Schoener tippen unter Linux

Wenn man jemandem einen Gefallen tun will, zeigt man ihr niemals mehr als die absoluten Grundlagen der Typographie. Das Problem ist naemlich seit ueber 100 Jahren dasselbe: Fuer den handwerklich gut gemachten Druck von Texten aller Art gibt es SchriftsetzerInnen, die frueher aus riesigen Setzkaesten die passenden Bleilettern fuer einen Text fischten und einzelne Letternabstaende im Zweifelsfall mit hauchduennem Seidenpapier ausglichen, um ein optisch „rundes“ Bild zu erreichen. Die Vorlagen wurden handschriftlich erarbeitet, oder mit einem Kompromiss zwischen Handschrift und „richtigem“ Satz: Der Schreibmaschine.

Mit Blei arbeitet heute kaum noch jemand, Desktop Publishing lautet fast immer das Zauberwort. Eine Sache ist jedoch geblieben: Wenn wir Texte in den Rechner eingeben, dann sieht das dazugehoerige Geraet immer noch verflixt nach diesem mechanischen Kompromiss namens Schreibmaschine aus.

Das hat Folgen. Eine gut ausgebaute Schrift hat mehrere hundert verschiedene Buchstaben, Zahlen, Punktuations- und Sonderzeichen („Glyphen“), die Tastatur kommt mit rund hundert Tasten aus — und geht dabei viele Kompromisse ein. Anfuehrungszeichen beispielsweise sucht man auf ihr vergebens, und schon allein von diesen gibt es in der Typographie gleich mehrere Varianten. Deutsche Anfuehrungszeichen folgen der Regel „99 unten, 66 oben“; waere dieser Text fuer die USA verfasst, kaeme die Regel “66 oben, 99 oben” zum Tragen, und wenn man moechte, kann man auch Guillemets verwenden, die immer wieder mit spitzen Klammern »nachzubauen« versucht wird, was in der Regel fuerchterlich aussieht. Der Kompromiss: Ein doppeltes Hochkomma („), das eigentlich allein als Zeichen fuer die Einheiten Zoll und Sekunde dient.

Welchen Eindruck die Verwendung ueberzaehliger Ausrufezeichen macht, ist seit Terry Pratchett gluecklicherweise hinreichend geklaert — es soll aber Leute geben, die gerne und immer ihre Saetze mit drei Punkten beenden…
Auch hier faellt bei genauerem Hinsehen schnell auf: Dieses Auslassungszeichen besteht nicht etwa aus drei aneinandergereihten einfachen Punkten (…), sondern ist ein eigenes Zeichen — die horizontale Ellipse naemlich (…).

Und so kann man das weiterfuehren: Das Euro-Zeichen (€) ist seit ueber zehn Jahren auf den Rechnertastaturen angekommen, aber was ist mit Yen (¥), Pfund (£) oder Cent (¢)?

Wer Windows nutzt, darf sich diese Zeichen weiterhin aus der charmap suchen — Linux-Nutzer haben es wieder einmal deutlich einfacher. Ich habe offen gestanden keine Ahnung, wie es sich bei anderen Distributionen verhaelt, aber zumindest unter Ubuntu haben beinahe alle Tasten eine Drittbelegung, wenn man sie zusammen mit der Alt Gr-Taste benutzt: Guillemets und Anfuehrungszeichen finden sich auf y, x, v, b und n, die Ellipse auf der Punkt-Taste, und mit Alt Gr und Shift erschliesst sich sogar noch eine vierte Ebene, auf der sich auch ®, ©, ™, ±, × und ÷ finden.

Dank UTF-8 kann man das heutzutage auch halbwegs problemlos in E-Mails verwenden — und wer gerne Flashbacks zehn Jahre zurueck mag, kann mit AltGr-Shift-4 auch das International Currency Symbol tippen: ¤.
Fuehlt sich ja fast an wie 2002, als man Leuten den Unterschied zwischen ISO-8859-1 und ISO-8859-15 erklaeren musste 🙂

Addendum: Alfred weist in den Kommentaren darauf hin, wie das auch unter MacOS geht. Sehr schoen — ich war eher zufaellig auf die Linuxvariante gestossen und habe damit meine Lebensqualitaet ganz dramatisch gesteigert. So einfach sind Typonerds zufriedenzustellen 😉

5 Gedanken zu „Schoener tippen unter Linux

  1. Alfred

    Unter Mac OS X gibt es die „deutschen Anführungszeichen“ unter „alt+circonflex“ und „alt+shift+circonflex“. Die Guillemets liegen auf »alt+shift+q« und »alt+q«. Die Ellipse liegt ebenfalls auf alt+Punkt…
    Mit alt und shift+alt erschließt sich ebenfalls eine dritte und vierte Ebene mit z. B. ®, ©, ™, ±, ∞ und natürlich .

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  2. Stefan

    Darf man eigentlich in einem Artikel in dem man Leute auffordert alle möglichen Sonderzeichen zu verwenden selbst zu faul sein Umlaute zu schreiben?

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