Archiv für den Monat: September 2009

Brandversicherungen und Mut

Nach irgendwelchen schlimmen Geschehnissen wird wahrscheinlich deswegen so viel von so vielen Leuten kluggeschissen, weil es so furchtbar einfach ist. Manches davon ist einfach nur doof, anderes bietet Anlass, mal genauer nachzudenken und zu hinterfragen.

Erstens. Buchmacher nehmen vermutlich gar keine Wetten mehr darauf an, wie schnell Unionspolitiker mehr Videoueberwachung und Killerspielverbote fordern, sobald wieder eine neue Gewalttat bekannt wurde. Dass Videokameras zur Gewaltpraevention ebensoviel taugen wie eine Brandversicherung vor Feuer schuetzt, interessiert scheinbar genausowenig wie der Umstand, dass die tatsaechlich vorhandenen Videokameras die brutale Tat in der Muenchener S-Bahn kein bisschen verhindern, mildern oder abschwaechen konnten. Kameras verhindern auch nicht die Umstaende, unter denen junge Menschen aufwachsen, und die sie erst auf die im wahrsten Sinne des Wortes asoziale Idee bringen, ihre Mitmenschen mit koerperlicher Gewalt zu traktieren, sogar bis zur Todesfolge. Videoueberwachung hilft auch Zuschauern nicht, Hilfe herbeizurufen, aber das tun Placebonotrufsaeulen natuerlich auch nicht. Und nicht zuletzt mobilisiert Videoueberwachung auch keinen einzigen Zuseher, einzuschreiten.

Zweitens. Ja, die Zuseher. “Gaffer” nennen sie einige und schuetteln den Kopf angesichts ihres passiven Verhaltens. Das geht aus der Ferne natuerlich gut, wenn man nicht dabei war und sich vormachen kann, ein rechtschaffener Buerger zu sein, der immer eingreifen wuerde. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Ich bin seit zehn Jahren bei der Feuerwehr und weiss im Einsatz auch ohne notfallmedizinische Ausbildung halbwegs, was ich zu tun habe. Vor einem Jahr habe ich direkt vor mir miterlebt, wie eine aeltere Dame nach der Blutspende zusammengeklappt ist und sich eingenaesst hat. Ich wuerde mich nicht feige nennen wollen, aber das einzige, was ich in dem Moment tat, war dasselbe, was alle anderen taten: Aufhoeren auf der Rotkreuzsemmel herumzukauen und mit grossen Augen auf das Geschehen starren. Bis sich einer regte und Hilfe holte. Dann erwacht man so langsam und bei mir schaltete sich der “Blaulichtmodus” ein. Hinterher war mir das furchtbar peinlich, aber offenbar ist das nichts aussergewoehnliches.

Machen wir uns nichts vor: Wir sind Herdentiere. Wenn auf einmal jemand herkommt, der offenbar staerker ist als man selbst, und den grossen Zampano markiert, schauen wir erst einmal geradeaus und hoffen, dass es uns nicht trifft. Besonders dann, wenn es gleich mehrere Stoerenfriede sind. Die ganze “friedliche Herde” wuerde mit diesen Einzelnen locker fertig. Dafuer bedarf es aber erst eines Anfuehrers, der die anderen aus ihrer Starre aufweckt und ihnen sagt, was sie tun sollen. Findet sich der Anfuehrer nicht, oder schafft er es nicht, die anderen aus ihrer defensiven Schreckhaltung zu holen, haben wir ein Problem. Dann warten naemlich alle darauf, bis noch jemand aufsteht und sagt, “Hey, so geht’s nicht”, um dann laut “Genau, so geht’s nicht!” zu sagen und sich hinter ihn zu stellen. Nur, wenn das alle tun, bleiben alle sitzen und beschimpfen innerlich die anderen, was sie doch fuer Feiglinge sind. Und sich selber auch.

