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Ein ereignisreiches Open-Transit-Wochenende

tl;dr vorneweg: Wir waren am Donnerstag beim DING-Verbund, am Freitag war ich beim VBB in Berlin, und die SWU geben ihre Fahrplaene als GTFS frei. Hurra!

DIVA-Allueren

Auf Einladung von Martin Schiller vom DING waren Fox und ich am Donnerstag beim DING als „unserem“ Nahverkehrsverbund zu Besuch und haben uns deren Software zeigen lassen. In Deutschland gibt es nur wenige grosse Player auf dem Markt fuer Fahrplanungs- und Auskunftssysteme, beispielsweise HaCon (HAFAS) und MentzDV (DIVA und EFA), wobei in BaWue hauptsaechlich DIVA fuer die Fahr-, Dienst- und Umlaufplanung und EFA fuer die elektronische Fahrplanauskunft zum Einsatz kommen.

Und wie das in einem kleinen Markt so ist, reissen die dazu gehoerenden Softwareloesungen nicht gerade vom Hocker. DIVA verwendet in Version 3 als Datenbackend nicht etwa einen Standard wie VDV-45X, sondern ein eigenes Textdateiformat, das ich auch nach laengerem Betrachten noch nicht so recht umrissen habe. In DIVA 4 soll wenigstens eine Datenbank im Hintergrund laufen, auf die neue Version seien bislang aber wohl nur wenige Verkehrsverbuende und -betriebe umgestiegen.

Verkehrsbetriebe benutzen solche Planungssoftware ohnehin erst ab einer bestimmten kritischen Groesse ihres Betriebs. Viele der kleineren Dienstleister verwenden entweder ganz andere Umlaufplanungssoftware, oder machen das gar von Hand oder in Excel. Der „einfache“ Transfer von DIVA zu DIVA kommt hier bei uns nur zwischen Stadtwerken und DING zustande, kleinere Anbieter auf dem Land schicken ihre Plaene im besten Fall per XLS, im schlimmsten in sonstigen semistrukturierten Formaten.

Eine weitere Hoffnung fuer den Export der Fahrplaene nach GTFS war, die Daten aus der Datenhaltung der Elektronischen Fahrplanauskunft (EFA) herauszubekommen. Die ist aber nicht minder… spannend. Die Dateien sehen wie Binaerblobs aus, und die EFA selbst ist ein Konglomerat zusammengeflanschter Module, die sehr nach historischem Wachstum aussehen. Die Echtzeitauswertung heisst beispielsweise „rud“ und lehnt sich damit noch ans Projekt RUDY an, das 2004 zu Ende ging. Und zwischendrin poppen auf dem Windows-Server-Desktop, auf dem die EFA laeuft, Adobe-Distiller-Fenster auf, wenn irgendjemand einen PDF-Fahrplan erstellt.

Spaetestens an der Stelle stellte ich mir dann schon die Frage, ob man mit geeigneten freien Software-Werkzeugkaesten nicht viel reissen koennte in diesem Orchideensektor 😀

Nichtsdestoweniger, der Ausflug war interessant, und zeigte auch, dass die CSV-Dateien, die wir von den Stadtwerken bekamen, genauso fuer den gesamten Verbund (und einigem haendischen Aufwand) aus DIVA exportiert werden koennten. Das waere aber tatsaechlich nicht unbedingt die Loesung, sondern vermutlich erst der Anfang weiterer Probleme, angefangen vom Unterschied zwischen Planungs- und Repraesentationsliniendarstellungen bis hin zu eindeutigen Schluesseln fuer Haltepunkte.

Ausflug zum VBB und endlich Ulmer GTFS-Daten 🙂

gtfs

Tags darauf hatte die Open Knowledge Foundation zusammen mit dem Verkehrsverbund Berlin/Brandenburg (VBB) zur Projektvorstellung und Nachbesprechung des Hackdays im November 2012 eingeladen. Da unsere Arbeitsgruppe nach wie vor kein Reisebudget oder ueberhaupt irgendwelche Finanziers hat, hiess das also, um 0600 Uhr aufzustehen und mit dem Daumen nach Berlin zu reisen :>

Aufgrund meiner etwas unguenstigen Anreise (siehe Trampbericht unten) kam ich leider erst nach der ersten Projektvorstellungsrunde in den VBB-Raeumen am Bahnhof Zoo an, war aber sehr angetan vom grossen Andrang dort. Neben OKFN und VBB sassen dort Leute von der BVG, jemand von HaCon war eigens angereist, und ich konnte neben „alten Bekannten“ auch endlich mal Michael Kreil und anderen persoenlich die Hand schuetteln.

