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re;publica 19 – tl;dr

Ich kam schon am Wochenende in Berlin an, weil ich noch Slides schrubben musste. Deswegen habe ich sehr viel Zeit auf Sofas befreundeter Leute und im Hotelzimmer verbracht, und Sonntag bis in die Nacht Creative-Commons-Hinweise angebracht

Am naechsten Tag hab ich herausgefunden, dass @katjaberlin krank geworden ist und sie deswegen meinen Vortrag auf Buehne 2 verlegt haben, was mich ein wenig panisch gemacht hat.

Andererseits war somit die gesamte Sicherheitsueberpruefung beim BKA hinfaellig eventuell. Weil der Bundesmeier naemlich eine Eroeffnungsrede hielt und ich kurz darauf eigentlich haette auf Buehne 4 sein sollen, musste ich vorab Namen, Geburtsdatum und -ort anmelden, damit die irgendwas damit machen. Es ist naemlich offenbar eine anerkannte terroristische Strategie, auf Verdacht irgendwo Vortraege einzureichen in der Hoffnung dass man dann vielleicht irgendwann eine Stunde spaeter als der Bundespraeses irgendwo auf einer Buehne spricht, von wo aus man natuerlich die krassesten Moeglichkeiten hat irgendwas dummes zu tun im Gegensatz zu den 1200 Leuten im Publikum.

Aber ich schweife ab.

Ich hab die Rede vom Steinmeier hinterher auf Video gesehen, und der Redenschreibmensch scheint sich Gedanken gemacht zu haben, was man da sagen koennte. Es war aber trotzdem vorgetragen wie beim Jubilaeum zum 100. Jubilaeum des Steinkohlefoerderausschusses Vogtland e.V. mit ganz viel „liebe Gaeste“ und anderen Floskeln. Kann man mal gemacht haben, Haken dran, bitte nicht nochmal so ein Sicherheitstheater mit irgendwelchen Pseudo-Personenkontrollen an den Zugaengen zu Saal 1. Felix Schwenzel hat das gut zusammengefasst:

er sagte nichts doofes, war entspannt, wich auch mal vom manuskript ab, aber euphorisierend oder mitreissend war an seiner rede nichts. dafür gab’s soliden, pathosfreien und vernünftigen verfassungspatriotismus und eine freundliche aufforderung die konsruktiven debatten der letzten jahre fortzusetzen.

https://wirres.net/article/articleview/11264/1/6/

Ich bin dann irgendwann zu „meiner“ Buehne getrottet. Vor mir war Ingrid Brodnig dran und weil ich mir keine Gedanken gemacht hatte, dachte ich, dass es sicher ein paar Minuten Zeitfenster zwischen den Vortraegen geben wuerde, zum Rechner anschliessen oder so. Dem war aber nicht so. Ich kam in letzter Sekunde auf die Idee, die Vortragsnotizen per Calibre auf meinen E-Book-Reader zu kopieren, anstatt auf dem Handy zu spicken, das war eine gute Idee. Nachdem Ingrids Vortrag abmoderiert wurde, war ich naemlich sofort dran, fand erstmal keine Stromsteckdose und bekam dann ein vollkommen zerstoertes Bild auf den Beamer. Da steht man dann erstmal etwas unwohl da. Ganz grossen Dank an den Stage Manager Clemens, der unaufgeregt und professionell die Fallback-Loesung eingerichtet hat, waehrend Max souveraen eine Zwischenmoderation eingeworfen hat. War aber eh okay, weil noch etwa 300 Leute den Saal verlassen wollten, die Torten der Wahrheit sehen wollten und enttaeuscht waren, nun so nen komischen Vogel mit Bart zu sehen.

Am Ende mussten deswegen 22 Minuten fuer einen Ritt durch 30 Vortragsminuten reichen, zum Leidwesen des Uebersetzungsteams. Danach einige Gespraeche und Interviews (siehe, siehe, siehe) und mit Haenden und Fuessen abgewehrte Anfragen („keine Termine vor nach dem Camp“) und dann war der Tag eigentlich auch ziemlich gelaufen.