Das ist ausdruecklich keine Schuldzuweisung, nicht einmal ansatzweise. Man sollte sich das aber noch einmal vor Augen halten, dass es nur allzu leicht ist, hier mit dem Finger zu zeigen oder dem Kopf zu schuetteln — obwohl die meisten von uns vermutlich nicht viel anders gehandelt haetten, wenn sie tatsaechlich dabei gewesen waeren und das nicht nur als Gedankenuebung auf dem Buerostuhl exerzieren.

Das Sendestudio im Rucksack

Die Idee fuer dieses Konzept entstand erstmals, als Claus und ich die Geschehnisse im Rahmen der NPD-Demonstration am 1. Mai in Ulm und die dazugehoerigen Gegendemonstrationen per Kamera mehr oder weniger live dokumentieren wollten. Im Endeffekt war es ein abwechselndes Fotografieren und Hochladen der Bilder, was aber nicht wirklich befriedigend war.

So kam also zunaechst die Idee auf, die Bilder direkt nach ihrem Entstehen auf das Netbook im Rucksack zu uebertragen und von dort aus samt Geotag zur Redaktion weiterzuleiten. Langsam reifte diese Idee weiter und fuehrte schliesslich zu einem Konzept, Journalisten in moeglicherweise feindlich gesinntem Umfeld (Stichwort Iran) die Moeglichkeit zu bieten, Bilddokumentation direkt und sicher weiterzuleiten, sich eventuell mit anderen Reportern zu koordinieren und dabei moeglichst wenig aufzufallen. Ein weiteres Anwendungsfeld waere beispielsweise eine verteilte mobile Bestandsaufnahme nach Grossschadenslagen, bei denen Katastrophenschutzeinheiten und Feuerwehr auch nach Ausfall der normalen Fernmeldeinfrastruktur eine schnelle und flaechendeckende Erkundung des betroffenen Gebiets durchfuehren koennen.

Scr300

An solch ein System werden harte Anforderungen gestellt. Es muss vor allem in jeder Hinsicht robust sein: Gegen mechanische Belastung wie Schlaege, fallende Gegenstaende sowie Hitze- und Feuchtigkeitseinwirkung muss es ebenso geschuetzt sein wie vor elektromagnetischen Stoerquellen, wie sie beispielsweise durch beschaedigte Hochspannungs- oder Sendeanlagen in Erdbebengebieten prinzipiell vorkommen koennen. Der Uebertragungsweg muss ebenso robust sein: Einerseits muss er den Ausfall beispielsweise des UMTS-Netzes verkraften koennen und alternative Uebertragungswege beispielsweise ueber WLAN- oder Bluetooth-Meshing mit anderen solchen Rucksaecken ermoeglichen und eine sichere Uebertragung garantieren, andererseits muss auch gewaehrleistet sein, dass Dritte die Informationen auf dem Weg nicht abfangen, einsehen oder aendern koennen. Da gerade in Krisengebieten eine Stromversorgung nicht staendig gesichert ist, sollten die uebertragenen Daten stets auf mehrere Standorte verteilt gesichert werden, um bei Ausfall eines Speicherortes die Daten noch an den anderen Orten zur Verfuegung zu haben. Eine lange Einsatzdauer ist Pflichtvoraussetzung, ohne dabei den Benutzer durch furchtbar schwere Akkupacks unnoetig koerperlich zu belasten. Schlussendlich muss der Benutzer Probleme wie zur Neige gehende Akkukapazitaet, Uebertragungsfehler oder dergleichen sicher angezeigt bekommen, eventuell ist auch ein Rueckkanal von der Leitstelle zum Benutzer denkbar.

