Dag van Elst: Die ersten 50 Kilometer sind die einfachsten

Dienstag, 21. Juli 2009. Um 0230 Uhr ist fuer uns die Nacht vorbei — keiner kann mehr schlafen. Also aufstehen, fertig machen und auf zum Fruehstueck. Unten sitzen schon zwei der Niederlaender, die ebenfalls die 50 laufen. Marwin schaetzt, so gegen 1230 im Ziel zu sein. 8,5 Stunden fuer 50 Kilometer. Heftig. Dementsprechend haengt er uns auch schon beim Marsch zum Wedren, den Startplatz, beinahe ab, vorbei an (immer noch) laermenden Bars und gespenstisch stillstehenden, eigens fuer den 4daagse aufgebauten Freiluftdiscos. Unterwegs sehen wir jede Menge junge Leute, die aus den diversen Bars und Discos wanken, und fragen uns, warum wir uns das eigentlich antun. Egal. Auf zum Wedren.

startplatz

15 Minuten zu warten. Irgendwo weit vorne vor den drei (vier?) Starttoren spielt eine Sambakapelle, es wird viel geklatscht und gesungen: Volksfeststimmung. Dann ist es endlich 0400 Uhr, der Startschuss, lauter Jubel, und langsames Vordraengen bis zum Start, wo der Barcode der Laeuferkarte abgelesen wird. Jetzt ist auch klar, wohin die jungen Leute aus den Bars gegangen sind: Den ersten Kilometer saeumen beidseitig zwei Reihen von Jungs und Maedels, die uns begeistert anfeuern, veel succes wuenschen und an die ganz harten Laeufer Bier verteilen. So wird das auch die kommenden Tage sein: Wenn wir etwas spaeter zum Wedren laufen, treffen wir schon die ersten After-Party-Start-Zuschauer, und wenn wir bejahen, dass wir lopen gehen, gibt’s Glueckwuensche oder Beifall. Krass.

In totaler Dunkelheit geht es durch den Nordteil Nijmegens ueber die Waalbruecke in Richtung Arnhem. Natuerlich nicht auf direktem Weg, sondern ueber die nordoestlich gelegenen kleinen Doerfer. Und dort ist schon jetzt alles auf der Strasse: Die Anwohner der Route haben Gartenstuehle und Tische in den Garten oder vor den Zaun gestellt und verteilen Kaffee und Tee. Alle paar Haeuser steht eine Musikanlage oder sogar ein eigener DJ unter einem Pavillon und sorgt fuer Stimmung. Kleine Kinder stehen mit Tellern und Schuesseln am Strassenrand und bieten uns Gurkenscheibchen und Suessigkeiten an oder wollen moeglichst allen unter succes!-Rufen High-Fives geben. So etwas baut natuerlich auf, und so marschieren wir zuegig weiter nach Norden.

zwischendurch

Bald zweigt die 40-Kilometer-Route von der 50er-Route ab, und es marschieren tatsaechlich einige 40er-Laeufer mit ihren weissen Lanyards um den Hals links weg, obwohl die erst eine Stunde nach den 50ern gestartet sind. Nun gilt es zwei Stunden lang die zusaetzlichen zehn Kilometer zu marschieren, durch die eher spaerlich mit Zuschauern bestueckten Vororte von Arnhem. Dann ist aber auch das ueberstanden, und wir treffen in Elst — dem Hauptort der ersten Etappe — auf um so groessere Menschenmassen. Musikkapellen spielen, ganze Grundschul- und Kindergartenklassen stehen am Strassenrand und wollen bei uns einschlagen, und im Ortskern stehen Zuschauer aller Altersgruppen dicht gedraengt. Irgendetwas scheint ausserdem in den hollaendischen Tomaten zu sein, das die Maedels dort besonders huebsch macht, so kommt es uns jedenfalls vor. Von denen dann auch noch bejubelt zu werden gibt natuerlich den Extraschub, und so machen wir uns auf, die letzten Kilometer gemeinsam mit den 40ern und 30ern sowie den Militaergruppen zu bewaeltigen.

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Ein paar Kilometer vor Nijmegen geht mir langsam die Puste aus, ich muss noch einmal die Wasserflasche an einem der Gartenschlaeuche fuellen, die viele Hausbesitzer hierfuer ueber ihren Zaun gehaengt haben. Christian hat ein schnelleres Tempo drauf und moechte besser nicht aus seinem Trott kommen, also trennen wir uns kurz nach Oosterhout. Inzwischen ist es heiss, sehr heiss, und der Rest des Weges geht ziemlich eintoenig und ohne viele Zuschauer ueber den Damm an der Waal entlang. Die Bruecke ist schon in Sicht, nur will sie einfach nicht naeher kommen. Ich haenge mich hinter zwei norwegische Soldaten, die relativ langsam marschieren, nehme den Kopf runter und schalte das Hirn aus.

deich

Ab der Bruecke wird es dann wieder besser: Zuschauer, Musik, Applaus, also noch einmal die Zaehne zusammenbeissen und die letzten Meter zum Wedren marschieren. Um kurz nach 1400 Uhr bin ich im Ziel – 50 Kilometer in zehn Stunden. Abends geht es noch einmal durch die Stadt, ein wenig umsehen und neue Blasenpflaster kaufen. Die sind auch noetig: Meine Laufschuhe sind prima fuer Distanzen bis 35 Kilometer, darueber hinaus gibt’s Blasen aussen an der Ferse. Die werden nun einmal abgeklebt und dann geht’s ab ins Bett – um 2100 Uhr, begleitet von Jammern ueber die schmerzenden Beine und der rhetorischen Frage, ob wir am zweiten Tag tatsaechlich noch einmal antreten sollen. Schau mer mal.

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