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Paper der Woche: Hackathons

Tolle Paper-Empfehlung von Paula: Hackathons as Co-optation Ritual: Socializing Workers and Institutionalizing Innovation in the “New” Economy

Abstract

Hackathons, time-bounded events where participants write computer code and build apps, have become a popular means of socializing tech students and workers to produce “innovation” despite little promise of material reward. Although they offer participants opportunities for learning new skills and face-to-face networking and set up interaction rituals that create an emotional “high,” potential advantage is even greater for the events’ corporate sponsors, who use them to outsource work, crowdsource innovation, and enhance their reputation. Ethnographic observations and informal interviews at seven hackathons held in New York during the course of a single school year show how the format of the event and sponsors’ discursive tropes, within a dominant cultural frame reflecting the appeal of Silicon Valley, reshape unpaid and precarious work as an extraordinary opportunity, a ritual of ecstatic labor, and a collective imaginary for fictional expectations of innovation that benefits all, a powerful strategy for manufacturing workers’ consent in the “new” economy.

 

wasfehlt: Gruendungsberatung fuer Civic-Tech-Projekte

Dieser Tage ging mein Blogpost wieder rum, in dem ich Hackathons als langsam etwas abgedroschenes Standardformat fuer Open Data und Civic Tech betrachtet und gefragt habe, wie sich die Community nachhaltiger foerdern liesse.

Tatsaechlich gibt es mittlerweile schon einige Ansaetze, wie auch die vielen ehrenamtlichen Gruppen gefoerdert werden koennen, und nicht nur die Fraunhofers und sonstigen etwas verstaubten grossen Player. Der Prototype Fund der OKF DE ist ein Beispiel, und dass die Stadt Ulm der Civic-Tech-Community ein ganzes Haus samt Ausstattung zur Verfuegung stellt, findet hoffentlich bald Nachahmung in anderen Staedten.

Eine Sache fehlt aber nach wie vor ganz gewaltig, und das ist Beratung. Auch als Bruecke, um die vielen Ideen, die in den OK Labs und anderen Initiativen entstehen, ueberhaupt erst in einen Zustand zu versetzen, um sich beispielsweise fuer den Prototype Fund bewerben zu koennen.

Startup- vs. Gemeinwohlberatung

Es ist ja eigentlich eine Crux: Wer heutzutage ein Startup gruenden und VC-Gelder verbrennen moechte, findet an jeder Ecke institutionalisierte Beratung. Gruenderzentren, IHK und Co. pruegeln sich geradezu, wer denn nun kompetenter beraten kann, Literatur gibts zuhauf, und wenn die politischen Signale guenstig stehen, fliessen auch die Foerdertoepfe grosszuegig.

Fuer Civic-Tech-Projekte – insbesondere diejenigen, aus denen sich kein Geschaeftsmodell entwickeln laesst, sondern deren Gemeinnuetzigkeit dem entgegensteht – sieht die Lage mau aus. Das klang neulich schon an, als ich nach Alternativen zu den von unbedachten Hackathon-Veranstaltern oft ausgelobten grossen Barpreisen fragte:

Was auffaellt: Viele der Vorschlaege drehen sich um Mentorierung und Folgefinanzierung – der Rest um die schon im Dezember angesprochenen Huerdensenker wie Reisekosten etc.

Weil

Das da oben habe ich mittlerwiele zigmal gehoert.

Jedes Mal in einer Runde mit faehigen Leuten[1], die die Idee garantiert umsetzen koennten. Und fuer die der Schritt aber gefuehlt zu gewagt ist, ihre (in der Regel) Festanstellung zu reduzieren und nebenher finanziert aus $Foerdertopf dieses Projekt voranzubringen. Oder es laeuft noch viel banaler, und die oertliche Civic-Tech-Gruppe bekommt von Lokalpolitikern eingefluestert, dass man sie schon laengst in einem Foerderprogramm untergebracht haette, wenn sie nur endlich mal einen gemeinnuetzigen Verein gegruendet haetten.

Diese Kluft haette ich gerne ueberbrueckt. Damit nicht nur Vereinsprofis und die jetzt schon freiberuflich arbeitenden Softwareentwickler*innen eine Chance auf Foerderung haben, sondern auch moeglichst viele andere.

