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German Angst, Kommunalausgabe

Ich kann mein schlechtes Gewissen ein klein wenig beruhigen: Es war wohl eine gute Entscheidung, gestern zu „Einsatz von sozialen Medien in Kommunen“ der MFG-Akademie gegangen zu sein, anstatt endlich einmal weiter fuer meine Pruefung zu lernen. Nicht nur wegen des riesigen Brezel- und Kuchen-Buffets, das aus irgendeinem Grund das einzige Fotomotiv blieb, sondern weil ich neben alten Aengsten auch echtes Interesse gefunden habe.

Leider nicht bei allen.

Grundsaetzlich konnte man die Referenten grob in drei Gruppen unterteilen: Begeisterte Experimentatoren, Berater und Angstbremser.

Der erste Buergermeister Ulms, Gunter Czisch, gehoert zweifelsfrei zu den Experimentatoren, was mich angenehm ueberrascht hatte. Er sei derjenige, der fuer das Ausprobieren neuer Ideen zustaendig sei, besitzt — natuerlich — ein iPad, und ist wie so viele Kommunalpolitiker gesetzteren Alters ueber seine Kinder auf soziale Netzwerke, namentlich den regionalen Platzhirschen, gestossen. Ebenfalls angenehm ueberrascht war ich ueber den gegruendeten Strategiezirkel der Stadt, der offenkundig sehr praezise analysiert hat, welche Chancen sich bieten. Im Gespraech war auch eine „Breitbandgarantie“ als Standortfaktor: Zusammen mit den Stadtwerken solle jedem Buerger breitbandiges Internet garantiert zur Verfuegung stehen. Respekt.

Inhaltlich positiv, wenngleich stellenweise etwas droege vermittelt, der Vortrag von Joern von Lucke, der auch als Sachverstaendiger dem OpenData-Network zuarbeitet, und der mit seinem Beispiel von geokartierten Gesundheitskontrollen in Restaurants der Bestschen Energieverbrauchskartierung schon recht nahe kam: Das sei „gut fuer die Volksgesundheit“ und motiviere zu besserer Hygiene.

Personal Attack Cow
Personal Attack Cow, Repoort, cc-by

Bei den anderen beiden Beratern, Bernhard Jodeleit von fischerAppelt und Carsten Ulbricht, habe ich mich mental ein klein wenig ausgeklinkt. Ulbricht versuchte, in 30 Minuten den kompletten Bogen vom Marken- ueber das Domain- zum Urheberrecht zu schlagen, was ich dann doch eher sportlich fand.

Jodeleit versuchte dagegen, mittels „Open-Source-Bildern“ (ohne cc-by-Namensnennung) den rund 120 Gaesten die soziale Dynamik in sozialen Netzwerken zu vermitteln und glaenzte dabei mit Erklaerungen wie „Web-2.0-Menschen drehen durch, wenn man sie abmahnt“, erklaert anhand Jako vs. Trainer Baade. Interessanter Einblick, wie so etwas aus „dieser“ Perspektive aussieht. Nunja.

Richtig schlimm fand ich dagegen den Vortrag von Joerg Blumenthal, der als Pressesprecher der Stadt Mannheim zunaechst eigentlich ganz passabel die Zusammenfuehrung der verschiedenen „Netzidentitaeten“ seiner Stadt beschrieb, dann aber zunehmend haarig wurde. Angefangen vom von mir subjektiv wahrgenommenen Unverstaendnis, warum die Klage um @mannheim zu einem Scheissesturm fuehrte, muendete der Vortrag abschliessend in einen gut fuenfminuetigen Rant ueber Google, insbesondere natuerlich Streetview, und Facebook. Die Stadt Mannheim habe auf Google reagiert, indem sie auch die oeffentlich zugaenglichen Luftbilder der Stadt wieder geloescht habe (sic!), und angesichts des potenziell unsicheren Umgangs von Facebook mit personenbezogenen Daten koenne er nicht ruhigen Gewissens empfehlen, dass eine Stadt ein Profil bei Facebook habe — schliesslich wuerde man so Unwissende in den „Datensumpf“ ziehen.