Ich hab mich irgendwann dann am spaeteren Nachmittag mit Ilona und Robert selber auf dem Hof disrupted (danke an diplix fuer diesen Ausdruck). 2019 gab es erstmals neben dem Berliner Pilsener auch Weizenbier, und es irritiert mich ja immer noch, aber auch in Berlin ist es offenbar akzeptierter, Weizenbier aus einem Plastebecher zu nippen anstatt es aus der Flasche zu trinken (nachdem man es vorher angedreht hat wegen der Hefe, klar). Ich habe mich mit diesem Outcast-Image irgendwann abgefunden und bin durch die Landschaft gewandert, um Leute zu treffen. Das gestaltete sich als enorm schwierig. Erstens verlief es sich dieses Jahr noch mehr als je zuvor. Das ist eventuell eine Naturkonstante der Veranstaltung. Zum Anderen hatte ich nicht mehr so volle soziale Akkus, so dass ich mich teilweise nur darueber freute, gewisse Menschen zu sehen, mich aber dann sofort versteckte, um selber nicht gesehen zu werden und daraufhin eventuell sozial interagieren zu muessen.

Tag 2

In zwei Vortraege hatte ich es tatsaechlich geschafft. Einmal als Bezugsgruppen-Support im Vortrag von Vanessa und Michael zur Panama-Papers-Recherche und der Forderung nach einem Transparenzregister.

Danach bin ich ein wenig herumgelaufen, hab Leute kennengelernt die ich schon lang mal kennenlernen wollte, und andere neue Bekannte wiedergetroffen, und am Ende hatte es mich in den Vortrag von Cory Doctorow verschlagen. Den fand ich auch wirklich gut, wenngleich ich sehr viel der Zeit davon abgelenkt war, die Produktion rund um Buehne 1 zu begutachten.

Die fahren wirklich von Jahr zu Jahr noch eine Schippe mehr Veranstaltungstechnik auf, und bisweilen driftete meine Aufmerksamkeit etwas ab, weil ich wieder ein neues Detail gefunden hatte, das ich eventuell gerne nachmachen wuerde.

(Ausserdem macht sich Cory Doctorow offenbar weniger Sorgen ueber rechtlich richtige Attribution von Creative-Commons-Bildern auf Slides)

Abends hab ich dann die re:publica einfach links liegen lassen und bin mit alten FreundInnen in ein koreanisches Restaurant gegangen das eventuell Hodor heisst oder so aehnlich.

Tag 3

An Tag 3 waren die Leistungsfaehigkeits-Akkus immerhin etwas voller, so dass ich mir mittags ein Panel ueber die Kommunikation zwischen Verwaltung und Tech-Community ansah. Moderiert von der tags zuvor kennengelernten Tori Boeck unterhielten sich Ulrich Binner vom Bezirksamt Tempelhof-Schoeneberg und Adriana Groh vom Prototype Fund, und es war leider nicht so ganz klar, worauf sie hinauswollten.

Also ja, ganz klar, es braucht diesen Austausch. Und ganz klar, dafuer braucht es Begegnungsraeume, Formate, alles. Aber zwischendrin stellte Ulrich es so dar, als sei die Verwaltung ein total rueckstaendiger Haufen von Verweigerungsmaschinen – sehr demotivierend, sagte Maxi, und nicht nur der neben mir sitzende Kollege Ivan von der Verwaltung in Freiburg schuettelte etwas irritiert den Kopf ueber die Darstellung, dass die Verwaltung ausschliesslich machen koenne, was abschliessend im Gesetz steht.

Eventuell sind die zu durchbohrenden Bretter aber in Berlin einfach dicker als anderswo und das alles war irgendwie dringend notwendige Rahmenoeffentlichkeit fuer das CityLab Berlin, das irgendwie schon 2015 angekuendigt wurde, 2017 dann „bald“ kommen sollte, 2018 u.A. von der OKF nochmal mit einem Papier angeschoben wurde und nun offenbar wirklich da ist.

Ich habe mir die andere Session zu dem Lab ebenfalls angesehen, und wirklich respektabel finde ich ja, mit wie viel Ressourcen die Akteure von Anfang an reingehen (zum Vergleich: Das Verschwoerhaus startete mit einer 50%-Stelle; Mitte 2017 waren wir bei 2×50% FTE, und im Mai 2019 sind wir vielleicht mit viel Uminterpretation bei ebensovielen Koepfen fuer das Haus :D).

Einige Fragezeichen habe ich aber offen gestanden bei der Zielsetzung des Ganzen. Wo kommen denn die ganzen Ehrenamtlichen aus dem Civic-Tech-Umfeld her, die das bespielen wollen? Forkt sich das OK Lab, das sich derzeit bei Wikimedia Deutschland trifft? Ziehen die um? Wurden die ueberhaupt einbezogen? Wo sind die Abwehrmechanismen, um Businesskasperei aus den Raeumen zu halten? Oder ist das am Ende wieder nur ein weiteres Beispiel, wo in etablierte Strukturen Foerdergelder fuer Design-Thinking-Workshops fliessen, und die zivilgesellschaftliche Civic-Tech-Community darf schauen, wo sie bleibt? Wirklich klar wurde das nicht. Persoenlich faende ich ja cool, wenn dieses Lab nicht allzu glatt, allzu business, allzu angepasst werden wuerde, sondern widerborstig und communitygetrieben, mit einem klaren Mandat dafuer, Machtstrukturen in allen Dimensionen anzugreifen und dabei auch vor der fuetternden Hand nicht halt zu machen.

