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Linkschleuder

Leistungsschutzrecht — nicht nur mich ueberraschte heute die Nachricht, dass die Koalition gestern die Einfuehrung eines Leistungsschutzrechts verkuendet hat. Kuenftig sollen „gewerbliche Aggregatoren“ ein Entgelt an Verlage zahlen(!) wenn sie Links auf deren Erzeugnisse setzen(!!). Google News, soll also fuer die werbefreie Lieferung von Klickvie^w Lesern an Onlineausgaben von Zeitungen auch noch Geld bezahlen. Oder vielleicht auch ich, wenn ich hier mal Werbung schalten sollte. Weil das ja eine Verbesserung des Urheberrechts ist!!11

Die Reaktionen aus dem Netz liessen nicht lange auf sich warten: Gerrit van Aaken subsummiert, dass man dann wohl einfach nicht mehr auf deutsche LSR-Profiteure verlinkt. „Lernen durch Schmerzen“, wie Lars Reineke das nennt. Ich bin derweil versucht, mal bei den oertlichen Medien nachzufragen, was sie denn davon halten — so wie das der Presseschauer schon seit geraumer Zeit tut. Und wer jetzt immer noch keine Ahnung hat, was denn dieses Leistungsschutzgeld^h^h^h^hrecht sein soll, kann sich einmal bei der IGEL — Initiative gegen ein Leistunggschutzrecht von Till Kreutzer oder dem heutigen Zeit-Online-Artikel von Kai Biermann ins Thema einlesen.

Ueberhaupt, das Urheberrecht. Thomas Knuewer interviewt eine 16jaehrige aus seinem Bekanntenkreis zu ihrem Engagement rund um die ACTA-Demonstrationen und bestaetigt meine Einschaetzung, dass hier in grossem Stil junge Leute mobilisiert wurden, deren faktische Lebensrealitaet von Rechteverwertern kriminalisiert wird. Eine weitere Aufarbeitung der Demonstrationen (und Wulff, und zu Guttenberg, und Wikileaks) vor allem aus medienkritischer Sicht kommt von DRadio Breitband mit dem gerade omnipraesent wirkenden Philipp Banse.

Marcel Weiss denkt derweil nach vorne und ueberlegt, wie ein modernes Urheberrecht aussehen koennte, Thomas Stadler fragt gar, ob wir uns vom Konzept des geistigen Eigentums verabschieden muessen, und beim Perlentaucher wird erklaert, dass der Ablauf der Schutzfrist oft eine Erleichterung fuer beinahe alle Beteiligten darstellt — und nicht selten auch ein Segen fuer die Werke selbst ist. Der Telegraph haelt tongue-in-cheek dagegen und schlaegt ein Eternal Copyright vor, damit auch die Ur-Ur-Urenkel von Lewis Carroll noch an Disneys „Alice im Wunderland“ beteiligt werden koennen. Na denn.

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Wer dagegen offene Lizenzen mag, kann aktuell mit wenigen Klicks in Sachen OpenData & Co taetig werden: Beim Zukunftsdialog der Bundeskanzlerin sollte Open Access auf die Agenda. Jeder Klick kann helfen, dass aus oeffentlichen Mitteln finanzierte Forschung zukuenftig frei fuer alle veroeffentlicht wird. Und nun habe ich schon wieder „Open…“ gesagt, obwohl mir es langsam stinkt, alles „Openirgendwas“ zu nennen. „Open Data“ needs to die ist ein kleiner Exkurs ueber die moeglichen schaedlichen Implikationen, alles „Open$foo“ zu nennen.

Wir, aeh, haben unser Barcamp dann trotzdem OpenCityCamp genannt. Wer Lust hat, sich ueber Moeglichkeiten auszutauschen, was man in Ulm alles bewegen koennte, melde sich an! 🙂

Zuletzt: Unterhaltung & Co

Ich hab 1000 Freunde im Internet, und wir treffen uns jetzt alle zwei Wochen auf dem Muensterplatz

Jetzt, mit sechs Tagen Abstand, kann ich sagen: Die letzte Woche war ein gewaltiger Ritt. Irgendwann war die Bitte zur Unterstuetzung einer kleinen Anti-ACTA-Demonstration auf dem Muensterplatz ueber diverse Ulmer Mailingslisten getrudelt, und ohne grossartig nachzudenken, hatte ich zugesagt, mich um ein wenig Sprachverstaerkung fuer die erwarteten 100 Personen zu kuemmern.

Bis die aufgetrieben war, stand der Zaehler bei 500 Teilnehmern. Also umdisponieren, Anlage fuer 400 Personen auftreiben — und bis die organisiert war, hatten ueber 1000 Leute auf „teilnehmen“ geklickt. Ich bin immer noch sehr sehr geflasht von diesem Samstag, an dem insgesamt wohl 50 bis 100 Leute spontan Hilfe als Ordner und in der Teekueche zugesagt hatten, oder im Fall von Greencore Events mal eben eine HK Icon fuer lau auffuhren, um auch sicher mehr als 500 Leute beschallen zu koennen.