Da hier mehrere klassische Ubicomp-Themengebiete zum Tragen kommen (Trust, Security etc.) sieht es derzeit so aus, als koennte ich eine Beispielumsetzung in meinem Anwendungsfach realisieren. Natuerlich laesst sich jedes Problem einfach loesen, indem man es mit ausreichend Geld bewirft (alte Ingenieursweisheit), in diesem Fall steht aber natuerlich auch ein guenstiger Preis im Pflichtenheft. Fuer Feedback und Input bin ich auf jeden Fall immer offen :)

Dass solch ein System prinzipiell auch in der Lage waere, polizeiliche Uebergriffe auf Demonstrationen zu dokumentieren und sicher an mehrere unabhaengige Orte zur spaeteren gerichtlichen Verwertung zu uebertragen, ist tatsaechlich reiner Zufall, aber nicht unwillkommen.

Kafka meets Freiheit statt Angst

Egal, dass es weniger Teilnehmer als im Vorjahr waren. Durch die Videodokumentationen und die Erfahrungsberichte wird nun wenigstens offenbar auch einer breiteren buergerlichen Bevoelkerungsschicht klar, was es heissen kann, im Umfeld einer Kundgebung in die Behoerdenmuehlen zu geraten.

Aktuelles abschreckendes Beispiel: Markus “Alios”, der eine Festnahme und ED-Behandlung ueber sich ergehen lassen musste, weil er ein Leatherman dabei hatte. Und beim Lesen ist mir aufgefallen, dass ich am Samstag natuerlich mein Schweizer Taschenmesser dabei hatte, ohne darueber nachzudenken — weil ich’s ja sonst auch immer dabei habe. Uff.

Merkel kann auch den Regen aussitzen

IMG_1861

Puenktlich zu Angela Merkels Auftritt in Ulm regnete es aus Stroemen, und puenktlich zu ihrer Abreise klarte es wieder auf. Merkel liess sich aber weder vom Wetter, noch von den erstaunlich zahlreichen und lautstarken Protestrufern aus der Fassung bringen. Milchbauern, Greenpeace, Piraten, Gentechnikgegner, Kriegsgegner und Volksentscheid-Befuerworter waren Transparent-, Banner- und fahnenschwenkend auf dem Muensterplatz zu sehen und sorgten teilweise fuer jede Menge Laerm und Buhrufe, der oftmals den Applaus ueberwog. Ich war sehr ueberrascht, dass die Unionsanhaengerschaft dagegen so klein ausfiel.

IMG_1844

Mehr gibts unter anderem bei ulm-news und der SWP (inklusive ganz passablem Video, von @nullsummenspiel und Kollegen gedreht) — Bilder bei mir im flickr-Stream.

IMG_1874

Custodiamus ipsos custodes (II)

Mittags fand ich es noch amuesant, dass ausgerechnet eine Datenschutzdemo die wohl bestdokumentierte Demonstration aller Zeiten werden duerfte. Auf dem Heimweg vom Potsdamer Platz nach Kreuzberg las ich dann auf Twitter, wie sich ein Video von einer Festnahme verbreitete, die ich selbst gesehen hatte. Und irgendwie habe ich das Gefuehl, dass das Demonstrationen und vor allem die Polizeiarbeit dort nachhaltig veraendern koennte. Aber von Anfang an.

Gestern morgen fuhr ich im vollbesetzten Kleinbus von Ulm nach Berlin, um an der „Freiheit statt Angst“ teilzunehmen. Auf der Hinfahrt bekam ich dann eher zufaellig mit, dass meine Anfrage von letzter Woche, ob noch Helfer gebraucht werden, als Freiwilligmeldung interpretiert und ich als Helfer im Wiki eingetragen worden war. Also schon wieder ein demobezogenes „first“ dieses Jahr.

Der Job war anfangs furchtbar unspektakulaer: Als einfacher Demoteilnehmer mitlaufen, versuchen die Teilnehmer zu zaehlen und die Ordner zu bestellen, falls sich irgendwo Aerger zusammenbrauen sollte. Den gab es aber nun wirklich nicht, selbst die Antifas waren ungewohnt unprovokativ und machten soweit ich das ueberblicken kann ueberhaupt keinen Aerger, so dass ich auch eine ganze Weile lang vom Holocaust-Stelenfeld aus in Ruhe zaehlen und die Waegen ansehen konnte.

Spektakulaerer wurde das ganze dann, als eine ganze Gruppe Demoteilnehmer zurueck am Potsdamer Platz den groessten dortigen Grunflaechenhuegel „eingenommen“ hat. Dieser Huegel ist anscheinend polizeitaktisch von so entscheidender Bedeutung, dass er mit gleich mehreren behelmten Polizeihundertschaften verteidigt werden musste, was die besetzende Fraktion natuerlich nur umso mehr sportlich herausgefordert hat (hier mit Bildern). Bis dahin also die ueblichen Spielchen, wie man sie von beinahe jeder Demo kennt, und ich war gerade im Gehen begriffen, als sich nur ein paar Schritte von mir entfernt die „unschoenen Szenen“ abspielten, wie sie anderswo genannt wurden. Und ich bin nach wie vor beeindruckt, was danach passierte. Schon bei den ersten Festnahmen klickten staendig die Kameras und wurde gefilmt, sobald sich Polizei und Teilnehmer nahe kamen – und zwar dieses Mal mit deutlicher „Waffenueberlegenheit“ der einfachen Buerger gegenueber den BFE-Trupps. Und auch jetzt wurde staendig draufgehalten, Namen der Festgenommenen zugerufen und der Ermittlungsausschuss informiert. Wie so oft waren die Zuschauer sichtlich verstoert (einer zitterte am ganzen Koerper, ein anderer schimpfte mindestens eine halbe Stunde lang, was das fuer eine Sauerei sei), aber sofort wurde die Kontaktadresse des AK Vorrat verbreitet, Zeugen meldeten sich am Koordinationszelt, und das HD-Video der brutalsten der Festnahmen machte ja bekanntermassen in rasender Geschwindigkeit die Runde im Netz.

So widerspruechlich es anmuten mag: Ich sehe hier eine gewaltige Chance fuer eine, sagen wir mal, „transparentere“ Nachbereitung derartiger Vorfaelle auf Demonstrationen. Es ist ja keineswegs so, dass Gewalt seitens der Polizei bei Demonstrationen jetzt eine besondere Ausnahme sei — das war wohl nur fuer die vielen “buergerlichen” Demoteilnehmer nun ein wenig erschreckend, das einmal zu erleben. Die „Beweissicherung“ ist jetzt aber nicht mehr nur in der Hand einer einzigen Seite, die bisweilen unter Verdacht steht, das gemachte Bild- und Filmmaterial recht voreingenommen auszuwerten und sich im Gegenzug unter Kollegen nicht gegenseitig belasten zu wollen. Stattdessen ist jeder Teilnehmer auch ein potenzieller Zeuge, und zwar nicht nur mit Gedaechtnisprotokollen, sondern unter Umstaenden auch mit Fotos oder Videos – gemacht mit der Hosentaschenkamera oder dem Handy, ins Netz gestellt und verbreitet.

Die Polizei wird sich vermutlich auch darauf einstellen. Es ist ja jetzt schon sehr beliebt, die Loeschung von Bildern fotografierter Polizisten unter Androhung der Beschlagnahme der Kamera zu verlangen, auch gestern passierte das wieder, und das wird nicht weniger werden. Ein Bild oder Video einer illegalen Polizeiaktion ist eben nur dann etwas wert, wenn man es auch aus der Demonstration heraus und verbreitet bekommt. Man wird sich auch weiterhin gegen die Einfuehrung einer Identifikationskennzeichnung fuer Polizisten wehren und zukuenftig wohl noch seltener ohne Helm auftreten, um nicht so einfach zu identifizieren sein. Aber auch hier wird sich etwas finden – Direktuebertragung der Bilder per UMTS oder angepasste Kamerafirmwares, die Bilder zwar augenscheinlich loeschen, in Wirklichkeit aber nur verstecken, beispielsweise. Schauen wir mal, wie sich das entwickelt.

