Auch Thomas Brackvogel glaubt leider an Bezahlinhalte

Thomas Brackvogel imponiert mir. Von der Goslarschen Zeitung ging seine Karriere ueber den dpd, Tagesspiegel bis zur Zeit und Zeit Online — und nun weiter zur Suedwest-Presse, wo er sich augenscheinlich die Modernisierung dieses Quasi-Monopolblattes auf die Fahnen geschrieben hat. Aus der eher droege-seltsamen „Suedwest-Aktiv“-Seite wurde eine… modern-seltsame Nachrichtenseite mit grosser Karte und kaputter Suchfunktion, die zumindest vorsichtig-interessierte Reaktionen hervorrief, und auch in der vormals winzigen Onlineredaktion scheint man mittlerweile mehr Personal und Experimentiergeist zu haben. Sogar gebloggt wird dort, wenn auch nur sehr sehr zaghaft und gaaaaaanz arg versteckt, so dass der gemeine Leser kaum dorthin findet. Zeit wird das mit der Modernisierung auf jeden Fall, und mit Brackvogel hat man in jedem Fall ein passendes Zugpferd eingespannt.

Ueber seine Aussagen im aktuellen Spazz war ich jedoch gelinde gesagt ueberrascht. Wenn man den etwas seltsamen Schreibstil mal beiseite laesst, stoesst man naemlich schnell auf folgendes Zitat:

Kann man im Internet auch wie ein Printmedienverlag Geld verdienen?
Ja, doch, es gibt jetzt immer mehr, die wirklich Geld verdienen. Man kann nicht so gut verdienen wie in den Zeitungen. Die Zeitungen haben sich über gut 250 Jahre entwickeln können.
Das Internet ist ein vergleichsweise junges Medium. In der klassischen Aufgabe einer Zeitung oder eines Medienhauses wird traditionell nicht das Geld verdient, weil die Nutzer im Internet nicht bereit sind, für Inhalte zu bezahlen. Auf Dauer wird man sich daran gewöhnen müssen, dass man für eine Leistung, die man erhält, auch Geld bezahlen muss.

Geld bezahlen? Fuer Nachrichten? Im Internet? Ich hoffe ganz instaendig, dass Brackvogel damit meint, dass man sich mit Werbung abfinden muss. Aber nochmal: Bezahlen? Felix Schwenzel kann wieder einmal besser als ich ausdruecken, wo hier das Problem liegt:

das konzept bezahlter inhalte war kein irrweg, es war von anfang an dumm. es war dumm zu glauben, dass leser massenhaft für inhalte, für nachrichten bezahlen würden. es war vor allem auch von anfang an verlogen zu behaupten, für „qualitätsjournalismus“ müsse der leser eben zahlen.

Information ist frei. Warum soll ich fuer etwas bezahlen, was ich eigentlich kostenlos bekommen kann — und sei es im Aushang vor dem Pressehaus, wo das Blatt taeglich aushaengt.

Eine erfolgreiche Strategie muss andersherum gehen: Leser auf das eigene Onlineangebot locken, mit aktuellen Artikeln, die auch ueber Google und Co. gefunden werden koennen. Leser neugierig auf mehr machen, mit benutzerfreundlicher Navigation. Und Leser langfristig binden, indem man ein attraktives Angebot schafft, das alle Informationen vorhaelt, die der Benutzer wuenscht, und indem man den Leser als Dialogpartner ernstnimmt, Artikel kommentierbar macht und als Redakteur auch auf diese Kommentare und Anregungen eingeht. Dann wird das vielleicht auch was mit den Werbeeinnahmen.

Oder, um das Zitat umzudrehen: Auf Dauer wird man sich daran gewoehnen muessen, dass man fuer das Geld, das man verdienen moechte, auch etwas leisten muss.

Ein Gedanke zu „Auch Thomas Brackvogel glaubt leider an Bezahlinhalte

  1. Pingback: Schlechter online | stk

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert