Schlagwort-Archive: Freiheit statt Angst

The Troublemakers carried pepper spray and guns… and were wearing badges.

Ich wurde am Sonntag bei /dev/radio von Seder geschimpft, nachdem ich behauptete, „die Polizei“ haette einem 15jaehrigen offenbar grundlos die Zaehne eingeschlagen. Das hat „die Polizei“ nicht. Das war ein einzelner leitender Beamter.

Kein strukturelles Problem, sagt Joachim Hermann. Derartige Anschuldigungen der bayerischen Gruenen seien vielmehr eine „Unverschaemtheit“. Nur Einzelfaelle eben, man werde die aktuellen Faelle aufklaeren.

Doch ein strukturelles Problem, sagt Lawrence O’Donnell, und noch viel schlimmer: Auch in den USA seien die prompt versprochenen Ermittlungen jedes Mal auf Neue eine Farce, und selbst angesichts Beweisvideos werde gelogen und behauptet, dass Pruegel und Pfefferspray kein Rechtsbruch, sondern angemessen sei. Wenn man lange genug wartet, verschwindet das Medieninteresse und man kann die Rechtsbrueche unbestraft oder mit einem „Slap on the Wrist“ unter den Tisch kehren. Sounds familiar.

Das Strafrechtsaenderungsgesetz ist jetzt uebrigens mit minimaler Aenderung durch den Bundesrat. Wem zukuenftig von der Polizei einzelnen Vollstreckungsbeamten als Retourkutsche fuer eine Anzeige eine Widerstandshandlung unterstellt wird, kann im bloedesten Fall fuer drei Jahre im Bau landen.

(via Jens Scholz und David Dorst)

Das war die FSA10

Wo soll man anfangen. Ich habe lange ueberlegt, ob ich auf der Demo den Prototypen des diretto-Uebertragungsrucksacks ausprobieren soll. Bloederweise hatte ich aber vergessen, den GPS-Empfaenger einzupacken, und nachdem unsere Einsatzzeit von 1200 bis 1730 Uhr ging, haette der Akku ohnehin nicht so lange durchgehalten.

Trotzdem sind mir einige Dinge aufgefallen, die auch fuer den diretto-Einsatz passen koennten. Es gab wieder das Problem, dass die „diskreten Sprechgarnituren“ fuer die Funkgeraete alles andere als diskret waren, und immer wieder Leute auf uns zeigten und tuschelten. Beim „Sorgenkind“ Antikapitalistischer Block gabs dann auch mehrere Ansprachen, warum wir einen Knopf im Ohr haetten, ob wir Zivilbullen seien oder ein paar aufs Maul wollten. Wir bekamen dann zum Glueck aber keine auf die Birne, wie das einem der AK-Vorrat-Beobachter ging.

Auch die Sache mit GPS-Daten und Dateiupload hat noch ein paar Feinschliffprobleme, wie mir auffiel, als wir mehrmals die Bundespolizei im S-Bahnhof Potsdamer Platz unter die Lupe nahmen. Da muss ich mir noch eine bessere Strategie fuer den Umgang mit GPS-Fix-Verlusten ausdenken.

Interessant fand ich den subjektiv empfundenen anderen Umgang der Polizei mit den Kameras der Demonstranten. Nach wie vor erlebt man tief ins Gesicht gezogene Muetzen und hochgezogene Kraegen, sobald Polizisten jemanden mit „gezogener“ Kamera bemerken. Erst einmal seltsam fand ich es aber die Situation, als eine EHu an mir vorbeizog, als ich die Kamera auf dem linken Arm aufgelegt hatte, mit der rechten Hand demonstrativ nicht am Ausloeser: Trotzdem hielten einige Polizisten ihren Helm vors Objektiv, und einer der letzten beugte sich vor die Kamera und quatschte irgendwas „in die Kamera“. Es dauerte eine Weile, bis bei mir der Groschen fiel: HDSLR-Kameras mit Videofunktion. Klar. So wie die von Alvar, den ich gefuehlte 20 Mal beim Filmen sah 😉

Und nicht zuletzt: Ja, mit der Moeglichkeit, die Bilder sofort „sicher“ zu uebertragen und dem KoZe gleichzeitig meinen Standpunkt zu zeigen, haette ich mich subjektiv ein wenig „sicherer“ gefuehlt. Nun gut.