Ich fuer meinen Teil bin gestern offensichtlich auch mal wieder auf diversen BFE-Videoaufzeichnungen gelandet, und dieses Mal kann ich mich nicht damit herausreden, nur journalistisch unterwegs gewesen zu sein. Aber manche Ziele und Anliegen sind eben doch noch wichtig genug, das in Kauf zu nehmen.

Abschliessend: Ich muss an dieser Stelle auch den Kritikern Recht geben, die sowohl den zunehmenden Love-Parade-Charakter als auch die Parteifarbigkeit (linksrot, gruen, gelb, orange) der fsa09 kritisiert haben. Es ist zwar respektabel, wenn allein mehrere tausend Leute im Piratenblock mitmarschieren – im Gegensatz zu Transpis und Bannern besticht eine Sammlung von 200 Piratenparteiflaggen jetzt aber nicht unbedingt durch knackige Sprueche oder intelligente Einfaelle. Das ist schade und frustrierend – ein wenig mehr Farbe, ein wenig mehr nette Sprechchoere und ein wenig mehr Vielfalt waeren schoener gewesen als einfach nur schafherdenartig hinter dem Partytruck trottende Fahnenschwenker. Und ein wenig mehr Teilnehmer haettens auch sein duerfen. Ein Grund mehr, warum ich zu Parteien allgemein und den Piraten speziell bei aller Sympathie und Unterstuetzung weiter ein wenig gesunde Distanz aufrechterhalte.

Zu der Sache mit der UMTS-Direktuebertragung hatte ich schon seit dem UMTS-Versuch bei der Demo am 1. Mai eine kleine Ideensammlung in der Schublade, die ich eben wieder ausgepackt habe und daran weiterschreibe. Mehr in Kuerze hier.

(Worte angepasst, die ich einige Jahre spaeter nicht mehr verwenden wuerde. Witzig auch, dass ich in so vielen Texten aus der Zeit Stress bei „den Antifas“ verorten wuerde)

Custodiamus ipsos custodes

Ja, es geht um dieses Video, das gestern fast schon nervig meme-artig durchs Netz ging, beziehungsweise das Geschehen, das dort aufgezeichnet wird. Ich stand zehn Meter weiter, als das passiert ist. Und wie das anschliessend aufbereitet wurde (und wird, und wie das mit den zwei anderen Festnahmen dort kurz zuvor war), ist einen laengeren Blogartikel wert.

Momentan sitze ich aber immer noch in einem McDonalds irgendwo zwischen Berlin und Ulm, d.h. geduldet euch noch ein wenig.

Sehhilfenprokrastinierung

2001. Ich moechte meine Sehstaerke pruefen lassen und herausfinden, ob meine alte Brille noch ausreicht. So nebenbei hole ich mir dabei Kontaktlinsen. Das passiert mir oefter, nicht nur mit Kontaktlinsen. Ab sofort sind alle meine Passbilder brillenfrei. Yay!

2004. Ich vertrage meine Kontaktlinsen nicht mehr. Das macht aber nichts, denn jetzt bin ich Zivi, und Zivis duerfen ohnehin herumlaufen, wie sie wollen. Mich gibt es jetzt auch tagsueber wieder mit der alten Brille. Ist aber natuerlich nur uebergangsweise.

brille

2005. Ich trekke durch Amerika. Tageslinsen habe ich zwar dabei, aber nur fuer besondere Anlaesse. Zum Beispiel, um abends mit den Mitreisenden in Las Vegas Party zu machen. Oder um herauszufinden, dass ich mit der damaligen Frisur und Tageslinsen eindeutig unter 21 aussehe. Sagen zumindest die Bouncers.