Eine ganz persoenliche Freude war mir, dort spontan eine Botschaft verkuenden zu koennen, auf die ich lange gewartet hatte: Auf der Anreise bekam ich den Link zum Datenauskunftformular der Stadtwerke Ulm zugeschickt, die wir nun ueber mehrere Monate lang begleitet haben, um ihre Soll-Fahrplaene nach GTFS zu exportieren. Leider mit einem Formular zum verpflichtenden Ausfuellen, aber das war ich dann doch durchaus bereit in Kauf zu nehmen, nachdem im Gegenzug die ODbL als Lizenz gewaehlt wurde 🙂

okfbuero

 

Es werden sich jetzt sicherlich nicht auf einmal™ tausende EntwicklerInnen auf den Ulmer Fahrplan stuerzen. Auch in Berlin passierten seit der Veroeffentlichung des VBB keine Instant-Wunder. Aber das ist meines Erachtens ein bedeutender Schritt und hoffentlich positive Signalwirkung fuer andere Verkehrsbetriebe, ebenfalls die Daten bereitzustellen.

Dementsprechend haben wir nach der Vorstellung das Ganze noch im OKF-Buero (siehe Bild) mit Mate und spaeter Bier begossen und uns noch solange darueber unterhalten, wie man das Thema weiter beackern koennte (wissenschaftliche Aufarbeitung, Hinweis auf das Kundenbindungspotenzial unabhaengiger Apps), bis ich endgueltig koerperlich so fertig war, dass ich mich endlich mit Gastgeber @_HeBu treffen musste, um unfallfrei ins Bett zu kommen.

(Das wurde dann durch einen Spaetibesuch und tags darauf durch einen Doener- und Spaeti-Besuch erfolgreich unterbunden. Trotzdem Danke, HeBu, fuer die neuerliche Gastfreundschaft und den ausgezeichneten Vanillequark von Butter-Lindner :D)

Trampstatistik

Hinweg:

  • Abfahrt Rosengasse mit der Linie 4 um 0706 Uhr(?), Ankunft Eichenplatz 0716 Uhr, wo nix los war.
  • Eichenplatz ab 0742 Uhr (26 Minuten) mit Margarete ehemals aus der Nachbar-WG, die anbot, mich generell unter der Woche immer um die Zeit auf die Lonetal nehmen zu koennen. Cool.
  • Ankunft auf einer total verlassenen Lonetal Ost um 0759 Uhr. Erst an der Ausfahrt gestanden, dann angequatscht, trotzdem erst um 0900 Uhr weiter (61 Minuten). Dafuer im Geschaeftsauto im Tiefflug, 137 km in 67 Minuten.
  • Kammersteiner Land Sued an 1007 Uhr, wenig los, angequatscht, 1047 mit 120 km/h und haeufigen Raucherpausen weiter (40 Minuten)
  • Taktischen Fehler begangen, nicht waehrend der Mittagessenspause meiner Fahrerin in Frankenwald Ost einen neuen Lift zu suchen.
  • Michendorf Süd an 1605 Uhr, machte mal eben 5:18h fuer 408 km. Trotz guter Unterhaltung etwas schade.
  • Weiter um 1620 (15 Minuten) bis zur U Kurfuerstenstrasse um 1710 Uhr, Fussmarsch bis zum Bf Zoo/VBB.