Auf dass es bald in jedem OK Lab heissen kann:

Wiederkehrender Dialog:
„Ja ey, [XYZ] bräuchte es!“
„Ja, und das wuerde sogar zu [Foerdertopf] passen“
„Hm“
„Ich frag mal die Civic-Tech-Sprechstunde“
„Jo“

[1] Meine Definition in diesem Kontext: Leute, die etwa tausendfach besser Software entwickeln koennen als ich. Das fuehrt unweigerlich dazu, dass ich von enorm vielen faehigen Leuten umgeben bin.

Lieber Clever als Smart: Civic Tech fuer Menschen

Drei (plus x) Lese- und Ansehempfehlungen, die mir gestern nach und nach in den Twitterfeed gepurzelt sind und ebenfalls zur Frage passen, wie Civic Tech weitergesponnen werden kann.

Erstens das Boston Smart City Playbook, das schon gleich mit einem Kracher anfaengt:

The age of the “Smart City” is upon us!

It’s just that, we don’t really know what that means. Or, at least, not yet.

So far, every “Smart City” pilot project that we’ve undertaken here in Boston has ended with a glossy presentation, and a collective shrug. Nobody’s really known what to do next, or how the technology and data might lead to new or improved services.

Es folgt ein Rant ueber Vertriebsdrohnen von „Smart City“-Verkaufsbueros, eine Rueckbesinnung auf die Menschen, um die’s gehen soll, dass es nicht noch eine Plattform braucht (!!! zefix!!!), und dass im Zweifel eine „Clevere“ Stadt besser ist als eine „Smarte“: Mit einem Prototypen, einer intelligenten Strassenlaterne. Kleinen Spielplaetzen, die spaeter vielleicht hochskaliert werden, wenn sie sich bewaehren. Anstelle von Alles-oder-nichts-Megaprojekten.

Zweitens The Engine Room’s Advent Calendar mit einem Lesetipp fuer jeden Tag. Beispielsweise, dass „Startup-Kultur“ eine denkbar depperte Denkweise und Rahmenbedingung fuer gesellschaftsveraendernde Projekte ist. Dass „Innovation“ vollkommen ueberbewertet ist und „Wartung und Unterhalt“ eigentlich die wichtigeren Buzzwords sein sollten. Oder dass im Westen nach wie vor nicht-wohlhabende nicht-weisse Nicht-Akademikerinnen (hier: spezifisches Femininum) vergleichsweise wenig von Civic Tech haben.

Um Ausschluesse geht es – drittens – auch in Programming is Forgetting: Towards a New Hacker Ethic. Der etwas mehr als 20minuetige Vortrag (siehe oben) ist hier komplett transkribiert und lohnt sich zu lesen, gerne auch haeppchenweise. Am Beispiel einer Anekdote um die juengst mit der Presidential Medal of Freedom ausgezeichneten Margaret Hamilton zerlegt Allison Parrish Stueck fuer Stueck die „Hackerethik“, wie sie Steven Levy 1984 in seinem Buch “Hackers” dargestellt hatte. Nach einem Exkurs ueber soziale Kontexte stellt sie den urspruenglichen Lemmas jeweils eine Frage gegenueber. Und ich finde sie grossartig:

allison-parrish-programming-forgetting-26

(danke @lorz und @mjays fuer die Links. Ich weiss leider nicht mehr, von wem ich den Vortrag retweeted bekam.)

Disruptive Kasperei

Vermutlich kann man damit ganz schnell ganz viel VC einsammeln, aber jedenfalls kommt heute gefuehlt keine Unterhaltung ueber Geschaeftsmodelle mehr ohne das Buzzword „Disruption“ aus, sobald irgendetwas darin „digital“ ist.

Bildschirmfoto vom 2016-08-15 19:59:25

Jetzt ist es halt so, dass Worte eine gewisse Bedeutung haben, und da ist Disruption beziehungsweise Disruptive Technologie keine Ausnahme. Und damit man das anschaulich lernen kann, ohne die Originaldefinition von Christensen lesen zu muessen, hat die kommunikonautin vor einigen Tagen eine wunderschoene Animations-Geschichte von hardbound auf Twitter geteilt, um das Prinzip zu verdeutlichen.

*

Ueberhaupt, dieser Kapitalismus und die Innovation – geht das ueberhaupt Hand in Hand? Martin Spindler teilte heute “The Capitalist’s Dilemma” aus dem Harvard Business Review, wo die Quintessenz ist: Meh. Firmen schwimmen aktuell in disponiblem Kapital, und trotzdem machen sie nichts daraus. Aber warum?