2006. Ich bin jetzt Student, und Studenten duerfen herumlaufen, wie sie wollen. Ich will gerne mal wieder mit Kontaktlinsen herumlaufen und lasse mir deshalb neue anpassen. Der Optiker findet ganz viele aussergewoehnliche Feinheiten an meinem Auge, die zuvor niemandem aufgefallen sind, und bastelt mir eine optimal korrigierende Setzkastenbrille zum Ausprobieren zusammen. Ich erlebe die Welt in Full HD. Aber es ist 2006, selbst die WM schaut kaum jemand in HD, und ich will lieber Kontaktlinsen. Mit denen kann ich bloederweise aus der letzten Reihe im Hoersaal den Tafelanschrieb nicht einmal in SD sehen. Mit der alten Brille schon. Vorerst bleibe ich mal bei der. Ist ja nur uebergangsweise

brillenglas

2008. Obwohl eigentlich chronisch ungeputzt, zeigt die Brille langsam kleine meteoritenartige Krater und auch einige Taeler auf ihren Glaesern. Das komme vom Putzen, bekomme ich erzaehlt, und ich lache ein wenig darueber. Ich ueberlege, zum Optiker von vor zwei Jahren zu gehen, dann faellt mir ein, dass ich mich nach der mehrstuendigen Anpasserei nie wieder bei ihm blicken lassen habe. Ich habe die fixe Idee, dass er mich sofort erkennt oder ein dicker Vermerk in meiner Kundenakte steht, wegen dem er mich verhauen wollen wuerde, sobald er das bemerkt. Ich beschliesse, noch etwas Gras ueber die Sache wachsen zu lassen.

2009. Ich brauche ein neues Passbild. Das wird wieder brillenfrei, obwohl ich seit fuenf Jahren maximal alle paar Wochen mal Tageslinsen im Auge hatte. Aber ich bin ja jetzt fast schon Diplomand, und Diplomanden sind staendig besoffen und haben morgens nach dem Nachhausekommen keinen Nerv, sich Kontaktlinsen aus dem Auge zu pulen. Das Brillengestell bekommt langsam aber sicher scharfe Kanten an den Stellen, an denen das Nasenpad befestigt ist, und die nun jahrelang auf meiner Nase herumgerutscht sind. Aber es ist ja nur eine Ersatzbrille.

Und heute habe ich mir an dieser Kante tatsaechlich die Nase eingeschnitten, verdammt nochmal. Naechste Woche gehe ich zum Optiker.

Fundstueck der Woche

Keine Ahnung, wer das vor dem BECI stehen lassen hat, und keine Ahnung, wie dieses Spiel funktioniert. Es sieht aber auf jeden Fall hochinteressant aus.

spiel1

Innendrin findet man ein Spielfeld aus hauchduenner Plastikfolie und schon ziemlich abgegriffene Spielsteine aus Hartkarton (oder sowas in der Art). Ich habe zwar schon ein wenig gesucht, fuer “KUMU LUZHANQI” gibt es aber keinen einzigen Treffer bei Google oder Bing.

spiel2

Julia Zeh zitieren macht Spass.

Cicero uebertitelt das Interview mit Julia Zeh mit einer Aussage, die sie nicht machen will, aber das macht nichts. Es zu lesen lohnt schon wegen folgender Passage:

Was antworten sie einem Menschen der sagt, der Staat solle die Menschen ruhig überwachen, denn wer nichts zu verbergen habe, habe auch nichts zu befürchten?
Dem antworte ich, dass er nicht verstanden hat, was Demokratie ist, dass er nicht verstanden hat, was Freiheit ist, dass er offensichtlich kein Gefühl mehr für seine eigene Würde besitzt und dass er der perfekte Untertan ist. Danach haut er mir wahrscheinlich eine rein, wenn keine Kamera in der Nähe ist.

Ausserdem: Ich spiele gerade Concierge (oder wie das akademisch heisst) bei einer wissenschaftlichen Konferenz und schaffs ansonsten gerade mal, alle zwei Tage meine Mails abzuarbeiten und so. Das ist keine Entschuldigung, aber eine Erklaerung.

(Die Liste der Austragungsorte liest sich sowieso toll: Wien, Brisbane, Mailand, Ulm, New York City. Und wir werden fuer die herausragend gute Organisation gelobt. Nice :) )