Rueckweg:

  • Aufbruch bei HeBu mit der S1 ab Wollankstrasse um 1313, S Johannissee an 1400 Uhr. An der Grunewald erst ein wenig rumgeschaut und angequatscht, das lief aber nicht. Also um 1430 mit Schild „Muenchen A9“ ab auf die Rampe, 1440 Lift bekommen 🙂
  • Fraenkische Schweiz/Pegnitz West an 1730 Uhr, d.h. 362 km in 2:50 Minuten und hervorragender Unterhaltung waehrend der Fahrt ueber die Unterschiede zwischen PaedagogInnen und ErzieherInnen 😀
    Sanifair-Gutscheine gegen Burger getauscht, 1750 mit Schild „Ulm“ an die Ausfahrt gestellt, 1804 Lift bis Bahnhof Heidenheim angeboten bekommen. Da sagt man nicht nein 🙂
  • Bf Heidenheim an 1942, 197 km in 1:38h. Das waren rekordverdaechtige 5:12h von Grunewald bis Heidenheim, und selbst mit S-Bahn vorneweg und den 50 Minuten Regionalexpress nach Ulm am Ende gerade mal 45 Minuten langsamer als ein ICE gewesen waere 😀

Trampen durch Daenemark

Die Tramperei nach Kopenhagen durchzieht sich bislang ziemlich arg mit im Nachhinein nicht ganz so optimalen Entscheidungen.

Die erste war schon einmal, erst waehrend der Woche bei Undine anzufangen, Couchsurfing-Anfragen zu schreiben. Das kostete dort viel Zeit am Rechner und war ausserdem reichlich spaet. Fazit: Niemand kann/will uns so kurzfristig unterbringen.

Fehler Nummer zwei: Am Freitag gab es in Rostock Bier. Viel Bier. Und einen unerwarteten Gast von der Uni Rostock, den wir bei der Bildungsmesse in Ulm kennengelernt hatten. Es war spaet. Echt spaet. Und der Kater am Morgen gross. Und das mit dem „frueh losziehen“ klappte dann auch nicht. Und Kronen hatten wir am Freitag auch noch keine getauscht. Und eine Daenemark-Karte auch dann erst am Samstag morgen gekauft. Und dann den Expressbus zur Faehre (mit Expressbusaufpreis) statt der S-Bahn genommen. Letztlich waren wir erst 1500 Uhr am Faehrhafen, was uns auf die Idee brachte, nur einen Lift bis zur Insel Møn zu suchen und dort auf dem kostenlosen Rastplatz zu campieren. Das so fuer uns schon festgelegt zu haben sollte dann nochmal ein Fehler werden.

Einen Lift von Rostock nach Gedser zu bekommen ist… durchwachsen. Viele haben wohl ihre Tickets online gebucht und eine Personenanzahl draufstehen, was angeblich nix macht, aber offenbar vom Mitnehmen abhaelt. Juliane bekam einen Lift — in einem Zweisitzer bei Thomas, einem redseligen ehemaligen Ostberliner, der auf dem Weg nach Schweden zu seinem selbstgebauten Blockhaus war und eigentlich direkt ueber Kopenhagen fahren wuerde. Aber eben nur mit einem Passagier.
Ich versuchte mein Glueck noch vor der Info/Ticketausgabe, hatte aber keinen Erfolg — also buchte ich ein Fussgaengerticket und versuchte, auf der verspaeteten 1700-Faehre einen Lift zu bekommen. Den bekam ich dann auch direkt nach der ersten Ansprache: Eine Gruppe Theaterleute auf dem Rueckweg aus Berlin war mit einem Bus auf der Faehre und hatte Platz fuer Juka und mich — im Zweifelsfall bis Kopenhagen.

Ich winkte ab — schliesslich hatten wir momentan noch weder Couchsurfinghost noch Hostel in Kopenhagen, und anstatt einfach nach Tipps (oder vielleicht einem Hinterhof fuers Tarp) zu fragen, erzaehlte ich nur vom Plan, bei Farø die Autobahn verlassen und dort lagern zu wollen. So lief das dann auch, und so betraten wir gegen 2000 Uhr zum ersten Mal im Leben daenischen Boden. Ohne eine einzelne Krone in der Tasche.

Dank des dortigen kostenlosen Lagerplatzes (was in Daenemark offenbar wirklich selten ist), brauchten wir auch keine — das Tarp genuegte, um einen Sonnenuntergang ueber der Ostsee betrachten zu koennen, bevor wir einschliefen.