Naja.

So mit zum Schluss habe ich mir noch die State of the Open von Fiona und Arne angesehen – solide, witzig, Klassiker. Wegen nochmal Leute treffens und Gelaende erkundens hatte ich danach verpasst, in das Panel mit Francesca Bria zur technologischen Souveraenitaet von Kommunen zu gehen. Das Video ist aber mittlerweile online:

Das plaetschert leider etwas traege dahin, und ich finde die Distributed-Ledger-Idee etwas… eigen. Aber dazwischen gibt es schoene Zitate dazu, wie Staedte zum Beispiel in ihren Vergaben Nachhaltigkeitsklauseln einbauen koennen: Wenn die Stadt irgendwas mit Software macht, muss Open Source rauskommen, die Stadt (bzw. ihre BuergerInnen) muessen frei ueber die Daten verfuegen koennen, etc.

Und dann bin ich bei einem Datenjournalismustreffen in dem verhipsterten Biergarten mit viel zu teurem Bier nebenan gelandet. Penny, die auch dort war, ist uebrigens ursaechlich verantwortlich fuer das ernorm coole Programmieren-mit-der-Maus-Projekt. Leider kann sie ebensowenig mit Lob umgehen wie ich, weswegen ihr sie bei jeder Gelegenheit fuer dieses Ding unbedingt loben solltet.

Und dann war rum. Also nach kurzem Ausflug nochmal zu Tasmos Tanzflaeche und Unterhaltungen ueber sueddeutsche, kirchlich gepraegte Schulkultur.

Danach noch so

Ich hab einige Dinge nachgesehen, weil ich sonst vermutlich zuviel FOMO gehabt haette, obwohl ich da war. An der Stelle mal eingeworfen: Meine Peer Group kam erst am spaeten Nachmittag von Tag 3 darauf, den zum Veranstaltungsgelaende gehoerenden Park beim Technikmuseum anzuschauen. Eigentlich, um mich kritisch schauend vor so einem Flugtaxi-Mockup zu fotografieren, aber heilige Verwaltungsvorschrift! Dieses Aussengelaende war der Hammer! Das waere eigentlich ein super Ort gewesen, um waehrend der Schoenwetterphasen ohne staendigen Menschenueberlauf irgendwo rumzuhaengen. Man konnte sogar auf Liegestuehlen den Livestream von Buehne 1 sehen und waehrenddessen diesen sehr eigenenen Schmiere-Geruch der direkt nebenan stehenden alten Dampfloks in der Nase haben. Das ist eine sehr lange Umschreibung fuer „schaut immer gleich ganz am Anfang alles an was es auf einem Gelaende gibt auch wenn ihr schon oft da wart, und wenn man was machen kann zB Gruppenselfie mit der WDR-Maus, dann macht es sofort weil nachher gehts vielleicht nimmer“

Was danach aber ging: Videoaufzeichnungen ansehen. Den Lobo-Vortrag hab ich nach 15 Minuten ausgemacht, Dueck hab ich noch nicht ausprobiert. Folgende Dinger fand ich aber Knaller und bette ich daher direkt ein:

Technikvorhersagen vor 60 Jahren & was daraus wurde (Theobald Fuchs)


Supergut und unterhaltsam! Dank Theobald weiss ich jetzt, dass quasi alle dieser Retrofuturismusillustrationen, die ich kenne, von Klaus Buergle sind; eine kleine Uebersicht gibt es hier und ein flickr-Album hier. Leider scheinen viele der Originale verschollen und es gibt nur Scans der Drucke in diversen Zeitschriften, in denen sie reproduziert wurden. Der Vortrag ist jedenfalls unglaublich witzig und unterhaltsam, und die Checkliste am Ende teilens- und wiederbenutzenswert.

Nicole Christ: Zeichen der Zeit: Emojis als visuelle Sprache aus Perspektive der Designforschung

Das ist so’n Ding, da wuerde ich mich normalerweise nicht reinsetzen, sondern eher reinstolpern. Und das bin ich quasi auch, was das Video angeht. Aber es ist halt einfach eine kurze, kurzweilige, aber nicht nur oberflaechliche Einfuehrung in ein Thema, mit dem man sich normal vielleicht maximal beschaeftigen wuerde, weil man gerne auf Parties klugscheisst. Ich fands witzig.