Die Autoren (unter anderem der von vorhin schon bekannte Christensen) teilen Innovationen mal abgesehen von disruptive und sustaining in drei Kategorien ein:

  • Performance-improving: Alte Produkte werden durch neue, bessere ersetzt.
  • Efficiency innovations: Firmen koennen dem gleich gebliebenen Publikum marktreife Produkte zu geringeren Preisen anbieten
  • Und zuletzt: Market-creating innovations – die Art von Veraenderung, die auf einmal vollkommen neue Maerkte erschliesst.

Die grossen Veraenderungen, argumentieren Christensen und van Bever, kommen aus der dritten Kategorie: Aus dem Paradigmenwechsel vom Mainframe vom PC, oder vom PC zum ubiquitaeren Tablet Computer, beispielsweise. In die klassischen BWL-Werkzeuge zur Quantifizierung wirtschaftlichen Erfolgs passen solche grossmasstaeblichen Veraenderungen jedoch nicht – sie dauern schlichtweg zu lange, als dass sie in den naechsten Quartalszahlen als Erfolg verbuchbar waeren. Ganz gleich, dass sie eigentlich der richtige Weg waeren:

This, then, is the capitalist’s dilemma: Doing the right thing for long-term prosperity is the wrong thing for most investors, according to the tools used to guide investments. In our attempts to maximize returns to capital, we reduce returns to capital. Capitalists seem uninterested in capitalism—in supporting the development of market-creating innovations. Left unaddressed, the capitalist’s dilemma might usher in an era of “post-capitalism.” Adam Smith’s “invisible hand” is meant to work behind the scenes, efficiently allocating capital and labor to sectors in which prices and returns are rising, and taking resources away from those in which they’re falling. But if the cost of capital is insignificant, it emits only the faintest of signals to the invisible hand about where and when capital should flow.

 

Ich grueble seither. Ueber Unterhaltungen der letzten Wochen, mit Menschen aus Unternehmen, die jetzt ganze Intrapreneur-Abteilungen aufziehen. Und die immer wieder hmmm-ten, wenn ich begeistert von Testfeldern sprach, auf denen man doch beispielsweise die Civic-Tech-Community einfach mal machen lassen koennte. Oder noch besser: Auf denen man mit dieser Community den Markt auf den Kopf stellen koennte, mit einem Bekenntnis zu F/OSS-Implementierungen. Auf dass das der Game Changer werde, als Grundlage fuer ganz neue Dinge.

Aber so einfach ist das wohl nicht. Denn zu jeder Idee gehoert wohl ein Business Case, der sich kurzfristig umsetzen laesst.

Grad schad drum.

*

Nachtrag: Eine ungenannte Quelle besteht darauf, dass ich unbedingt dazuschreiben soll, dass disruptiv eh sooo 2015 sei. Na gut. Darum geht’s mir aber eigentlich hier gar nicht.

Zu Businesskasperei und Open Data

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Vergangenes Wochenende war ich bei Workshops von Code for Germany und Code for All; am Montag startete Code for Germany offiziell; und danach war OKFest in Berlin.
Anlaesslich dieser Veranstaltung wurden Dinge gesagt, getan und geschrieben, die ich nicht unkommentiert stehen lassen moechte.

Erstens.

Ich halte die Initiative „Code for Germany“ fuer wertvoll, auch wenn ich den Namen nicht mag. Wir in Ulm coden nicht „fuer Germany“ und wir coden eigentlich auch nur deswegen „fuer Ulm“, weil wir zufaellig dort wohnen und das das naheliegendste Einsatzgebiet ist.

Der Witz an der Sache ist meines Erachtens genau nicht nur „fuer Ulm“ oder „fuer Germany“ zu entwickeln, sondern die Ideen anderer ueberhaupt erst zu entdecken und auf die eigene Situation anpassen zu koennen – und dass Ideen aus der eigenen Stadt anderswo aufgegriffen werden. Oder dass wir fuer die Ulmer Kita-Karte nun auf einen Kartendienst aus dem Berliner Lab zurueckgreifen konnten (danke, Jochen!)