Aus Farø wegzukommen, gestaltete sich dann wieder etwas… schwierig. Das Hitchwiki hatte schon gewarnt; dass es so absurd schlecht sein wuerde, hatte ich aber nicht gedacht. Nach knapp 1:20 h (und einer abgelehnten Gelegenheit nach Rødbyhavn, wo es weiter nach Fehmarn gegangen waere) mit unserem „Anywhere“-Schild (das zumindest Laecheln und Winken provozierte), nahmen wir die Gelegenheit wahr, eine Anschlussstelle weiter nach Sueden zu fahren. Dort ging es ueberraschenderweise schon nach zehn Minuten weiter bis Lellinge, rund 40 Kilometer vor Kopenhagen. Diese Ausfahrt stellte sich wiederum als absoluter Albtraum fuer Tramper heraus: Eine Ampel vor allen Auf- und Abfahrten, keine sinnvolle Stoppmoeglichkeit auf der Auffahrtsrampe, viel Kopfschuetteln. Also beschlossen wir, einfach die paar Kilometer Richtung Strand nach Køge zu wandern — schliesslich stand dort mal das erste daenische Elektrizitaetswerk :>

(und neben einer Aufspannmoeglichkeit fuer unser Tarp gabs’s auch einen Strand. Nicht so toll wie Kopenhagen, zugegeben.)

Die letzten Kilometer heute morgen von Køge nach København liefen dagegen fuer daenische Verhaeltnisse wunderbar: Nach 35 Minuten an der Landstrasse [sic] hatten wir einen Lift direkt bis an die Tuer unseres (schweineteuren, aber ganz okayen) Hostels, der sogar extra noch ein paar Umwege fuhr, um uns erst einmal eine kleine Stadtrundfahrt aus dem Auto bieten zu koennen.

Und hier haben wir heute erst einmal neun Stunden lang getan, was wir am besten koennen.

Gammeln:

Bier trinken:

Schiffe gucken in Verbindung mit Rettungsgedoens (wow!)

Eine ausfuehrliche Stadttour haben wir bereits hinter uns; die paar Kronen, die wir nach einem Tag in Daenemark dann doch abgehoben haben, beinahe ganz fuer Essen und Bier (2 EUR pro 0,5-Liter-Dose! Die spinnen!) ausgegeben — und sind jetzt erst einmal todmuede.

Wie man hier zu sagen pflegt: „Jeg taler ikke dansk!“. Oder so aehnlich.

Mit dem Daumen an die Ostsee

Eigentlich wollte ich schon vergangenen Samstag zu meiner ehemaligen Mitbewohnerin nach Hamburg trampen, um mich tags darauf mit Juka bei Undine in ihrer alten Heimat Rostock zu treffen. Aus Gruenden™ wurde daraus nichts, so dass Juka und ich uns stattdessen Sonntag morgens um 1000 Uhr daran machten, zum ersten Mal zu zweit durch Deutschland zu stoppen.

Los ging’s an der bewaehrten Bus- und Tramphaltestelle Eichberg, wo wir einen neuen persoenlichen Rekord setzten: Ich hatte das Schild „HDH“ noch zusammengefaltet in der Hand und ging ein Stueckchen bergauf, als schon das zweite vorbeifahrende Fahrzeug in die Eisen stieg und uns prompt auf die Lonetal mitnahm. Dort einen Lift zu bekommen, bevor der naechte Bus kommt, ist zwar normal, aber so schnell ging’s dann doch noch nie.

Auf der Lonetal ging es ebenso weiter. Wir hatten uns entschlossen, dieses Mal nicht die FahrerInnen an der Tankstelle anzusprechen, sondern klassisch mit Schild „HH“ am Ende der Raststaette zu stehen, nachdem das beispielsweise beim Herrn Kulla so gut zu funktionieren scheint. Tatsaechlich hielt nach deutlich unter fuenf Minuten ein Rentner mit seinem Kombi auf dem Weg ins Ruhrgebiet, der uns bis Kassel mitnehmen konnte. Getrampt sei er auch, frueher eben, so 1960 herum, mit dem Koefferchen und dem Stockschirm ueber Bruessel bis Paris, wo er und ein Kumpan sich heimlich in ein Zeltlager schlichen, um das Uebernachtungsgeld zu sparen. In den kommenden drei Stunden bekamen wir dann von seiner Arbeit bei Tabak Brinkmann erzaehlt — aus einer Zeit, in der es noch zig Tabakfirmen gab, die jeweils mehrmals im Jahr neue Zigarettenmarken auf den Markt warfen — von denen die meisten wieder eingingen. Zum Tabakhaendlergeschaeft gehoerten damals auch Kongressausklaenge auf der Reeperbahn, bei denen man sich auch mal mit den Kollegen von BAT herrlich beschimpfte. Damals war die Edelwuchs als neue Zigarettenmarke eingefuehrt worden, worauf in der Zeit passende, nach unten zeigende Hinweis-Pfeile ueber den Automatenschaechten hinwiesen. Die BAT-Kollegen seien entsprechend in Aufruhr gewesen, als dann die „Entkleidungskuenstlerin“ ihr Hoeschen ausgezogen und damit einen Pfeil „Neu: Edelwuchs“ zum Vorschein gebracht habe. Im kommenden Jahr haetten die BAT-Kollegen dann mit einer brennenden Zigarette zwischen den Pobacken einer Taenzerin reagiert, was dann den Spruch „Jeder Arsch raucht HB“ provoziert habe.

