Archiv für den Monat: Juli 2009

Es darf diskutiert werden

Auch hier noch einmal der Hinweis: Beim „richtigen“ Bildungsstreik hat sich Ulm aus organisatorischen Gruenden nicht beteiligen koennen, das Team um Benedikt hat aber allen Widrigkeiten zum Trotz ein feines Programm fuer die kommende Woche auf die Beine gestellt.

Los geht es morgen frueh mit einer… Kunstinstallation, am abend findet ab 18.30 Uhr im H3 der Uni Ulm eine Podiumsdiskussion mit Lehrern, Professoren und Rektoren statt.

Am Dienstag (14.7.) folgt eine politische Podiumsdiskussion im Gewerkschaftshaus am Weinhof, Beginn ist ebenfalls 18.30 Uhr, eingeladen wurden Politiker aller Bundestagsparteien (ausser @tauss)

Fuer Mittwoch (15.7.) habe ich Bene dann mein Megaphon geliehen, damit Schueler und Studenten ihre Meinung beim Demonstrationszug kund tun koennen. Beginn ist um 10.00 Uhr am Hauptbahnhof, die (anscheinend eher juxhalber so angemeldete) Route entlang der Fussgaengerzone, einmal ums Muenster und zum Weinhof wurde zum Vergnuegen aller Beteiligten tatsaechlich so genehmigt.

Ich bin gespannt.

…and thanks for all the fish

buffettWer denkt, dass einzelne Fachschaftsvertreter dreist seien, weil sie bei offiziellen Festivitaeten der Uni gar nicht erst zur Feierstunde, sondern erst zur Eroeffnung des Buffetts kommen, kennt unsere FIN-Zweitis nicht.

Die dachten sich naemlich, dass man den 42.(!) Jahrestag der Universitaet nicht einfach so verstreichen lassen darf, und kamen demzufolge in Bademaenteln und/oder mit Handtuch ueber der Schulter, um sich unter den Augen der unzaehligen Ehrengaeste in die Schlange einzureihen. Respekt, das hat nicht jeder drauf :->

bademantel

Zum Ausklang dieses ganz besonderen Festtages gibt es jetzt (also JETZT!) „Per Anhalter durch die Galaxis“ (die Miniserie) auf der grossen Leinwand im O28/H22.

Nochmal Bodo Thiesen

Ich bin muede und gehoere jetzt ins Bett, kann aber meinen ersten Artikel in Sachen Thiesen nicht mehr einfach so stehen lassen. Deswegen im Telegrammstil.

  • War mir Thiesen bislang nur unsympathisch, halte seine Wahl in ein Parteiamt mittlerweile, da ich recht viele seiner Aeusserungen aus 2003 gelesen habe, fuer aeusserst bedenklich. Der schwarze Peter liegt hier meines Erachtens an den „Alteingesessenen“, die dieses vermeintlich schon abgearbeitete Thema im Vorfeld des Bundesparteitags nicht noch einmal zur Diskussion stellten.
  • Die Diskussion im Netz scheint sich in Bloecken abzuspielen. Die einen geifern geradezu, rufen Dinge wie „unwaehlbar“, obwohl einige von ihnen noch vor nicht allzulanger Zeit Sympathie mit den Piraten bekundet haben. Andere halten wiederum das Faehnchen der Meinungsfreiheit hoch. Ich tat das auch, und wuenschte mittlerweile, ich haette vorher tiefer in Sachen Thiesen nachgegraben.
  • Es gibt jedoch auch unaufgeregte und (so scheint es mir jedenfalls) ueberlegte Artikel. Hier alle aufzuzaehlen, taete all denen Unrecht, die ich mit Sicherheit vergessen wuerde. Beispielhaft sei der Spiegelfechter genannt.
  • Ad-hominem scheint beliebt zu werden, insbesondere seitens einiger Piratensympathisanten gegenueber Kritikern. Find ich scheisse. Kritische Stimmen sind nicht nur gut, sie sind notwendig. Und die Blogosphaere nimmt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle ein, indem sie die Schritte dieser neuen Partei wenigstens so genau beobachtet und kommentiert wie diejenigen der grossen. Alles andere waere erstens bigott und zweitens ein Baerendienst, wenn dadurch etwaige Fehler erst dann aufgedeckt werden wuerden, wenn der angerichtete Schaden irreparabel ist. Pascal gehoert zu den Kritikern, und wenngleich ich in einigen Ansichten von ihm gehoerig differiere, macht er das gut, und hat es auch verdient, von Der Ganzen Welt[tm] verlinkt zu werden 😀
  • Bodo Thiesen wird nicht der letzte Pirat sein, der durch kritisch zu sehende Aeusserungen ein seltsames Licht auf die Partei wirft. Definitiv nicht. Durch diese Phase muessen die Piraten besonnen und bedacht hindurchnavigieren. Und wer meint, mit solchen Leuten nicht in derselben Partei sein zu wollen, sollte bedenken, dass er die Piratenpartei im Zweifelsfall eben solchen Leuten ueberlaesst, falls er deswegen aus- bzw. nicht eintreten moechte.

Hilde Mattheis an der Uni

Gestern war Hilde Mattheis, SPD-Bundestagsabgeordnete fuer den Wahlkreis Ulm, auf Einladung der Juso-HSG an der uulm zu Gast. Praktischerweise direkt nach dem Grillabend der Hochschulpiraten, und nachdem schon auf den Einladungsplakaten das Thema „Netzsperren“ auftauchte, war es kaum verwunderlich, dass der (kleine) Hoersaal H7 mit geschaetzt weit ueber 30 Zuhoerern randvoll war.

Erst war jedoch die Gesundheitspolitik an der Reihe. Ueber eine Frage zum Risikostrukturausgleich waren wir schnell bei der Gesundheitskarte und ihre prinzipiellen Risiken angelangt. Aller Kritik zum Trotze sei die Nuetzlichkeit der Gesundheitskarte „unstrittig“, so Mattheis. Ich war leider nicht ausreichend auf die Thematik vorbereitet, der entsprechende Artikel auf netzpolitik.org kam etwas zu spaet 😉 — die meisten wollten aber ohnehin weiter zu einem ganz anderen Thema: Netzsperren.

Mir geht es gerade aehnlich wie gestern abend bei der Diskussion: Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll. Insgesamt blieb die Diskussion (bis auf wenige einzelne Teilnehmer) sachlich und unaufgeregt, ich konnte mir jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass hier zwei Welten aufeinanderprallten: Auf der einen Seite die Bundestagsabgeordnete, die das Netz maximal als Kommunikationswerkzeug aehnlich dem Telefon nutzt, und die viele Argumente der Studierenden nicht versteht (das Loeschexperiment des AK Zensur wurde in der Diskussion dreimal genannt, ohne dass ich den Eindruck hatte, dass Mattheis die Bedeutung des Ergebnisses bewusst wurde — stattdessen sprach sie immer wieder davon, dass die Polizei ja keine Amtshandlungen im Ausland vornehmen koenne, und ja „Loeschen vor Sperren“ gelte.) Auf der anderen Seite die Studierenden, die den Gesetzmaessigkeiten der Politik mit verzogenen Mienen begegneten — so zum Beispiel, als das Thema auf einen „Kollegen, der nun bei der Piratenpartei ist“ fiel, und darauf, dass man gerade vor diesem Hintergrund nicht den Eindruck erwecken koennen habe, man unternehme nichts gegen Kinderpornographie im Internet.

Dass dieses „Loeschen“ mit simplen Abuse-Mails bewerkstelligt werden kann, wurde Mattheis zwar mehrmals erklaert, wieder mit dem Verweis auf das AK-Zensur-Experiments, ich hatte jedoch nicht den Eindruck, dass dieser Sachverhalt auch bei Mattheis ankam. Im Gegenzug kam die Frage, was wir denn an dieser „Zensur“ (sie selbst fand das Wort offenbar unpassend) so schlimm faenden, dass sie den „Nutzen“ ueberwiege — worauf die gesamte Diskussion wieder von vorne anfing.

Es gab jedoch auch viele (fuer mich) positive Aspekte: Als ehemaliges Mitglied des Petitionsausschusses hielt sie die E-Petition gegen die Netzsperren fuer „aussichtsreich“, und es war meines Erachtens auch stets der Wille erkennbar, unsere Meinungen und Aussagen ernst zu nehmen. Und so traurig es ist, dass von der wochenlang gefuehrten Debatte offenbar nur wenig direkt zu ihr vorgedrungen war, bot sie uns an, ihr eine von uns ausgearbeitete Stellungnahme mit allen Kritikpunkten zu uebersenden, die sie gemeinsam mit Monika Griefahn durcharbeiten wolle.