Insgesamt: Die Polizei kam mir nach dem Terz des letzten Jahres sensibilisiert vor — was aber nicht viel heissen muss: Personalienfeststellungen und offenbar auch Festnahmen gab’s trotzdem, dieses Mal eben bei Leuten, die auf dem Nachhauseweg waren. Schau‘ mer mal.

Ulm goes Freiheit statt Angst 2010

Ich liebe es, wenn irgendetwas trotz Chaosorganisation wie von selber laeuft. Die Mensa der uulm wird seit gestern beflyert, und heute hingen auch Plakate fuer die Freiheit statt Angst 2010 zwischen O27 und M27.

Bleibt also, nochmal im Netz aufzurufen: Fahrt hin, bastelt euch schoene Transparente — und wenn ihr nicht teilnehmen koennt, verbreitet die Kunde, haengt Plakate auf oder spart euch einen Fuenfer vom Munde ab. Ich wurde ausserdem von den Ueberresten der Ulmer AK-Vorrat-OG mit mehr Flyern als noetig ausgestattet, d.h. wer hier noch Bedarf hat, kann gerne etwas abhaben.

Zugegeben, die Logistik nach Berlin kann „mal eben“ fuer eine Demo zum Problem werden. Claus‘ Auto scheint mittlerweile gut gefuellt, es gibt aber noch weitere Interessenten — unter Umstaenden wird es die Tage noch eine „offizielle“ Mitfahrkoordination geben, bis dahin nehme ich aber gerne Fahrangebote und -gesuche von/bis Ulm in den Kommentaren entgegen.

Und wer mehr als nur den Samstag in Berlin verbringen will, sei beispielhaft auf das Symposium „Verbotene Filme“ verwiesen — oder auf die droelf Millionen anderer Dinge, die man an einem Wochenende in Berlin so anstellen kann.

“Ueber Macht” in Ulm

Eher unscheinbar wurde der Ulmer Ableger der Filmfestival-Reihe “Ueber Macht” beworben. Waeren nicht die ausliegenden Programmhefte an der Uni gewesen, haette ich gar nichts davon mitbekommen — Team-Ulm bekam keine Pressemitteilung, und auch in den sonstigen einschlaegigen Kanaelen habe ich rein gar nichts davon mitbekommen.

Schade eigentlich, denn das Programm kann sich sehen lassen. Initiiert von dieGesellschafter.de (einer Initiative der Aktion Mensch) geht es ueber eineinhalb Wochen hinweg ueber… ja, Macht, in verschiedensten Formen, ihre Kontrolle und Selbstbestimmung. Meine persoenlichen Wunschtermine habe ich mir schon herausgepickt:

Vielleicht sieht man sich ja ;)

[1] RCRF ist beim AK Vorrat und den FSA-Organisatoren umstritten. Hintergrundinfos am besten selber ergoogeln, ich kann nicht beurteilen, wie voreingenommen die Darstellung auf netzpolitik.org ist.

Kafka meets Freiheit statt Angst

Egal, dass es weniger Teilnehmer als im Vorjahr waren. Durch die Videodokumentationen und die Erfahrungsberichte wird nun wenigstens offenbar auch einer breiteren buergerlichen Bevoelkerungsschicht klar, was es heissen kann, im Umfeld einer Kundgebung in die Behoerdenmuehlen zu geraten.

Aktuelles abschreckendes Beispiel: Markus “Alios”, der eine Festnahme und ED-Behandlung ueber sich ergehen lassen musste, weil er ein Leatherman dabei hatte. Und beim Lesen ist mir aufgefallen, dass ich am Samstag natuerlich mein Schweizer Taschenmesser dabei hatte, ohne darueber nachzudenken — weil ich’s ja sonst auch immer dabei habe. Uff.