Oliver Nachtwey – Der Geist des digitalen Kapitalismus – Solution und Techno-Religion

Teilweise ist das so ein Vortrag wo du dir denkst „sag, eh, ihr Soziologen, ihr koenntet’s das auch weniger akademisch ausdruecken, wenn ihr wollen taetet’s, aber ihr habt’s dann alle Angst dass euch niemand mehr glaubt dass ihr habilitiert seid, gell“. Wenn man darueber hinwegkommt (oder die Geschwindigkeit reduziert) bleibt ein Vortrag mit einigen schoenen Aufhaengern. Vom Solutionismus bis hin zum Religiositaetsvergleich und der vermeintlichen Weltverbesserung der Tech-Branche als Absolution von allem, was sie sonst so ueber die Welt bringen. Den werde ich mir wohl noch ein paar Mal ansehen muessen.

Sonst noch so

Anderswo

Danke an leralle, der mir durch seinen eigenen Post den notwendigen Arschtritt gegeben hat, wieder mal Dinge zu verbloggen. Dort findet sich auch eine Linkliste zu anderen Beitraegen. Oskar Vitlif hat derweil noch eine eigene Anschauempfehlungsliste veroeffentlicht.

Wie Städte die Mobilität der Zukunft gestalten

Linkliste zum Vortrag auf der re:publica. Arbeitsfassung vom Dienstag; wird noch erweitert werden.

Das Upgrade auf Stage 2 war etwas arg respekteinfloessend. Sorry auch an alle, die die Torten der Wahrheit erwartet hatten; als Ausgleich folgender Versuch

Silicon-Valley-Techsolutionismus

Silicon Valley erfindet den Bus neu. Ein Drama in mehreren Akten:

Elon Musk, Monorail-Verkaeufer

Gemeint ist diese Episode: Marge vs. the Monorail – S04E12 bei den Simpsons, Wikipedia:EN

Screenshot von Volker Blees beim Verkehrsministerium Baden-Württemberg im April 2019

Vernetzte Verkehrstraeger

Technologische Souveraenitaet; Oeffentliche Gelder → Oeffentliche Gueter

Mobilitätsportal Karlsruhe

Open-Data-Community: Code for Germany

Oertliche Communities mit oeffentlicher Foerderung: BonnLab, hackspace moers, WesterwaldLab Betzdorf, Verschwoerhaus Ulm, plus unzaehlige andere, tolle, nicht staedtisch gefoerderte als Vorbild (zB Dingfabrik Koeln, Eigenbaukombinat Halle, die Liste koennte hier quasi endlos sein)

Code for America Fellowship

Digitransit: Offizielle Seite; Deployment in Helsinki; Github-Repositories; Architektur; Ulmer Alpha-Deployment

Datenraum Ulm: GTFS-Daten der SWU; rettedeinennahverkehr.de; GD 411/18 (Anlage 1, Anhang 2 ist hier relevant)

Herrenberg: https://mobil-in-herrenberg.de/; TTN-Links folgen

Mitfahrdezentrale: Twitter @mfdz_de

Radforschung: radforschung.org

Mobility Data Specification

Spezifikation auf Github

Was Städte lernen können (radforschung.org)

MDS für Kommunen erklärt (radforschung.org)

Weitere Lektüre

Verkehrspolitik – eine Interdisziplinäre Einführung (Oliver Schwedes, Hrsg) (via @gglnx)

It’s not all lightbulbs – If we abandon the cult of the Great White Innovator, we will understand the history of technology in a much deeper way

Civic Tech: Of the people, by the people, for the people

Julia Kloiber from the Open Knowledge Foundation invited me to join her talk for this year’s re:publica on Civic Tech — i.e., how civic volunteers can help shape the way local governments improve on their E-Government, Open Data and E-Participation projects. I might look like I was grumpy in the video – in fact, I am very glad about having been offered this opportunity to outline a few of the good practises we found out to work in Ulm — Thanks again, Julia 🙂

The talk is already online, and I took the liberty to create a link list to the sites and projects we mentioned:

Link list:

Is there something missing? Anything to expand upon? You disagree with anything? Please, do comment! 🙂

rp13: Breit, aber ohne Tiefe?

