Archiv für den Monat: Oktober 2009

Wer richtet bitte was an?

Die Geschichte ist an sich tragisch, und ausserdem wie geschaffen fuer eine Schlagzeile: Waschmaschine reisst vierjaehrigem Buben den Arm ab. Dramatisch. Raetselhaft. Und dadurch auch nachvollziehbar, dass die Behoerden erst einmal ermitteln wollen, bevor sie genauere Informationen zum Tathergang veroeffentlichen.

Das ist natuerlich Gift fuer eine Nachrichtenwelt, in der jede Information so schnell wie moeglich verbreitet, jedes Thema intensiv ausgeschlachtet werden muss.  Man moechte recherchieren, befragt Unfallchirurgen, wie der Bub so lange ueberleben konnte, will mehr Informationen — die haben aber momentan nur die Polizei und die Klinik. Und die schweigen.

Hans-Uli Thierer von der SWP bemaengelt deshalb:

Wenn aber die Bilanz amtlicher Nachrichten so ausfällt, dass mehr Fragen stehen als Antworten gegeben werden, dann liegt rechnerisch eine Nullinformation vor. Sie führt uns in journalistische Grenzbereiche, die den Nährboden bilden für Spekulation, Phantasie, Verdächtigung. Die Ermittler sollten sich im Klaren sein, was sie damit unter Umständen anrichten können.

Ist es nicht seltsam, moegliche Spekulationen angesichts der duerren Informationslage ausgerechnet den Behoerden zuzuschreiben, die keine dieser Spekulationen in die Welt gesetzt haben? Was erwartet Thierer? Oder ist das ein duenn kaschierter Erpressungs- (oder besser Trotzigkeits-)Versuch nach dem Motto “entweder ihr gebt uns die Informationen oder wir erfinden einfach irgendeinen Scheiss”? Diejenigen, die auf Basis von Nullinformation gemeinhin Spekulation, Phantasie und Verdaechtigung verbreiten, sind meistens Journalisten, nicht amtliche Ermittler. Und dass sie sich ueber die Folgen in der Regel im Klaren sind, hindert sie selten an ihrem tun.

Anders als Ärzte unterliegen Polizei und Staatsanwaltschaft keiner Schweigepflicht. Eine stereotype Antwort, warum keine habhaften Auskünfte zu erhalten sind, lautet: ermittlungstaktische Gründe. Welche ermittlungstaktischen Hinderungsgründe anfangs vorlagen, Aussagen zu verweigern, in welchem Milieu und unter welchen familiären Bedingungen sich der tragische Fall ereignete, bleibt das Geheimnis der Ermittler.

Natuerlich unterliegen Polizei und Staatsanwaltschaft keiner Schweigepflicht. Sie sollten aber sorgfaeltig abwaegen, welche Informationen wann an die Oeffentlichkeit gelangen, gerade um Vorverurteilungen, Fehlinterpretationen und Spekulationen zu vermeiden. Und manchmal kann es sinnvoller sein, erst einmal gar nichts zu sagen.

Welche Bedeutung das “Milieu” (allein das Wort schon!) und die familiaeren Bedingungen der Betroffenen fuer die oeffentliche Berichterstattung spielen, bleibt indes das Geheimnis des Hans-Uli Thierer.

so i herd u liek iphones

Es gibt noch Hoffnung fuer manche deutsche Nachwuchsjournalisten. Meine Lieblingsjournalismusstudentin (wir erinnern uns, ich darf ihren Namen nicht mehr erwaehnen, wegen des boesen Google-Imperiums) hatte ja bislang wenig Lust auf den ganzen Web-2.0-Kram, und als sie mir fuer die rp09 eine Unterkunft in ihrer wunderhuebschen WG am Frankfurter Tor gewaehrte, war sie ueberhaupt nicht ueberzeugt von meinen wohlueberlegten Argumentationsketten, warum sie da unbedingt mitmachen muesse, wenn sie in zehn Jahren immer noch Journalistin sein wolle. Schliesslich gibt es ja in zehn Jahren keine Zeitungen mehr, oder so aehnlich.

Dementsprechend war ich sehr ueberrascht zu hoeren, dass W. nun ein iPhone haben moechte. Zumal Mobiltelefone fuer sie bisher eher sowas wie Wegwerfware waren. Naja, versehentlich-verlier-, oder ins-Klo-fallenlass-Ware. Die Erklaerung folgte aber sehr schnell: Sie ist derzeit fuer ein Semester in den USA, und zum Curriculum gehoeren auch Besuche in verschiedensten Redaktionen. Und dass dort alle, inklusive der WaPo, ein duesteres Bild von der Zukunft gedruckter Zeitungen zeichnen, hat sie jetzt wohl doch ein wenig in ihren Grundfesten erschuettert.