In Rostock sei unser Fahrer auch schon gewesen: „Das erste Mal ’45, da haben uns die Russen erwischt“. Als „kleiner Butt“ war er zu Kriegsende auf der Flucht aus Ostpreussen gewesen, als sie in Rostock quasi ueberholt und nach Koenigsberg verfrachtet wurden. Dort habe er sich dann als Faehrjunge verdingt, Leute und Material ueber den Pregel gepaddelt und im Winter auch mal den Kahn von Eisscholle zu Scholle huepfend hinter sich von Ufer zu Ufer gezogen. Manche der Geschichten waren augenzwinkernd: Rotarmisten, die im Pregel mit Handgranaten fischten, aber im Gegensatz zu ihm nicht wussten, dass die Fische erst 50 Meter stromabwaerts an die Oberflaeche kommen wuerden — wo er schon wartete und die Beute abkescherte. Bei anderen trauten wir uns nicht so recht, weiter nachzufragen: Wie die, dass sein kleiner Bruder und er haeufiger als Jagdziel fuer Besatzungssoldaten dienten und beispielsweise auf dem stundenlangen Weg zur Gulaschkanone von einem uebenden Kampfflugzeug mit der Bordkanone beschossen wurden und solange von Baumdeckung zu Baumdeckung rennen mussten, bis es dem Piloten langweilig geworden war.

Jedenfalls eine schoene Fahrt, trotz Staus. Keine Ahnung, ob wir speziell ihn ueberhaupt an der Tanke angesprochen haetten.

An der Raststaette Hasselberg kurz vor Kassel fanden wir nach einer Brotzeitpause innerhalb zweier Minuten einen Lift mit einem E-Techniker, der zufaelligerweise auch aus Freizeitvertreib im Tabakbusiness war und auf Festivals Zigaretten aus dem Bauchladen vertickte. Ansonsten unterhielten wir uns noch eine Weile ueber UMTS, LTE und Trinkgebraeuche im Siegerland und Westerwald, bevor das Gespraech langsam einschlief — wir waren langsam muede geworden.

Nach einigen Staus nach dem Maschener Kreuz liessen wir uns um 1800 Uhr an der Raststaette Stilloch absetzen und machten nochmal eine Essenspause und tranken einen Kaffee — was dafuer sorgte, dass wir nicht mehr aus Hamburg herauskamen. Als wir gegen 1900 mit dem „Rostock“-Schild Position an der Ausfahrt bezogen hatten, war die halbe Raststaette leer und auch die Autobahn merklich duenn befahren. Wir versuchten es noch mit einem „Luebeck“-Schild, um ueberhaupt auf der A1 weiterzukommen, aber vergeblich: kurz vor der Raststaette waren mehrere Autos aufeinandergefahren und die Autobahn voll gesperrt worden, so dass nur noch Lokalverkehr direkt vor der Raststaette ueberhaupt auf die Autobahn auffuhr.

Mittlerweile war es deutlich nach 2030 Uhr, ein Ende des Staus nicht in Sicht, und wir auch ein wenig unentschieden, wie wir weiter verfahren sollten. Noch einmal eine halbe Stunde einplanen (2100), um einen Lift zur naechsten Raststaette zu bekommen (2130), dort hoffentlich schnell (2200?) einen Lift bis Rostock finden (2400)? Letztlich riefen wir einfach meine ehemalige Mitbewohnerin an, die uns (eine Stunde Fussmarsch, Bus- und S-Bahn-Fahrt spaeter) auch herzlich empfing, mit Wein abfuellte und uns beherbergte. Danke, Annabelle 🙂

Zweiter Versuch

Am Montag war fuer mich lediglich spektakulaer, dass ich mein Smartphone in einen Zustand brachte, der es nicht mehr booten liess, was sich offenbar nur durch ein Backup loesen laesst, das momentan knapp 900 km entfernt liegt. Ich bin also momentan weder anzurufen, noch kann ich Bilder machen oder E-Mails mobil abrufen und sowas. Abgesehen von den Bildern ist das nach einem Tag Entzug gar nicht mal so bloede.

Von der Stilloch kamen wir mit wechselnden Schildern („Luebeck“, „A1 Nord“, „Weiter“) wieder ewig nicht weiter, also sprachen wir doch Leute an der Tanke an — und bekamen auch gleich einen Lift zur Raststaette Buddikate, wo wir in moderater Zeit (ebenfalls an der Tankstelle wartend) von zwei schwaebischen Lehramtsstudentinnen auf dem Weg nach Greifswald angesprochen wurden, die uns nach ruckzuck vorbeigegangenen 150 Kilometern an der Anschlussstelle Rostock-Sued rauswarfen. Dort hatte uns dann auch das Glueck wieder: Gleich das naechste Fahrzeug nahm uns beinahe direkt ans Ziel in der Kroepeliner-Tor-Vorstadt mit.

Fazit:

  • Reisezeit inklusive 45 Minuten Brotzeitpause und zweier langer Staus bis Hamburg: 8h (Google Maps sagt 6:45h).
  • Schild-stoppen klappt auf der A7 unheimlich gut; aus Hamburg raus nicht so; in MV auf der Landstrasse dann wieder prima.
  • Trotz Ultraleicht-Begeisterung ist mein Rucksack zu schwer.
  • Ehemalige Mitbewohnerin ist fantastisch.
  • Smartphones stinken gewaltig.

In der Tretmuehle

Wenn ich hier nachlese, was die letzten Wochen und Monate an Postings kam, koennte man meinen, es passiere so rein gar nichts.

Derweil bin ich Ende April zum ersten Mal nach Berlin getrampt, was einfacher war, als vorher gedacht: Nachmittags um drei mit dem Bus nach Boefingen, von dort mit einem Schild „HDH“ auf die Raststaette Lonetal, und nach vier Autos einen Handwerker gefunden, der mich beinahe bis vor die Haustuere von Gastgeber @_HeBu fuhr. Dann den OpenGLAM-Workshop in der Staatsbibliothek Berlin besucht, bei der Einweihung der Wikimedia-Stockwerksetage Freibier geschnorrt, tags darauf mit den wunderbaren @waxmuth und @presseschauer wunderbaren Kaffee getrunken und abends die Suit-Up-Party im Fotostudio von Anya alias Mina Gerngross im Suit besucht. Und im Flight Suit.

Eine Woche spaeter tat mir Juliane das mit der Berlin-tramperei gleich, waehrend Undine und ich schon mal mit dem Zug vorausgefahren waren und Maria irgendwann nachkam — damit wir alle das myfest in Kreuzberg besuchen, Helfer bei der re:publica sein, diesmal zu dritt in der Undinschen Luxushuette (siehe) crashen, uns verlaufen, und durch tiefgruendige Gespraeche zwischen Maria und plomlompom sowie Trollereien zwischen Undine und erlehmann zu geduldeten Besuchern in #nodrama.de werden konnten. Bild relatiert.

Irgendwo kamen dann noch Besprechungen mit Nahverkehrsbund und Stadtwerken zum Ausbau des Fahrtenangebots zur Universitaet, das OpenCityCamp, die kif 40.0, der Erwerb einer Zuckerwattemaschine (die nun nach vier Wochen kaputt ist), eine unerwartete Einladung zu einem Innovationsworkshop bei Daimler, das SoNaFe an der Uni und zig Kleinigkeiten, Projekte und immer noch offene Arbeiten.

Fragt sich, warum ich nicht mehr darueber schreibe. Und die Befuerchtung ist, in der Tretmuehle gelandet zu sein.