Irgendwann, ich glaube es war am zweiten Tag der re:publica, fiel mir auf, dass ich grantig war. Unzufrieden. Und als irgendwann danach der Beitrag von Till Westermayer durch meine Timeline kam, wurde mir auch ziemlich schnell bewusst, warum das so war: Die re:publica ist fuer mich irgendwie ausgelutscht.

 

Das klingt jetzt vermutlich viel haerter, als es eigentlich gemeint ist. Die re:publica ist und bleibt die Internetzkonferenz, zu der sich jaehrlich beinahe alle treffen und man demnach auch beinahe alle treffen kann; sie erreicht ein vermutlich beispiellos breit aufgestelltes Publikum (cave: vorwiegend weisser, sich den Besuch leisten koennender Menschen) und duerfte damit die Ergaenzung zum Congress sein, nicht nur die Nerds zu erreichen, um solche Dinge wie Netzpolitik in die Gesellschaft hinauszutragen.

Insofern ein riesiger Dank an Andreas, Johnny, Markus und Tanja, dass sie sich das zum mittlerweile siebten Mal antaten – auch da bin ich ganz bei Till.

Aber.

Der Fluch der re:publica ist ihr Programm, das angesichts seiner wirklich erstaunenswerten Breite kaum Platz fuer wirkliche Tiefe laesst. Wer in diese Welt hineinschnuppern moechte, einmal etwas von allem mitnehmen, ist da sicher richtig – wer zum wiederholten Mal dort ist (oder die einschlaegigen Blogs und Debatten liest, oder einfach keine Lust mehr auf die Diskussion Print-vs-Onlinejournalismus hat), muss beinahe schon aktiv suchen, um Neues zu finden. Selbstverstaendlich endet der Wissensaustausch nicht mit dem Sessionende, und dass man ja sowieso hauptsaechlich der Gespraeche und des Austauschs zwischen den Sessions wegen in die Station kommt, ist ja kein Geheimnis. Ich habe viele Impulse zu OpenData und OpenGovernment mitgenommen, mich noch stundenlang mit einigen der auf dem Feld Aktiven unterhalten und hatte insgesamt den Eindruck, dass diese ganz spezielle Subgruppe der Netzgemeinde fuer sich genommen etwas von diesem „Klassentreffen“ hatte – und ich gehe davon aus, dass es noch hunderte andere Subgruppen gab, die jeweils fuer sich zufrieden nach Hause gehen konnten.

Oberhalb dieser Grueppchen, in der Gesamtheit der sogenannten Netzgemeinde, scheint sich derweil so recht nichts zu tun. Letztes Jahr forderte Sascha Lobo, man moege mehr bloggen – gemerkt habe ich davon nichts. Gerade wurde die Netzgemeinde mit dem durchgeboxten Leistungsschutzrecht abgewatscht, nun kommt die „Drosselkom“ – und was passiert? So gut wie nichts. Lobo stellte in diesem Jahr reclaim.fm als meines Erachtens wirklich spannenden Versuch vor, sich mit einem WordPress-Plugin wieder ein wenig Publikationsherrschaft zurueckzuerobern, und das ist auch gut so – es scheint naemlich so, als wuerden seine Appelle, etwas zu tun, mittlerweile eben nur noch als ritualisierte Show verstanden, die man der Unterhaltung (und Publikumsbeschimpfung) wegen ansieht. Und dann eben doch nichts tut.

Ich mag mich nicht so recht der Praemisse anschliessen, die tante an den Beginn seiner lesenswerten Kritik stellt, naemlich dass „die Netzgemeinde“ unter den Machtlosigkeitswatschen nach LSR, Bestandsdatenauskunft und Co leidet – dazu unterstelle ich einem grossen Teil der rp13-Gaeste schlichtweg mangelndes Interesse am Thema. Vielmehr sehe ich genau dasselbe Problem, das er in der Anbetung Fixierung der Szene auf einige, wenige Gestalten sieht, die’s richten sollen:

Die Szene hatte schon immer das Problem sich zu sehr auf Autoritäten und Lichtgestalten zu verlassen, der Preis, den sie dafür zahlt, wurde dieses Jahr nur zu deutlich: Wenn die Leitfiguren eben nicht mehr alle anderen auf ihren Schultern tragen können, ist die Luft raus. (Wie unfair es ist, die Verantwortung für so tiefgreifende gesellschaftliche Änderungsprozesse wie die aktuell laufenden bei 3 oder 4 Einzelpersonen und 3 oder 4 Organisationen abzukippen, brauche ich hier hoffentlich niemandem zu erklären.)

