Archiv für den Monat: Oktober 2010

Rethinking the Mobile Web

Danke an bse8128 fuer den Linktipp: Rethinking the Mobile Web ist nicht nur eine wunderschoene Praesentation, sondern wartet auch mit ueberraschenden Zahlen und einer kuehnen Schlussfolgerung auf. Weg mit „graceful degradation“ von der vollen zur mobil-angepassten Seite, heisst die These, und hin zu Websites, die zuerst ganz generisch fuer das mobile Web angepasst werden und per „graceful upgrade“ im Zweifelsfall das volle Featureset fuer die „richtigen“ Browser mitbekommen.

Mobile first. Klingt gar nicht mal so dumm.

(Titelbild aus besagter Praesentation von Bryan Rieger, cc-by-sa)

„Meine Mitbewohner, die Eltern“

Kurzer Pointer: Wlada Kolosowa war mal wieder aktiv, und hat ihre Erlebnisse als temporaere aus-Berlin-nach-Ulm-zurueckkommerin in einen Artikel fuer SpON gegossen. Ich nutze diese Gelegenheit zur schamlosen Eigenwerbung, weil die Aktion „Hey Stefan, kommste morgen zum Fruehstuecken vorbei, wir koennten mal Fotos machen“ dazu gefuehrt hat, dass die schnell zusammenimprovisierten Klischee-Studentin-daheim-Fotos zu meiner ersten inhaltlichen Zulieferung fuer Spiegel Online gefuehrt haben.

AFK, ich mach mir jetzt doch nen roten Iro. Hoehoehoe.

Leseempfehlung (3)

Ganz klassisches Medieninformatikthema zuerst: Welche Navigationsloesung fuer Touchgeraete (lies momentan: iPad) ist die bessere — scrollen oder durch Tabs rotieren? Es stellt sich heraus, dass diese Frage uralt ist und bereits 1987 behandelt wurde. Mehr dazu bei den informationarchitects. (via @gerritvanaaken)

Schoenes Zitat:

It’s a touch screen device. Touch SCREEN device. The fact that you touch it doesn’t mean that it’s like print. As a matter of fact it’s lightyears away from print.

A propos Print. Christian Jakubetz springt auf den Zug mit den gerade so beliebten Thesen auf und postuliert zehn Thesen zur Zukunft der Zeitung.

TLDR: Es sieht duester aus.

Stellen, an denen ich ganz besonders heftig genickt habe:

  • Die Wochenzeitung wird die neue Tageszeitung – und nicht umgekehrt
  • Die Tageszeitungen sparen sich zu Tode
  • Die Tageszeitungen vergreisen in den Redaktionen
  • Als nächstes wandert der Lokaljournalismus ins Netz ab

Wer dagegenhalten will, darf gerne bei meiner mittlerweile zwei Jahre alten Print-Wette mitmachen: 500 EUR Einsatz fuer Studierende, ueber den Einsatz von Verdienern muessten wir uns dann nochmal unterhalten.

    Und wie zur Unterstreichung der These vom abwandernden Lokaljournalismus hier ein Stueck aus der RZ ueber den neulich hier schon beschriebenen @tilman36, der mal eben mit Laptop, Webcam und UMTS zwei Stunden lang sein eigenes Sendestudio aufmachte: „Mobiles Kamera-Einsatzkommando“

    Manche setzen weiterhin auf Print und die Bedeutung der gedruckten Zeitung fuer die Bildung. Die SWP startete gestern die Serie „Wir lesen“, auf deren Projektseite mit Video ich einfach mal kommentar- und wertungslos verlinken moechte.

    Ich habe eine Schere im Kopf

    Es gibt schlimmere Dinge als eine metaphorische Schere im Kopf. Nicht-metaphorische Scheren im Kopf, beispielsweise. Oder andere tatsaechliche Gegenstaende. Aber auch metaphorische Scheren im Kopf bereiten Schmerzen. Kopfschmerzen.

    Ich musste mich gestern spaet abends mit Claus und Mike streiten, ueber Dinge, die sie via Twitter und Blog veroeffentlicht hatten, und die in Kombination unter Umstaenden undiplomatisch wirken konnten. „Konnten“. Ich habe dann noch Dinge gesagt, die in etwa auf „es gibt im Netz keine klare Unterscheidung zwischen privat und dienstlich mehr“ hinausliefen, und dass man doch bedenken muesse, dass Einzelmeinungen in einer bestimmten Sache auf einmal zu Kollektivmeinungen im Allgemeinen uminterpretiert werden koennten — faelschlicherweise.