Custodiamus ipsos custodes (II)

Mittags fand ich es noch amuesant, dass ausgerechnet eine Datenschutzdemo die wohl bestdokumentierte Demonstration aller Zeiten werden duerfte. Auf dem Heimweg vom Potsdamer Platz nach Kreuzberg las ich dann auf Twitter, wie sich ein Video von einer Festnahme verbreitete, die ich selbst gesehen hatte. Und irgendwie habe ich das Gefuehl, dass das Demonstrationen und vor allem die Polizeiarbeit dort nachhaltig veraendern koennte. Aber von Anfang an.

Gestern morgen fuhr ich im vollbesetzten Kleinbus von Ulm nach Berlin, um an der „Freiheit statt Angst“ teilzunehmen. Auf der Hinfahrt bekam ich dann eher zufaellig mit, dass meine Anfrage von letzter Woche, ob noch Helfer gebraucht werden, als Freiwilligmeldung interpretiert und ich als Helfer im Wiki eingetragen worden war. Also schon wieder ein demobezogenes „first“ dieses Jahr.

Der Job war anfangs furchtbar unspektakulaer: Als einfacher Demoteilnehmer mitlaufen, versuchen die Teilnehmer zu zaehlen und die Ordner zu bestellen, falls sich irgendwo Aerger zusammenbrauen sollte. Den gab es aber nun wirklich nicht, selbst die Antifas waren ungewohnt unprovokativ und machten soweit ich das ueberblicken kann ueberhaupt keinen Aerger, so dass ich auch eine ganze Weile lang vom Holocaust-Stelenfeld aus in Ruhe zaehlen und die Waegen ansehen konnte.

Spektakulaerer wurde das ganze dann, als eine ganze Gruppe Demoteilnehmer zurueck am Potsdamer Platz den groessten dortigen Grunflaechenhuegel „eingenommen“ hat. Dieser Huegel ist anscheinend polizeitaktisch von so entscheidender Bedeutung, dass er mit gleich mehreren behelmten Polizeihundertschaften verteidigt werden musste, was die besetzende Fraktion natuerlich nur umso mehr sportlich herausgefordert hat (hier mit Bildern). Bis dahin also die ueblichen Spielchen, wie man sie von beinahe jeder Demo kennt, und ich war gerade im Gehen begriffen, als sich nur ein paar Schritte von mir entfernt die „unschoenen Szenen“ abspielten, wie sie anderswo genannt wurden. Und ich bin nach wie vor beeindruckt, was danach passierte. Schon bei den ersten Festnahmen klickten staendig die Kameras und wurde gefilmt, sobald sich Polizei und Teilnehmer nahe kamen – und zwar dieses Mal mit deutlicher „Waffenueberlegenheit“ der einfachen Buerger gegenueber den BFE-Trupps. Und auch jetzt wurde staendig draufgehalten, Namen der Festgenommenen zugerufen und der Ermittlungsausschuss informiert. Wie so oft waren die Zuschauer sichtlich verstoert (einer zitterte am ganzen Koerper, ein anderer schimpfte mindestens eine halbe Stunde lang, was das fuer eine Sauerei sei), aber sofort wurde die Kontaktadresse des AK Vorrat verbreitet, Zeugen meldeten sich am Koordinationszelt, und das HD-Video der brutalsten der Festnahmen machte ja bekanntermassen in rasender Geschwindigkeit die Runde im Netz.

So widerspruechlich es anmuten mag: Ich sehe hier eine gewaltige Chance fuer eine, sagen wir mal, „transparentere“ Nachbereitung derartiger Vorfaelle auf Demonstrationen. Es ist ja keineswegs so, dass Gewalt seitens der Polizei bei Demonstrationen jetzt eine besondere Ausnahme sei — das war wohl nur fuer die vielen “buergerlichen” Demoteilnehmer nun ein wenig erschreckend, das einmal zu erleben. Die „Beweissicherung“ ist jetzt aber nicht mehr nur in der Hand einer einzigen Seite, die bisweilen unter Verdacht steht, das gemachte Bild- und Filmmaterial recht voreingenommen auszuwerten und sich im Gegenzug unter Kollegen nicht gegenseitig belasten zu wollen. Stattdessen ist jeder Teilnehmer auch ein potenzieller Zeuge, und zwar nicht nur mit Gedaechtnisprotokollen, sondern unter Umstaenden auch mit Fotos oder Videos – gemacht mit der Hosentaschenkamera oder dem Handy, ins Netz gestellt und verbreitet.

