Die Freiheit von Information

Die Blogosphere hat ein neues Thema gefunden: Dem Journalisten Burkhard „Burks“ Schroeder wurde die Wohnung durchsucht, weil ihm die Berliner Staatsanwaltschaft vorwirft, gegen das Waffengesetz verstossen zu haben. Im Rahmen einer Veroeffentlichung hatte Burks andere Quellen zitiert, in denen es um die Zusammensetzung verschiedener Sprengstoffe geht. Die Staatsanwaltschaft sah darin einen Verstoss gegen das Verbot, zur Herstellung von Brandsaetzen anzuleiten und beschlagnahmte flugs Burks‘ Tatwerkzeug: Seinen Laptop.

Nebenan bei Robert Basic ist in den Kommentaren eine — wie bei diesem Thema gewohnt heftige — Diskussion entbrannt; Robert sieht das alles nicht so schlimm, andere werfen ihm alles moegliche Zeug vor, es wird Niemoeller und Nuhr zitiert. Die allerwichtigste Seite der Debatte faellt dabei aber meines Erachtens vollkommen unter den Tisch.

Auf der einen Seite leben wir naemlich in _der_ Informationsgesellschaft schlechthin. Das ist keine hohle Phrase mehr, genausowenig wie der Ausspruch, dass saemtliche Informationen der Welt nur einen Mausklick entfernt sind. Mittwochs wird im Murphys-Pub-Quiz mit der Wikipedia beschissen, die mittlerweile in abgespeckter Version auf die SD-Karte im Handy passt. Unterwegs koennen wir uns mit dem Smartphone ueber WLAN oder UMTS (fast) alles ansehen, was es im Netz gibt. Wo man frueher stundenlang in der Bibliothek nach Fachliteratur waelzen musste, ist heute alles indexiert, durchsuchbar und verfuegbar: Einen Mausklick entfernt.

Auf der anderen Seite soll nun das Zitat aus wissenschaftlichen Arbeiten (und eher zweifelhaften Quellen, das soll nicht unerwaehnt bleiben) mit der Anleitung zur Herstellung verbotener Waffen und Gegenstaende gleichgesetzt werden. Das Problem ist, dass diese Informationen quasi schon immer zur Verfuegung standen: Informationen ueber Sprengstoffe gibt es nicht nur in Sprengmeister-Fachliteratur, sondern auch in Chemie-Standardwerken wie dem Roempp. Wie eine Brandflasche grundsaetzlich aufgebaut ist, steht nicht nur in der Print-Enzyklopaedie meiner Eltern aus den 1980ern, sondern kann auch in Erzaehlungen aus dem finnischen Winterkrieg, dem Aufstand im Warschauer Ghetto, dem ungarischen Volksaufstand und der Niederschlagung des Prager Fruehlings nachgelesen werden. Hiesse das nun, dass man nicht mehr aus diesen Quellen zitieren darf — oder schlimmer noch, dass diese Informationen aus den Originalquellen gestrichen werden sollten? Oder sollen diese Informationen nur noch einer Art Elite zugaenglich gemacht werden, nach dem „Need to know“-Prinzip? Soll man heute nur noch das wissen duerfen, was man auch wissen muss?

Ich will keine Missverstaendnisse aufkommen lassen. Urspruenglich war vorgesehen, dass die in „Fight Club“ verwendeten Sprengstoffe tatsaechlich so funktionieren, wie im Film beschrieben. Von diesem Vorhaben ist man abgekommen, und das war sicher nicht die duemmste Loesung — heranwachsende Jugendliche, die sich ein wenig zu sehr mit Tyler Durden identifizieren, waeren sonst wohl reihenweise direkt im Anschluss an diese Film-Achterbahnfahrt auf die Idee gekommen, die heimische Badewanne mit Fluessigseife in die Luft zu jagen.

Grundsaetzlich die Verbreitung irgendwelcher Informationen verbieten zu wollen, mutet mir aber ein wenig nach dem Bibliothekar aus „Der Name der Rose“ an — mit dem Unterschied, dass wir heute nicht mehr im Mittelalter leben, und die Loeschung von Informationen aus dem kollektiven Gesamtgedaechtnis der Menschheit heute wohl nicht mehr nur laecherlich, sondern geradezu unmoeglich sein duerfte.

Addendum: Wie man Brandflaschen herstellt steht ganz nebenbei auch in Publikationen wie dem „Freedom Fighter’s Manual“ (CIA), dem „Improvised Munitions Handbook“ (US-DOD) und laut Wikipedia nicht zuletzt dem „Taschenbuch Wehrausbildung“ (Bundeswehr).

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