    Und auf einmal spuere ich sie, beim eigenen Schreiben. Die Schere im Kopf.

    Unangenehmes Gefuehl.

    Informationslecks vorhersehbar

    Neulich fand an der uulm ein Mitarbeiterseminar fuer das „Verhalten im Amokfall“ statt, nicht zuletzt wegen des Zyankalizwischenfalls 2006 mittlerweile eine mehr oder weniger regelmaessige Aktion hier. Ich wollte eigentlich auch interessehalber teilnehmen, hatte mich aber aufgrund akuten Schlafmangels kurzfristig umentschieden.

    Nun ist mir aber ein schoenes Flussdiagramm in die Haende gefallen, das im Rahmen der Veranstaltung ausgegeben wurde, und das laesst mich schon ein wenig die Haende ueber dem Kopf zusammenschlagen. Im Amokfall soll die Universitaet per Megaphon ueber die Lage informiert werden, was jedem, der schonmal Megaphone benutzen musste, dann doch eher optimistisch vorkommen duerfte.

    Besonders denkwuerdig ist aber, dass in diesem Plan von Praesidium und Polizei offenkundig davon ausgegangen wird, dass zeitgleich zu Amoklaeufen dann auch mal das Internet kurzzeitig aus der Welt verschwindet. 2006 hatte es immerhin sechs Stunden gedauert, bis das Thema im lokalen Social Network auftauchte — Radio, Fernsehen und Presse wussten trotz eintreffender Polizeihundertschaften stundenlang nichts von der Aktion, was nicht zuletzt an der abgeschiedenen Lage der Uni liegen duerfte.

    Heutzutage duerfte so ein Zwischenfall binnen weniger Minuten auf den ueblichen Kanaelen auftauchen: TU, Twitter, Facebook, aber eben auch als Bewegtbild auf bambuser, qik und Co.

    Um so niedlicher liest sich daher die Anweisung auf dem Flussdiagramm der Uni:

    Presseauskünfte nur durch Präsident/Pressesprecher

    Der Tag der Brandschutztuere

    Ich breche ab. Da bin ich ne Stunde beim Essen, und schon ist die Twitter-Timeline voller Anspielungen auf eine Stahltuere.

    Was ist passiert? Ein paar Aktivisten hatten symbolischerweise den Suedfluegel des Stuttgarter Bahnhofs besetzt. Eigentlich wollte man den dann irgendwann mal wieder friedlich verlassen, nur ging dann eine Brandschutztuer nicht mehr auf, und die Polizei versuchte, eben diese Tuer zu ueberwinden. Und weil @tilman36 das gleich mitgefilmt hat, konnte man den Tueroeffnungsversuch auch im Internet verfolgen. Live. Ueber eine Stunde lang. Der Feuerwehrler in mir, dem das schnelle und effiziente Tueroeffnen beigebracht wurde, hat dann schon etwas lachen muessen, als er die Aufzeichnung gesehen hat (ab ca. 1:30 wirds laut).

    Eine ganz neue Form von Reality-TV. Von den etablierten Medien hatte das natuerlich keiner, bis jetzt.

    PS: Brandschutztueren haben ja gewisse Feuerwiderstandsklassen. Feuerhemmend F30 heisst beispielsweise, dass die Tuer 30 Minuten lang einer Brandbeaufschlagung widerstehen kann. Die besagte Tuer ist dann wohl hochpolizeihemmend P60 😉

    Danke fuer die Links an @sebaso!

    Jetzt dreh’n se durch

    Außerdem hab ich garkeinen Bash ausstehen, ich möchte mich nochmal ausdrücklich von der BECI-Befreiungsfront distanzieren. Ich meine wer setzt sich schon Zwergenmützen und Töpfe auf den Kopf, sowas würde ich niemals tun.

    Der Soundtrack deines Sozialen Netzwerks

    Mittlerweile duerften quasi alle Leute, die ich kenne, „The Social Network“ gesehen haben, und die Palette der Eindruecke reicht von „erstklassig“ bis „dahinplaetschernd und nichtssagend“. Der Knuewer findet beispielsweise letzteres (natuerlich verbunden mit einem Rant „Alte Medien — Internet“) und unterstellt ihm handwerklich schlechte Arbeit; Jeff Jarvis findet den Film handwerklich gut, aber inhaltlich schlecht ausgefuehrt; und Lawrence Lessig beleuchtet das Ganze nochmal aus Sicht der Sache mit dem „geistigen Eigentum“.