Wie damals™, als ich unglaublich viel Wissen aus dem USENET bekam, aber eben auch unglaublich viel Zeit in das Lesen und Mitdiskutieren steckte. (Ja, die meisten Posts findet man noch. Seid milde. Ich war 13 oder so.) Aehnlich geht es mir gerade mit Twitter: Ich habe regelmaessig 15 Tabs offen, die ich eigentlich auch gerne hier wieder teilen wuerde — nach fuenf Tagen, in denen ich nichts damit anstellte, schliesse ich sie wieder, und gut ist. Seit einigen Wochen komme ich erstmals nicht mehr meiner Timeline hinterher und ueberspringe teilweise ganze Tage — und die gehoerten bisweilen zu den entspanntesten, weil ich einfach nur schoen viel koerperlich arbeiten, Dinge umhertragen, mich im Freien bewegen und mit alten Schleppern herumfahren „durfte“.

Einige Mailinglisten, auf denen ich seit Jahren subskribiert bin, oeden mich derweil tierisch an. Gefuehlt kommt jede Woche eine Diskussion auf, die schon gefuehlt hundert Mal durch ist. Am wenigsten Lust habe ich aktuell auf diverse Piratenlisten. Generell: Die Piraten oeden mich an. Nach den ueber drei Jahren, in denen ich sie beobachte, sind viele immer noch nicht ueber die „aber wir sind fuer Buergerrechte!“-Rhetorik hinausgewachsen. Wahlweise ist die Partei vollkommen reflexionsfrei die einzige freiheitliche, buergerInnennahe, demokratische Partei (und alles andere immer schlecht), oder man solle doch gefaelligst mit- und alles besser machen.

Derweil kann man sich bei den Piraten weiterhin richtig einfach Freunde machen, wenn man irgendwas mit „Femi…“ am Anfang sagt. Die Analyse von Macht- und Herrschaftsstrukturen hoert da auf, wo die eigene Wohnung unueberwacht, die Internetleitung frei und „alles transparent“ ist. Oder so aehnlich. Kackscheisser kommen auf Listenplaetze fuer die Wahl, Leute in Amt und Funktion duerfen froehlich lustige Meinungen zum Nahen Osten, und in diversen Arbeitsgruppen geben sich „Waffenrechtler“ und Geldumordner ein Stelldichein. Mit der Einfuehrung von Bezirks- und Kreisverbaenden werden die Strukturen zudem immer rigider und aus dem sympathischen Chaoshaufen von vor ein paar Jahren zunehmend: Einfach nur eine weitere Partei.

(Mit einigen coolen und wirklich wichtigen Werkzeugen. Zugegeben. Aber einem Facepalmpotenzial, das mich oft nur noch abwinken laesst.)

Was bleibt?

Der Wunsch nach ein wenig Abstand von den meisten Twitter-, Mail und Facebookdebatten der letzten Monate. Um die schoenen Erlebnisse die es gab und hoffentlich weiter geben wird, auch mal richtig ver- und aufarbeiten koennen. Raus aus der Tretmuehle.

Und mehr Cowbell.

Ich hab noch einen Stuhl in Duesseldorf

Videocamp - Tag 1 - Vormittag

Ich hatte mir ja lange ueberlegt, ob ich ueberhaupt zum Videocamp nach Duesseldorf fahren soll — es gab Terminueberschneidungen, dann hatte ich verpennt, den Zug rechtzeitig zu buchen, woraufhin die Sparangebote auf einmal doppelt so teuer waren… Jammern auf hohem Niveau mal wieder 😉

Letztlich war es — wieder — interessant, und ich habe — wieder — festgestellt, dass die Youtuberwelt eine ganz andere ist, zu deren fanumschwaermter „Spitze“ ich kaum einen persoenlichen Bezug habe. YTITTY kannte ich beispielsweise ueberhaupt nicht. „Nettes Video“, dachte ich mir, „unterhaltsam gemacht. Hat bestimmt ein paar Aufrufe.“

Ja, hat es. Sieben Millionen. Alter Schwede. Nach der Webvideopreisverleihung habe ich mich noch mit Andreas Rother und Lu Haslauer unterhalten, und wir haben gemeinsam festgestellt, dass wir entweder furchtbar alt sind oder einfach zu tief in einer speziellen Filterblase leben, in denen Youtube-Shootingstars nicht so arg vorkommen. Ich kann mich wegen des Bieres nicht mehr so richtig erinnern, aber ich glaube, wir haben uns auf die Filterblase geeinigt.