Ich fuer meinen Teil frage mich, wie das weitergehen soll.

rp13-Nachschau: Open Data und Open Government

…und hier die Videoliste rund um OpenData von der rp13. Kein Anspruch auf Vollstaendigkeit, im Gegenteil, da fehlen noch Dinge.

Mathias Schindler: Der Urheberrechts-Yeti (namentlich §5 UrhG, der amtliche Werke gemeinfrei machen sollte)

johl, michaelkreil, yetzt: Datenbefreiung selbst gemacht

Marco Maas: LobbyPlag

Opening Public Transport in Berlin

Julia Kloiber, Stefan Wehrmeyer: Open Data – und was hat das mit mir zu tun?

Michael Kreil: OpenPlanB – Stufe 2

rp13-Nachschau: Was sonst noch so war

Ein unkommentierter Rundumschlag meiner persoenlichen Auswahl bislang veroeffentlichter rp13-Videos:

Matthias (moeffju) Bauer: Richtig essen, richtig schlafen, und lasst die Mate weg

plomlompom und snibeti snab erlehmann: Internet-Meme; Geschichte, Forschungsstand, Kontroversen

Anne Wizorek: Ihr wollt also wissen, was #aufschrei gebracht hat?

Cory Doctorow: It’s not a fax machine connected to a waffle iron

Johannes Kleske: Das Ende der Arbeit

Stimmt das? Check mit dem ZDF die Fakten im Wahlkampf

Laurie Penny: Cybersexism

In der Tretmuehle

Wenn ich hier nachlese, was die letzten Wochen und Monate an Postings kam, koennte man meinen, es passiere so rein gar nichts.

Derweil bin ich Ende April zum ersten Mal nach Berlin getrampt, was einfacher war, als vorher gedacht: Nachmittags um drei mit dem Bus nach Boefingen, von dort mit einem Schild „HDH“ auf die Raststaette Lonetal, und nach vier Autos einen Handwerker gefunden, der mich beinahe bis vor die Haustuere von Gastgeber @_HeBu fuhr. Dann den OpenGLAM-Workshop in der Staatsbibliothek Berlin besucht, bei der Einweihung der Wikimedia-Stockwerksetage Freibier geschnorrt, tags darauf mit den wunderbaren @waxmuth und @presseschauer wunderbaren Kaffee getrunken und abends die Suit-Up-Party im Fotostudio von Anya alias Mina Gerngross im Suit besucht. Und im Flight Suit.

Eine Woche spaeter tat mir Juliane das mit der Berlin-tramperei gleich, waehrend Undine und ich schon mal mit dem Zug vorausgefahren waren und Maria irgendwann nachkam — damit wir alle das myfest in Kreuzberg besuchen, Helfer bei der re:publica sein, diesmal zu dritt in der Undinschen Luxushuette (siehe) crashen, uns verlaufen, und durch tiefgruendige Gespraeche zwischen Maria und plomlompom sowie Trollereien zwischen Undine und erlehmann zu geduldeten Besuchern in #nodrama.de werden konnten. Bild relatiert.

Irgendwo kamen dann noch Besprechungen mit Nahverkehrsbund und Stadtwerken zum Ausbau des Fahrtenangebots zur Universitaet, das OpenCityCamp, die kif 40.0, der Erwerb einer Zuckerwattemaschine (die nun nach vier Wochen kaputt ist), eine unerwartete Einladung zu einem Innovationsworkshop bei Daimler, das SoNaFe an der Uni und zig Kleinigkeiten, Projekte und immer noch offene Arbeiten.

Fragt sich, warum ich nicht mehr darueber schreibe. Und die Befuerchtung ist, in der Tretmuehle gelandet zu sein.

Wie damals™, als ich unglaublich viel Wissen aus dem USENET bekam, aber eben auch unglaublich viel Zeit in das Lesen und Mitdiskutieren steckte. (Ja, die meisten Posts findet man noch. Seid milde. Ich war 13 oder so.) Aehnlich geht es mir gerade mit Twitter: Ich habe regelmaessig 15 Tabs offen, die ich eigentlich auch gerne hier wieder teilen wuerde — nach fuenf Tagen, in denen ich nichts damit anstellte, schliesse ich sie wieder, und gut ist. Seit einigen Wochen komme ich erstmals nicht mehr meiner Timeline hinterher und ueberspringe teilweise ganze Tage — und die gehoerten bisweilen zu den entspanntesten, weil ich einfach nur schoen viel koerperlich arbeiten, Dinge umhertragen, mich im Freien bewegen und mit alten Schleppern herumfahren „durfte“.

Einige Mailinglisten, auf denen ich seit Jahren subskribiert bin, oeden mich derweil tierisch an. Gefuehlt kommt jede Woche eine Diskussion auf, die schon gefuehlt hundert Mal durch ist. Am wenigsten Lust habe ich aktuell auf diverse Piratenlisten. Generell: Die Piraten oeden mich an. Nach den ueber drei Jahren, in denen ich sie beobachte, sind viele immer noch nicht ueber die „aber wir sind fuer Buergerrechte!“-Rhetorik hinausgewachsen. Wahlweise ist die Partei vollkommen reflexionsfrei die einzige freiheitliche, buergerInnennahe, demokratische Partei (und alles andere immer schlecht), oder man solle doch gefaelligst mit- und alles besser machen.

Derweil kann man sich bei den Piraten weiterhin richtig einfach Freunde machen, wenn man irgendwas mit „Femi…“ am Anfang sagt. Die Analyse von Macht- und Herrschaftsstrukturen hoert da auf, wo die eigene Wohnung unueberwacht, die Internetleitung frei und „alles transparent“ ist. Oder so aehnlich. Kackscheisser kommen auf Listenplaetze fuer die Wahl, Leute in Amt und Funktion duerfen froehlich lustige Meinungen zum Nahen Osten, und in diversen Arbeitsgruppen geben sich „Waffenrechtler“ und Geldumordner ein Stelldichein. Mit der Einfuehrung von Bezirks- und Kreisverbaenden werden die Strukturen zudem immer rigider und aus dem sympathischen Chaoshaufen von vor ein paar Jahren zunehmend: Einfach nur eine weitere Partei.

(Mit einigen coolen und wirklich wichtigen Werkzeugen. Zugegeben. Aber einem Facepalmpotenzial, das mich oft nur noch abwinken laesst.)

Was bleibt?

Der Wunsch nach ein wenig Abstand von den meisten Twitter-, Mail und Facebookdebatten der letzten Monate. Um die schoenen Erlebnisse die es gab und hoffentlich weiter geben wird, auch mal richtig ver- und aufarbeiten koennen. Raus aus der Tretmuehle.

Und mehr Cowbell.

Fazit aus Berlin — #rp11

Impressionen auf der re:publica 2011

((cc) Anja Pietsch/re:publica)

Allgemein

Keine Rants, die gibts anderswo genuegend. Generell: Die re:publica kam mir dieses Jahr deutlich heterogener vor als die vergangenen Jahre, und das Experiment, eine Konferenz fuer die ganze Republik machen zu wollen, strapazierte offenbar einige Nerven. Die Vortraege im Friedrichstadtpalast konnten die Ueberfuellung der Workshops in der Kalkscheune nicht mildern, und so kam man nur durch Zufallsprinzip dort hinein, wo man eigentlich hin wollte.

Digitale Gesellschaft

Hat mir bislang nix getan, auch wenn ich Kritik und Gegenkritik interessiert beobachte. Schauen wir mal, was rauskommt, und wenn sie mir irgendwann mal auf die Fuesse treten sollten, muss ich halt ueberlegen, was ich mache. Konstruktivismus regelt, das kann man mal so mitnehmen — die Energie, die manche darauf aufwenden, das von vorneherein herunterzuputzen, ist mir schlicht zu schade. Schoen beschreiben das Christopher Lauer und Rene Meissner.

Gesehen und gut gewesen

Quo Vadis, Web?

(cc) Jonas Fischer/re:publica

Quo vadis, web? u.a. von Nils Dagson Moskopp, der meinetwegen um sein „gutes“ Gratisessen geprellt wurde und „nur“ das aus der Helferverpflegung bekam. Sehr sehr hybsche Folien (mit Inkscape Slides gemacht), die eigentlich mal eben ein bis zwei der WebEng-Einfuehrungsvorlesungen ersetzen koennten (als ob.) Thematisch insgesamt leider ein viel zu grosses Fass, um das in einer Stunde abarbeiten zu koennen, und erlehmanns Tendenz, thematisch wild zu maeandern, tat das Seine

Machines talking to themselves von Martin Spindler — auch hier wieder eine wunderbare Inspiration fuer „echte“ Motivationsfolien in der UbiComp-Vorlesung.

Of course: we’ve built out the nervous system (the Internet) & now we’re turning it on (sensors). Next we’ll build muscles & activate those.

(https://twitter.com/#!/bopuc/status/42849706392551424)

Erinnernswerte Beispiele: Die „GlowCap“, die mittels GSM-Modul an die Medikamenteneinnahme erinnert und im Zweifelsfall per Telefon die Angehoerigen alarmiert, falls sich nichts ruehrt. Ausserdem: „The Street as platform“ fuer eine Vision ubiquitaerer Systeme.