Immerhin.

Ad Bodo Thiesen und den Holocaust

Kommentar viele Jahre spaeter: Dieser Artikel beschreibt meine Ansichten von 2009. Ich stehe schon lange nicht mehr hinter den hier aufgeschriebenen Einstellungen.

Dieser Artikel bedarf mittlerweile Ergaenzung. 7.7.09, -stk // Ergaenzung 8.7.

Frei heraus: Ich finde Bodo Thiesen nicht wirklich sympathisch. Das ist einfach etwas zwischenmenschliches, kommt vor. Wir haben aber tatsaechlich wenigstens eine Gemeinsamkeit: Die Kritik an §130, Abs. 2 StGB, der fuer die oeffentliche Billigung, Leugnung oder Verharmlosung von „unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung[en] […] in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören“ bis zu fuenf Jahre Haft vorsieht.

Ich stehe dieser Strafnorm deshalb kritisch gegenueber, weil eine Aussage meines Erachtens nicht dadurch falsch sein kann, dass sie gesetzlich verboten ist, sondern nur dadurch, dass sie (mit wissenschaftlichen Methoden) widerlegt werden kann. Im Falle der Holocaustleugnung ist das wohl definitiv der Fall — dass im Dritten Reich ein Massenmord (unter anderem) an Juden durchgefuehrt wurde, ist hinreichend wissenschaftlich belegt.

Nun ist in der Blogosphaere eine heftige Diskussion ueber einige vor sechs Jahren von Thiesen gemachte Aussagen entbrannt. Unter anderem wird auf den folgenden Text Bezug genommen:

„Solange der Holocaust als gesetzlich vorgeschriebene Tatsache existiert, sehe ich keine Möglichkeit, diesen neutral zu beschreiben. Zur Erinnerung an vergangene Zeiten. Es gab auch mal andere Doktrinen, z.B. die „Tatsache“, daß die Erde eine Scheibe sei. Diese Doktrin unterscheidet sich von der Holocaust-Doktrin im wesentlichen durch folgende Punkte: 1.) Heute existiert diese Doktrin nicht mehr, daraus folgend konnte 2.) offen darüber diskutiert werden, und Nachforschungen angestellt werden, und daraus folgt 3.) daß festgestellt wurde, daß diese Doktrin schlicht falsch war. Soviel zum Thema Neutralität. […]“

Der Aufschrei folgte stante pedes: „Bloedheit“ bis zu einer „Relativierung des Holocaust“ wollte man in dem Zitat erkennen, wenn hier offenbar der Holocaust auf eine Stufe mit der Aussage gestellt werden solle, dass die Erde eine Scheibe sei.

Ich fand das seltsam. Fuer mich als Kritiker der Holocaust-Leugnungs-Strafbarkeit war naemlich beim ersten Lesen dieses Zitats vollkommen logisch, dass Thiesen nicht die Existenz des Holocaust, sondern die Leugnung desselben mit der Erde-Scheibe-Aussage verglichen haben musste, da beide ja eindeutig widerlegbar sind, wenn man sich mit den Leugnern nur kritisch und ohne sofortige Tabuisierung des Themas auseinandersetzt.

Ob ich das richtig interpretiert habe, weiss ich nicht. Thiesen aeussert sich offenbar nicht mehr zu dem Thema. Lustig finde ich jedoch, dass im verlinkten Fix!mbr-Artikel gleichzeitig noch folgendes von Thiesen zitiert wird:

Gerade die Tabuisierung des Nazi-Deutschlands aber lähmt uns heute, diese Parallelen wahr haben zu wollen, denn jeder solcher Versuch wird gerne sofort als »Relativierung des Holocausts« fehlinterpretiert. Auch aus diesem Grunde wäre es wichtig gewesen, eine neutralere Sichtweise in Bezug auf die Deutsche Geschichte an den Tag zu legen, und nicht jeden, der eine Meinung gegen den Mainstream hat, sofort als Nazi zu brandmarken.

Koennte man mal drueber nachdenken.

//Addendum, bevor es hier irgendetwas hagelt: Ja, ich habe seine Newsgroup-Postings ueberflogen und finde die Ansichten daemlich. Mir fehlt es aber momentan an der Kompetenz, die von ihm genannten Quellen und Ansichten vollstaendig zu bewerten und ggf. anzugreifen. Nachdem ich mittlerweile auch noch weitere seiner Postings gelesen habe, bedauere ich es, Gemeinsamkeiten zwischen ihm und mir hergestellt zu haben. Weiteres folgt (7.7.)