    Ich war fasziniert. Und nachdenklich.

    Ich muss an der Stelle nochmal zurueckspulen: Wir waren zu viert im Kino. Bei mir noch Claus und Tobias, die beide seit mehr als fuenf Jahren die Techniker eines regionalen Social Networks sind, und Anya, die dort vor Jahren zum ersten Mal „fuer jemanden fotografiert hat“. Und ich, mittlerweile auch ein paar Jahre dabei. Wir sind kein Facebook, um Himmels Willen, aber immerhin sowas wie das gallische Dorf zwischen Lokalisten und Kwick, wenn man metaphorisch von Muenchen nach Stuttgart faehrt.

    Nach dem Film standen wir alle nochmal ein paar Minuten vor dem Kino zusammen. Wortlos. Claus sagte hinterher, er hatte in dem Moment Lust, sich einfach an den Rechner zu setzen und zu coden. Ich dachte daran, wie unsere Story noch so verlaufen haette koennen, wenn wir in den zehn Jahren hier und dort anders gehandelt haetten. Nein, nicht wie die von Facebook, klar. Egal.

    Was in diesem Moment gut haette laufen koennen: Der Treznor-Soundtrack, als heimlicher Star des Films. Ich weiss ehrlich gesagt gar nicht, ob es auf Facebook auch die typischen StudiVZ-Gruppen a la „Das Leben sollte einen Soundtrack haben“ gibt. Jedenfalls sollte so ein Soundtrack von Trent Reznor kommen.

    Besser online Geld verdienen

    Als ausbildungstechnisch fachfremder zu „Besser online“ zu gehen war ja eigentlich nur so eine spontane Idee, nicht zuletzt ausgeloest durch @nullsummenspiel. Und waehrend des Auftaktpodiums dachte ich mir zeitweise nur noch „Oh Gott, wo bist du hier nur gelandet?!“.

    Im Endeffekt war ich aber zufrieden: Keine Klassenfahrt wie die re:publica, stattdessen ein wahlweise erstaunlich oder erschreckend heterogenes Publikum, und der Eindruck, einige richtig kluge Koepfe erlebt zu haben.

    Einer der klugen Koepfe, die ich bislang noch gar nicht auf dem Radar hatte, ist Jochen Wegner, der zeitweise en passant anstelle des Moderators die Moderation des Anfangspanels uebernahm, und zwar sehr gekonnt, wie ich finde. Leicht hatte er es dabei nicht, sass doch neben ihm Burda-Justiziar Robert Schweizer, der sich vehement fuer ein Leistunggschutzrecht einsetzte, und dabei manches Mal Kausalitaeten zu verwechseln schien — Google News, Henne-Ei, man kennt das ja. Wegners Fragen gefielen mir: Kann nur ein Journalist besser leben als vorher, wenn das Leistungsschutzrecht kommt? Kann das Leistungsschutzrecht ueberhaupt der Plan A sein? Und gibt es einen Plan B?

    Schweizer setzte dem staendig die Worthuelse „Fair Share“ entgegen, in der „Fair“ hauptsaechlich zu bedeuten scheint, dass Google den Verlagen fuer den Dienst der Inhaltelieferung etwas bezahlen moechte. Nun gut. Wegner wollte immerhin hochwertige Inhalte, die nicht ersichtlicherweise von einem Roboter gemacht werden — oder einem Praktikanten, haette ich gerne dazwischengerufen.

    Ganz schwach uebrigens die Auftritte von Andi Popp im Anfangs- und Schlusspanel, in denen er sich hauptsaechlich auf staatliche Ueberwachungs-Horrorvisionen einschoss, die uns allen als logische Konsequenz von Urheber- und Leistunggschutzrecht drohten. Wie ueberholt und kurzsichtig diese Argumentation ist, zeigte sich spaetestens nach einigen Einwaenden von Henning Krieg, und auch in der Frage des geistigen Eigentums an sich ueberzeugte der zweite Bundespirat nicht so wirklich. Dass der Wert eines Stuhls beispielsweise nicht im Materialwert des Holzes, sondern in der Wertschoepfung durch die Umformung des Holzklotzes in einen nuetzlichen(!) Gegenstand begruendet liegt, sollte man schon draufhaben, wenn irgendwann die Schaeuble-Belauscher-Paniknummer nicht mehr funktionieren sollte. Genauso, wie denn Alternativmodelle fuer das finanzielle Ueberleben der Journalisten aussehen sollten.