Ich habe dann bei der Diskussion noch einmal nachzuhaken versucht, warum man nicht die Nutzer mitnehmen moechte, die ohnehin in einem Datensumpfnetzwerk angemeldet sind, das konnte aber nicht wirklich zufriedenstellend beantwortet werden.

Nach der Veranstaltung wurde ich daraufhin von Georg Schaefer vom Innenministerium angesprochen, der vorher noch behauptet hatte, dass die „Gigantisch vielen Informationen“ den „Buerger ueberfordert“ und mich nun fragte, was ich denn persoenlich gegen die Datensammlerei tun wuerde und ob das nicht schlimm waere, wenn ich auf einer No-Fly-Liste landen wuerde. Meine Erklaerung mittels der Klotuerenanalogie, dass ich gerne bereit sei, gewisse persoenliche Daten freiwillig zu teilen, aber entschieden etwas dagegen habe, diese unter Zwang gegen meinen Willen preiszugeben zu muessen, stiess leider nicht auf fruchtbare Ohren, weswegen ich das Gespraech nach einem bedeutungsschwangeren „You have been warned!“ seinerseits beendet habe.

Belustigt zugesehen hatte dabei Uli Sailer, der als letztes vortrug und den ich nach anfaenglicher Skepsis sehr schnell zu den begeisterten Experimentatoren einordnen konnte. Keine Facebook-Schulung, dementsprechend ein etwas naiv eingerichteter Stadt-Account, aber spuerbarer Enthusiasmus, und vor allem viel Authentizitaet.

Artikel anderswo:

Social Media in Kommunen – Da kommt noch viel Arbeit!

Was nicht gesagt wird

the city should pay street musicians to prevent riots
M. Jeremy Goldman, cc-by-nc

In den letzten Tagen und Wochen gab es zwei Diskussionen, die ich besonders interessant fand, weil in beiden Faellen vordergruendig ueber Sachfragen gestritten wurde, waehrend es im Kern um Ideologiefragen ging. Einmal war das die Debatte um Jens Bests „Digitale Armee Fraktion“, und einmal ging es um das Streitgespraech zwischen Lobo und Weiss in Sachen Urheberrecht.

Und nachdem ich im Vorbeigehen an meinem Buecherregal bei „Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren“ von Schleichert haengengeblieben bin, fand ich den Gedanken faszinierend: Beide Debatten einmal so anzugehen, als handle es sich um Fundamentaldebatten. Als vertrete eine beliebige Seite eine Religion mit abstruser Weltanschauung — besser noch, als vertraeten sie beide irgendwelche abstrusen Anschauungen.

Was in beiden Faellen sofort auffaellt, ist die Verkuerzung der Argumentationsketten unter Einbeziehung moralischer Aspekte. Lobo versuchte sein Gegenueber durch die (wiederholte) Frage, ob er Gegenueber Filesharing gegen den erklaerten Willen des Kuenstlers okay finde, in eine moralische Zwickmuehle zu bringen. Die Argumentation wuerde dann in etwa lauten

Filesharing geschieht in vielen Faellen gegen den erklaerten Willen des Anbieters. Deswegen ist Filesharing abzulehnen.

Diese Argumentation ist stark enthymematisch, weil hier mehrere Praemissen als bekannt angenommen werden. Interessant wird es tatsaechlich jedoch erst, wenn diese Praemissen konkret benannt und ihre Gueltigkeit beziehungsweise Akzeptanz bewertet werden. Die Frage muss also lauten, warum ein Kuenstler dagegen ist, dass seine Werke verbreitet werden, ohne dass er fuer diese Verbreitung entlohnt wird (genau darum handelt es sich ja bei „illegalem Filesharing“).

Hierfuer lassen sich mehrere Praemissen einsetzen, die teilweise gegeneinander austauschbar sind, und in manchen Argumentationen auch in Konjunktion verwendet werden.

Ein Argument ist, dass der Kuenstler ein Mitbestimmungsrecht ueber sein Werk haben soll. Auch diese Praemisse ist an sich eigentlich eine These, die genauer Begruendung bedarf, und nicht als allgemein anerkannter Grundsatz geltend gemacht werden kann. Ohne weiter auf diese Begruendung eingehen zu wollen, kann hier sogleich eine Gegenthese anhand Kafkas Nachlass aufgestellt werden. Kafka hatte seinen Freund Max Brod kurz vor seinem Tod gebeten, all seine Werke ungelesen zu verbrennen — sie also nicht der Nachwelt zu erhalten. Brod kam diesem Wunsch nicht nach.

