Neutral Point of View und so.

Anmerkung einige Jahre spaeter: Dieser Beitrag beschreibt meine Meinung von August 2009. Acht Jahre spaeter, mit der AfD nicht nur in den Talkshows, sondern inhaltlich auch in den alltaeglichen Diskursen und in einer Woche voraussichtlich im deutschen Bundestag, moechte ich klarstellen, dass ich dieser Meinung bereit seit einer ganzen Weile nicht mehr bin. Es gibt keine Neutralitaet. If you are neutral in situations of injustice, you have chosen the side of the oppressor. If an elephant has its foot on the tail of a mouse and you say that you are neutral, the mouse will not appreciate your neutrality. 

Ein Journalist kann nicht entscheiden, wen ich aus welchen Gruenden nicht waehle. So.

Diesen Montag sassen wir in kleiner Runde bei einem Bierchen im Zentral. “Wir”, das waren @mmap mit zwei Kollegen seitens @SWPde, sowie @Nitek, zwei Kollegen und ich seitens Team-Ulm, und wir haben uns ueber diverse Aktionen unterhalten, die wir gemeinsam in Zukunft basteln koennten, und uns auch gegenseitig Anregungen gegeben. Ein bestimmendes Thema dieses Sommers ist natuerlich die Bundestagswahl, und die SWP will ja genauso wie wir mit Video herumexperimentieren — irgendwann fanden wir die Idee ganz nett, alle Direktwahlkandidaten a la politik.de-Videoduell gegeneinander antreten zu lassen. Jeder mit Kurzvorstellung wie gehabt, aber dann muessen sie alle zusammen eine Reihe von Fragen beantworten, die aus der Leserschaft gesammelt wurden. Natuerlich dieselben Fragen, damit das auch vergleichbar ist.

Das gefiel allen, und so skizzierte der Kollege von der SWP das schnell auf dem Block und meinte beilaeufig, dass sie dann alle befragen wuerden. Alle, “bis auf die Rechten. Natuerlich.”

Ich finde das nicht “natuerlich”, ich finde das befremdlich absolute ueberhebliche Oberscheisse. Ich halte die NPD fuer ein Sammelbecken fuer Schlaegertypen und Ewiggestrige, aber wie ich schon einmal hier schrieb, werden extremistische Parteien erst dann zu einer Gefahr fuer unsere Demokratie, wenn die etablierten Parteien auf ganzer Linie so sehr versagt haben, dass die radikalen Parteien fuer eine Mehrheit als Wahlalternative erscheinen. Und dann duerften die Nazis unsere geringste Sorge sein.

Viel schlimmer finde ich aber, dass man sich als Journalist anmasst, zu entscheiden, wer sich meinen Fragen nicht stellen darf. Und mehr noch, wen ich nicht waehlen soll — denn darum geht es ja letztendlich.

Man kann das nun alles irgendwie begruenden. Man hoert oft, dass man radikalen Parteien ja kein Forum geben moechte. Aber warum denn nicht? Haelt man seine Leser fuer so dumm, dass sie die Inhaltsleere hinter den tumben Parolen nicht erkennen? Oder traut man ihnen nicht zu, den Politikern die passenden unangenehmen Fragen zu stellen, mit denen man die Ewiggestrigen im Videointerview entlarven koennte?

Man koennte ja den NPD-Kandidaten mit einem Warnhinweis versehen. So eine Aufschrift, “Vorsicht, ist fuer Auslaenderhass!”. Nur muesste man dann auch bei der SPD auf Hartz IV hinweisen, bei der CDU auf die Vorratsdatenspeicherung und bei der Linkspartei auf die SED. Nein, auch so wird das nichts.

Die Wahlen zum deutschen Bundestag sind frei und gleich. Beinahe jeder kann kandidieren, und wenn er die Waehler ueberzeugen kann, dann bekommt er ein Mandat. Die freie Presse kann die Aufgabe uebernehmen, dem Waehler bei seiner Entscheidung zu helfen, indem sie stellvertretend fuer ihn recherchiert und analysiert. Vollkommen neutral wird sie das niemals hinbekommen, denn selbst der integerste Journalist, der ein Parteibuch niemals anruehren wuerde, hat tief im Inneren Ueberzeugungen, zu denen er steht. Aber einen mentalen Filter zu installieren, um dem Leser die Kandidaten einzelner Parteien nach eigenem Gutduenken vorzuenthalten, gehoert sich einfach nicht. Auch dann nicht, wenn es um die NPD geht.

Achso, bevor ich das vergesse: Ich glaube jetzt einfach mal daran, dass mein erster, ausfuehrlicherer Kommentar unter dem dazugehoerigen Artikel (der uebrigens von @nullsummenspiel ist — Huhu :) ) einfach gar nicht abgeschickt wurde, so schwer das vorzustellen ist. Die Alternative waere naemlich, dass er geloescht wurde. Und das wuerde mir so ganz und gar nicht gefallen, auch wenn das offenbar ab und zu vorkommt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert