuehungen des vergangenen Jahres alles andere als vergebens waren.

Soviel zum treuen Leser

Meine Eltern haben jahrzehntelang die Illertisser Zeitung bezogen, die hier auf dem Land so ziemlich konkurrenzlos da steht — die SWP kuemmert sich mehr um den wuerttembergischen Teil und laesst Bayern links rechts liegen.

Zur IZ-Lektuere gehoerte schon immer, zwischendurch mal ueber diesen oder jenen Artikel zu laestern — besonders den Regionalteil kann man meiner Meinung nach nicht als Glanzleistung des Journalismus bezeichnen. Mit dem immer noch weiter ausufernden Bratwurstjournalismus hat die IZ es nun aber geschafft, dass meine Eltern nach zig Jahren ihr Abonnement zum 1.5. gekuendigt haben. Und offenbar sind sie dabei nicht die einzigen.

Leise schreitet es voran…

PS: A propos Bratwurst. Da findet sich auch die SWP.