Die Illusion vom oeffentlichen Raum war eine froehliche Rant- und Bash-Runde, die hauptsaechlich Spass machte. Ich bin gespannt auf die Videoaufzeichnung.

Ebenso von Dezentrales Clustern, gehalten von Stephan Urbach. Sehr inspirierend, mit schoenen Aussagen: AKs sind in der Regel moerderisch schwerfaellig, starr und exklusiv — dezentrale Cluster brauchen einfach nur ein Mission Statement, einen coolen Namen und vor allem Spass fuer alle Beteiligten. Bei Aussagen wie „ich muss nicht immer alles mit allen besprechen“ musste ich irgendwie an gewisse Studierendenvertretungen denken, und wie man so etwas dort einfuehren koennte.

In loser Reihenfolge ausserdem: „Aktivismus im oeffentlichen Raum“ als kurzweiliges Wohnzimmerpanel mit viel Unterhaltung. mixd.tv ist mittlerweile etwas ganz anderes als letztes Jahr und wohl auch weniger auf Konfrontation aus. Und der Stuxnet-Vortrag war trotz fefes Kritik am Referenten nett.

Highlights

"Beyond Medienkompetenz" auf der re:publica 2011

(cc) Anja Pietsch/re:publica

Der Dueck. Klar. Seinen vielverlinkten Auftritt muss man wohl auch hier verlinken, auch wenn ich selbst gar nicht dabei war — dafuer habe ich ihn direkt danach beim Panel mit Joeran erlebt und war recht angetan von der Runde. So haette ich mir die Schule gewuenscht — und auch hier bin ich auf das Video aus dem grossen Saal gespannt. Nicht zuletzt, um es vielleicht einmal ein paar Lehrern vorzuspielen…

Und die Leute?

Ja, deswegen faehrt man ja auf so eine Veranstaltung, wenn man von vorneherein weiss, dass man zwei Drittel der gewuenschten Vortraege nicht sehen koennen wird. Man war in Gespraechen auf dem Hof recht angetan von der Offenheit Ulms in Sachen Open Data, und ich habe jetzt einige Kontakte, mit denen das hoffentlich nun in die Gaenge zu bringen ist. Mehr dazu… morge^w demnaechst.

Abwesenheitsnotiz

Hallo Internet.

Ich bin gerade auf der re:publica. Hier ist es schoen. Es gibt zwar kein Internet, und in ganz Berlin geht mittlerweile kein O2-Mobilinternet mehr, dafuer kann man alte Bekannte wieder treffen, wenn man vor den Workshops steht, die total ueberfuellt sind und sowas. Oder Leute endlich mal live treffen. Oder neue Kontakte knuepfen. Open Data und so. Toll ist das.

Nur Steve Jobs hab ich noch nicht gesehen. Aber das wird schon noch.

Zeit fuer die Unabhaengigkeitserklaerung

Ich bin nun endlich dazu gekommen, Jeff Jarvis‘ Vortrag ueber das deutsche Privatsphaeren-Paradoxon anzuhoeren, und es lag sicher nicht am parallel konsumierten Bier (plus Farbausduenstungen), dass er mir gefallen hat.

Mehrere Stellen haben es mir angetan. Ich gebe Jarvis voll und ganz Recht, was unsere aktuelle Auffassung des Internets als „Stream“ angeht, und besonders die Erwaehnung des auch im Jahr 11 seines Bestehens vollkommen zu Unrecht immer noch viel zu wenig beachteten Cluetrain Manifesto tat gut. Ganz besonders hat mich aber die Stelle zum Nachdenken gebracht, an der Jarvis in Anlehnung an die Unabhaengigkeitserklaerung des Cyberspace von Barlow die Regierungen anspricht, die niemand eingeladen hat, und die dennoch (schaedlichen) Einfluss ausueben wollen.

Ich musste sofort an einen Artikel von mspr0 denken, den ich gut fand, und den ich trotz seiner Qualitaet zu meinem Erschrecken offenbar noch gar nicht mit euch geteilt hatte. Vielleicht hat er sich von diesem Zitat inspirieren lassen, jedenfalls vergleicht er — in Replik auf Tauss‘ Indianeranalogie — die Regierungen der Welt mit der britischen Krone in Bezug auf die amerikanischen Kolonien.

Der Vergleich passt unheimlich gut. Und wann kommt endlich die Revolution? 😉