Ob nun 1000 Leute dort waren, die die Polizei gezaehlt haben will, oder 400, wie die Suedwest Presse behauptet, ist mir eigentlich bums. Vielleicht mag ja jemand mal mittels der Videos und Bilder eine Abschaetzung machen.

Viel wichtiger sind mir zwei Dinge:

1.: Ich kam mir auf dieser Demo mehr oder weniger alt vor. Das Publikum war zwar bunt durchmischt und ich habe gefuehlt alle Altersklassen gesehen. Im Vergleich zur Freiheit statt Angst oder den regelmaessigen Bildern aus Stuttgart haette ich in Ulm den Altersdurchschnitt aber deutlich niedriger angesetzt. 23 vielleicht, ich weiss es nicht. Erzaehle mir nochmal einer etwas von apolitischen Jugendlichen. Und ausserdem: Wer etwas von einer „Netzgemeinde“ erzaehlt, darf sich von mir fuerderhin als Deppen bezeichnen lassen. Diese Gruppe wirkte deutlich heterogen.

2.: Das Thema ist schwer vermittelbar. Und das ist eine der Hauptproblematiken. Das urspruengliche ACTA-Mobilisierungsvideo von Anonymous polemisiert vollkommen unnoetigerweise, und auch die Diskussionen und Behauptungen auf den Facebook-Gruppen- und -Einladungsseiten wirken vielfach von Verschwoerungstheorien und Wir-Sie-Denken gepraegt. Das ist nicht notwendig. Das schadet sogar.

Es ist dringend notwendig, dass sich diese aktuelle Bewegung ueber die Hintergruende von Urheber- bzw. Verwerterrechten und das von ihnen aufgeworfene Spannungsfeld informieren. Im DLF gab es eine Sendung hierzu, Techdirt hat die Copyright-Verschaerfungen der letzten Jahre zusammengefasst (nb: Copyright ist etwas anderes als Urheberrecht) und Everything is a Remix geht auf die grundsaetzliche Bedeutung von Verwerterrechten auf unser digitales Zeitalter ein.

Everything is a Remix Part 4 from Kirby Ferguson on Vimeo.

Ueberhaupt: Das Zauberwort duerfte „erklaeren“ sein. Netzpolitik bzw. digiges wollen „das Netz, nicht den Krieg erklaeren“, und genau dies ist auch noetig, falls der Ruf nach einem reformierten, fuer alle Beteiligten fairen Urheberrecht ein Ruf aus der breiten Gesellschaft werden soll.

An erster Stelle hierfuer steht Information.

PS: Der Klischeepunk erklaert auf acht9.de, warum kommenden Samstag erneut eine Demo auf dem Muensterplatz sein wird.

Geht doch mit der Mobilisierung

Wer demonstrieren moechte, hat’s in der Regel eher schwer. 2007 konnte ich immerhin so um die 80 Personen im Soundslide dokumentieren, die gegen die Vorratsdatenspeicherung demonstrierten, vor einigen Wochen standen dann nur mehr fuenf Leute bei der VDS-Mahnwache, und die SWP titelte zur letzten Ulmer Bildungsstreik-Demo, dass man sich das Demonstrieren bei gerade mal 100 Schueler*innen und Studierenden doch glatt sparen koennte.

Ich kann mir deswegen eine gewisse klammheimliche Freude nicht verkneifen, wenn es um die Anti-ACTA-Demonstrationen am kommenden Samstag geht, die europaweit stattfinden sollen. Anonymous hatte vorab ein fuer meine Begriffe leicht ueberzogenes Informationsvideo veroeffentlicht, das ich in den letzten Wochen erstaunlich oft auf Facebook verbreitet sah — auch von Leuten, die mir bislang selten im netzpolitischen Kontext aufgefallen waren. Und dieses Video wirkte offenbar als eine Art Katalysator.

Die Piraten aus Ulm und Ehingen hatten ja anfangs mit 50 Demonstrationsteilnehmern gerechnet und die Kundgebung fuer Samstag entsprechend beim Ordnungsamt Ulm angemeldet. Zeitgleich hatten einige Anons ein Facebook-Event fuer die Demonstration am Samstag und zwei vorangehende Paperstorms zur Mobilisierung angelegt: Jeweils Freitags sollte die Stadt mit Plakaten und Flyern zum Thema bestueckt werden.

Und dann gings rund.

Freitag nachmittag hatten sich 264 Menschen als Demoteilnehmer*innen auf Facebook eingetragen. Aktuell, zwei Tage spaeter, zaehlt die Seite 472 Zusagen und 349 „vielleicht“ Kommende. Selbst wenn nur ein Teil der Angemeldeten am Samstag auch teilnimmt, duerften dort je nach Witterung 250+ Personen aufkreuzen. Gar nicht schlecht.

Bis dahin sollte man sich die Einschaetzung von RA Thomas Stadler zu ACTA durchlesen, die deutlich weniger drastisch ausfaellt als das Anon-Video. Das ist jedoch kein Grund, nicht gegen die Art und Weise des Zustandekommens dieses Vertrags zu demonstrieren — und gegen die zugrunde liegenden Dogmen. Ein oeffentlicher Aufschrei ist ganz im Gegenteil sogar ueberfaellig.

//Nachtrag: qrios hat auch noch einige Argumente zusammengefasst.