Und nicht zuletzt habe ich es als unglaublich motivierend empfunden, festzustellen, dass es auch anderswo gleichgesinnte gibt, die fuer dieselben Dinge brennen. Vor allem nicht nur in Berlin.

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Zweitens.

Ich konnte mich schon auf der Launchveranstaltung nicht beherrschen und habe Seitenhiebe auf einen vorangegangenen Redner abgefeuert, der den Hauptvorteil offener Daten darin zu sehen schien, Geschaeftsmodelle zu entwickeln, um die von ihm zitierten 33 Millionen EUR Wert pro Jahr aus den Berliner Daten abzuschoepfen. Wir bei der datalove-Gruppe haben kein Geschaeftsmodell. Wir haben das bislang gemacht, weil es Spass macht, weil wir Probleme loesen und die Welt zu einem besseren Ort machen wollen.

Dass das in die klassische kapitalistische Logik nicht so recht passen will, ist bedauerlich. Den Ausweg sehe ich aber nicht darin, immer noch mehr Startup-Ideen anzukurbeln und aus der Herzenssache einen Brotjob zu machen zu versuchen – und ja, auch ich bin dem Google-Sponsoring fuer codefor.de gegenueber skeptisch, auch wenn ich gerade deutlich zu nuechtern bin, das so auszudruecken wie Stefan Schulz in der FAZ.

Ich fand es aufschlussreich, wie viele der anderen Workshopteilnehmer_innen mir am Wochenende zustimmten, dass der Traum doch eine 20–30h-Woche in einem schoenen Beruf waere, der fuer Wohnung, Essen und Mobilitaet sorgt – und die restliche Freizeit kann dann mit Weltverbesserung gefuellt werden.
Dass so etwas in der Praxis nur einer kleinen Elite vergoennt ist, ist mir schmerzlich bewusst. Aber wenigstens liesse man sich auf diese Tour weder so einfach zum “useful idiot”¹ machen, noch muesste man irgendwelchen Investorengeiern hinterherlaufen. Sondern koennte wirklich an dieser Weltverbesserung arbeiten.

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Weswegen. Drittens.

Ich gerne die Gruppe vorwiegend weisser, maennlicher Informatiker, die zumindest das Ulmer Lab momentan praegen, stark erweitern wuerde – mit der bestehenden Gruppe als Kristallisationspunkt, um den herum neue, interessante Dinge entstehen.

Das Laboradorio Para La Ciudad ist ein herrliches Beispiel dafuer, wie das aussehen kann: Im Vordergrund steht der Lebensraum Stadt und die Menschen, die ihn bewohnen, und sie sind es auch, die ihre alltaeglichen Probleme am besten kennen. Im Idealfall steht hinter allen Projekten auch das Ziel, die BewohnerInnen selbst zur Umsetzung der Loesungen zu ermaechtigen – Code Literacy als Auftrag, angefangen von SchuelerInnen bis ins dritte Lebensalter.

Das wuerde erstens helfen, dass nicht wie bisher alle Projekte auf den Schultern immer derselben wenigen Aktiven ruhen; zweitens deutlich vielfaeltigere Problemlagen erschliessen; und drittens einem deutlich groesseren und breiteren Bevoelkerungsquerschnitt den Zugang zu moeglichen Loesungen verschaffen.

Claus Arndt hat bei sich in Moers bereits ein Schulprojekt angestossen, dessen bisherige Ergebnisse sich spannend anhoeren – so etwas koennte beispielsweise auch in die Ulmer Drei-Generationen-Universitaet passen.

Dahinter wird in den seltensten Faellen ein Business Modell zu finden sein. Aber wenn’s zur Weltverbesserung reicht, waere mir das gut genug.

¹ ich stimme an der Stelle zum vermutlich ersten Mal in meinem Leben Evgeny Morozov zu 🙁

So bewirbt man sich auf eine Bachelorstelle

Frueher ist man halt in das Institut gegangen, das einem thematisch am naechsten liegt, und hat ein Thema vorgeschlagen — oder man hat sich eine Firma ausgesucht, die passt.

Wenn man aus der Businesskasperecke kommt und gaengige Klischees ueber WiWis bedienen moechte, macht man heute einfach ein Video. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das nicht wieder ein Werbestunt fuer eine Firma ist, oder ob das tatsaechlich ernst gemeint war…

‪Direktphilippvaleriusgottfriedbacher / via