    Das war ohnehin der Kanon, den ich haeufig hoerte: „Wie kann man denn da Geld verdienen“. Oder unglaeubige Kopfschuettler, als Christian Jakubetz — noch so ein kluger Kopf, dessen Blog man unbedingt lesen sollte — beilaeufig in seinem Panel erwaehnte, dass er sich an manchen Tagen bis zu sechs Stunden am Tag mit Social Media beschaeftige. Im Wesentlichen scheint sich in vielen Koepfen eben immer noch alles ums Geld zu drehen — samt aller negativen damit verbundenen Randerscheinungen. IVW-Klickvieh und so. Der empfundene Riss geht dabei quer durch alle Altersgruppen, wie sich auf spaeteren Panels feststellen liess.

    Zum Beispiel, als es (gleich zwei Mal hintereinander) um „Crossmedia“ ging. Oder „bimedial“. Oder „intermedial“. Da fingen ja schon die Verstaendnisschwierigkeiten an: Was ist das ueberhaupt, Crossmedia? Fuer mich war irgendwie immer klar, dass „Crossmedia“ heisst, im Netz nicht nur Text anzubieten, sondern immer auch das, was sich gerade als Erzaehlform anbietet. Denkste, sagt Jakubetz, der mir als Crossmedia-Paradebeispiel „Neon“ nennt: Heft, Community, Lebensmittelpunkt. Peng. Ganz andere Richtung.

    Fuer viele Redakteure wiederum schien „crossmedia“ in den letzten Jahren immer wieder auf Video hinauszulaufen, und zwar von der Sorte „Video um jeden Preis“, egal ob die Erzaehlform in dem Fall angemessen ist oder nicht. Und hier liegt meiner Meinung nach auch der Teufel begraben: Im Endeffekt mangelt es doch in den meisten Haeusern an der ausreichenden Anzahl brillianter, kreativer Koepfe, die sich gegenseitig befluegeln — der begnadete Texter, der zusammen mit dem hervorragenden Fotografen und einem Cutter ein Thema in Text, Stand- und Bewegtbild aufarbeitet, beispielsweise.

    Stattdessen findet die meiste Ausbildung immer noch in-house in Autodidaktik statt, wo Mittelmaessigkeit als Resultat hohen Zeitdrucks als akzeptabel dargestellt wird, oder wo abstruse Regeln wie die Sache mit der Video-Laengenbegrenzung von keinesfalls mehr als 90 Sekunden gepredigt werden.

    Woran es aber am meisten mangelt, ist ein Sammelpunkt, wo sich Gleichgesinnte ueber ihre Multimediaprojekte austauschen koennen. Wo gezeigt werden kann, was man selber gemacht hat, und man sich gegenseitig konstruktiv kritisieren kann. Finding the Frame ist so etwas — fuer den US-Markt. Warum gibt es das denn nicht fuer Deutschland?

    Nun gut.

    Eigentlich wollte ich noch mehr Leute hier zitieren und einbauen, aber irgendwie funktioniert das wohl doch nicht mehr, ohne einen riesigen Text zu bauen. Erwaehnt werden sollen aber noch:

    Nachtrag, 11.10., 1332: Noch mehr Berichte bei bjvjungblut, Gulli.com, Ulrike Langer, Hardy Prothmann und Inge Seibel (mit Video!)

    Expresserbriefe

    Da sage noch einer, Studenten haetten ja sooo viel zu tun. Nachdem die Mitglieder eines gewissen Arbeitskreises ein wenig arg haeufig einen argen Verhau im BECI-Buero hinterlassen haben, wurde kurzerhand die zurueckgelassene Bialetti Moka Express samt Espressopulver beschlagnahmt. Und heute lag ein Erpresser Expresserbrief im Mailpostfach:

    Hmmm, Gummibaerchen… 🙂

    Die BECI-Befreierfront ist natuerlich was ganz anderes als alle anderen Befreierfronten:

    Bitte verwechseln Sie die BECI-Befreiungsfront nicht mit der Befreiungsfront des BECI (Spalter!), diese verfolgt völlig gegenläufige und inkompatible Ziele.