Eigentlich nur schlimm, dass man fuer die Erkenntnis extra in die USA reisen muss. Hierzulande werden ja immer noch Durchhalteparolen und Leistungsschutzrechtsforderungen durch die Chefetagen geroehrt.

A propos: Es sind wieder Medientage. Es darf geschimpft werden.

Zufaellige Begegnungen

Today, I was humming the Mission Impossible theme song as I was walking through Target. Suddenly a guy walked by humming the James Bond theme song. We both paused and stared at one another, then he made a gun with his fingers and shot me. Touche, 007, touche. MLIA

Fmylife kennen ja mittlerweile alle, My Life is Average habe ich heute zum ersten Mal gesehen — musste aber gleich mal eine Stunde lang kichernd die best-ofs lesen. Zufaellige Begegnungen, herzerwaermende Geschichten — einfach der ganz normale Alltag. Und oft genug mit einem kleinen Twist. Leseempfehlung.

A few days ago at school, my boyfriend’s two little brothers tackled me and stole my shoes. Since they are both over 6 feet and I’m only 5′4, I recruited my english teacher to help, since he has one of them the period after us. By the time school was over, there were amazing stories going around about how my 71 year old english teacher tackled a freshman in his class, stole his shoes, then ran away laughing maniacally. I win this war. MLIA.

Habe ich schon “herzerwaermend” gesagt?

Today, my girlfriend and I went paintballing. I was worried she wouldn’t have a good time, but when I snuck up behind her, I heard her humming the song from Star Wars when the Tie Fighters attack. I didn’t have the heart to shoot her. MLIA

Und taeglich gibts Bezahlinhalt

Die Augsburger Allgemeine will wieder mal auf Bezahlinhalte setzen. Bitte selbst in beliebiger Reihenfolge einsetzen: $gaehn, $rant, $kopfschuettel. Aber halt, ein Aspekt war neu und hat mich nachdenken lassen: Sie wollen die Lokalnachrichten einzaeunen. Also das, was man eben nicht schon irgendwoanders bekommt, und zufaelligerweise genau das, was fuer mich noch den einzigen Anreiz bietet, eine lokale Tageszeitung zu lesen.

Ich bin mal gespannt, ob sich das durchsetzt. Und wie lange es dauert, bis es eine kostenlose Alternative gibt.

Was ist denn dieses “Crowdsourcing” ueberhaupt?

Einige Leser duerften sich jetzt ausklinken, aber ich muss dieses Blog mal wieder dafuer nutzen, wofuer ich es urspruenglich angeschafft habe: Als Gedankenmuellhalde, auf der ich meine Ueberlegungen ablegen und dabei strukturieren kann ;)

Eine meiner Seminararbeiten dieses Semesters wird sich naemlich um Crowdsourcing drehen, und obwohl ich das Thema urspruenglich gar nicht haben wollte, finde ich es immer faszinierender. Und da ich jetzt mit der Literaturrecherche anfange und mich durch tausend Papers wuehlen werde, moechte ich erst einmal das festhalten, was ich mir bisher ausgedacht habe.

Erst einmal ist der Begriff relativ diffus — im Wesentlichen geht es einfach nur darum, dass eine bestimmte Arbeit an viele Leute verteilt wird. Entweder macht man das, weil man selber keine Lust darauf oder Ressourcen dafuer hat (Firmen wollen damit auch gerne Geld sparen). Oder aber man vertraut dabei auf die Intelligenz der Masse, weil heterogene Ansammlungen ganz verschiedener Leute, anders als man vielleicht zunaechst meinen wuerde, bei der Erledigung mancher Aufgaben deutlich besser sind als einzelne Experten. Letzteres ist gar nichts so neues, Francis Galton nannte es schon 1906 Vox Populi: Als damals 787 Leute das Lebendgewicht eines Ochsen (1198 Pfund) schaetzen sollten, lagen die einzelnen Schaetzungen zwar zum Teil weit vom tatsaechlichen Ergebnis entfernt, den Mittelwert aller Schaetzungen errechnete Galton aber bei 1207 Pfund, also mit nur 0,8% Abweichung vom tatsaechlichen Ergebnis. Klingt also prinzipiell prima: Der Schwarm ist intelligenter oder zumindest staerker als die einzelnen Mitglieder des Schwarms, also schreiben wir alle Probleme oeffentlich aus, und der Superorganismus Internet wird’s schon richten.

Klappt aber nicht. Jedenfalls nicht immer.