Die Polizei wird sich vermutlich auch darauf einstellen. Es ist ja jetzt schon sehr beliebt, die Loeschung von Bildern fotografierter Polizisten unter Androhung der Beschlagnahme der Kamera zu verlangen, auch gestern passierte das wieder, und das wird nicht weniger werden. Ein Bild oder Video einer illegalen Polizeiaktion ist eben nur dann etwas wert, wenn man es auch aus der Demonstration heraus und verbreitet bekommt. Man wird sich auch weiterhin gegen die Einfuehrung einer Identifikationskennzeichnung fuer Polizisten wehren und zukuenftig wohl noch seltener ohne Helm auftreten, um nicht so einfach zu identifizieren sein. Aber auch hier wird sich etwas finden – Direktuebertragung der Bilder per UMTS oder angepasste Kamerafirmwares, die Bilder zwar augenscheinlich loeschen, in Wirklichkeit aber nur verstecken, beispielsweise. Schauen wir mal, wie sich das entwickelt.

Ich fuer meinen Teil bin gestern offensichtlich auch mal wieder auf diversen BFE-Videoaufzeichnungen gelandet, und dieses Mal kann ich mich nicht damit herausreden, nur journalistisch unterwegs gewesen zu sein. Aber manche Ziele und Anliegen sind eben doch noch wichtig genug, das in Kauf zu nehmen.

Abschliessend: Ich muss an dieser Stelle auch den Kritikern Recht geben, die sowohl den zunehmenden Love-Parade-Charakter als auch die Parteifarbigkeit (linksrot, gruen, gelb, orange) der fsa09 kritisiert haben. Es ist zwar respektabel, wenn allein mehrere tausend Leute im Piratenblock mitmarschieren – im Gegensatz zu Transpis und Bannern besticht eine Sammlung von 200 Piratenparteiflaggen jetzt aber nicht unbedingt durch knackige Sprueche oder intelligente Einfaelle. Das ist schade und frustrierend – ein wenig mehr Farbe, ein wenig mehr nette Sprechchoere und ein wenig mehr Vielfalt waeren schoener gewesen als einfach nur schafherdenartig hinter dem Partytruck trottende Fahnenschwenker. Und ein wenig mehr Teilnehmer haettens auch sein duerfen. Ein Grund mehr, warum ich zu Parteien allgemein und den Piraten speziell bei aller Sympathie und Unterstuetzung weiter ein wenig gesunde Distanz aufrechterhalte.

Zu der Sache mit der UMTS-Direktuebertragung hatte ich schon seit dem UMTS-Versuch bei der Demo am 1. Mai eine kleine Ideensammlung in der Schublade, die ich eben wieder ausgepackt habe und daran weiterschreibe. Mehr in Kuerze hier.

(Worte angepasst, die ich einige Jahre spaeter nicht mehr verwenden wuerde. Witzig auch, dass ich in so vielen Texten aus der Zeit Stress bei „den Antifas“ verorten wuerde)

Custodiamus ipsos custodes

Ja, es geht um dieses Video, das gestern fast schon nervig meme-artig durchs Netz ging, beziehungsweise das Geschehen, das dort aufgezeichnet wird. Ich stand zehn Meter weiter, als das passiert ist. Und wie das anschliessend aufbereitet wurde (und wird, und wie das mit den zwei anderen Festnahmen dort kurz zuvor war), ist einen laengeren Blogartikel wert.

Momentan sitze ich aber immer noch in einem McDonalds irgendwo zwischen Berlin und Ulm, d.h. geduldet euch noch ein wenig.