Die Gegenthese liegt also zumindest in einer Rechtsgueterabwaegung zwischen dem Interesse der Gesellschaft an kulturellen Werken und dem (postulierten) Verfuegungsrecht des Kuenstlers ueber seine Werke begruendet. Fuer den Fall, dass der Kuenstler tatsaechlich ein Eigentum an seinen Werken besitzt, leitet Daniel Schultz diese Abwaegung auch aus Artikel 14 GG („Eigentum verpflichtet“) her und spielt postwendend Lobo den moralischen Schwarzen Peter zurueck.

Ein weiteres oft angefuehrtes Argument ist, dass der Kuenstler von seinen Werken leben koennen soll. Dieses Argument halte ich an sich fuer grundfalsch. Es postuliert, dass jeder einen beliebigen Beruf ergreifen koennen sollte, und ihm dann vom freien Markt ausreichend Geld fuer den Lebensunterhalt zugespielt werden soll.

Die richtige Fassung dieses Arguments ist, dass viele Kuenstler von ihren Werken leben muessen, und das stellt die Diskussion meines Erachtens in ein ganz anderes Licht. Es bedeutet, dass Kuenstler abseits von Maezenaten (oder oeffentlichen Foerdergeldern) zwingend darauf angewiesen sind, ihre Werke auf irgendeine Weise zu Geld zu machen. Auch dieses Argument koennte man nun noch einmal aufdroeseln und in die Tiefe gehen.

Eine „korrekte“ Fassung der Loboschen Argumentation muesste also deutlich laenger und umfangreicher sein als die blosse Frage nach dem Willen des Kuenstlers. Und wenn man noch einen Schritt zurueck geht, sollte man unbedingt auch die Gesellschaft als Ganzes in diese Argumentation aufnehmen. Und allerspaetestens hier finden sich einige Teilargumente, die sich ordentlich zerpfluecken lassen. Und allerspaetestens hier sind wir auch endlich auf der Ebene angekommen, um die es eigentlich geht: Um Ideologiefragen.

(Streetview folgt. Demnaechst irgendwann.)

Fragezeichen

Da ich keinen Fernseher habe, habe ich auch nicht Sixtus vs. Lobo auf 3sat ansehen koennen, sondern musste mich mit der Internetausgabe „begnuegen“. Und ich bin ein wenig ratlos.

Ich mag sowohl Sixtus, als auch Lobo irgendwie. Sixtus, weil er als ElRep zwar ein wenig sonderlich, aber mit teilweise wirklich sehenswerten Interviews daherkam. Lobo, weil er ein wenig so aussieht und sich so verhaelt wie mein Onkel Rainer, und weil er dazu noch einen roten Iro hat, mit dem er ganz wunderbar sein Querdenkertum unter Beweis stellen kann, falls nicht sofort alle wissen, dass das ja der Lobo von Riesenmaschine ist. Aber dieses Format bei 3sat – funktioniert nicht. Jedenfalls nicht bei mir.

Sixtus vs. Lobo – Mashups

Ich weiss ja ehrlich gesagt nicht einmal, was mir die beiden sagen sollen. Soll das einfach nur so ein hochpersiflierter Schlagabtausch zwischen den zwei Lagern im Netz sein? Wenn ja, dann wie jetzt? Ich dachte, bei 1000 Bloggern im Netz Aktiven gebe es 2000 Lager? Und wenn nein, was soll das denn dann?

Irgendwie wird das alles weichgespuelt. Versucht, massentauglich zu werden. Und das schadet den zweien, die meiner Meinung nach gerade dann brillieren koennen, wenn sie „ihre“ netzaffinen Randgruppen ansprechen, „richtigen“ Unsinn machen und auch mal auf die Kacke hauen.

Nur ein gutes hat das Ganze. Ich habe neulich im Keller einen roten Strassenbesen gefunden und mir ueberlegt, an Fasching als Sascha Lobo zu gehen. Nun, da der sogar im Fernsehen kommt, koennten manche Leute sogar erkennen, was die Verkleidung darstellen soll.