Im Fontblog gibt es heute eine beispielhafte Aufzaehlung von Crowdsourcing-Aktionen, die in die Hose gegangen sind, natuerlich aus dem Designbereich. Der Logowettbewerb von Frank-Walter Steinmeier ist nur ein Beispiel. Andere Wettbewerbe — dem Gefuehl nach hauptsaechlich die Aktionen, die von irgendwelchen Werbeagenturen konzipiert werden — locken keinen Hund hinter dem Ofen hervor. Woran koennte das liegen?

Die erste Idee war, die Crowdsourcing-Konzepte, die ich kannte, ein wenig zu ordnen. Man kommt auf diese Weise relativ schnell auf die folgenden Kategorien:

  • Grosser Sandhaufen, viele Schaufeln: Man hat einen grossen Haufen simpler Arbeit, die von Maschinen nicht, von Menschen aber relativ einfach erledigt werden kann. Auf diese Weise funktionieren recaptcha oder das Projekt des Guardian, zwei Millionen(!) Seiten Dokumente von 20.000 Freiwilligen durchsuchen zu lassen, um so eine Schmiergeldaffaere aufarbeiten zu koennen. Die einzelnen Arbeitsbloecke lassen sich mehr oder weniger beliebig gross einteilen, bauen nicht oder nur kaum aufeinander auf, koennen parallel abgearbeitet werden und lassen sich hinterher problemlos wieder zusammenfuehren. Distributed-Computing-Systeme wie SETI und Co. wuerde ich auch gefuehlsmaessig hier einordnen, auch wenn hier tatsaechlich die Maschinen arbeiten, nicht die Menschen.
  • Irgendwo wird sich schon ein Experte finden: Wir haben ein Problem, fuer das es viele moegliche Loesungen gibt, letzlich kann aber nur eine einzige eingereichte Loesung verwendet werden. Kollaboration ist quasi nicht moeglich, und oft bedarf es ausreichender Kenntnisse, um eine hochwertige Loesung zu finden. Typische Vertreter dieser Gattung sind Logowettbewerbe oder Logo-crowdsourcing-Plattformen.
  • Evolutionaere Projekte: Man beginnt mit einem relativ einfachen Grundstock, der sukzessive kollaborativ erweitert wird, bis man einem Ziel moeglichst nahe kommt. In den unterschiedlichen Entwicklungsstadien (die bisweilen innerhalb eines Projektes auch gleichzeitig vorkommen) koennen Personen verschiedener Kenntnisstaende ihre Beitraege leisten und fuer die Weiterentwicklung des Systems sorgen. Beispiele sind die Wikipedia und Open-Source-Projekte.

Die Grenzen sind bisweilen fliessend.

Zweitens faellt auf, dass es quasi immer eines Anreizes bedarf, Zeit und Hirnschmalz fuer diese Arbeit zu investieren. Bei der Schmiergeldaffaere ist es tatsaechlich “oeffentliches Interesse”, wegen dessen sich ein Teil der interessierten Oeffentlichkeit durch die Akten wuehlt, bei den Logowettbewerben ein ausgelobtes Preisgeld oder die schiere Begeisterung fuer die Sache (Obama! Piraten! Jehova!), und bei vielen Open-Source-Projekten einfach die pure Notwendigkeit, dem WLAN-Router jetzt auch noch Asterisk, VLANs und ENUM-Lookup beizubringen (und, natuerlich, Muhgeraeusche zu machen. Das ist meistens wichtiger als alles andere).

Die fehlgeschlagenen Kategorie-2-Crowdsourcingprojekte scheinen also hauptsaechlich daran zu scheitern, dass die wirklich guten Experten keinen Anreiz hatten, sich an den Wettbewerben zu beteiligen — ich bin mir aber ohnehin uneins, ob man hier den Begriff “Crowdsourcing” ueberhaupt verwenden sollte. Sollte “Crowd” schon deswegen gelten, weil man den Auftrag an eine grosse Menge von Leuten ausschreibt, oder sollte das erst zutreffen, wenn auch tatsaechlich eine gewisse Menge von Menschen am Endprodukt mitarbeitet?

Einmal davon abgesehen, ist eine weitere Frage, wie man einen geeigneten Anreiz fuer die Arbeit an Crowdsourcingprojekten findet. Recaptcha kombiniert das klassische Captcha — das auszufuellen notwendig ist — mit der Eingabe ocr-unlesbarer Texte, also quasi die Kombination des Notwendigen mit dem Nuetzlichen. Nachdem es fuer einige Menschen offenbar auch die vollkommene Erfuellung darstellt, taeglich stundenlang ihre Farmen auf Facebook zu pflegen, koennte man auch darueber nachdenken, verteilte Arbeiten in Spielen loesen zu lassen. Es scheint also so, als muesste ich auch mal bei den Psychologen anklopfen ;)

…ja, das sind die Fragen, mit denen ich mich jetzt so beschaeftigen werden. Und einmal aufgeschrieben wirken sie gar nicht mehr so maechtig und bedeutend wie im Kopf. Aber zumindest habe ich jetzt einmal einen Anfang — und kann nun herausfinden, wie viel des oben geschriebenen schon vor Jahren in wissenschaftlichen Journals klassifiziert und beschrieben wurde :D

Edit: Fleissaufgabe — in welche Kategorie faellt die Blogosphere?

So you think you can tell Arial from Helvetica?

Neulich schrub ich hier ja schon in gewohnt polemischer Weise, dass man sich gefaelligst besser eine Axt in die Hand treiben anstatt Arial fuer ordentlich gesetzte Arbeiten verwenden solle. Es gab dann Rueckfragen, wo denn nun der Unterschied bei den eingebundenen gefakten Arial-Logos zu den Logos in Original-Typo zu finden sei, und ich war dann natuerlich erst einmal fuerchterlich entsetzt.

3mlogo

Via ilt bin ich nun auf ein kleines Quiz gestossen, mittels dessen man beweisen kann, dass man Arial und Helvetica tatsaechlich auseinanderhalten kann, und zu meiner Ehrenrettung kann ich sagen, dass ich nur bei Mattel falsch lag. Probiert’s mal aus — Tipp: Die besten Glyphen, an denen man die beiden im Quiz unterscheiden kann, sind G, c, C, t, e, a, r, S, s, k, R, O, o und 3.

…und selbst wenn ihr es nicht herausfindet — versucht mal zu erkennen, welches Logo “hochwertiger” wirkt. Oben ist natuerlich links Helvetica, rechts Arial.

Internet ab 18

Ein frueherer Studienkollege von mir nennt sich schon seit Jahren im Netz “webcam”. Soweit ich weiss, stammt das noch aus IRC-Zeiten, hat keine tiefere Bedeutung und sollte demnach eigentlich auch keine weiteren Konsequenzen ergeben.

Bis auf die Tatsache, dass er den Namen auch in Skype verwendet und dort taeglich etwa zehn Freundesanfragen bekommt. Von Leuten, die hinter dem Nick eine Cam-performerin (nsfw) vermuten. Und die sich auch nicht von dem “maennlich” im Profil irritieren liessen, als das dort noch stand.

Transcripts der Unterhaltungen gibt es auf internet-ab-18.de, und wenn man den Hintergrund kennt, muss man einfach immer wieder schadenfroh schmunzeln — und bekommt Einblicke in mancherlei Psyche.

[18:26:42] xxxx: soll papa sich ausziehen?
[18:27:00] webcAm: ich bitte darum
[18:27:04] xxxx: aber erstmal nur unten
[18:27:12] xxxx: ok mein töchterlein
[18:28:05] xxxx: ok fertig
[18:28:15] webcAm: och ist der süß
[18:28:32] xxxx: süß :D
[18:29:01] xxxx: wie heisst du denn mit vornamen?
[18:29:04] webcAm: sieht aus wie ein penis, nur viel kleiner

SWU-Daten befreit :D

Ich liebe das Internet :) Taxilof hat eine API gestrickt, um die ansonsten versteckten SWU-Livedaten auszulesen und weiterverarbeiten zu koennen. Heisst momentan zutreffenderweise api_bad und funktioniert sogar — also reinhauen und basteln, Stammverzeichnis hier.

Semesterticketreferent Finn hat aber auch schon angekuendigt, mitschubsen zu wollen, und laut der Ubicomp-Betreuer kann da gerne auch mal das Dekanat die SWU anschubsen. Vielleicht gibts dann bald sogar eine “offizielle” API. Fein :)

Die Streisand, die sie riefen

Addendum: Nachtrag zum Markenrecht, Schutzklassen und warum abgemahnt werden “muss” — ganz am Ende.

Noch ein Nachtrag: @shirtissimo hat mich auf eine zweite Markenanmeldung hingewiesen, siehe unten.

Markenrecht ist schon etwas interessantes. Jack Wolfskin hat beispielsweise unter der Registernummer 1049489 eine Bildmarke fuer ihr Tatzenlogo angemeldet und deswegen auch schon die taz abgemahnt, weil die ein Handtuch (Nizza-Klasse 25) mit ihrer nicht-angemeldeten taz-”Tazze” bedruckt hatten, obwohl die eigentlich aelter ist als die JW-Tatze. Ging dann auch vor Gericht und gab viel Bohai, und seit ich das weiss, kaufe ich auch bei JW nix mehr, obwohl die wirklich  brauchbare Arbeitshosen haben. Einkauf ist eben immer auch Sympathiesache.

Die letzten Sympathien hat sich JW wohl nun durch die Abmahnung von Dawanda-Mitgliedern verscherzt. Dawanda ist sowas wie das deutsche Etsy: Leute naehen, basteln Zeugs und verkaufen es dann auf der Plattform. Hab ich nie genutzt, find ich aber nett. Und genau dort gab es wohl Leute, die Bekleidung mit — festhalten — Tatzen bedruckt haben. Glitterkatzentatzen beispielsweise. Und waehrend ein Markeninhaber rechtlich die Pflicht hat, gegen Verwaesserung seiner Marke vorzugehen (da sonst Verwirkung und was weiss ich drohen), sehen offenbar viele nicht ein, warum die betroffenen Dawanda-Nutzer nun rund 1000 EUR Abmahnkosten tragen muessen.

Da stelle ich mir mal wieder die Frage: Egal ob Jako, Jack Wolfskin, der DFB — sind die wirklich alle so bloed, oder tun die nur so? Duerfte mittlerweile nicht auch der letzte erkannt haben, dass es verdammt kontraproduktiv ist, einzelnen Leuten dicke Abmahnsummen aufzubrummen? Weil sich das herumspricht, andere empoert sind, in Kommentaren zur Unterstuetzung aufgerufen wird, der Werbeblogger mit seinem Anstoss gebenden Artikel seit gestern abend wegen massiven Ansturms down ist und nach dieser Aktion vermutlich nicht nur ich keine JW-Artikel mehr kaufen werde.

Das war eine rhetorische Frage. Nein, haben sie nicht. Wir duerfen gespannt bleiben, wann das Cluetrain-Manifest endlich auch beim Rest der Welt ankommt.

Nachtrag: Die Sache mit den Nizza-Klassen

Weil ich in manchen anderen Blogs Behauptungen sehe, JW koenne einen abmahnen, wenn man irgendwo was tatzenartiges besaesse: Nein, so einfach ist das nicht. JW hat die Bildmarke fuer die Nizza-Klassen 20, 21 und 25 die Bildmarke urspruenglich fuer die Nizza-Klassen 20, 21 und 25 angemeldet, 2005 gab es nochmal eine zweite Markenanmeldung fuer die Schutzklassen 1, 3, 9, 18, 21, 22, 24, 25, 27, 28, 35, 41 und 42 (whew, danke fuer den Hinweis an @shirtissimo). Von diesen Klassen gibt es ganze 45, und bei einer Markenanmeldung kann man sich beliebig viele davon heraussuchen (wenn man das denn begruenden kann). Drei gibt’s zum Einheitspreis, alles darueber hinaus kostet nochmal extra.

Jack Wolfskin darf also exklusiv sein Tatzenlogo u.a. auf Moebel, Zelte, Planen, Segel, Kleidungsstuecke, Schuhe und Huete drucken — und das war’s seit 2005 unter anderem auch auf Impraegniermittel, Waschmittel, Zahncreme, Laptopcases, Lederwaren, Rucksaecke, Bergstoecke, Geschirr, Badewaesche, Matten, Spiele etc.

Die taz darf (trotzdem) weiterhin ihre tazze auf der Website und in der Zeitung abdrucken, weil diese Bildmarke zwar nicht angemeldet ist, aber “durch die Benutzung […] im geschaeftlichen Verkehr […] innerhalb beteiligter Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung erworben hat” (§4 MarkenG). Das Problem trat also auf, als die taz ein Handtuch mit der tazze verkauft hat — das faellt offenbar in die Klasse 25, in der JW einen Markenanspruch hat.

Die Crux ist, dass ein Markeninhaber irgendetwas tun muss, falls jemand anders seine geschuetzte Marke verwendet — auch bei aehnlich aussehenden Marken. Falls naemlich ein Markeninhaber die Verwendung solch einer anderen, aehnlichen “Marke” fuenf Jahre in Folge duldet, kann er die Verwendung dieser juengeren Marke nicht mehr untersagen (§21 MarkenG). Dass die Art und Weise, wie das geschah, reichtlich bescheuert ist, brauchen wir wohl nicht weiter eroertern.

Und noch ein Nachtrag: Nein, Jack Wolfskin kann weder mir noch sonst jemandem verbieten, mir eine Tatze auf den Parka zu malen. Nur verkaufen darf ich ihn dann nicht.