//Nochn Nachtrag: Ich wollte diesem Artikel eigentlich noch einen folgen lassen, in dem ich auf die (hoffentlich) folgenden Konsequenzen eingehe. Lars war aber mal wieder schneller.

Lustiges Fehlerzaehlen mit der Illertisser Zeitung

Die deutschen Feuerwehren (und vermutlich nicht nur die) stehen vor einem Problem. Frueher durfte man mit der alten Fahrerlaubnisklasse III Fahrzeuge bis 7,5 Tonnen zulaessiger Gesamtmasse (zGm) und zusaetzlich bis zu zwei Anhaenger mit zusammen maximal 11 to Anhaengemasse fahren. Heutzutage gilt die „normale“ PKW-Fahrerlaubnisklasse B gerade mal fuer Fahrzeuge bis 3,5 to zGm plus einen Anhaenger mit maximal 750 kg zGm.

Gleichzeitig wurden aber viele Feuerwehrfahrzeuge taktisch aufgewertet. So wurde das Tragkraftspritzenfahrzeug (TSF), quasi die eierlegende Wollmilchsau fuer die kleinsten Feuerwehren, vielerorts durch ein TSF-W mit eingebautem Wassertank ersetzt, hinzu kamen Atemschutz und Sondergeraete fuer technische Hilfeleistungen. Die 3,5-Tonnen-Grenze war dabei natuerlich nicht zu halten, viele TSF-W werden heute auf leichten LKW-Fahrgestellen mit bis zu 7,5 to zGm aufgebaut. Fazit: Einerseits werden die Fahrzeuge immer schwerer, andererseits gibt es immer weniger FwDl mit der alten Fahrerlaubnisklasse III oder der neuen Klasse C1, die die Fahrzeuge auch bewegen duerfen.

Auch die IZ hat sich angesichts der geplanten Einfuehrung von Sonderfahrerlaubnissen fuer Feuerwehrdienstleistende mit dem Thema befasst. In der Online-Version des Artikels wurden mittlerweile einige Schnitzer korrigiert, die urspruengliche Printfassung hat aber schon einige Knaller zu bieten:

Und jetzt wird’s ernst: Junge Einsatzkräfte mit dem neuen Klasse C-Führerschein dürfen nicht mehr ans Steuer.

Natuerlich duerfen die. Klasse-C-Fahrer duerfen sogar Fahrzeuge ueber 7,5 to zGm bewegen, nur keine Last- und Sattelzuege (deswegen macht man in der Regel gleich die Klasse CE)

Daher hat der Landesfeuerwehrverband eine Ausnahmeregelung beantragt: 3,5 Tonnen plus 0,75 Tonnen-Anhänger.

Das waere ja eine tolle Ausnahmegenehmigung: Alles bleibt, wie es in der Klasse B ist. Oehmja.

[…] eine Ausbildung mit Prüfung für den erforderlichen Führerschein C1 — bis 3,5 Tonnen mit Anhänger […]

Moep. C1 sind KFZ bis 7,5 to zGm plus Anhaenger. Online steht nun, dass das frueher der (PKW-)Fuehrerschein der Klasse III gewesen sei, was auch nicht stimmt.

Der Führerschein C 1-Feuerwehr soll nach zwei Jahren zum vollwertigen Führerschein bis 7,5 Tonnen Gesamtgewicht — also wie beim alten Klasse 3-Schein, umgeschrieben werden können

Nein. Umgeschrieben werden soll zum ganz normalen C1-Schein. Klasse III ist eine andere Baustelle mit viel mehr Moeglichkeiten gewesen — viele C1-Fahrer duerften sich wuenschen, tatsaechlich FS-Klasse III zu besitzen.

Vielleicht habe ich den ganzen Fahrerlaubnisklassenkack einfach schon zu oft gehoert, um das so zu sehen, aber wie zur Hoelle kann man eigentlich bei fuenf Nennungen der Erlaubnisklassen und zGm viermal totalen Bockmist schreiben und alles wild durcheinanderwerfen? Zumal man das mit zwei Klicks auf Wikipedia oder im Zweifelsfall beim Verkehrsministerium recherchieren kann?

Das ist halt die Besonderheit von Qualitaetsmedien 😉