Mehr hatte ich auf jeden Fall von den Sessions und den Begegnungen am Rande: Nico Drimecker war letztes Jahr als absoluter Videoneuling dabei, mittlerweile bedient er die Ruhr Nachrichten mit Videos und improvisierte sich Glidecams zusammen; Fritz Gnad zeigte, wie seine ElRep-Animationen in After Effects zusammenkommen; und insgesamt habe ich mich gefuehlt sehr viel mit ordentlicher Tonabnahme und -abmischung beschaeftigt. Eine ganze Ladung mitgefilmter Sessions duerfte demnaechst auch im Youtube-Channel von Alexander Knopf landen.

Insgesamt ging es — wieder einmal — oft um den vermeintlichen Kampf „Fernsehen vs. Webvideo“, dessen offenbar nicht nur ich langsam ueberdruessig bin; und um Youtube, deren extreme Themendominanz mich dann doch ein wenig irritierte. Vimeo sei ja „so etwas wie das 3Sat des Internet“, und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das abwertend oder als Lob der Staff Picks gemeint war. In meiner zusammenimprovisierten Session „Freie Software fuer Audio/Video-Editing“ (Mitschrift hier) haben wir dann kurzentschlossen noch ein wenig die Codecproblematik und die prinzipielle Moeglichkeit abgehandelt, Dank HTML5 vollkommen auf Youtube verzichten zu koennen.

Nebenher gab’s natuerlich auch wieder viele Begegnungen. Nufan-Film beispielsweise, die als Biologe/Journalist und promovierter Mediziner/Dokumentarfilmer unter Anderem Erklaerbaervideos fuer das BMBF gemacht haben, und die ich schamlos fuer Inspiration in Sachen Wissenschaftsvideos missbrauchen werde. Und Unterhaltungen ueber die IETF-Konferenzbesucher, die mal eben das WLAN ihres Pariser Hotels neu konzipierten. Und noch zig andere Dinge, die ich nach vier Tagen dann doch nicht mehr aufgeschrieben bekomme.

Ansonsten: Mein erstes Mal Langstreckentrampen! Dank meines gigantisch tollen Couchsurfing-Gastgebers (Woki: Tausend Dank noch einmal! Ich schulde dir was!) hatte ich es nur 25 Gehminuten bis zur Raststaette Ohligser Heide, und die gerade mal 30 EUR in der Tasche machten klar: Entweder klappt das nun zumindest bis in den Geltungsbereich des BaWue-Tickets, oder du campierst heute Nacht draussen.

Nach letzterem sah es erst einmal aus, nachdem ich fast zwei Stunden lang nur Pott-Bewohner aufm Rasthof hatte, die nur bis nach Koeln fuhren. Zwischendurch fuhr ein Fahrzeug mit Biberacher Kennzeichen und SCEW-Aufkleber, dessen Fahrer ich sogar zu kennen glaube ein… und wieder ab, ohne an der Tanke zu halten oder mich zu sehen 🙂 Letztlich bekam ich dann aber einen Lift bis Bruchsal, und von da ab waren es nur noch je 20 Minuten, die ich bis zur Mitfahrt mit einem Anwalt im Smart bis Sindelfingen und mit einem Sportpferdehufschmied direkt bis ans Ehinger Tor warten musste. Ich bin angetan und betrachte die Marco-Polo-Karte mit rangepappter Zielschild-Klarsichthuelle seither als die BC100 fuer bankrotte Typen wie mich, mit der man aber (im Gegensatz zur BC100) noch jede Menge interessanter Leute und ihre Geschichten kennenlernen kann.

Und im Nachhinein wurmt es mich ja schon ein wenig, keinen der Videocamp-Stuehle trampend mitgenommen zu haben, wie unsere Gastgeber das angeboten hatten. Waere sicher Material fuer einen schoenen Web-Kurzfilm geworden 🙂

Titelbild von Edward Black; weitere Bilder in den Galerien von Pingu (Die Hohlkehle!!1 Schaut euch die Hohlkehle an!2) und Joern Sieveneck (Facebook).

Nachtrag: QikPad ist nicht wirklich zuverlaessig. Deswegen hier die Kopierpastete des Mitschriebs: